Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.
Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?
Dass wir Jessica Ebert und Katja Weber von der Berliner Buchhandlung ebertundweber etwas näher kennenlernen sollten, hatte Snoopylife vorgeschlagen, der das Blog dements betreibt.
Eine Skizze vom Laden…
Wir, Jessica Ebert und Katja Weber, haben ebertundweber 2006 gegründet. Seit 2013 haben wir Anne Gregor als Teilzeitangestellte dabei.
Warum sind Sie Buchhändlerinnen geworden?
Weil wir Bücher lieben.
Wir hatten den Traum, eine Buchhandlung zu gestalten und zu führen und beide hatten wir den Traum, diesen in Kreuzberg zu verwirklichen und dort vor allem den kleinen unabhängigen Verlagen ein Forum zu bieten.
Auf wenig Fläche spannende Bücher ansprechend präsentieren, Intellekt und Unterhaltung miteinander verbinden!
Wir sind ein optimales Duo aus einer „gelernten“ Buchhändlerin und einer Quereinsteigerin, die durch ihre Branchenferne viel Neues sieht. Dadurch gelingt uns der Blick über den Buchhändlertellerrand immer wieder.
Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?
Nicht die Bedingungen würden uns abschrecken – höchstens die Verdienstchancen – aber die waren im Buchhandel schon immer sehr bescheiden….Der klassische Buchhändler verdient unwesentlich mehr als jeder andere Verkäufer im Einzelhandel.
Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?
Alles geht schneller, aber die Kunden sind geduldiger geworden.
Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?
Wir haben seit Gründung unseres Ladens einen Onlineshop, der auch gerne genutzt wird, allerdings ist es nicht soo einfach diesen bei den Kunden bekannt zu machen.
Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?
Berlin nimmt bezüglich des Buchlädensterbens eine absolute Sonderrolle ein – hier nimmt die Anzahl der kleinen Buchläden jährlich zu! Berlin lebt in seinen Kiezen.
Für uns wären der Fall der Buchpreisbindung und steigende Mieten existenzielle Bedrohungen.
Wie halten Sie es mit dem E-Book?
Bei uns kann man seit einigen Monaten über unserer Website E-Books kaufen, an denen wir dann auch einen Hauch verdienen. Wir freuen uns darüber – allerdings wird dies (noch) nicht häufig genutzt.
Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?
Wenn die Bücher gut sind. Warum nicht?
Wie verkauft man heutzutage Bücher?
Wir haben eine spannende und breite Auswahl, haben dank unseres genossenschaftlichen Einkaufsmodell Anabel, täglich Neues. Wir richten uns beim Einkauf nach unserer eigenen Meinung beziehungsweise der unserer Kunden und wählen jedes Buch individuell aus.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?
1. Verkauft eure Bücher nicht an Amazon!
2. Verkauft eure Bücher nicht an Amazon! Würden sich drei, vier große Publikumsverlage trauen, ihre Titel nicht mehr über Amazon zu verkaufen, wäre der Ruf von Amazon bezüglich der allumfassenden Lieferfähigkeit schnell hin und der Kunde würde auch wieder mal woanders hinschauen.
3. Verramscht eure Bücher nicht so schnell! Die Bücher werden sehr, sehr schnell – manchmal innerhalb eines halben Jahres an moderne Antiquariate billig verhökert, so dass zeitgleich bei uns die „normale“ Ausgabe gehandelt wird – das ist sehr unschön…
Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?
Innovative Werbekampagnen, zum Beispiel wie wahnsinnig schnell der Buchhandel liefert! Nach 30 Jahren immer noch fast ein Geheimnis, obwohl es eines der dicksten Pfunde der Branche ist. Nur Apotheken sind schneller!
Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Wir freuen uns, dass sich trotz allem kleine Verlage neu gründen!
Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?
Weil es so schön ist von Mensch zu Mensch zu reden! Und wer möchte eigentlich in Orten wohnen, wo es keinen Einzelhandel mehr gibt, sondern nur noch Postautos?
Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Die polnische Buchhandlung buch|bund in Berlin/Neukölln, cohen + dobbernigg in Hamburg und Czuly Barbarzynca in Warschau.
Vielen Dank. Das wird sicherlich ein spannendes Unterfangen, eine Warschauer Buchhandlung zu kontaktieren…
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Fünf Fragen vom Börsenblatt für den deutschen Buchhandel zur Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen beantworte ich hier
Zu Wort gekommen sind bislang:
Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen
Edda Braun mit ihrer Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt
Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm
Margarete Haimberger mit ihrer Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg
Sonja Lehmann vom Bücherwurm Borken im Nordhessischen
Martina Bergmann mit der Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen
Thomas Calliebe mit seiner Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau
Mila Becker mit Mila Becker Buch & Präsent in Voerde
Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental
Simone Dalbert von der der Buchhandlung Schöningh in Würzburg
Klaus Kowalke von der Stadtteilbuchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz
Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach bei Erlangen
Petra Hartlieb von der Wiener Buchhandlung Hartliebs Bücher
Nicole Jünger aka Kata Butterblume vom Buchladen am Neuen Markt in Meckenheim
Jörg Braunsdorf von der Berliner Tucholsky-Buchhandlung
Stefanie Diez und ihre Buchhandlung Die Insel im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg
Britta Beecken von der Berliner Buchkantine
Heike Wenige mit dem Taschenbuchladen, der im sächsischen Freiberg ansässig ist
Christian Röhrl von der Buchhandlung Bücherwurm in Regensburg
Susanne Dagen vom Buchhaus Loschwitz in Dresden
Ich freue mich, daß so engagierte Buchhändlerinnen, denen man das größte Pfund des lokalen Buchhandlung, ein individuelles Sortiment und die gute Beratung, sofort „abkauft“ hier für den gemeinsamen Einkauf (ANABEL) werben – denn der größte Vorbehalt gegen dieses Modell war, daß damit alle Buchhandlungen gleich aussehen würden. Das war zwar schon immer kompletter Unfug, aber leider klug gestreut.
Zum Thema Boykott und amazon nur soviel: juristisch ist das gar nicht zu machen, mit der Preisbindung kommt auch eine Belieferungspflicht daher. Das einzige, wogegen ein Verlag sich wehren kann, sind überzogene Konditionsforderungen, d.h.: er muss amazon nicht mehr Rabatt gewähren, als anderen großen Kunden, z.B. Thalia oder den Grosshändlern. Oder er könnte auch für alle Abnehmer gleiche Konditionen festlegen, und wer die nicht bezahlen will, ist draussen. Wer die aber bezahlt, muss auch beliefert werden.
Unbedingt auch richtig ist, daß der Buchhandel es versäumt hat, rechtzeitig eine Plattform für die vielen tausende Verlage aufzubauen, die es aus vielerlei Gründen nur schwer in die Auslage einer Buchhandlung schaffen, so wie amazon das getan hat.
Last-not-least: Ja, amazon bezieht auch von den Barsortimenten Libri, KNV und nach meienr Kenntnis auch von Umbreit seine Ware, allerdings weder nur, noch gar überwiegend. Trotzdem ist amazon auch dort mittlerweile der jeweils größte Kunde.
Beste Grüße nach Berlin, LB
Ein Boykott von Amazon löst das Ganze überhaupt nicht! Nicht Amazon entscheidet wo`s langgeht sondern einzig und allein der Kunde! Besser sein, das ist die Lösung. Allerdings hängt dieses „Bessersein“ nicht nur am Sortiment der Buchhandlung oder an ihren Mitarbeitern, sondern auch am Umfeld. Eine Buchhandlung, die in einem maroden Umfeld wie ein Leuchtturm allein auf weiter Flur steht, hat eigentlich schon verloren. Und das gilt nicht nur am Ort sondern auch im Netz! Hat in einem (kleinen) Ort die Buchhandlung einen Internetshop, steht aber im Ort alleine da so ist das auch nur ein Teil des Notwendigen. Unser Kunde ist es nämlich gewohnt (von Amazon z.B.) das er im Netz bei einer Anschrift eigentlich nahezu alles recherchieren und auch kaufen kann. Also ist es notwendig das er mühelos von einem Shop zum anderen surfen kann, von Geschäft zu Geschäft, von Branche zu Branche, und auch wieder zurück! Dafür braucht es aber attraktive Seiten der Einzelhandelskollegen, und von denen müßen doch viele (zu viele?) erst noch aufwachen, ziehen sie sich derzeit doch reichlich häufig noch auf ein „Meine Kunden wissen wo ich bin“ zurück. Da sind die örtlichen Werbegemeinschaften bzw. die Wirtschaftsförderungen gefragt, sonst wird die einzelne Seite lediglich der schon erwähnte Leuchtturm sein, manchmal leider ziemlich sturmumtost.
Den Satz mit dem Boykott kann man auch anders sehen: Die Verlage nehmen ihre Bücher dort nicht heraus, WEIL Amazon sie so fantastisch verkauft. Sollen unter einem Boykott Verleger und Autoren leiden? Selbst Verleger Schöffling gab in der FAZ zu, inzwischen den Hauptumsatz über Amazon zu machen, weil er in vielen Buchhandlungen gar nicht vorkomme. Und ich kann es als Autorin nur bestätigen, mein Kühlschrank füllt sich inzwischen dank Amazon – das war mal anders, ganz früher. Bei den Buchketten waren einige meiner Qualitätsverlage nämlich auch nicht vorhanden! Ich kann’s drum echt nicht mehr hören: Verkauft meine Bücher so gut wie Amazon und ich bin bei euch. Viel wirksamer als Boykott!
Das mit dem Verramschen ist ein guter Hinweis. Hier sorgen inzwischen viele Verlagsautoren für die eigene Backlist nach Rechterückfall. Gelangen damit aber fast gar nicht in den stationären Buchhandel, warum?
Zudem kauft Amazon ja nicht von den Verlagen direkt sondern von Libri und KNV – ob sich ein Boykott in „zweiter Instanz“ auch rechtlich durchsetzen ließe? Ich hab da so meine Zweifel.
Und: hat ein Boykott irgendeines Großen Bösen schon einmal wirklich etwas gebracht? Beispiele aus der Geschichte des Freien Marktes würden mich brennend interessieren. Die Macht des Boykotts scheint mir eine wünschenswerte Fiktion.
Als ich das gelesen habe, fiel mir ein zugegebnermaßen recht geschmackloses, aber recht passendes Zitat ein.
*Verkauft nicht an Amazon* kann man so übersetzten: Es gibt keinen Grund, warum unsere Kunden nicht bei der Konkurrenz kaufen sollten, denn wir sind ziemlich durchschnittlich und haben nicht wirklich etwas zu bieten. Also bitte beliefert die Konkurrenz nicht mehr.