Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?
Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Heute erfahren wir mehr von Andreas Reiffer, der den Verlag Andreas Reiffer verantwortet. Vorgeschlagen hatte das Dominik Bartels vom Blaulicht Verlag.
Eine Skizze vom Verlag …
Den Verlag Andreas Reiffer habe ich vor 15 Jahren gegründet. Zunächst, um der Literaturzeitschrift SUBH ein Zuhause zu geben. Mit den Büchern hat es dann etwa 2004 so richtig angefangen.
Vor vier Jahren habe ich mich entschlossen, den Hobbybetrieb zu einem professionell arbeitenden Verlag zu wandeln. Dieser Prozess dauert bis heute an. Momentan habe ich noch keine Angestellten.
Die Programmschwerpunkte?
Derzeit habe ich rund 35 lieferbare Titel. Mein Schwerpunkt liegt einerseits bei satirisch-polemischen Werken, die teilweise ins ernsthafte Fachbuchsortiment „abgleiten“. So beschäftigt sich beispielsweise die „Edition Wissenwertes“ mehr oder weniger ernsthaft mit Völkerkunde, dem Internet/sozialen Medien oder mit der Kategorisierung von Monstern! Zudem habe ich einige Werke von Poetry Slammern, wie beispielsweise den „The Punchliner“-Sammelbänden, im Programm. Darüber hinaus gibt es reine Sachbücher, z.B. über Eishockey und Fußball und einige regionale Titel über die Stadt Braunschweig und dem Harz. Ein weiteres Standbein ist die „Pratajev-Bibliothek“ mit Büchern von und über den leider fast vergessenen russischen Dichter und Lebemann S.W. Pratajev und eine Reihe von Bandbiografien.
Ihre persönlichen Highlights im Bücherjahr?
Im Herbst erschien mit „Schimmel über Berlin“ ein Wahnsinnswerk mit Literatur, Visual Art und Gesprächen, die den Wandel und die sympathische „Unfertigkeit“ der Stadt widerspiegeln. Den beiden Herausgebern, Ronald R. Klein und Stefan van Zwoll, ist es gelungen – neben Autoren wie Björn Kuhligk, Torsten Schulz, Astrid Monet oder Kai Grehn – Iggy Pop, Wolfgang Joop, Dieter Meier, Anne Clark und viele andere als Gesprächspartner dafür zu gewinnen. Das Buch wirkt genauso fassettenreich wie Berlin selber und wird sicher noch für längere Zeit mein „Highlight“ bleiben – auch wegen der aufwändigen Gestaltung.
Die kommenden Highlights sind sicher das neue Eishockey-Buch von Frank Bröker und eine von mir herausgegebene Heavy-Metal-Anthologie.
Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?
Das war eigentlich die logische Folge aus der jahrelangen Tätigkeit als Fanzineherausgeber: Das Hobby zum Beruf machen.
Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?
Viele der Bücher sind ja auch ein bisschen meinem Wunsch ans eigene Bücherregal geschuldet: Es gibt keine guten Bücher über Eishockey auf dem Markt? Es gibt keine Biografie der Band SANDOW? Dann mach ich sie halt. Das motiviert mich natürlich sehr bei meiner Arbeit.
Ich besitze eine gewisse Sturheit und bin nicht bereit aufzugeben. Mir gelingt es offenbar auch die eine oder andere Marktnische zu finden, in die meine Bücher passen und die auch anderen Leuten gefallen. Eine weitere Antriebsfeder ist die Zusammenarbeit mit den Autoren, Zeichnern und Lektoren. Die Kommunikation von der Ideenskizze bis hin zur Abgabe der Druckdaten läuft über mich. So ein Projekt mitzugestalten und wachsen zu sehen, ist jedes Mal traumhaft.
Was hat sich infolge der Digitalisierung in Ihrer Arbeits-/Vorgehensweise verändert?
Vieles ist einfacher geworden. Zu Fanzinezeiten musste ich noch Texte abtippen! Auch die Möglichkeit, eine kleinere Auflage in guter Qualität zu produzieren ist ein Riesenvorteil. Ebook-Versionen gibt es momentan noch nicht von allen Titeln – das wird sich aber noch ändern. Der Schwerpunkt wird jedoch beim gedruckten Buch bleiben.
Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?
Darüber mache ich mir wenig Gedanken. Ich mache einfach, was mir Spaß macht.
So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?
Ein längeres Praktikum bei einem größeren Independentverlag. Viele kaufmännische Dinge, Vertrieb usw. habe ich mir zu mühsam selber beigebracht. Diese Zeit hätte ich lieber fürs Programm genutzt.
Wie gewinnen Sie Autoren?
Viele meiner Stammautoren bieten mir Projekte an, wenn sie meinen, dass sie gut bei mir reinpassen. Oft habe ich ja auch eine Idee zu einem Buch und schau dann, wer aus dem Kreis meiner Autoren so etwas machen könnte. Oft ist es auch so, dass ich Autoren aus meinen Anthologien anspreche, ob sie nicht auch mal einen Einzelband machen wollen. Manuskripteinsendungen mir völlig unbekannter Autoren kann ich mir aus Zeitgründen leider gar nicht anschauen.
Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?
Ich beliefere den Barsortimenter und die eine oder andere Buchhandlung selber. Zudem betreibe ich einen Webshop für Endkunden.
Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?
Zum regionalen Buchhandel habe ich gute Kontakte – was natürlich besonders für die Braunschweig-Bücher sehr wichtig ist. Auch einige Musikmailorder oder Sportbuchhandlungen nehmen gerne Titel ins Programm. Grundsätzlich ist aber viel davon abhängig, ob die Bücher eine gute Presse bekommen und dementsprechend dann auch geordert werden.
Wie halten Sie es mit Amazon?
Naja, mein Großhändler beliefert die halt auch … Bei all der berechtigten Kritik an Amazon – dort „liegen“ meine Bücher relativ gleichberechtigt neben den Bestsellern der Majorverlage. Ein Umstand, den ich mir für den stationären Buchhandel auch wünsche. Andererseits gibt es auch zu Amazon wunderbare Alternativen, wenn es denn schon der Onlinebuchhandel sein muss.
Was tun Sie für Ihr Marketing?
Postkarten, Buttons, ab und an eine Anzeige in einem Musik- oder Stadtmagazin, Plakate für Lesungen – das Budget ist immer ganz schnell aufgebraucht. Aber ich versuche schon präsent zu sein. Dinge wie Facebook, Twitter usw. sind auch sehr hilfreich.
Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?
Ich bin dort (noch) nicht Mitglied.
Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?
Wahrscheinlich für Menschen wie mich. Also für Menschen, die lieber Heavy Metal statt Helene Fischer hören, lieber Eintracht Braunschweig statt Bayern München die Daumen drücken oder lieber Slam-Kurzgeschichten statt Fantasyromane lesen. Wahrscheinlich wäre es wirtschaftlich besser, wenn ich Frau Fischer, den Bayern oder feuerspuckenden Drachen mehr Beachtung schenken würde. Andererseits will ich eben nur Bücher machen, die ich auch kaufen und lesen würde. Und wenn es darüber hinaus ein paar Leute gibt, denen Autor und Verlag eine Freude machen, ist doch alles perfekt!
Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?
Vielleicht ist es so wie in der Musikbranche – hier hatten kleine Labels in der Krise auf einmal bessere Chancen zu überleben, weil sie Nischen bedienten und flexibler waren. Bei meinem Verlag könnte das ähnlich sein, mein Programm ist kein Betätigungsfeld für große Verlage. Und wenn Eintracht Braunschweig Deutscher Meister wird und die Eishockey-Nationalmannschaft Olympia-Gold holt, bin ich ein gemachter Mann!
Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?
Ich habe quasi keine Rücklagen. Wenn ich ein Jahr lang mal nur Titel herausbringe, die nicht laufen und mich auch die Backlist nicht mehr über Wasser halten kann, ist der Ofen aus. Ein weiteres Risiko liegt in meiner One-Man-Show – wenn ich einmal ausfalle, kann keiner den Job einfach so übernehmen.
Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?
Kollegialität statt Konkurrenz. Vernetzung. Die ganze Palette.
Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?
Vorher ein Praktikum machen 😉 Auf jeden Fall eine Programmplanung und einen Finanzplan. Das Vertriebskonzept sollte vielleicht auch stehen, bevor noch der erste Titel aus der Druckerei kommt. Und viel Zeit mitbringen.
Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Hervorragende Indieverlage gibt es so viele! Ich würde mich sehr freuen, wenn der Ventil Verlag in dieser Reihe zu Wort kommt.
Herzlichen Dank für diesen Einblick!
_______________________________________________________________________________________
Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier
Der Verlag Andreas Reiffel im Netz:
Verlagswebshop: http://www.verlag-reiffer.de/
Facebook: www.facebook.com/verlagreiffer
Oje, die Wahrscheinlichkeit, dass die Braunschweiger Eintracht Meister wird und die Deutsche Eishockey-Mannschaft Olympia-Gold holt, tendiert gen null. Werden wir wohl nicht mehr erleben, aber Wunder gibt es im Sport immer wieder…
Hat dies auf Nekos Geschichtenkörbchen rebloggt und kommentierte:
Und noch ein kleiner Verlag! Das werden ja richtig viiiiele