SteglitzMind stellt Anubis mit „Lake Hermanstadt“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Heute lernen wir Christoph aka Anubis mit dem Blog Lake Hermanstadt etwas näher kennen. Vorgeschlagen hatte das Frank Böhmert, der unter eben diesem Namen bloggt.

Dein Steckbrief in Stichworten…

Außerhalb des Internets heiße ich Christoph Jarosch. Seit ein paar Jahren wohne ich in Hamburg (davor war es Buenos Aires, davor verschiedene Städtchen in Hessen). Am Wochenende bin ich meist in Rostock zu finden, denn dort lebt der Mensch, mit dem ich Glückspilz verheiratet bin. Ich studiere Theologie, nachdem ich zuvor eine Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht habe. Und ich lese viel.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Vor fünf Jahren habe ich angefangen. Nach einer Weile kam Eosphoros dazu, der ebenfalls auf Lake Hermanstadt schreibt. Als ich Anfang 2009 auf die Idee kam, ein Blog anzulegen (und es nach dem imaginären Karpatengewässer zu benennen, an dessen Ufer sich laut Stokers Roman die Universität befand, an der Graf Dracula studierte), fiel die Wahl für Blogger als Plattform eher zufällig. Blogger erschien mir leicht zu bedienen. Heute würde ich mich – um unabhängiger zu sein und mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu haben – sicherlich anders entscheiden.

Christoph aka Anubis © privat

Christoph aka Anubis © privat

Ich schreibe über Literatur, weil es das Thema ist, über das ich mich am liebsten äußere. Da ich das nicht professionell, sondern zum Vergnügen mache, ist ein Blog das ideale Medium, denn es bringt vergleichsweise wenige Einschränkungen des Ausdrucks und der Themenwahl mit sich (neben denen, die ich mir selber setze). Über meine Lektürevorlieben zu bloggen, ist für mich das Äquivalent zu den persönlichen Bücherregalen, die man manchmal in lange bewohnten Zimmern findet: Man ist bei irgendjemandem zu Besuch und fragt sich, warum die Person einen Band über Gartenbaukunst zwischen Wolfgang Herrndorf und ein zerfleddertes Exemplar von Alice im Wunderland gestellt hat. Die Bücher sind – in ihrer Anordnung im Regal, ihrem Zustand und so weiter – dadurch vereint, dass sie durch die Hände einer bestimmten Person gegangen sind. Büchersammlungen können ein faszinierender Ausdruck von Idiosynkrasie sein. Und noch schöner ist, über sie zu bloggen und andere mit der eigenen Lektüre anzustecken.

Hinzu kommt bei mir noch etwas anderes: Ich bin eher schüchtern und versponnen. Beim Bloggen kann ich meiner polemischen Seite freien Lauf lassen, die ich sonst oft unterdrücke. Dabei heißt Polemik für mich vor allem Parteilichkeit. (Kritik ist eine moralische Sache, wie Walter Benjamin sagte.) Mit Verrissen um des Verreißens willen kann ich dagegen nichts anfangen.

Deine Themenschwerpunkte…

Es geht vor allem um phantastische Literatur, angefangen von der Gothic Romance und dem Kunstmärchen der Romantik bis zur heutigen Fantasy. Aufmerksam werde ich insbesondere dann, wenn Hochliteratur und Genre, Kinder- und Erwachsenenbücher aufeinandertreffen (beispielsweise im Werk von Autorinnen wie Jeanette Winterson und A.S. Byatt). Viele Interessen teile ich mit meinem Mitblogger Eosphoros, daneben haben wir aber auch jeweils eigene Schwerpunkte: Eosphoros rezensiert z.B. gern Hörbücher. Ich schreibe viel über politische Kontroversen innerhalb des Fantasy-Fandoms.

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Es treibt mich nicht gerade um, aber: In Deutschland ist jede Literaturdebatte begrüßenswert, die sich nicht darum dreht, dass Walser oder Grass wieder einmal etwas unsagbar Blödes von sich gegeben haben. Oder darum, dass Heidenreich sich über die Bestsellerlisten ereifert. Die Debatte über Realismus und Diversität in der deutschsprachigen Literatur, die zu Beginn des Jahres geführt wurde, fanden viele überflüssig, aber ich habe sie mit Interesse verfolgt.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Ich verlinke sie auf Twitter und Facebook. Updates im Blog werden auch auf den Seiten von HDRF.de angezeigt, einem Fan-Portal, das u.a. die freie Tolkien-Enzyklopädie Ardapedia betreibt. Beifall und Kritik kommen aber hauptsächlich von Leuten, die Lake Hermanstadt regelmäßig besuchen. Danke dafür.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Glauben, dass die Blogosphäre spätestens morgen die etablierte Presse ersetzt haben wird. Das erinnert mich immer an Leute, die meinen, durch individuelle Konsumentscheidungen das Verhalten von Konzernen ändern zu können.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Ich finde es wichtig, sich in der Literaturblogszene zu solidarisieren, wenn es zu Mobbing oder verbalen Übergriffen kommt. Es gibt leider mehr als einen Autor, der auf mackerig-aggressive Weise seine Vanity-Press-Veröffentlichungen zu bewerben versucht und dabei ausfällig wird. Dahinter steht natürlich keine Schwierigkeit, die für das Bloggen spezifisch ist, sondern ein gesellschaftliches Problem.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger…

In eine neue Stadt ziehen und gleich Leute treffen, die mich kennenlernen wollen, weil sie mein Blog lesen.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Ich nehme das Angebot nur an, wenn mich das Buch ohnehin interessiert. Es würde mich schnell langweilen, meine Lektüre auf Neuerscheinungen zu beschränken – und mein Bloggen. Über Genregeschichte, Literaturdebatten und diesen oder jenen Klassiker zu schreiben, macht mir oft mehr Spaß. Trotzdem werden auf Lake Hermanstadt regelmäßig eklektisch ausgewählte Bücher rezensiert.

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Die lehne ich ab. Nicht, weil ich selbstpublizierte Titel pauschal für schlecht hielte (ich weiß, dass es da lesenswerte Sachen gibt), sondern weil ich gar nicht allen Angeboten nachkommen könnte. Nur einige selbstpublizierte Titel zu besprechen und andere nicht, fände ich (nicht als Leser, aber als Kritiker) intransparent gegenüber einer Sparte, der vor allem eins fehlt: zuverlässige Kriterien, wann ein Text veröffentlichungswürdig ist und wann nicht. Insofern begrüße ich eine Initiative wie Qindie.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

Ich hätte gerne schon als Kind einen Reader gehabt. Dann hätte ich nicht Nacht für Nacht mit der einen Hand ein Buch und mit der anderen eine funzelnde Taschenlampe umklammern müssen. Hierzu gibt es auch eine Nachricht von Eosphoros: Er liebt das E-Book an sich, wünscht sich aber, dass sie genauso sorgfältig und professionell hergestellt und gestaltet werden wie Printbücher. E-Books voll mit Fehlern sind ein Ärgernis, vor allem wenn man keine Reklamationsansprüche geltend machen kann.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Skalpell und Katzenklaue ist eine schier unerschöpfliche Fundgrube zu Weird Fiction, dem phantastischen Film und vielem mehr. Schade finde ich, dass Golem – Journeys Through the Other Space, ein Blog über Surrealismus und andere interessante Dinge, seit etwa einem Jahr nicht mehr gepflegt wird. Auf Jakobs Blog gibt es scharfsinnig analysierende, brillant geschriebene Rezensionen. Das noch recht neue Epi(b)log von Simone Heller kann ich mir schon jetzt kaum mehr wegdenken aus der deutschsprachigen Blogosphäre. An sie würde ich gerne den Stab weiterreichen. Simone steht auch hinter dem Rezensionsportal Bibliotheka Phantastika, mit einem ebenfalls empfehlenswerten Gemeinschaftsblog.

Danke sehr, schön dass du hier dabei bist.

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Zuletzt stellte sich Frank Duwald mit dandelion | abseitige Literatur vor. Seine Wunsch-Interviewpartnerin kiyaliest. – Eine Übersicht über die 75 Blogger und Bloggerinnen, die bislang Rede und Antwort standen, und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier