Steglitz fragt bei Michael Meisheit nach (Teil 2)

„Die Frage nach der Verfügbarkeit in der Buchhandlung oder danach, ob es ‚Soap‘ auch fürs iPad gibt, tut jedes Mal weh …“

In diesem Beitrag erfahren wir u.a., weshalb Michael Meisheit mit eBook und der gedruckten Version von „Soap“ zweigleisig fährt, warum er auf den Platzhirschen Amazon setzt und welche Lehren er aus seinen bisherigen Erfahrungen als Selbstverleger zieht. Im ersten Teil des Gespräches berichtete er uns, wie er Chancen und Risiken bezüglich Selfpublishing einschätzt, warum er sich für CreateSpace entschieden, welche Erfahrungen er damit gemacht hat und wie er mit Vorurteilen gegen Autoren umgeht, die ihre Publikationen in Eigenregie auf den Markt bringen.

Mit einem eBook und einem gedruckten Buch fährst du zweigleisig. Warum das?

Man kann so ein Projekt nicht über das Internet aufziehen und dann das elektronische Buch außen vorlassen. Mir war immer klar, dass in meiner Zielgruppe die meisten Leute das sogenannte Holzbuch noch bevorzugen würden, aber rund um das eBook passieren ja noch viel aufregendere Dinge, was neue Weg angeht, also wollte ich das auf keinen Fall missen.

Glaubst du, dass dem eBook die Zukunft gehört?

Auf jeden Fall. Es wird Papier nicht komplett ersetzen, aber die Vorteile liegen auf der Hand. Neue Generationen werden dann auch die Nostalgie nicht mehr kennen, die viele von uns noch mit dem Umblättern verbinden. Wenn ich sehe, wie mein dreijähriger Sohn schon selbstverständlich zwischen iPhone-App-Geschichte und Buch zum Blättern wechselt, weiß ich, wie die Zukunft aussieht.

Wie hältst du es beim eBook mit dem Kopierschutz?

Da hab ich wie ein Schaf erst einmal den voreingestellten Kopierschutz gelassen wie er ist. Wobei ich mich mittlerweile durchaus frage, warum. Leider kann man es im Nachhinein nicht mehr ändern. Aber ich muss mich definitiv noch mehr mit dem Thema und den Möglichkeiten beschäftigen. Was ich auch daran merke, dass ich mich in der ganzen Urheberrechtsdiskussion oft auf der Seite von Kreativen, die vor allem Schutz und Sanktionen fordern, nicht so richtig wohl fühle. Auch hier reizen mich eher die neuen Möglichkeiten des Internets. Aber das ist eine andere Diskussion.

Wie schätzt du die Diskussionen um das Pricing beim E-Book generell ein?

Hier wird noch viel experimentiert. Im Moment wirkt es schon teilweise absurd, wenn man sich die Listen bei Amazon anschaut. Wenn die gleichlangen 99 Cent-Bücher neben Verlags-eBooks für 22,99 Euro stehen, merkt man, dass der Markt sich noch regulieren muss. Kurios ist allerdings, dass Beide es in die Topliste schaffen können …

Und wie bist du mit der Preisgestaltung bei eBook und Taschenbuch verfahren?

Michael Meisheit © Steven Mahner

Michael Meisheit © Steven Mahner

Ich hab meine potentiellen Leser in meinem Blog gefragt und sogar abstimmen lassen. Wie bei vielen anderen Fragen rund um die Veröffentlichung ja auch. Natürlich hatte ich eine grobe Vorstellung – das Taschenbuch sollte nicht über 10 Euro kosten, das eBook nicht für 99 Cent verramscht werden. Aber ich fand es sehr hilfreich, dass die Mehrheiten und Argumente im Blog meine Auffassung stützten. Beim Taschenbuch waren sich eh alle mehr oder weniger einig. Beim eBook gab es – wenig überraschend – die größere Bandbreite an Meinungen. Für mich war hier entscheidend, dass ich nicht zu weit vom Taschenbuch weg wollte. Allerdings bin ich mir bei den 4.99 noch nicht so ganz sicher, ob es die beste Wahl war. Daher habe ich heute eine Aktion gestartet und verkaufe nun für ein paar Tage das eBook für 2.99.

Selbstredend eine nette Geste an die Adresse der Leser unseres Gespräches … Warum ist „Soap“ derzeit lediglich beim Platzhirschen Amazon zu haben?

Das lag natürlich erst einmal an meinem Wunschpartner CreateSpace. Mit dem drängt sich das Kindle-Programm ja gleich als nächster Schritt auf, es sind nur wenige Klicks mehr. Und „lediglich“ bei Amazon zu sein, ist bei deren Marktposition ja nicht das Schlechteste. Allerdings soll es so nicht bleiben. Sobald ich die Zeit habe, mich durch das Dickicht von Formaten und möglichen Wegen zu kämpfen, werde ich zum einen andere eBook-Kanäle hinzunehmen und zum anderen auch das Taschenbuch auf neue Wege bringen.

Wo machst du beim Platzhirschen persönlich Nachteile aus?

Was mich überrascht hat, war, dass man erstaunlich wenige Analyse-Möglichkeiten für seinen Verkauf hat. Vielleicht bin ich durch Google-Analytics bei meinem Blog verwöhnt, wo man ja auch noch die Farbe der Unterwäsche seiner Seitenbesucher gemeldet bekommt. Aber dass es im Kindle-Programm noch nicht einmal eine Verkaufsaufstellung nach Tagen gibt, hat mich sehr verwundert. Ganz zu schweigen davon, dass es doch interessant wäre, wie viele Leute die Verkaufsseite des Buches besuchen, wo die herkommen usw. Technisch ist das alles möglich, Amazon lässt sich aber nicht in die Karten schauen. So hockt man viel zu viel da und rätselt, wieso, weshalb, warum.

Worauf sollte man besonders Acht geben, wenn man sich für diese Vertriebsschiene entscheidet?

Zu empfehlen ist, dass man sich als Autor bei „Author Central“ von Amazon anmeldet. Dann kann man nicht nur ausführlicher über sich berichten, sondern hat auch so etwas wie einen Ansprechpartner, der kurzfristig antwortet. Was bei Amazon normalerweise ja nicht so einfach ist. Denn der Laden ist und bleibt ein schwer durchschaubarer Riese. Ansonsten muss einem klar sein: Amazon ist auch nicht die Welt. Die Frage nach der Verfügbarkeit in der Buchhandlung oder danach, ob es „Soap“ auch fürs iPad gibt, tut jedes Mal weh …

Was hält dich ab, andere Vertriebspartner ins Boot zu holen?

Ehrlich gesagt bin ich noch etwas ratlos, wen ich wie hinzunehme. Alle eBook-Vertriebe haben einen oder mehrere Hinkefüße. Mal muss man auch den Vertrieb über Amazon abgeben und verdient entsprechend weniger. Mal braucht man eine (teure) ISBN für das eBook. Andere haben undurchsichtige Konditionen. Hier sammle ich noch Feedback von anderen Selfpublishern. Erfahrungsberichte sind jederzeit willkommen!

Was rätst du jenen, die Schritte in Richtung Selfpublishing planen?

Sie sollten Zeit mitbringen und Geduld. Zeit im Sinne von: Vieles dauert länger als geplant. Besonders wenn auch mal was schief geht. Oder wenn man viel zu lange in der Social-Media-Welt hängen bleibt. Geduld braucht man bis die eigenen Maßnahmen greifen. Selbst Leute, die begeistert gesagt haben, dass sie das Buch „sofort“ kaufen, trifft man manchmal Wochen später und hört „Ach ja, das Buch!“ Bei Pressekontakten und ähnlichem kann es auch ewig dauern, bis was passiert. Oder hoffnungsmachende Kontakte verlaufen plötzlich im Sande.

Frustrationen sind wohl inbegriffen …

Daher muss man Kontakt zu seiner inneren Rampensau aufnehmen. Wer die gar nicht besitzt, wird sich schwer tun – denn am Anfang gibt es niemanden, der einen irgendwo ins Gespräch bringt außer einem selbst. Das ist manchmal echt unangenehm, aber da muss man durch – sonst braucht man vielleicht doch einen Verlag. Allerdings ist hier Augenmaß notwendig. Ab wann nervt man? Auch wenn man selbst das Gefühl hat, das Buch ist der Mittelpunkt der Welt, für die da draußen ist es eins von buchstäblich Millionen. Es kann daher helfen, das Projekt eben nicht zum Mittelpunkt der eigenen Welt zu machen, sondern einfach auch mal was anderes zu schreiben bzw. sich mit echten Menschen zu beschäftigen.

Was sollte sich ein Selbstverleger abschminken?

Abschminken kann man sich, dass man mit der Geschichte wirklich reich wird. Selbst dass man in irgendeiner Form davon leben kann, ist wohl die Ausnahme. Wer mit dieser Erwartungshaltung da reingeht, kann nur verlieren. Besonders weil es nun schon eine ganze Weile eine Art Goldgräberstimmung gibt und sich entsprechend viele Leute mit ihren Goldpfannen am Amazonas und anderswo tummeln.

Es heißt ja, dass die Digitalisierung und der Umstand, dass Autoren nicht mehr auf Verlage angewiesen sind, erhebliche Folgen für den Buchmarkt und -handel haben werden. Wie schätzt du die weitere Entwicklung ein?

Ich gehöre zu denen, die glauben, dass der bisherige Buchmarkt und -handel in zehn Jahren völlig anders aussieht. Ich glaube nicht, dass Bereiche komplett verdrängt werden, es wird einfach diversifiziert. Es wird sicher weiterhin Verlage geben, aber es wird auch hochwertige Selbstverleger geben. Es wird für diese dann Organisationsformen geben mit Dienstleistern und Plattformen. Es wird verlegende Hobbyautoren geben usw. Vor allem denke ich auch, dass sich noch einiges zwischen den verschiedenen Medienformen tun wird. Also dass es neben dem Buch und dem eBook interaktive Erzählungen, netzbasierte Erzählungen, Verbindungen von Film, Spiel und Text usw. geben wird.

Kannst du dir vorstellen, dass Independent Publikationen den klassischen Gatekeepern à la longue den Rang ablaufen werden?

Ich kann es mir vorstellen, aber es kommt auch darauf an, wie klug die Verlage, Buchhandelsketten usw. mit der Situation umgehen, sprich ob sich darauf einstellen. Wer stur darauf pocht, dass doch nur ein Buch aus Papier das Wahre ist und der Verlag über allem steht, der wird es sicher irgendwann schwer haben. Spätestens wenn die Mehrzahl der Autoren anderswo bessere Konditionen, Hilfestellungen und vor allem Möglichkeiten bekommt, ihre Vision umzusetzen.

Was stößt dir bei den aktuellen Diskussionen rund um die Zukunft des Buches besonders negativ auf?

Wie bei den meisten Diskussionen, die bevorzugt in der Textform (Feuilleton-Artikel, Blogs oder gar Foren) geführt werden, wird oft zu verbissen und unfreundlich diskutiert. Ich hab nichts gegen eine Diskussion, in der es auch mal hoch hergeht. Aber man ist allerorts erstaunlich schnell mit persönlichen Angriffen, Unterstellungen und ähnlichem. Und gerade Autoren sollten doch in der Lage sein, sich in die Position des Gegenübers reinzuversetzen – wie entwickeln sie denn sonst Figuren? Abgesehen davon finde ich es schade, dass die Selfpublisher in vielen Bereichen noch die Kellerkinder sind, aber es liegt sicher an uns selbst, dies durch selbstbewusstes und professionelles Auftreten zu ändern.

Du experimentierst seit Jahren als Autor im Netz. Was meinst du, inwieweit verändert die Digitalisierung auch unser Verständnis von Literatur und Autorenschaft?

Zwei Sachen verändern sich zurzeit aus meiner Sicht durch das Internet: Das Buch ist nicht mehr das Nonplusultra in der Literatur. Andere Textformen oder auch transmediale Erzählformen spielen eine immer größere Rolle. Gleichzeitig wird der Autor entmystifiziert. Er ist nicht mehr der Schreiber im Elfenbeinturm, sondern weilt über Blogs, Foren und interaktive Experimente mitten unter seinen Lesern. Das wird zunehmend selbstverständlich. Ich weiß noch, dass ich vor ca. 15 Jahren „Flamingo Rising“ von Larry Baker gelesen habe, in dessen Impressum eine E-Mail-Adresse stand. Weil mir das Buch gut gefiel, hab ich dort hingeschrieben und bin fast vom Stuhl gefallen, als der Autor mir postwendend persönlich antwortete. Wir haben dann ein bisschen hin- und hergemailt darüber, wie man sein Buch als Deutscher wahrnimmt. Und ich hab mir damals schon gedacht: Ja, wieso denn nicht immer so? Was kann einem besseres passieren, als sich mit den Lesern auszutauschen? Aber damals war das noch absolut ungewöhnlich.

Was hat dich bewogen, „Soap“ gemeinsam mit Blogbesuchern und Lesern auf die Beine zu stellen?

Vielleicht war besagtes Erlebnis mit Larry Baker schon der Grundstein für den Wunsch, mich mit den Lesern auszutauschen. Später wurde dann mein Prosa schreiben (im Gegensatz zum Drehbuch schreiben) sehr stark durch meine aktive Zeit in der Community jetzt.de geprägt ist. Dort konnte man mit kleinen Texten experimentieren – unter dem Stichwort „Tagebuch“ – und man hat über Kommentare sofort Feedback bekommen. Auch wenn das manchmal hart war, hat es mir gefallen und weitergeholfen.

Als Serienautor schreibst du ja auch im Team …

Hinzu kommt, dass ich es als Drehbuchautor natürlich gewohnt bin, dass zahlreiche Leute meine Arbeit – gerade in frühen Fassungen – auseinander nehmen. So war es für mich nur folgerichtig, einen Romantext in einem frühen Stadium herauszugeben, um von dem Feedback zu profitieren. Gleichzeitig wollte ich so eine Basis an Lesern schaffen, denn für klassische Werbung und PR-Arbeit würde ich keine Mittel haben. Womit ich nicht gerechnet hatte: WIE begeistert viele der Leser waren, dass sie mitwirken „durften“. Ich hab zahlreiche Danksagungen bekommen, dabei machten die Leute letztlich Arbeit für mich! Spätestens da war mir klar, dass diese Art von Zusammenarbeit ein vielfach ungehobener Schatz ist.

Wie waren deine diesbezüglichen Erfahrungen? Was hast du an der „interaktiven Arbeitsweise“ besonders geschätzt?

Für mich war die Zusammenarbeit durchweg positiv. Man muss natürlich ein paar „Fähigkeiten“ mit bringen: Man muss mit Kritik umgehen können. In der Lage sein, das Wichtige herauszufiltern. Vor allem muss man gerne kommunizieren, meint in dem Fall: Auch zuhören! Und letztlich muss man wissen, was man tut. Wenn man selbst zu unsicher ist, was die eigene Arbeit, den eigenen Text angeht, verzettelt man sich. Denn es gibt IMMER mehrere Meinungen, die gegensätzlichen sind sowieso überproportional vertreten. Wenn das aber einmal funktioniert, hat man irgendwann eine kleine bzw. wachsende Community, die man nicht nur jederzeit um Rat fragen kann, sondern die einen auch motiviert oder sogar aktiv unterstützt. Es haben schon mehrere Leute Tage (!) an Arbeit in mein Projekt investiert, einfach weil sie sich damit identifizieren, es gut finden. Da war ich manchmal wirklich gerührt!

Wo kommt Teamwork an seine Grenzen?

Ich weiß nicht, ob das auch mit mehreren Tausend Leuten funktioniert, was ich da mache. Aber das Problem möchte ich erst einmal haben. Im Moment „kenne“ ich noch alle sehr aktiven Leuten einzeln, aber natürlich hätte das auch irgendwann eine Grenze. Und wenn ich als Autor nicht mehr ab und zu auch mal direkt antworte oder eingehe auf jemanden, wären die Bindungen sicherlich nicht so eng. Aber dann müsste man eben andere Wege finden.

Welche Lehren ziehst du bislang aus deinem „Selbstversuch“? Was würdest du heute anders machen?

Für mich ist die wichtigste Lehre, dass ich das in Zukunft immer so machen möchte: Öffentlich und gemeinsam kreativ arbeiten. Denn für mich hat es fast nur positive Effekte gegeben. Ein wenig muss ich in manchem Bereichen noch die Balance finden: Wann nervt ein Thema, weil man es zu oft bringt? Wie viel „Werbung“ kann ich den Leuten zumuten? Macht die bei den ewig selben Leuten irgendwann überhaupt noch Sinn? Die Gefahr ist, dass man die Leser irgendwann als selbstverständlich nimmt, aber letztlich können die auch wahnsinnig schnell wieder verschwinden. Man muss eben bei so einem Projekt auch immer Entertainer sein oder zumindest neue, interessante Informationen liefern, sonst dreht sich das Karussell weiter …

Danke, Michael, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst. Lunte gerochen hast du jedenfalls: Seit gestern gehst du abermals ein Projekt in Eigenregie an. Ein eBook mit ausgewählten Kurztexten die bei jetzt.de erschienen sind. Dafür suchst du Testleser. Glück auf dabei – und weiterhin Erfolg und Freude mit Soap.

Freundlicherweise stellte Michael mir einige Leseexemplare zur Verfügung. Wer sich für sein Debüt als Selfpublisher interessiert und “Soap” besprechen möchte, möge sich bei mir melden.

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In der losen Interview-Reihe “Steglitz fragt … bei Autoren nach” standen bereits Rede und Antwort:  Jando, Petra van Cronenburg, Petra Röder, Nicole Sowade aka Miss Januar, Jan-Uwe Fitz aka Vergraemer, die Sachbuch-Autorin Sonya Winterberg der Berner Shooting-Star Patric Marino und Wilhelm Ruprecht Frieling, im Social Web als Prinz Rupi bekannt. Stets geht es darum, wie die befragten Autoren die Entwicklungen infolge der Digitalisierung einschätzen, welche neuen Wege sie nutzen und wo sie Chancen und Risiken sehen.

In eigener Sache: Ein Interview bei litaffin

Für SteglitzMind habe ich in den vergangenen Monaten zahlreiche Gespräche mit Autoren und buchaffinen Bloggern geführt. Den Spieß umgedreht hat jetzt Anne Stukenborg, die mich für litaffin befragte, das Blog des Masterstudiengangs Angewandte Literaturwissenschaft der FU Berlin.

Was genau steckt hinter deiner Interviewreihe mit bibliophilen Bloggern und wie kam es dazu?

In deinen Interviews spielen auch die Entwicklungen im Literaturbetrieb eine Rolle. Gibt es bei den Bloggern einen gemeinsamen Nenner zum Thema E-Books und Selfpublishing?

Wie nimmst du persönlich die Digitalisierung des Buchmarktes wahr?

Welche Potenziale siehst du in der Literaturbloggerszene?

Können Blogs als Multiplikatoren (auch) für Selfpublisher dienen, was Vermarktung, Rezensionen usw. betrifft?

Wie stellst du dir die Zukunft des Buches und seiner digitalen Geschwister vor?

littaffin.

Wer sich für meine Antworten interessiert, kann diese hier nachlesen. – Ich sage Anne und litaffin danke für das Gespräch.

Steglitz fragt bei Wilhelm Ruprecht Frieling aka @Prinz Rupi nach (Teil 2)

„Ich habe als überzeugter E-Booker mit der Welt von gestern gebrochen.“

Im ersten Teil unseres insgesamt dreiteiligen Interviews äußerte sich Wilhelm Ruprecht Frieling, im Social Web als »Prinz Rupi« bekannt, u.a. dazu, wie er die Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung einschätzt und welche Zukunft er der Buchbranche prophezeit. Jetzt geht es um die Stichworte Self-Publishing und E-Book.

Welche Vorteile versprichst du dir vom Self-Publishing?

»Früher« war es schon aufregend, seine Buchkinder auf Papier zu sehen und dann im Laufe der Jahre die Entwicklung der Veröffentlichung zu erleben. Durch E-Books bekommt das Geschäft eine unglaubliche Dynamik. Meine Verkäufe haben sich verzehnfacht, verzwanzigfacht, und sie waren vorher schon nicht schlecht. Es ist alles wie in einem Bauchladen überschaubar, als Self-Publisher genieße ich die volle Kontrolle. Wenn ich müsste, könnte ich inzwischen sogar von meinen E-Book-Erlösen bescheiden leben, und das nach so kurzer Zeit … Kurz: Die E-Bookerei schenkt mir täglich Freude und neue Erkenntnisse.

Wo machst du beim Self Publishing besondere Risiken aus?

Pastell von Olaf Neumann  © W.R. Frieling

Pastell von Olaf Neumann © W. R. Frieling

Die größten Risiken sehe ich im Kontrollverlust. Es ist kinderleicht, etwas zu veröffentlichen und ein verdammt geiles Gefühl, im Handumdrehen dafür virtuelle Anerkennung zu kassieren. Das verleitet viele Autoren zum vorschnellen Veröffentlichen. Endlich können sie ihren Text mit einem einzigen Klick ans Licht der Welt bringen! Sie vermeiden, einen Text nochmals umzuschreiben, daran zu feilen, ihn zu bearbeiten oder überhaupt zu korrigieren. Sie unterschätzen dabei den Leser, denn ist der alles andere als doof. Wenn es kurz darauf negative Rezensionen hagelt und Verkaufserfolge ausbleiben, ist das Gejammer groß. Dabei ist doch der Name eines Autors für den Leser weitgehend verbrannt, wenn er einmal Müll geliefert hat. Bei dem Überangebot ist für eine zweite Chance kaum Platz.

Worauf sollten Autoren, die ihre Publikationen in die eigene Hand nehmen, besonders Acht haben?

Sie sollten sich so gut wie möglich auf die Erfordernisse des E-Book-Marktes einstellen und offen sein für jede Anregung und Kritik. Es gibt eine Reihe nützlicher Nachschlagewerke, die bei der Vorbereitung der Veröffentlichung helfen. Wichtig ist auch die Beantwortung der Frage, ob ein Korrektor oder Lektor hinzugezogen werden sollte. Es lohnt sich, in einen Profi zu investieren, denn das Ergebnis gewinnt in den allermeisten Fällen.

Deine Titel erscheinen inzwischen nahezu ausnahmslos als E-Book. Warum setzt du auf das elektronische Format?

Elektro- und Holzbücher sprechen vollkommen unterschiedliche Leserkreise an. Ich möchte beide bedienen. Darum gibt es meine älteren Bücher weiterhin auf Papier, sie wurden erst nachträglich digitalisiert, soweit ich Inhaber der Rechte bin. Die neueren Bücher werden nach und nach den umgekehrten Weg gehen und auch auf Papier erhältlich sein. Hörbücher mit brillanten Sprechern sind in Vorbereitung.

Nicole Sowade berichtete mir, dass man als »Nur«-E-Book-Autor mit Widerständen zu rechnen hat, und zwar vor allem seitens potenzieller Rezensenten. Wie siehst du das?

Self-Publisher mussten immer schon mit Ablehnung, Widerstand und Gegnern leben. Vor zwanzig Jahren argumentierte die FAZ noch, es käme »Ekelverdacht« auf, wenn Autoren ihre Werke selbst herausgeben. Nun beklagt DIE ZEIT die digitale Entwicklung und die Vorreiterrolle Amazons. Ignorieren können sie die Flut mittlerweile nicht mehr. Der Riesenerfolg von Jonas Winners »Berlin Gothic« zeigt, dass die Dämme brechen und selbst das konventionelle Feuilleton E-Books rezensiert, sobald sie einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben. Nika Lubitsch wurde soeben im STERN gefeiert …

Das ist aber wohl eher die Ausnahme, dass das Feuilleton …

Mir stellt sich die Frage, wem in der digitalen Szene an Rezensenten des klassischen Feuilletons überhaupt noch gelegen ist. Sind das vielleicht Autoren, die mit den Mitteln und Möglichkeiten von heute die Meinungsbildner von gestern ansprechen wollen? Sehen diese Menschen das E-Book eventuell nur als Vehikel, um von der alten Verlags- und Medienwelt angenommen zu werden? Ich habe als überzeugter E-Booker mit der Welt von gestern gebrochen und beantworte Deine Frage positiv, indem ich behaupte: Es gibt enorm viele Rezensenten; sie warten sogar schon auf uns!

Du meinst im Netz?

Ja. Viel interessanter als das abgestandene Feuilleton sind doch beispielsweise Besprechungen auf Blogs – und damit meine ich ganz bewusst nicht nur Buchblogs! Dort werden aufgeschlossene Leser direkt angesprochen. Da treffe ich meine Zielgruppen. Der Leser neuen Typs ist lediglich einen Klick weit vom besprochenen Buch entfernt, er kann es sofort lesen. Ich beobachte mein eigenes Verhalten wie das meiner Bekannten: Wir kaufen durch Anregungen in Social Communities und dank Empfehlungen von Freunden mehr Bücher denn je – und zwar meistens direkt bei Amazon. Den Empfehlungen von ZEIT, FAZ und SÜDDEUTSCHE sind wir letztmals vor gefühlten 150 Jahren gefolgt. Dabei möchte ich deren Artikel nicht missen, sie lesen sich gut, erreichen mich aber nicht mehr wirklich.

Heilversprechen sollte man sich von den unzähligen Buchblogs im Netz allerdings keine ausrechnen …

Rupi mit Skulptur von Knut van der Vinzburg  © W.R. Frieling

Rupi mit Skulptur von Knut van der Vinzburg © W. R. Frieling

Auf keinen Fall! Mit Literaturzeitschrift.de und dem zugehörigen Blog betreibe ich ja selbst eine der ältesten Rezensionsplattformen im Netz. Deshalb kann ich relativ gut beobachten, was darüber verkauft wird. Das gilt auch für LovelyBooks, Facebook, Twitter und die anderen Social-Media-Communities. Ich meine eher die »normalen« Blogs, in denen über Menschen, Themen und Schicksale berichtet wird, da sehe ich das eigentliche Potential.

Der große Vorteil der Blogosphäre ist, dass eine enge, bisweilen familiäre Bindung zwischen denjenigen, die Lesestoff empfehlen und ihren Lesern entsteht. Es ist doch so, dass eine stabile Fanbase von 500 Lesern, die garantiert jede Neuerscheinung eines Autors kaufen, schon mal eine vernünftige Ausgangsbasis sind; und das kann ich heutzutage mit gezielten Empfehlungen im virtuellen Raum locker erzielen. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang daran, dass auch die gern zitierte amerikanische E-Book-Millionärin Amanda Hocking ausschließlich durch Blogs und Communities berühmt wurde.

Seit Start der Plattform erscheinen deine elektronischen Titel in der Kindle-Edition. Warum hier?

Amazon ist international der Vorreiter des Self-Publishings. Mit Kindle Desktop-Publishing stellt der Konzern interessierten Autoren ein mächtiges Werkzeug zur Verfügung, um ohne vorgeschalteten Zensor zu veröffentlichen. Minutengenaue Abrechnungen, jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf die eigenen Bücher und ein hilfsbereiter Kundendienst sind weitere Kriterien. Außerdem wird der wesentliche Umsatz im E-Book-Markt auf dem Amazonas generiert. Deshalb schreibe ich lieber neue Bücher, statt mich mit den Eigenheiten weiterer Plattformen zu befassen.

Worauf sollte man besonders achten, wenn man sich für Amazon entscheidet?

Danke für die Steilvorlage: Lies die aktuellste Version meines Buches »Kindle für Autoren oder: Wie veröffentliche ich ein Buch auf Amazon.de«. Da steht alles drin, was ein Autor beachten muss.

Ein paar Tipps werde ich dir hier schon noch entlocken … Wie verfährst du mit dem Kopierschutz?

Ich folge dem Vorbild der Musikindustrie und verzichte auf Kopierschutz. Digital Rights Management (DRM) reizt doch nur, den Schutz zu knacken. Das kann übrigens jeder Amateur mittels frei verfügbarer Programme. Schon aus diesem Grunde sind DRM-Systeme für Bücher ein Altherrenwitz. Der Schlüssel der Problematik liegt für mich im Buchpreis. Werden E-Book zu Wucherpreisen angeboten, dann lohnt der Aufwand, sie zu knacken und zu vervielfältigen. Bei E-Books zu vernünftigen Preisen kommt niemand auf die Idee.

Was hältst du generell von den Diskussionen rund um das Pricing beim E-Book?

Der Buchpreis ist als Marketing-Instrument abhängig vom Bekanntheitsgrad des Autors und von seinem Sujet. Durch meine Interviews mit erfolgreichen E-Bookern weiß ich, dass einige von ihnen mit Gratisaktionen starteten und darauf ihren wundervollen Erfolg gründen. Nika Lubitsch steht für diesen Weg.

Welchen Festpreis das E-Book letztlich haben sollte, hängt auch von den Intentionen des Autors ab. Will man mittelfristig davon leben? Dann kann sich jeder selbst ausrechnen, wie viele Bücher zu 99 Cent verkauft werden müssen, um auf den gleichen Erlös zu kommen, der beispielsweise bei € 2,99 beschieden ist: Etwa sechsmal so viel! Oder will man erst einmal bekannt werden und ein paar Jahre für seinen Namen und sein Programm werben? Dann zählt jedes verkaufte Buch und es geht darum, möglichst viele Exemplare abzusetzen. Dies wird durch möglichst niedrige Preise beflügelt.

In dem Zusammenhang sollten wir uns aber auch klar machen, dass vom überwiegenden Teil der rund aktuell 230.000 deutschen E-Book-Titel weniger als 100 Exemplare pro Jahr verkauft werden. Es gibt nur wenige hundert Autoren, die jährlich mehr als 10.000 Exemplare und eine Handvoll, die mehr als 100.000 Stück an den Leser bringen. Von amerikanischen Millionenumsätzen sind wir noch Lichtjahre entfernt. Daraus folgt: Die große Mehrheit der Self-Publisher muss in der derzeitigen Phase der Entwicklung darauf orientieren, größere Stückzahlen unter die Leute zu bringen.

Meinst du, dass dem E-Book die Zukunft gehört?

Dem Lesen gehört die Zukunft. Dabei ist es sekundär, ob Texte handgeschrieben auf Pergament, in gedruckten Büchern, Hörbüchern oder E-Books Brücken zum Wort schlagen.

Unübersehbar verdrängen Elektrobücher in greifbarer Zukunft einen Teil der bisherigen Papierbuchproduktion. Das gilt besonders für die Unterhaltungsliteratur. Es ist viel unkomplizierter, mit einem gut bestückten Reader durchs Leben zu reisen als ständig eine zentnerschwere Bibliothek zu schleppen. Bei Sachbüchern haben die Reader bereits das Rennen gewonnen. Die Möglichkeit der ständigen Aktualisierung von Inhalten ist dem herkömmlichen Auflagendruck himmelhoch überlegen.

Nun nenne mir bitte doch drei ultimative Tipps: Was macht einen erfolgreichen E-Book-Autoren aus?

Rupi mit Kurt Krömer beim Echo © W. R. Frieling

Rupi mit Kurt Krömer beim Echo © W. R. Frieling

Was ist Erfolg? – Rund 25.000 verkaufte Exemplare eines Titels brauchte es, um im ersten Kindle-Jahr 2011 einen der Spitzenplätze der Amazon-Jahres-Hitparade einzunehmen. Entsprechend viel verkaufte Kollege Matthias Matting, der erfolgreichste Kindle-Autor des Jahres 2011. Wer 10.000 verkaufte Einheiten aufweisen konnte, bewegte sich seinerzeit bereits in den oberen Etagen der Amazon-Verkaufscharts.

In 2012 sind die Zahlen bereits deutlich nach oben geschnellt. Es wurden inzwischen mehrere Millionen Kindle-Reader verkauft und eine entsprechend lesehungrige Leserschaft gewonnen. Jetzt sind mindestens 120.000 verkaufte Einheiten erforderlich, um zum Jahresende in die Top Ten zu kommen. Martina Gercke verkaufte allein im ersten Halbjahr 2012 via Amazon 100.000 Exemplare «Holunderküsschen« à € 2,99. Nika Lubitsch benötigt monatlich deutlich mehr als 20.000 Verkäufe, um die grauen Schatten zu verdrängen und sich auf Platz 1 der Bestsellerliste zu behaupten. Diese Zahlen sind der aktuelle Maßstab für die Definition von »Erfolg«.

Abermals umschiffst du konkrete Tipps!

Allzu gern würde ich Dir hier den Stein der Weisen auf den Tisch legen und nach allen Regeln der Kunst ausleuchten. Aber ich habe ihn (noch) nicht gefunden, und auch die anderen Erfolgsautoren die ich ausgequetscht habe, stehen teilweise ratlos vor ihrem eigenen Erfolg.

Aus meiner Sicht sind folgende Aspekte wichtig:

  1. Content rules. Thema, Inhalt und Aktualität dessen, was in einem Buch steht, sind immer noch das Nonplusultra im Buchgeschäft. Dabei sind Sachbuchautoren aufgrund der Aktualisierungsmöglichkeiten deutlich im Vorteil.
  2. Das Cover eines E-Books muss auch im Briefmarkenformat funktionieren und den potentiellen Lesern anspringen.
  3. Der Klappentext zu einem Buch muss klar und wahr sein. Er sollte den Leser in Bann ziehen und zwingen, das Buch ohne lange Bedenkzeit zu erwerben.
  4. Der behutsame Aufbau einer intelligenten und lebendigen Fanbase ist wichtig – damit meine ich allerdings keinesfalls jene stumpfen Claqueure, die loshüpfen und jede kritische Rezension als »nicht hilfreich« abstrafen, denn das schadet dem Autor langfristig.
  5. Jede Kritik, so hart sie auch treffen mag, ist positiv und hilfreich. Nichts ist schlimmer, als totgeschwiegen zu werden.

Zum Thema noch ein persönlicher Nachsatz: Man kann es nie allen recht machen, und wer von allen geliebt werden möchte, wird zum Arsch ohne Ohren.

Ein gar treffliches Bild, Rupi. – Welche Illusionen sollte sich ein E-Book-Autor abschminken?

Dass die Welt darauf wartet, dass gerade er/sie endlich sein Werk veröffentlicht und ihn/sie dafür entlohnt!

Im dritten und letzten Teil unseres Gesprächs, der am 21. Dezember erscheint, steht Rupi rund ums Buchmarketing Rede und Antwort.

Steglitz fragt bei Wilhelm Ruprecht Frieling aka Prinz Rupi nach

„Ein Verleger, der sich abschafft und dabei auch noch Spaß empfindet.“

In der Buchszene kennt man Wilhelm Ruprecht Frieling, der Autor, Fotograf, Redakteur und Verleger in einer Person ist. So war er u.a. für das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel tätig. Als Autor von Sachbüchern und Ratgebern sammelte er vielfältige Erfahrungen mit Publikumsverlagen. Bekannt wurde er mit dem Slogan »Verlag sucht Autoren«, unter dem er in den 80er Jahren ein für die damalige Bundesrepublik neues Geschäftsfeld eroberte, nämlich den Zuschussverlag. Den Frieling-Verlag Berlin, der heute unter dem Namen Frieling & Huffmann GmbH & Co KG firmiert, verkaufte er 2002.

Rupi, im Social Web als »Prinz Rupi« bekannt, fiel mir bei Twitter auf, wo er seit Mai 2008 aktiv ist. Sich selbst nennt er einen »Digital Consultant«, der im Kulturbereich wirkt und u.a. Universal Music berät. Er bloggt seit langem und hat bereits E-Books vorgelegt, als das elektronische Format hierzulande noch wenig von sich reden machte. Sein erstes »richtiges« E-Book nach diversen PDF-Experimenten, »Twitter kann viel Freude schenken / musst nur lust´ge Tweets versenden«, erschien 2009 und war seinerzeit das erste Buch mit Twitter-Versen. Aktuell liegen 20 E-Books von ihm vor, die seit Start der Plattform im April 2011 vornehmlich in der Kindle-Edition erscheinen.

Während Rupi bis vor einigen Jahren auch Ratgeber vorlegte, die Tipps zum kreativen Schreiben beinhalten, beschäftigt er sich in diesem Umfeld heute mit Fragen, was einen erfolgreichen E-Book-Autor ausmacht. – Das wollte ich natürlich genauer von ihm wissen. Zunächst habe ich den Branchenkenner allerdings danach befragt, wie er die Auswirkungen der Digitalisierung einschätzt und ob er die Buchbranche für zukunftsfähig hält.

Rupi mit seiner großen Liebe © W. R. Frieling

Wie kam es zur Gründung des Frieling-Verlages 1983?

Ich hatte ursprünglich mit einer Einzelfirma begonnen. Da sich die Geschäftstätigkeit relativ schnell ausweitete und meine Buchprojekte gut liefen, wandelte ich das Unternehmen 1983 in eine Werbe- und Verlagsgesellschaft um, die Frieling & Partner GmbH. Geld wurde anfangs mit klassischer Werbung für Markenartikler verdient, Gewinne wurden in den Verlag investiert. Mein Verlagskonzept war, Self-Publishern die Veröffentlichung eigener Werke zu ermöglichen. Als erster deutscher Verleger trat ich unter dem Slogan »Verlag sucht Autoren« öffentlich dafür ein, dass jeder, der es wollte und es sich leisten konnte, auch die Chance bekam, sich dem Publikum zu stellen. Schließlich sind Verleger dazu da, eine Brücke zwischen Autor und Leser zu schlagen.

Hier gilt freilich: Buch gegen Geld …

In der Verlagsszene war es bereits damals üblich, Bücher subventionieren zu lassen. Es gab kaum einen etablierten Verlag, der ein Unternehmen, einen öffentlichen Auftraggeber oder einen potenten Sponsor, der mit dem Scheckbuch wedelte, von der Bettkante gestoßen hätte. Absolut verpönt war es jedoch, darüber öffentlich zu sprechen oder dies gar zur Geschäftsidee zu erheben. Entsprechend negativ war das Echo innerhalb der mafiotisch organisierten Szene darauf, dass ein Insider »plauderte«. Doch das war mir egal, denn nur wer wagt, gewinnt.

Gewonnen hast du ja …

Im Ergebnis entwickelte sich meine Geschäftsidee stetig und schnell: In den 20 Jahren, die ich den Verlag führte, veröffentlichten wir Texte von mehr als 10.000 Autoren. In Spitzenzeiten produzierten wir täglich ein neues Buch und schufen damit ein Programm, über das beispielsweise »Der Spiegel« urteilte: »Es ist das schrägste, originellste und individuellste Verlagsprogramm weit und breit. Und kein anderer Verleger hat so viele Autoren glücklich gemacht«. Ende 2002 verkaufte ich den Verlag, da ich Kraft für eine Chemotherapie brauchte. Dadurch gewann ich auch Zeit, mich mehr um meine eigenen Bücher zu kümmern, die Möglichkeiten des Web 2.0 zu nutzen und andere Künstler zu fördern.

Zuschussverlage drucken bekanntlich alles, auch Mist. Rührt sich bei einem literarisch versierten und interessierten Verleger nicht bisweilen ein schlechtes Gewissen?

 © W. R. Frieling

© W. R. Frieling

Sorry, aber diese Unterstellung stammt von Zeitgenossen, die vom Verlagswesen wenig verstehen. Erstens ist der Begriff »Zuschussverlag« falsch, denn der Auftraggeber gibt keinen »Zuschuss«: er zahlt die Dienstleistung, die er in Auftrag gibt, vollständig. Insofern wäre die Bezeichnung »Dienstleistungsverlag« sicherlich treffender.

Zum zweiten drucken fast alle Verlage auch mal »Mist«; einige machen damit sogar richtig Umsatz. Ich kenne Verlegerkollegen, in deren Häusern Lebensbeichten von TV-Sternchen, Stummeldeutsch von Fußballspielern und Gewäsch von Berufspolitikern zwischen Buchdeckel gepresst werden. All diese Kollegen sind literarisch versiert und interessiert. Sie haben ein gutes Gewissen, weil sie mit diesen Umsatzbringern ihre Unternehmen in den schwarzen Zahlen halten. Ansonsten könnten sie ihren Job nicht meistern. So war es auch bei mir, unsere Rendite stimmte.

Von Alfred Döblin, dem Autor von »Berlin. Alexanderplatz« stammt übrigens ein passendes Bonmot zum Thema: »Der Verleger schielt mit einem Auge nach dem Schriftsteller, mit dem anderen nach dem Publikum. Aber das dritte Auge, das Auge der Weisheit, blickt unbeirrt ins Portemonnaie.«

Haben Zuschussverlage in Zeiten, in denen Self-Publishing zum Kinderspiel wird, überhaupt noch Überlebenschancen?

Verlage, die Self-Publishern Dienstleistungen anbieten, haben wie vor 30 Jahren beste Überlebenschancen, wenn sie die Bedürfnisse der Zielgruppe kennen und bedienen. Gerade im digitalen Bereich, in dem das Publizieren scheinbar zum Kinderspiel wird, ist Hilfestellung dringend notwendig. Das beginnt beim Korrekturlesen, geht über Lektorat und Formatieren in die entsprechenden Dateiformate bis hin zu PR und Werbung. Die Rechteverwertung will ich gar nicht erst ansprechen. Nahezu täglich springen deshalb neue seriöse und weniger seriöse Unternehmensplattformen auf den Markt und umwerben diejenigen, die mit ihren Texten auf den Markt drängen. Es herrscht Goldgräberstimmung!

Wie schätzt du die Entwicklung ein, dass Verlage ihre Rolle als Gatekeeper zunehmend einbüßen?

Auch dem klassischen Feuilleton dämmert inzwischen, dass im Verlagswesen ein Wandel stattfindet. Im Deutschlandfunk hieß es gerade in einer Rezension meiner Autobiographie »Der Bücherprinz«: »Ein Verleger, der sich abschafft und dabei auch noch Spaß empfindet.« Damit ist meine persönliche Position gut getroffen.

Wir erleben derzeit die Ära des selbstbestimmten Publizierens. Erstmals in der Geschichte des geschriebenen Wortes gewinnt die Autorenschaft: Sie kann im Ergebnis der digitalen Revolution zensurfrei am Markt teilnehmen. Aus Bittstellern, die bislang an den Toren der etablierten Verlage kratzten und sich im Erfolgsfall deren geschmacklichen und ökonomischen Vorgaben anpassen mussten, sind über Nacht selbstbewusste Publizisten geworden. Autoren werden zu Herren ihres eigenen Schicksals und erlösen Tantiemen, die ihnen kein klassischer Buchverlag in dieser prozentualen Höhe bietet.

Der moderne Autor kommt ohne die klassischen Torwächter eines vermeintlichen Zeitgeistes aus. Er macht sein eigenes Ding, über dessen späteren Erfolg die Leserschaft direkt entscheidet. So wurden erstmals in der Geschichte des Verlagswesens im Jahre 2008 weltweit mehr selbst verlegte Bücher herausgegeben als solche, die über Verlage in den Markt gelangten. Im Jahr 2009 wurden bereits 76 Prozent aller Bücher im Eigenverlag veröffentlicht, wobei die Zahl der von Verlagen produzierten Bücher zurückging.

Für Deutschland gibt es keine vergleichbaren Marktzahlen …

Schau dir beispielsweise die Entwicklung der Libri-Tochter Books on Demand (BoD) in Norderstedt an. Die haben 2011 um 75 Prozent zugelegt. Ebenso haben fast alle anderen Dienstleisterverlage Umsatzsteigerungen erzielt, obwohl sie von denjenigen Marktteilnehmern, die sich für etwas Besseres halten, mit dem Einzug der E-Books für tot erklärt wurden.

Hast du eine Erklärung, warum sich die Buchbranche mit den Entwicklungen vielfach so schwer tut?

Rupis erste Liebe © W. R. Frieling

Rupis erste Liebe © W. R. Frieling

Die Buchbranche tut sich ebenso schwer mit den digitalen Herausforderungen wie es seinerzeit die Musikindustrie tat. Sie beginnt nur Jahrzehnte später, die Veränderung der Welt wahrzunehmen. Statt nun als Langschläfer von denjenigen zu lernen, die bereits viel Lehrgeld gezahlt haben, meinen die Buchmacher, sie seien etwas Besonderes und wollen alle Erfahrungen selbst machen.

Eine Branche, die sich seit Jahrhunderten ihrer Pfründe sicher war, erlebt mit der digitalen Revolution den Einzug eines trojanischen Pferdes in ihre heiligen Hallen: Plötzlich machen Leute Umsatz und bestimmen das Geschehen mit, von denen sie nie zuvor gehört oder gelesen haben. Noch schlimmer: Manche dieser Marktteilnehmer hatten teilweise zuvor an ihre Türen geklopft und wurden als ungeeignet abgewiesen. Was jedoch am schlimmsten wirkt, ist die eigenständige Rolle des Leser: Jetzt taucht der Leser, der bisher durch Werbung und mediale Kontrolle geschickt zu führen war, als eigenständige Größe auf. Und dieser Leser will zu allem Überfluss noch etwas lesen, das die Verlage für schlecht befanden. So gerät das Selbstverständnis der Buchwelt samt des mit ihr verbandelten Hochfeuilletons ins Rutschen.

Eine weitreichende Revolution, die sich nicht allein auf die Produktionsprozesse und Distributionswege beschränkt, sondern auch die Kulturtechniken des Lesens und Schreibens erfasst…

Die Grenzen zwischen Lesen und Schreiben werden porös. Leser entwickeln sich gleichzeitig zu Produzenten und werden selbstständig. Das bedeutet Kontrollverlust und daraus folgernd auch Umsatzrückgänge für diejenigen, die bislang ausschließlich mit der Macht des Marketings Bestseller vorherbestimmen konnten. Es geht um viel mehr, als gedruckte Bücher auch in digitaler Form lesen zu können oder das Papierbuch durch das Elektrobuch zu verdrängen: Es geht um eine andere Art des Schreibens, Veröffentlichens und Lesens, die am Horizont winkt!

Kritik entzündet sich auch am Börsenverein, dem nachgesagt wird, mehr darauf Wert zu legen, angestammte Pfründe zu wahren anstatt sich den Herausforderungen zu stellen. Wie siehst du das?

Der Börsenverein als Standesorganisation war schon immer berüchtigt, sich ausschließlich für die Abwehr von vermeintlichen Gefahren einzusetzen, die vor allen seinen großen und kapitalkräftigen Mitgliedsbetrieben drohen, statt sich um Innovationen und Fortschritt zu kümmern. Interessen kleinerer Mitgliedsbetriebe wurden nie ernst genommen; Versuche junger Unternehmen, neue Wege zu gehen, wurden belächelt und totgeschwiegen. Der Börsenverein ist ein Verhinderungsclub statt Visionär und Wegbereiter zu sein. Es wird höchste Zeit, dass sich dieser Veteranenverein neu erfindet, um wieder attraktiv zu werden.

Eine klare Ansage, Rupi. Was stößt dir bei den Diskussionen rund um die Zukunft des Buches besonders auf?

Das aktuelle aufeinander Einschlagen der Holz- und Elektrobuch-Fraktionen nervt. Es ist ähnlich unproduktiv wie das Gerede zwischen der »hochwertigen« Presse und der Internet-»Journaille«, das sich glücklicherweise inzwischen gedreht hat.

Hat sich das wirklich gedreht?

Im Journalismus hat sich das Blatt gedreht. Bei den Buchautoren noch nicht, was natürlich auch daran liegt, dass viele »Indies« unvorstellbaren Müll produzieren, keinen Wert auf sprachliche Qualität, Rechtschreibung und Grammatik legen sowie streckenweise – der aktuelle Fall Martina Gercke belegt es anschaulich – auch noch von anderen abschreiben.

Insgesamt wäre ein Miteinander zum Wohle des Lesens sinnvoller. Ein Buch entfaltet seinen Zauber stets erst im Kopf des Lesers: Da muss es hinein. Dabei ist zweitrangig, ob es auf Papier oder im Rechner gelesen beziehungsweise als Audiobuch vorgelesen wird.

Ich kann allerdings gut verstehen, wenn der kleine Sortimentsbuchhändler an der Ecke sauer auf die E-Book-Entwicklung reagiert, die er als existenzbedrohend wahrnimmt. Der Börsenverein lässt ihn auch allein, statt innovativ zu helfen. Ebenso gut verstehe ich die Verbitterung der Kleinverleger, wenn ein Buchhändler nur Bücher will, die vom Barsortiment geführt werden, das wiederum kleine Unternehmen ungern listet.

Was glaubst du, wie wird sich der Buchmarkt zukünftig entwickeln?

Publishers Weekly nannte am 14. April 2010 die stolze Zahl von 764.448 Titeln, die anno 2009 durch Self-Publisher veröffentlicht wurden. Dieser Position standen 288.355 Bücher aus Verlagen gegenüber. Insgesamt wurden damit in dem Jahr mehr als eine Million Bücher herausgegeben, mehr als je zuvor.

Ursache für diese explosionsartige Veränderung der Buchlandschaft ist der technologische Fortschritt. An erster Stelle stehen die Digitalisierungsprozesse von Satz und Druck und die damit verbundene bedarfsorientierte, kostengünstige Print-On-Demand-Technologie. Bücher müssen heutzutage erst gedruckt werden, wenn tatsächlich jemand danach verlangt, und das spart nicht nur Papier, sondern auch Lagerhaltungskosten und eine Menge teurer Logistik.

Durch die Entwicklung von E-Books, die inzwischen mehr können als Seiten im starren PDF-Format abzubilden, entsteht eine zweite, vollkommen neue Front des Lesens und Publizierens. Diese schockiert mit ihrer enormen Kraft die mehrheitlich hilflos reagierende Verlagswelt.

Marshall McLuhan prägte 1962 den Begriff der Gutenberg-Galaxis, in der die Welt grundlegend vom Buch als Leitmedium geprägt ist. Das Gutenberg-Zeitalter wird auch als Periode der »Explosion« bezeichnet. Damit ist die Ausweitung des Menschen in den Raum gemeint, allerdings ist sie noch gekennzeichnet durch ein allgemein langsames Tempo, durch eine Verzögerung der Reaktionen auf die Aktionen. Diese Verzögerung wird erst abgelöst durch das »Zeitalter der Implosion«, auch »elektronisches Zeitalter« genannt, das wir mit dem Web 2.0 erleben dürfen.

Und wie sieht deine Vision vom elektronischen Zeitalter aus?

Das elektronische Zeitalter wird uns mit vollkommen neuen Formen des Lesens konfrontieren. Das, was wir derzeit als E-Books kennen, ist dabei nur der allererste Entwicklungsschritt. Das klassische Buch in seiner fest gebundenen Form löst sich auf; Texte agieren immer stärker mit Bildern, Klängen und Interaktionen. Lesen wird zum Gemeinschaftsprozess, bei dem der einzelne Leser nicht mehr im stillen Kämmerchen schmökert, sondern in Kontakt mit Menschen kommt, die ebenfalls das Buch lesen oder gelesen haben und mit ihnen kommuniziert. Der Leser wird das Geschehen in einem Roman mitentscheiden können. Er wird, ähnlich wie in einem Computerspiel, per Klick bestimmen, ob der Held stirbt oder lebt; ob Susi mit Karsten, Rüdiger oder Yvonne ins Bett geht.

Und der Autor von morgen?

Rupi beim Twittwoch  © W. R. Frieling

Rupi beim Twittwoch © W. R. Frieling

Auch die Rolle des Autors wird sich in diesem Prozess viel stärker ändern als es derzeit vorstellbar ist. Wir werden sehr bald Hilfsmittel wie eine »Bestseller-Writing-App« in Händen halten, die das maßgeschneiderte Schreiben von Büchern, die unmittelbar auf die Bedürfnisse des Lesers abgestimmt sind, ermöglicht. Bereits heute schreiben Maschinen kürzere journalistische Texte, und keiner merkt es! In Kürze werden diese Roboter auch Prosa verfassen. Auf Autoren aus Fleisch und Blut warten damit vollkommen neue, bislang undenkbare Aufgaben und Herausforderungen.

Schließlich wird das Verhältnis von Leser und Lesestoff ein anderer: Wir werden bereits heute von den Büchern, die wir digital lesen, »beobachtet«; die Lesegeschwindigkeit, die Häufigkeit des Umblätterns, das Unterstreichen (Markieren) von Textpassagen werden von den Readern und Apps an die entsprechenden Plattformen übermittelt und dort ausgewertet. – Ja, wozu wohl? – Diese Daten sind extrem wertvoll, weil sie exakt messbare Aufschlüsse über das Leseverhalten geben, die wiederum in neue Buchprojekte eingearbeitet werden können.

Muss uns das nicht auch ängstigen?

Ich kann gut verstehen, wenn manch einer sorgenvoll in die Zukunft schaut. Aber die Kulturgeschichte der Menschheit zeigt auch, dass es stets Bedenken und Mahner bei Innovationen gab, bevor sich diese durchsetzen konnten. Als Gutenberg den Druck mit beweglichen Lettern erfand, jammerten Adel und Kirche, ein Werteverfall finde statt. Dabei wurden vollkommen neue Werte, die seit Jahrhunderten allseits anerkannt sind, geschaffen. Ich vermute stark, dass es jetzt wieder so sein wird.

Würdest du heute abermals mit einem Verlag an den Start gehen? Wenn ja, wie sähe ein zeitgemäßes Geschäftsmodell aus?

Jederzeit würde ich, entsprechende jugendliche Frische vorausgesetzt, wieder einen Verlag gründen. Ich kann mir keine schönere Beschäftigung vorstellen, als Tag für Tag mit interessanten Menschen zu kommunizieren, ihre Fantasien, Träume und Ideen kennen lernen zu dürfen und daraus innovative Projekte zu machen.

Du hast vor zehn Jahren doch den Internet-Buchverlag …

Nach meinem Ausstieg aus dem Verlag Frieling & Partner gründete ich 2003 den Internet-Buchverlag, mit dem ich Texte in der Tradition des »New Journalism« verbreiten wollte. Dabei handelt es sich um einen Reportagestil, der Mitte der Sechziger Jahre aufkam und von dem Schriftsteller Tom Wolfe begründet wurde. Truman Capote, Norman Mailer und Gay Talese und der »Gonzo«-Journalist Hunter S. Thompson sind weltberühmte Vertreter des Stils.

Schließlich interessiere ich mich für dadaistische und expressionistische Lyrik wie die von Jakob van Hoddis, dessen »Weltende« ich als E-Book verlegt habe. Leider gibt es im deutschsprachigen Raum wenig Autoren, die in diese Genres passen und zugleich unterhaltsam erzählen können; deshalb nutze ich den Verlag als Experimentierbühne für eigene Veröffentlichungen im Print-on-demand und E-Book. Alles, was ich vorher im Printbereich gelernt und getestet habe, kann ich hier nun erneut einsetzen und auf Tauglichkeit prüfen.

Und du behältst dein Wissen und deine Erfahrungen nicht für dich …

Im Ergebnis war ich im Frühjahr 2011 beispielsweise sofort am Start mit meinem Ratgeber »Kindle für Autoren oder: Wie veröffentliche ich ein Buch auf Amazon.de?«, von dem im Laufe eines Jahres 12.000 Exemplare verkauft wurden. Und wenn Erfolgsautoren wie Nika Lubitsch, Carina Bartsch und Jonas Winner heute öffentlich sagen, dass dieses Buch ihnen den Einstieg ins E-Book-Geschäft bescherte, dann macht mich das natürlich auch stolz und glücklich.

In Teil 2 des Gesprächs erfahren wir u.a., warum der überzeugte E-Booker Rupi mit der Welt von gestern gebrochen hat, wieso er auf den Platzhirsch Amazon setzt und worauf man als Self Publisher besonders achten sollte. – Zu lesen ist das hier ab Freitag, den 14. Dezember.

Steglitz stellt Marius Fränzel mit „Bonaventura“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Heute stellt sich Dr. Marius Fränzel vor, der sein Blog Bonaventura – Lektüren eines Nachtwächters seit 2005 pflegt. Vorgeschlagen hatte ihn hier Christian Köllerer, der Dr. Christian Köllerers Notizen betreibt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

50 Jahre alt, Studium der Philosophie, Neueren deutschen Literatur und Rhetorik in Tübingen, Promotion über Arno Schmidts erzählerisches Werk, gelernter Buchhändler, verschiedene Berufe und Selbstständigkeit, arbeite heute als Bürokaufmann. Nebenberuflich literarhistorische Vorträge und Rezitationen. Schachspieler (leidenschaftlich und schlecht).

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Angefangen habe ich im September 2005, damals noch auf einem von meinem Hoster vorinstallierten Blogsystem (Nucleus CMS). Nach gut einem Jahr bin ich auf WordPress umgestiegen, wobei ich mir zusammen mit der Plattform auch ein wenig php und MySQL angeeignet habe, so dass ich inzwischen auch einige Webseiten und Blogs für andere unter WordPress realisiert habe.

Warum auf dieser Plattform?

Die Frage nach dem Warum ist deutlich schwerer zu beantworten, weil dem wahrscheinlich ein Gemisch ganz verschiedener Motivationen zugrunde liegt. Angefangen hat es ganz pragmatisch während des Studiums mit einem Lektüretagebuch, das ich einige Zeit lang geführt habe. Auch noch während des Studiums habe ich angefangen, regelmäßig über Arno Schmidt zu veröffentlichen. Der nächste Schritt war dann Ende der 90er Jahre die sehr intensive Teilnahme an der Newsgroup de.rec.buecher, die allerdings mehr diskussionsorientiert war, und zu der ich mehr als 10 Jahre regelmäßig beigetragen habe. 2003 kam dann meine erste eigene Webseite www.musagetes.de hinzu, auf der dann 2005 auf einer Subdomain Bonaventura gestartet wurde.

Oh! Ein Pionier der deutschen bibliophilen Blogosphäre …

Ich schreibe schon seit langer Zeit in unterschiedlichen Kontexten über Literatur, so dass das Aufsetzen eines Blogs äußerlich nur als eine weitere Drehung derselben Schraube erscheint. Schreiben über die eigene Lektüre fokussiert die Wahrnehmung des Gelesenen und erlaubt es zugleich, auf die eigene Lesehistorie zurückzublicken. Überhaupt hat mit dem Bloggen meine Aufmerksamkeit für das nicht-wissenschaftliche, empathische Lesen (das sicherlich nicht immer gelingt; aber auch das gehört zur Lesehistorie), für den unmittelbar kommunikativen Anteil des Schreibens und Lesens deutlich zugenommen.

Deine Themenschwerpunkte …

Aha. Da fällt doch der Groschen! Fundort: zvab.com

Deutsch- und englischsprachige Hochliteratur (ich weiß, dass das ein böses Wort ist) seit 1750. Darüber hinaus besteht eine immer wieder erneute Beschäftigung mit der Literatur der Antike. Und ich hätte gerne mehr Zeit für die Literatur des deutschen Mittelalters und für Herder. Aber man muss Geduld haben; die Zeit dafür kommt vielleicht noch.

Insgesamt bin ich ein anspruchsvoller Mainstream-Leser. Ich investiere kaum Zeit in den Bereich der grauen Literatur, der Kleinstauflagen und Privatdrucke, obwohl mir bewusst ist, dass da sicherlich der eine oder andere Fund zu machen wäre. Aber es gibt sowieso zu viel Gutes zu lesen, dass man in seiner begrenzten Lesezeit nicht fertig wird.

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Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Nichts, oder fast nichts. Ich muss gestehen, dass ich die Literaturszene oder den -betrieb immer nur zufällig und fragmentarisch wahrnehme und mich das allermeiste von dem, was ich dann wahrnehme, kaum interessiert. Ich habe gerade auf Philip Roth’ offenen Brief im New Yorker über seine Erfahrung mit der Wikipedia reagiert, aber das ist eher eine Ausnahme. Außerdem habe ich kurz überlegt, ob ich etwas zum Kanon-Entwurf der ZEIT schreiben sollte, aber dann fand ich ihn alles in allem zu wenig kontrovers, als dass sich das gelohnt hätte.

Doch in der Hauptsache spiegelt mein Blog meine eigene Lesehistorie wider, ohne sich um den allgemeinen Literaturbetrieb groß zu kümmern.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Das Erscheinen eines neuen Artikels zeige ich auf Twitter und Facebook an, sonst kümmere ich mich nicht viel darum. Wer mein Blog finden will, braucht ja nur zu googeln.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Dazu habe ich keine Meinung.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Ich vermute, dass das größte Problem der meisten Blogger die Kontinuität ist, nachdem die Anfangseuphorie einmal verflogen ist. Einige Monate überlebt fast jedes Blog, danach trennt sich die Spreu vom Weizen. Aber das ist auch nicht weiter schlimm: Das Internet ist ein sehr bewegliches, stets im Fluss befindliches Medium, in dem jede und jeder ausprobieren kann, was für sie oder ihn geeignet ist und was nicht.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Mich freut es immer sehr, wenn ich eine positive Rückmeldung von jemanden erhalte, der gerade Bonaventura entdeckt hat und es als eine Fundgrube nutzt.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Das kommt sehr darauf an, um was es sich handelt. Ich hatte zwischenzeitlich eine Phase, wo ich mich regelmäßig aktiv um Leseexemplare bemüht habe, aber ich musste feststellen, dass das die Freiheit meiner Lektüre unangenehm beschränkt, weil ich dann den Stapel der Neuerscheinungen abzuarbeiten habe. Inzwischen bitte ich nur noch selten und dann immer sehr gezielt um Rezensionsexemplare. Die mir ungefragt angedienten Bücher interessieren mich zum allergrößten Teil einfach nicht oder zu wenig. Zuletzt hat mir aber ein renommierter wissenschaftlicher Verlag als Reaktion auf eine meiner Besprechungen von sich aus angeboten, mich bei Gelegenheit mit Leseexemplaren zu versorgen; das hat mich als Anerkennung dann wieder gefreut.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

Ich freue mich, immer etwas zu lesen dabei haben zu können. Ich habe 2009 damit begonnen, systematisch alle Romane von Zolas Zyklus der Rougon-Macquart auf einem E-Book-Reader zu lesen, zuerst auf einem Sony PRS-600, inzwischen auf dem Kindle. E-Book-reader sind für mich kein Ersatz für Bücher, sondern eine nützliche Ergänzung. Leider verschlafen die großen deutschen Verlage und Verleger gerade die hier entstandenen Möglichkeiten oder verschenken sie durch ein unprofessionelles Management. Ich bin enttäuscht über die derzeit langsame und bewusst verschleppte Entwicklung auf dem deutschen Markt.

Es treibt dich also doch etwas im Literaturbetrieb um: das E-Book …

Das E-Book wird wohl seine Stärken auf lange Sicht in den Bereichen ausspielen, wo entweder das zu erwartende geringe Interesse des Marktes ein gedrucktes Buch unkalkulierbar macht, oder dort, wo niemand auf eine zweite Lektüre wert legt, also im Bereich der reinen Unterhaltungsliteratur.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Den Herrn Doktor Köllerer aus Wien hast du hier ja schon vorgestellt. Anschauen sollte man sich auf jeden Fall den Umblätterer von Frank Fischer und die Blogs von Giesbert Damaschke, der mit seinen Echtzeit-Blogs zum Schiller-Goethe-Briefwechsel und zu Eckermanns Gesprächen mit Goethe die Form wieder ganz anders ausfüllt. Hoch interessant ist natürlich auch der Turmsegler von Benjamin Stein, der inzwischen auch als Schriftsteller Erfolge feiert. Und zum Urgestein des Literaturbloggens gehört natürlich Oliver Gassner mit seiner Literaturwelt, die auch mal ein frisches Design vertragen könnte. – Wer hier zu Wort kommen sollte? Jeder dieser Blogger wäre sicher ein interessanter Gesprächspartner für SteglitzMind.

Danke sehr, Marius! Womöglich unterhalten wir uns anderenorts einmal über unsere Studienerfahrungen, die wir ja gemeinsam haben …

Steglitz fragt bei Sonya Winterberg nach

„Der wahre Mehrwert des E-Books muss meines Erachtens erst noch erarbeitet werden.“

Bei Sonya war es genau andersherum: Nicht sie ist mir, sondern ich bin ihr im Social Web aufgefallen, und zwar bei Twitter. Wir haben telefoniert. Nach unserem längeren Gespräch sandte sie mir ihr aktuelles Buch „Wir sind die Wolfskinder“ zu, das auf sorgfältigen Recherchen über jene Kinder basiert, die nach 1945 monate-, häufig jahrelang elternlos durch die Wälder Ostpreußens irrten, um schließlich in Litauen ein karges Auskommen zu finden.

Für das Sachbuch, das im Mai 2012 bei Piper erschienen ist, hat Sonya Zeitzeugen und Überlebende befragt. – Mich machte die Lektüre fassungslos. Tief bestürzt bin ich auch darüber, dass vom Schicksal der sogenannten Wolfskinder kaum etwas bekannt ist und bis heute Unterstützung für die betagten Überlebenden weitestgehend ausbleibt.

Die Deutsch-Finnin Sonya Winterberg arbeitet in Helsinki, Dresden und Berlin als Autorin, Journalistin und Fotografin; ihre Schwerpunkte sind zeitgeschichtliche Themen und soziale Brennpunkte. „Wolfskinder“ ist ihr zweites Werk, ihre Bücher veröffentlichten Publikumsverlage. – U.a. wollte ich von ihr wissen, ob sie sich als „Verlagsautorin“ auch vorstellen kann, in Eigenregie zu publizieren, und welche Chancen und Risiken sie auf der einen wie auf der anderen Seite ausmacht.

Wie kam es zu deiner ersten Publikation?

Seit Anfang der 90-er Jahre arbeite ich als freie Journalistin, bedingt durch das Leben in verschiedenen Ländern zunächst vorwiegend auf Englisch und Schwedisch. Als ich 2005 aus privaten Gründen nach Deutschland kam, musste ich als Autorin hier erst Fuß fassen. Das war nicht nur eine sprachliche Umgewöhnung. In den USA zum Beispiel ist das Schreiben nicht so unterteilt in akademisch und journalistisch, es muss für alle gut lesbar sein. Im Schwedischen wiederum baut man Geschichten ganz anders auf als auf Deutsch. So war die erste Frage, die ich mir stellen musste, was und für welches Publikum will ich in Deutschland eigentlich schreiben.

Du hast in Deutschland quasi wieder von Vorne begonnen?

Aus dem Ausland kommend und ohne Veröffentlichungen auf Deutsch war ich mit Mitte dreißig plötzlich wieder Berufsanfängerin. Eine komische Situation, aber meine berufliche Erfahrung bis dahin war natürlich nicht umsonst und so gelang es mir, mich doch relativ schnell auch in Deutschland zurecht zu finden.

Leicht machst du es auch deinen Lesern nicht …

Bis heute bediene ich gerne Nischenthemen und schreibe gerne für Publikationen abseits des Mainstreams. Als Journalistin interessiert mich von jeher das, was eher „schwierige Themen“ sind: Krisen, Krieg und Trauma. Schwierig nicht nur, weil sie sich mit Grenzsituationen menschlicher Existenz, Leid, Zerstörung und Tod auseinandersetzen, sondern weil diese Themen immer schwieriger zu verkaufen sind.

Dein erstes Buch entstand gemeinsam mit deinem Mann Yury Winterberg …

Kriegskinder – Erinnerungen einer Generation“ entstand als Buch zum Film, einem Vierteiler in der ARD 2009. Recht kurzfristig war mein Mann Yury, selbst Schriftsteller und Drehbuchautor, angefragt worden, ob er es schreiben wolle. Zeitlich schien das unmöglich, zumal sich die Bandbreite der Zeitzeugnisse über ganz Europa erstreckte. Zugleich wusste er, dass das genau mein Themenfeld war, es mich schon lange beschäftigte. Wir handelten also eine Ko-Autorenschaft aus. Ich übernahm die nicht-deutschen Teile, Yury die deutschen.

Du bist von Rotbuch, wo euer gemeinsam verfasster Erstling „Kriegskinder“ 2009 erschienen ist, mit deinem zweiten Buch „Wolfskinder“ zu Piper gewechselt. Wie kam es dazu?

Die Wolfskinder sind quasi aus den Kriegskindern geboren. Einer der Zeitzeugen in den Kriegskindern war ein sogenanntes Wolfskind. Sein Schicksal berührte mich sehr und gemeinsam mit meinem Agenten beschlossen wir, das Thema anzubieten. Rotbuch glaubte zum einen nicht an die Vermarktbarkeit des Themas, zum anderen konzentriert sich der Verlag inzwischen auf weniger Titel im Sachbuch. Trotzdem bin ich dem Verlag nach wie vor sehr verbunden. Die Zusammenarbeit damals war prima.

Welche Vorteile machst du in der Zusammenarbeit mit Publikumsverlagen aus?

Sonya Winterberg © Evy Nickström

Es ist schwer genug, vom Schreiben leben zu können. Publikumsverlage garantieren Autoren je nach Erfolg und/oder Bekanntheit erst einmal ein Einkommen. Sie stellen außerdem ihre Infrastruktur zur Verfügung, das heißt neben dem Lektor die Expertise zum Beispiel die der Vertreterkonferenz, also derjenigen, die das Buch nach Erscheinen verkaufen müssen. Dort sitzt geballte Erfahrung, was sich gut verkauft, was gar nicht läuft, wie man eben auch zum Beispiel schwierige Themen platziert bekommt. Also Titelwahl, möglicher Weise Umschlaggestaltung und welche flankierenden Werbemaßnahmen sonst ergriffen werden sollten.

Der Verlag kalkuliert das Buch, verantwortet die kaufmännische Seite des Verlegens, also Honorare für Leistungen wie Lektorat, Korrektorat, Layout, Satz, Vorwort eines Prominenten, Illustrationen, Werbung, PR und Vertrieb. Die Lizenzabteilung versucht im besten Fall das Buch an in- und ausländische Lizenznehmer zu verkaufen, was möglicherweise weitere Einnahmen für Autor und Verlag bringt. Rotbuch zum Beispiel verkaufte eine Taschenbuchlizenz an Piper, aber auch eine spanische Übersetzung der „Kriegskinder“.

Ein Publikumsverlag kümmert sich auch um die Bereitstellung der elektronischen Daten für alle Abnehmer von Grossisten über Online-Buchhändlern wie Amazon bis hin zur Nationalbibliothek.

Im Idealfall ist der Lektor im Publikumsverlag ein beratendes Gegenüber, mit dem der Autor auch inhaltlich am Manuskript arbeiten kann. Doch heute geht es meiner Erfahrung nach hauptsächlich um Fragen der Produktion und des Vertriebs …

Was hast du besonders schätzen gelernt?

Durch die Zusammenarbeit mit Publikumsverlagen kann ich mich weitgehend auf das Schreiben konzentrieren und manche Verantwortung abgeben. Das kommt meiner Arbeitsweise sehr entgegen.

Traditionelle Verlage stehen neuerdings häufiger öffentlich im Kreuzfeuer der Kritik …

Ich denke, man tut den Verlagen unrecht, wenn man sie über einen Kamm schert. Publikumsverlage reagieren ganz unterschiedlich auf die neuen Herausforderungen, die beispielsweise neue Medien und verändertes Konsumverhalten mit sich bringen.

Welche Nachteile siehst du?

Ein Nachteil ist sicherlich die Schwerfälligkeit größerer Unternehmen. Ein schnelles Reagieren auf neue Ideen, Möglichkeiten und Entwicklungen ist beinahe ausgeschlossen. Es scheint auch einen Generationsgraben zwischen jungen Lektoren und älteren Programmleitern und Verlegern zu geben, in dem sich die Jüngeren einerseits wenig durchsetzen und andererseits tatsächlich sehr unter Druck sind, ihre Produktionszyklen zu betreuen. Da bleiben Stilsicherheit, inhaltliche Gespräche und das gemeinsame „Spinnen“, das Entdecken neuer Themen auf der Strecke.

In kleinen Verlagen geht es persönlicher zu, in größeren Verlagshäusern ist man auch als gewinnbringender Autor unter Umständen nur eine Nummer. Häufige Personalwechsel und Vetternwirtschaft kommen leider auch im Verlagswesen vor und können sich gelegentlich negativ auswirken.

Auf was sollte ein „Jung-Autor“ bei der Zusammenarbeit mit einem Publikumsverlag besonders Acht geben?

Ich weiß nicht, ob es allgemein gültige Regeln gibt. Aber die Dinge, die einem wichtig sind, müssen in jedem Fall vertraglich festgehalten werden. Im Sachbuch also beispielsweise die entsprechende Anzahl an Belegexemplare für Interviewpartner und Zeitzeugen, ggf. Kostenübernahme für Visa oder Reisen. Ich habe gute Erfahrungen mit meinem Agenten gemacht, sowohl was die Vermittlung als auch die Vertragsgestaltung angeht. Ob man als Jungautor allerdings den Luxus hat, wie Petra Cronenburg im Gespräch mit dir meinte, einen Verlag zu finden, bei dem erst einmal die Chemie und die Kommunikation auf Augenhöhe stimmt, scheint mir fraglich. Die Konkurrenz ist groß und ob es tatsächlich passt, findet man wohl erst heraus, wenn man in der gemeinsamen Arbeit steckt.

Jungautoren haben oft eine Abwehrhaltung, was die Erfahrungen von Publikumsverlagen angeht. Gelegentlich auf diese Erfahrungen zu hören, scheint mir nicht ganz verkehrt.

Hast du schon daran gedacht, in Eigenregie zu veröffentlichen?

Für einen Roman trage ich mich durchaus mit dem Gedanken in Eigenregie zu veröffentlichen, weil im Buchhandel ein Genre-Wechsel häufig als schwierig angesehen wird.

Auch Themen, die schwer verkäuflich sind oder die ich beispielsweise mit meiner Fotografenkollegin Claudia Heinermann unter dem Label „Heinermann & Winterberg“ mache, könnte ich mir dafür durchaus vorstellen. Mit dem Bild-Text-Band „Enduring Srebrenica – The Aftermath of War“ haben wir das im Übrigen auch schon gemacht. Der Band wurde zum Teil durch Stiftungsgelder finanziert und muss sich nun im Verkauf tragen.

Welche Vorteile siehst du?

Die Vorteile in der eigenen Verlegertätigkeit liegen klar auf der Hand. Jeder Autor hat so die Freiheit zu veröffentlichen, was er möchte. Es muss in kein Programm passen und pro verkauftes Exemplar verdient er mehr. Allerdings ist die Mehrarbeit nicht zu unterschätzen. Außerdem sind die Vertriebsmöglichkeiten für die meisten Autoren eingeschränkter als in der Zusammenarbeit mit Publikumsverlagen.

Machst du für eine Sachbuch-Autorin hier auch spezielle Risiken aus?

Im Sachbuch kann es auch schon mal vorkommen, dass man eine Klage an den Hals bekommt, weil jemandem eine Darstellung nicht gefällt oder er seine Persönlichkeitsrechte verletzt sieht. Dafür wiederum ist die Rückendeckung des Justiziars im Verlag besser als jede Rechtsschutzversicherung, die im Übrigen für berufliche Belange separat abgeschlossen werden muss und sehr teuer ist. Auch bei den Wolfskindern gab es ein Kapitel, das ich im Vorfeld gegenlesen ließ, um sicher zu gehen, dass die Darstellung juristisch wasserdicht war.

Wie schätzt du die Entwicklung in Richtung Self Publishing generell ein?

Self Publishing an sich ist ja nicht neu. Es gibt sie ja immer schon, die Eigenverlage, die Literatur im Untergrund. Die Frage wird doch vielmehr sein, ob sich gutes Handwerk und anspruchsvolle Literatur auf diesem Weg besser vertreiben lässt als auf herkömmliche Weise.

Was könnte sich durch die Entwicklung absehbar ändern?

In den USA lesen heute schon mehr Menschen Blogs als herkömmliche Newssites. Das heißt, Self Publishing und Schwarmintelligenz können unter Umständen künftig eine größere Rolle spielen als traditionelle Medien, in denen häufig nur noch Agenturmeldungen umformuliert werden.

Die Finanzierungsmodelle werden sich ändern, haben es im Prinzip ja durch Kickstarter oder Emphas.is ja schon getan. Hier ist Riesenpotenzial, aber es ist auch noch nicht vollständig etabliert. Ich beobachte diese Dinge mit großem Interesse und bin gespannt, was es für meine künftige Arbeit bedeutet. Momentan denke ich über Kooperationen mit Autorinnen in anderen Teilen der Erde nach. Die Tatsache, dass man nicht mehr gemeinsam an einem Ort sein muss, um gemeinsam zu publizieren, finde ich beispielsweise großartig. Ich denke, wir werden auch im Bereich des non-linearen Erzählens jede Menge neue Möglichkeiten in den nächsten Jahren entdecken.

Wo verortest du in diesem Kontext besondere Risiken?

Grundsätzlich sehe ich in diesem Kontext erst einmal mehr Chancen als Risiken. Die Risiken sind kaum anders als im herkömmlichen Verlagsgeschäft. Wenn ich mir allerdings anschaue, wofür man in Deutschland im Internet alles abgemahnt werden darf, frage ich mich schon, weshalb Leute überhaupt dieses Risiko eingehen.

Ich denke auch, dass noch eine ganze Menge unseriöse Unternehmen auftauchen werden, die ganz ähnlich der Discounter versuchen werden, immer mehr für weniger Geld zu veröffentlichen. – Rechnen können sollte man halt auch als Schöngeist …

Das größte „Risiko“ sehe ich momentan übrigens auch als die größte Chance. Wir wissen noch nicht, wohin die Reise geht. Es gibt also viele Möglichkeiten, sich auszuprobieren. Gerade für junge Autoren Erfahrungen zu machen, was funktioniert und was nicht. Dabei auch mal auf die Nase zu fallen ist wahrscheinlich das normale Lehrgeld, das man in allen Berufen bezahlt.

Hältst du es für wünschenswert, dass deine Bücher auch als E-Book vorliegen?

Ja, natürlich fände ich das toll. Ich denke einfach, dass alle Vertriebswege und Leseerfahrungen, im Übrigen auch als Hörbuch, den Leserkreis erweitern. Da ist es dann schade, wenn ein Publikumsverlag die Rechte hat, aber nicht selbst nutzt.

Bei den „Wolfskindern“ wurde ich sechs Wochen vor Abgabe gefragt, ob ich nicht etwas schneller fertig sein könne, es gäbe Interesse an einem E-Book. Das müsse aber vor dem eigentlichen Buch erscheinen. Eine frühere Fertigstellung des Manuskriptes war nicht möglich, aber ich hatte auch meine Zweifel, ob eine elektronische Vorveröffentlichung wirklich sinnvoll ist. Als das Buch dann erschienen war, wurde ich immer wieder gefragt, ob es auch als E-Book erscheint.

Das E-Book könnte vielleicht auch zu einer weiteren Zweitverwertungsschiene, ähnlich dem Taschenbuch, werden. Andererseits gibt ein E-Book einem nicht unbedingt ein taktiles Gefühl dafür, wie viel Arbeit in einem Buch steckt, wie dick es ist, wie es gebunden ist etc.

Existiert seitens der Verlage eine Erklärung dafür, warum „Wolfskinder“ und „Kriegskinder“ nicht als E-Book erhältlich sind?

Als die Kriegskinder erschienen, war es noch kein wirkliches Thema. Rotbuch hat daran kein Interesse mehr und Piper hat dafür nur die Taschenbuchrechte. Allerdings wurden die Kriegskinder ja auch ins Spanische übersetzt und sind inzwischen nun kurioser Weise auf Spanisch aber nicht auf Deutsch als E-Book erhältlich. Ich denke, dass wir es nach der Rückübertragung der Rechte womöglich selbst als E-Book vertreiben.

Meinst du, dass dem E-Book die Zukunft gehört?

Wenn man epubli-Geschäftsführer Jörg Dörnemann oder auch Steffen Meier und Gunter Dueck diesbezüglich hört, könnte man das meinen. Dazu gehört dann aber auch, dass eben die Vorteile des neuen Mediums wirklich ausgereizt werden. Randbemerkungen zum Beispiel, die kleinen Worte und Gedankenfetzen, die wir beim Lesen im Buch selbst notieren, haben so etwas wie ein Eigenleben. Inzwischen gibt es zum Beispiel Plattformen, die einen Sätze/Schnipsel/Satzfetzen sammeln, teilen und zur Diskussion stellen lassen (z.B. Findings.com). Pinterest quasi für Leseratten. Durch das Sammeln der Schnipsel entstehen neue Gedankenwelten, das ursprünglich lineare Lesen geht in ein non-lineares Zusammenführen bzw. „Schaffen“ über. Das kann ein Teil der Zukunft des E-Books sein.

Und die Zukunft des Gedruckten?

Ich glaube auch, dass es immer eine Daseinsberechtigung für das klassische Buch geben wird, dass der sinnliche Akt des Schreibens und des Lesens zusammengehören.

Wenn ich ein Buch kaufe, gehört es mir, ich eigne es mir an wie einen Pulli oder einen gemütlichen Sessel. Den Pulli trage ich, vielleicht wird er mein Lieblingspulli, meine Kinder lieben den Geruch, wenn sie ihre kleinen Köpfe darin vergraben. Der Sessel wird erst dadurch wirklich meiner, dass ich ihm seinen Platz in meinem Wohnraum gebe, dass ich in ihm sitze, vielleicht zu einer bestimmten Uhrzeit oder mit einem lieben Menschen. Und das Buch, auch das nehme ich erst vollständig in Besitz, wenn ich es lese und meine Gedanken am Rand notiere. Wenn ich Bücher aus der Schulzeit in die Hand nehme, schmunzle ich über das, was ich da heute an Randbemerkungen lese. Bücher, die schon lange in meiner Familie sind, tragen manchmal im Einband einen kleinen bunten Papieraufkleber auf dem „Deutsche Buchhandlung Buenos Aires“ steht oder „Boston: Fields, Osgood & Co“ – sie erzählen intime Geschichten aus einer anderen Zeit, hinterlassen sichtbare Spuren. Vom Papier, dem Einband und Lesebändchen oder der Druckqualität einmal ganz zu schweigen.

Es heißt ja, dass die Digitalisierung und der Umstand, dass Autoren nicht mehr auf traditionelle Verlage angewiesen sind, erhebliche Folgen für den Buchmarkt und -handel haben (werden). Wie schätzt du die Entwicklung ein?

Schon heute gibt es mehr literarische Zeitschriften online als es im Print je gegeben hat. Dadurch lassen sich Kosten für Druck und Vertrieb minimieren und ein weit größerer Leserkreis in kürzerer Zeit ansprechen als auf konventionellem Wege. Ich glaube auch, dass auf dem Buchmarkt gerade neue Autoren größere Chancen haben, sich auszuprobieren, ohne von den Barrieren verknöcherter Verlagsstrukturen behindert zu werden. Es ist wie mit vielen Dingen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verändert haben. Unsere Welt wird komplexer. Das heißt nicht unbedingt, dass Herkömmliches völlig verschwindet, aber dass es unter Umständen eine größere Vielfalt gibt, Möglichkeiten für immer mehr Menschen sich am gesellschaftlichen oder kulturellen Diskurs zu beteiligen, unabhängig von Bildung und „objektiv“ feststellbarem Talent. Das halte ich erst einmal für einen großen Gewinn.

Was stößt dir bei den aktuellen Diskussionen rund um die Zukunft des Buches besonders negativ auf?

Die Beschäftigung des Feuilletons mit sich selbst. Von den vermeintlich führenden Köpfen der großen Tages- und Wochenzeitungen habe ich zur Zukunft jedenfalls noch nichts Erleuchtendes gelesen. Stattdessen werden Kollegen in „Schlüsselromanen“ gemeuchelt…

Und branchenintern?

In der brancheninternen Diskussion höre ich kaum etwas dazu wie sich die Qualität der E-Books entwickeln könnte. Es geht mir momentan noch zu sehr um Äußerlichkeiten wie Software, Reader etc. statt darum, vielleicht auch die Sinnlichkeit oder die interaktiven Möglichkeiten, die ein E-Book ja durchaus bieten könnte, zu verbessern. Der wahre Mehrwert des E-Books muss meines Erachtens erst noch erarbeitet werden. Zugleich geht es häufig nur um Kosten – wer kann woran sparen, was darf etwas kosten, wie sieht es mit Werbung aus. Da folgt die Funktion der Form statt umgekehrt. Daraus ergibt sich dann auch die Kommodifizierung des Autors. Während wir momentan noch an eine Demokratisierung des Buchmarktes durch das E-Book glauben mögen, wird sich der Markt, wie in allen anderen Feldern auch, am Ende wieder durch Angebot und Nachfrage selbst regulieren. Wir werden Autoren haben, die mehr verkaufen als andere und deren Marktwert dann eben auch größer ist.

 Nachtrag: Infolge unserer Unterhaltung hielt Sonya mit dem Verlag Rücksprache. Piper bringt „Wir sind die Wolfskinder“ jetzt doch als E-Book heraus und zwar am 17. September 2012.

Der zweite Teil meines Gespräches mit Sonya Winterberg dreht sich darum, was sie für ihr Buchmarketing tut, welche Maßnahmen erfolgreich waren, welche floppten und wo sie im Social Web Chancen und Risiken ausmacht.

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Vorschläge, wer in der losen Interview-Reihe “Steglitz fragt … bei Autoren nach” auch zu Wort kommen könnte, nehme ich gerne entgegen. Mich interessiert: Wie gehen Autoren mit den Entwicklungen infolge der Digitalisierung um? Welche neuen Wege nutzen sie, wo sehen sie Chancen und Risiken?

Steglitz fragt bei Jan-Uwe Fitz aka @Vergraemer nach

„Begeisterung ist keine gute Verhandlungsposition!“

Wer bei Twitter ist, kennt den @Vergraemer und dessen miesepetrige Kunstfigur Taubenvergrämer. Seit September 2009 lädt das Alter Ego von Jan-Uwe Fitz zudem regelmäßig zur Lese-Show „Jour Fitz“ ein, wo wir uns im selben Jahr erstmals persönlich begegneten. Dass er es aus der Timeline heraus zu einem richtigen Buch bei einem großen Publikumsverlag geschafft hat, ist inzwischen auch außerhalb des Social Web bekannt. Als Jan mich im Frühjahr 2011 zur Premieren-Lesung aus seinem Wahnsinnsroman „Entschuldigen Sie meine Störung“ lud, wollte mir freilich noch nicht in den Sinn, dass er im Begriff war, gemeinsam mit einigen anderen Twitteratis ein neues Kapitel Literaturgeschichte aufzuschlagen.

Tatsächlich gilt Jan-Uwe Fitz inzwischen als Prototyp einer zeitgemäßen literarischen Gattung, nämlich der „Twitterature“. Sein Wahnsinnsroman „Entschuldigen Sie meine Störung“ erschien bei Dumont im April 2011. Das E-Book „Vergraemungen @vergraemers seltsamste Tweets“ legte er im September 2011 nach. Brandneu ist das E-Book „Der Unerträgliche“, das jetzt auch gedruckt vorliegt.

Wie kam es zu deiner ersten Publikation?

Die mir auch privat bekannte Autorin Paula Lambert stieß auf mein Blog und empfahl es meiner heutigen Agentin Michaela Röll von der Agentur Petra Eggers. Die war zum Glück der Meinung, dass man einen Verlag für mich finden würde und rief mich an. Gemeinsam haben wir dann aus dem Blog und meiner persönlichen Burn-out-Geschichte das Konzept für „Entschuldigen Sie meine Störung“ entwickelt.

Dein „Wahnsinnsroman“ ist bei Dumont erschienen. Welche Vorteile machst du in der Zusammenarbeit mit klassischen Verlagen aus?

Dumont hat meinen Roman auf Basis eines Konzepts gekauft. Das heißt, ich konnte mit einem Vorschuss im Rücken zu schreiben beginnen. Für den Verlag war das ein Risiko, schließlich war ich Neuautor und sie wussten nicht wirklich, was am Ende herauskommen würde. Zumal mein Humor nicht jedermanns Sache ist.

Ein anerkannter Verlag …

Ja, das Image: Bei einem Traditionsverlag wie DuMont zu veröffentlichen, schmeichelt dem Selbstwertgefühl. Wovon ich nicht allzu viel habe. Wenn ein Verleger wie Jo Lendle an dich glaubt, ist das großartig.

Welche Vorteile siehst du noch?

Außerdem das Lektorat und natürlich die PR. Dumont hat meinen Roman nicht nur als Spitzentitel im Handel positioniert, sondern auch für eine Lesung auf EinsLive gesorgt.

Wo machst du Nachteile aus?

Ehrlich gesagt: keine. – Das wundert mich jetzt gerade selbst ein bisschen …

Was sollte man als Neu-Autor in der Zusammenarbeit mit klassischen Verlagen besonders beachten?

Jan-Uwe Fitz aka @Vergraemer - Foto (c) Anke Fitz

Jan-Uwe Fitz aka @Vergraemer – Foto (c) Anke Fitz

Ich hatte und habe das große Glück, von einer tollen Agentin unterstützt zu werden. Ohne sie wäre ich heillos überfordert, zumal ich unfähig bin, meine Interessen zu vertreten. Ich rate jedem Autor, sich eine Agentur zu suchen. Die großen Verlage sind in der der Regel zwar fair, aber natürlich vor allem auf den eigenen Vorteil bedacht.

Die angemessene Höhe des Vorschusses sowie die vertraglichen Feinheiten kann man als Autor gar nicht kennen. Und allein die Aussicht bei einem großen Verlag zu landen, elektrisierte mich so sehr, dass mir alles egal war.

Begeisterung ist keine gute Verhandlungsposition!

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Du veröffentlichst auch in Eigenregie. Was hat dich dazu bewogen?

Experimentierfreude. Und weil es dank des Internets ziemlich einfach ist. Ich bin von Natur aus faul und schon der kleinste Widerstand stürzt mich ins Tal der Tränen. Wenn es nichts kostet und nicht zu viel Aufwand bedeutet, teste ich, was immer mir interessant erscheint. Immerhin ist das Verhältnis von „Glücksgriff“ zu „Hätte ich mir sparen können“ bei mir 4:1.

Welche Vorteile machst du beim Self-Publishing aus?

Ich arbeite ungerne mit Menschen zusammen. Sie blockieren mich. Deshalb sage ich meist „Ja und Amen“, um so schnell wie möglich von ihnen wegzukommen. Beim Self-Publishing habe ich alle Fäden in der Hand und die Wut über Fehlentscheidungen richtet sich ausschließlich gegen mich. Das ist zwar auch nicht toll, aber angenehmer, als andere Menschen zu verfluchen.

Wo siehst du besondere Risiken?

Natürlich ist die Vermarktung das Hauptproblem. Verlage verfügen über eine Werbepower, die man auch im Social Web allein nicht erreicht. Und Klinkenputzen bei wichtigen Medien und Multiplikatoren liegt nicht jedem.

Worauf sollten sich Autoren, die ihre Publikationen in die eigene Hand nehmen, besonders einstellen?

Man ist noch stärker auf sich allein gestellt als ohnehin. Das hat seine Vorteile, aber man fühlt sich mitunter auch bitter allein. Außerdem rauben Technik, Vertrieb etc. Zeit, die man auch kreativ nutzen könnte. Das Schreiben kommt plötzlich zu kurz. Dabei ist es genau das, was mir am meisten Spaß macht. Um das andere kümmere ich mich nur aus sozialer Feigheit.

Für dein aktuelles E-Book hast du dich für die Kindle-Edition entschieden. Warum?

Nicht ganz richtig. Ursprünglich war das so, stimmt. Aber bereits zwei Tage später habe ich „Der Unerträgliche – Brief an einen todgeweihten Mitreisenden“ auf kobo-books veröffentlicht, weil Kindle leider keine E-Books im Format epubs bereitstellt. Epubs sind aber die Basis fast aller Leseprogramme.

Die Kindle-Edition war für mich anfangs der Weg des geringsten Widerstands. Amazon macht es einem verhältnismäßig leicht. Bei der weiteren Verbreitung der Geschichte unterstützt mich zum Glück der Leipziger Verlag Ille & Riemer. Ich befasse mich ungern mit Technik. Wenn mir jemand etwas abnimmt, jubele ich wie irre. Allerdings warte ich, bis man mich anspricht. Ille & Riemer hat das zum Glück getan.

Worauf sollte man besonders achten, wenn man sich für die Kindle-Edition entscheidet?

Vor allem darauf, dass man nicht das Häkchen mit dem exklusiven Amazon-Vertrieb aktiviert. Es ergeben sich immer noch andere Möglichkeiten und dann sind einem vorerst die Hände gebunden. Das wäre schade.

Wie hältst du es mit dem Kopierschutz?

Ich verzichte darauf. Ich hoffe, dass die Leser einsehen, dass man Geschichtenerzähler unterstützen muss. Anderenfalls verhungern sie nämlich. Außerdem nimmt der Kopierschutz einem viele Möglichkeiten – zum Beispiel was Social Reading betrifft. Mein Dumont-Buch ist allerdings kopiergeschützt. Das ist eine Verlagsentscheidung gewesen, und die war für mich ok.

Was hältst du von den Diskussionen rund um das Pricing beim E-Book?

Ich muss ehrlich zugeben: Ich befasse mich kaum mit politischen oder ideologischen Fragen rund um das Buch. Ich verfolge das zwar, aber es lenkt mich zu sehr vom Herumspinnen ab.

Es heißt ja, dass die Digitalisierung und der Umstand, dass Autoren nicht mehr auf traditionelle Verlage angewiesen sind, erhebliche Folgen für den Buchmarkt und -handel haben (werden). Wie schätzt du die Entwicklung ein?

Das geht sicherlich zu Lasten der kleineren Buchhandlung. Aber Erlebniswelten rund um das Buch werden immer boomen. Ein Konzept könnte sein, mehr Eventlesungen zu veranstalten. Unterstützt von Social Media. Wie ich es mit meiner Lesereihe „Jour Fitz“ versuche. Buchhandlungen könnten zu Clubs werden. Oder mit Bars kooperieren. Ich habe da ein paar Ideen. Falls irgendjemand dieses Interview lesen sollte und Interesse an Leseshows hat: Nur zu! Er oder sie mögen sich gerne bei mir melden …

Was stößt dir bei den aktuellen Diskussionen rund um die Zukunft des Buches besonders negativ auf?

Dass vor allem aus der Perspektive der Literatur-Stars argumentiert wird.

Meinst du, dass dem E-Book die Zukunft gehört?

Ich glaube nicht an die Zukunft!

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In Teil 2 des Gespräches erfahren wir u.a., wie der Taubenvergrämer aus der Taufe gehoben wurde, ob sich Follower „rechnen“ und was Jan-Uwe Fitz für sein Buchmarketing tut.

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Vorschläge, wer in der losen Interview-Reihe “Steglitz fragt … bei Autoren nach” auch zu Wort kommen könnte, nehme ich gerne entgegen. Mich interessiert: Wie gehen Autoren mit den Entwicklungen infolge der Digitalisierung um? Welche neuen Wege nutzen sie, wo sehen sie Chancen und Risiken?

Steglitz fragt bei Nicole Sowade nach (Teil 2)

„Wer sich – vor allem als E-Book- Autor – dem Social Web verschließt, der riskiert, vom Großteil seines Publikums ignoriert zu werden.“

In diesem Beitrag erfahren wir, was Nicole Sowade für ihr Buchmarketing tut, welche Maßnahmen erfolgreich waren, welche floppten und wo sie im Social Web Chancen und Risiken verortet. In unserem ersten Gespräch berichtete sie, weshalb sie sich für ihr literarisches Debüt „Miss Januar“ für ein E-Book entschieden hat, welche Vor- und Nachteile sie beim Self Publishing ausmacht und was ihr an den Diskussionen über die Zukunft des Buches aufstößt.

Dem Buchmarketing in Eigenregie kommt immer größerer Stellenwert zu. Was unternimmst du in dieser Richtung?

Auf jeden Fall erfinde ich nicht das Rad neu. Einige Dos and Don‘ts haben sich generell im Marketing und auch im Marketing für Bücher etabliert, die ich natürlich wie etliche andere auch nutze und nutzen muss. Das heißt, wir sprechen von einer Website und von Social Media-Accounts. Dazu kommen Autorenseiten auf Verkaufsplattformen, in meinem Fall Amazon und epubli, und z.B. das Engagement in Foren, wie beispielsweise die von Xing. Prinzipiell gilt, jede Gelegenheit zu nutzen, um über das E-Book zu sprechen. Denn niemand liest dir von den Augen ab, dass du ein Buch geschrieben hast. Zumindest nicht im wahren Leben. Man sollte außerdem so oft es geht nach links, rechts und zu anderen Autoren schauen und notfalls auch ein Buch zur Hand nehmen. Es ist nie einfach bei Null anzufangen. Aber: Das spricht nicht dagegen, wenigstens zu beginnen.

Du spendest für jedes verkaufte “Miss Januar”-E-Book 50 Cent an die gemeinnützige Organisation Save the Children Deutschland e.V. …

… und alle wirken immer so überrascht darüber. Für mich ist die Spendenaktion Teil von dem, was ich verkaufe. Im Roman geht es doch nicht nur um Mr. Right und Unterhaltung, sondern auch um ein gutes Gefühl und eine bessere Welt. Und für die kann jeder seinen Teil beitragen. Gar nichts zu unternehmen, das ist eine Bequemlichkeit, die wir uns alle nicht mehr leisten können. Genau das lebt meine Heldin vor und vielleicht finden sich ja Nachahmer. So schwer ist das schließlich nicht.

Meine Spendenaktion für Save the Children hat einen ganz einfachen Grund. Ich persönlich finde es viel wichtiger, Menschen dazu zu befähigen, zu lernen und vielleicht letztlich etwas Gutes zu bewirken, als beispielsweise einen Baum zu pflanzen. Keine Frage, ich pflanze gerne Bäume. Aber irgendwie muss man ja Prioritäten setzen. Und dann bringe ich lieber vielleicht zehn Leute dazu, irgendwann einen ganzen Wald aufzubauen.

Welche deiner Aktivitäten außerhalb Social Web kamen besonders gut an, welche floppten?

Das lässt sich auf eine einfache Formel reduzieren: Auftritte top, PR flop. Pressearbeit funktioniert irgendwie nicht so, wie ich sie aus dem klassischen Buchmarketing kenne. Immer wieder ist das E-Book selbst die Hürde. Ohne Print-Pendant wollen es viele Medien nicht besprechen. Selbst Verlosungsaktionen bringen wenig – wahrscheinlich, weil E-Books an allen Ecken und Enden gratis verteilt werden. Hier lerne ich tagtäglich dazu, was möglich ist und was nicht. Und immer wieder heißt es, hartnäckig bleiben und dort nach Rezensenten Ausschau halten, wo sich die Zielgruppe tummelt.

Dein Erscheinen als Miss …

Top: „Miss Januar“ auf der Leipziger Buchmesse 2012 Foto (c) privat

Das war ganz klar top. Auf der Leipziger Buchmesse bin ich als Miss Januar mit Krönchen und Schärpe erschienen. Die Idee war so einfach wie gut. Die Schärpe konnte ich online im besten Schärpen-Shop aller Zeiten bestellen. Das Krönchen lieferte Amazon zuverlässig wie eh und je. Und dann kam dankbarerweise ein sehr sonniger, warmer Tag X, an dem ich in das kleine Schwarze geschlüpft bin und mich in die Messe-Massen gestürzt habe. Ich konnte mir Vorträge anhören, die Konkurrenz beäugen, erste Kontakte knüpfen und vor allem etwas Aufmerksamkeit erhaschen. Etwa, wenn jemand aufgeregt seinem Nachbarn zuraunte: „Guck mal, ne Miss! Ne Miss!“ Das Outfit wirkte als toller Eisbrecher. Ich glaube, das lag aber auch daran, dass vor mir noch kein Autor als Reinkarnation des eigenen Titels auf der Messe herumgelaufen ist. Das bietet sich ja auch nicht bei jedem Buch an. Eine „Göttin in Gummistiefeln“ kann ich mir gut vorstellen, die „Schnäppchenjägerin“ dagegen wäre zwischen all‘ den Messebesuchern mit ihren Tüten und Taschen sicher sang- und klanglos untergegangen …

Und dann dein Auftritt bei der re:publica im Mai, wo du mir aufgefallen bist …

Stimmt. Nach dem Auftritt in Leipzig setzte ein Pingpong-Effekt ein: Ich wurde eingeladen, am Self-Publishing Panel auf der re:publica in Berlin teilzunehmen. Wow, nun ging es vor ein hochinteressiertes Publikum! Dafür hab ich mir gerne einen Urlaubstag genommen und bin erneut in meine Kostümierung geschlüpft. So hast du mich entdeckt. Und so geht es weiter. Und das alles, weil eine relativ einfache, aber unkonventionelle Idee am Anfang stand. Not macht eben erfinderisch.

Wo findet man dich und deine Bücher im Netz?

Wie? Soll ich jetzt alles aufzählen? Google weiß über mein Autorenleben bestimmt ausführlicher Bescheid als ich. Natürlich findet man mich und Miss Januar im klassischen Social Web, also bei Facebook und twitter, neuerdings auch bei google+. Meine Website hält sich wacker. Und wer „the new anti-hipster princess“, wie ich mal genannt wurde, live bestaunen will, der kann sich ein Video der re:publica anschauen. Vielleicht ist nicht jede Kameraeinstellung zu meinem Vorteil, aber was soll‘s … Wir alle haben ja unsere schöneren und weniger schönen Tage. Und solange ich nicht wie meine Heldin ein „Berliner Nipplegate“ nach dem anderen provoziere, bin ich entspannt und nehme mich selbst nicht wichtiger als ich bin.

Und dein E-Book „Miss Januar“?

Mein E-Book: Das finden Interessierte momentan ausschließlich bei Amazon, iTunes und googleBooks, sowie im epubli-Shop, sprich für Kindle und im ePub-Format. Also: Loslesen leicht gemacht!

Hast du Erfahrungen mit Kostenlos-Aktionen gesammelt?

Ja und nein. Zum Launch im Februar habe ich unter dem tollen Namen „Share & Read“ die sensationellste, meist-nicht-beachtetste Kostenlos-Aktion initiiert, seit es E-Books gibt! Dahinter steckte ein „Pay per Tweet or Facebook-Button“. Jeder, der für etwas virale Werbung sorgte, konnte sich den Roman als geschütztes PDF herunterladen. Was ich völlig unterschätzt habe, war, dass es einer gewissen Schwungmasse bedarf, bevor man das Wort Viralität überhaupt in den Mund nehmen sollte. Insofern könnte man durchaus sagen, dass sich meine Aktion in Quarantäne befand. Ein Traum für jeden Arzt, ein Horror für einen Produktlaunch, wie du dir sicherlich vorstellen kannst …

Das war’s dann mit Kostenlos …

Ja, meine  Erfahrung damit hält sich in Grenzen. Ursprünglich hatte ich eine Gratisaktion bei Amazon geplant. Ich habe sie deshalb nicht durchgeführt, weil die Bedingung dafür ist, exklusiv auf der Plattform zu verkaufen. Das klappte aufgrund meines Timings nicht mehr. Ich nehme gerade beim Neuen Buchpreis teil und arbeite mit epubli zusammen. Das Thema Kostenlos ist damit aber längst nicht vom Tisch. Und wer weiß, vielleicht kommen bei der nächsten Buchparty genug Gäste, um sich mit dem Miss Januar-Virus anzustecken.

Im Bereich Social Web: Seit wann und warum bist du hier aktiv?

An den Tag X kann ich mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern. Beruflich nutze ich bereits seit einigen Jahren Xing und bin ganz froh, mich dort vernetzen zu können und über Gruppenbeiträge den neuesten eBook-Gossip zu erfahren. Der erste Schnitt kam vor etwa zwei Jahren. Damals fing ich beziehungsweise meine Heldin an, unter dem Namen @Mizz_Energy zu twittern. Zu der Zeit arbeitete ich intensiv an der Story und hatte immer wieder spannende Infos über neueste Trends aus der Öko-Ecke. Die passten nicht immer ins Buch und noch weniger zu dem, was ich sonst so von mir gebe. Dennoch wollte ich die Links nicht verlieren – oder in meinem Bookmark-Account verbuddeln. Also hat meine Heldin Elizabeth alles, was spannend und teilenswert war, mehr oder weniger gewitzt in 140 Zeichen gepackt. Sie wurde dadurch – quasi  von heute auf morgen und völlig unprätentiös – zu einer Microbloggerin und damit auch für mich als literarische Figur noch lebendiger. Mittlerweile ist der Account auch mit Facebook verknüpft.

Seit wann bist du bei Facebook?

Dort bin ich seit dem Romanlaunch im Februar aktiv. Es gibt Seiten zu mir als Autorin und zum Roman selbst. Der Schritt zu Facebook bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung. Dort findet sich eine unglaublich offene Community und die Plattform setzt alles daran, dass der Austausch untereinander gelingt. Ich kann News aus der „Miss Januar“-Welt verbreiten und mir persönlich und meinem Roman ein Gesicht geben. Egal, welchen Weg man einschlägt: Wer sich – vor allem als eBook-Autor – dem Social Web verschließt, der riskiert, vom Großteil seines Publikums ignoriert zu werden.

Bist du bei deinen ersten Schritten im Social Web planvoll vorgegangen?

Erwischt! Nein. Mein einziger Gedanke im Februar war: Verdammt nochmal, wie erstellt man attraktive E-Books? Als die Veröffentlichung dann anstand, war es das Einfachste mal eben bei Facebook auf den Knopf zu drücken, um eine Seite zu erstellen und im Social Web mit meinem frisch gelaunchten Roman präsent zu sein. Was ich damals damit wollte? Man hatte das eben so. Alle Autoren, die ich kannte, hatten eine Seite und ich dann eben auch. Schließlich wollte ich doch ganz groß mitmischen. Was ich dort sagen würde? Dinge eben … Keine Ahnung. Mittlerweile bin ich zum Glück einen gewaltigen Schritt weiter. Man könnte sagen, auch Miss Januar wird erwachsen.

Und welche Strategie verfolgt die erwachsene „Miss Januar“ im Social Web?

Die hat endlich ihre Hausaufgaben gemacht und setzt inzwischen auf Inhalte. Als nur E-Book-Autor hast du nicht so wahnsinnig viele Events, über die du berichten kannst. Du kannst über deinen Roman, dein Autorenleben oder ganz einfach über dich schreiben. Und je nachdem, was du willst, solltest du deine Storys ergänzend zur eigentlichen Romanstory zudem gut erzählen. Schließlich willst du, dass deine Posts gelikt und kommentiert, idealerweise sogar geteilt werden. Bei mir ist zum Beispiel jeden Montag Zitat-Tag. Mein Roman hat ca. 400 Seiten und bietet damit mehr als genug Futter, um mit einem Best-Of die Leute zu unterhalten. Andere Inhalte ergeben sich eher zufällig, wie zum Beispiel dieses Interview, über das ich posten werde. Und vielleicht stolpere ich gleich morgen auf dem Weg zur Arbeit über irgendeine Kuriosität, die zwar mir persönlich passiert, aber nicht zu privat ist. Warum dann nicht die Fans daran teilhaben lassen?

Worauf achtest du bei deiner Kommunikation im Social Web besonders?

Um ehrlich zu sein: ganz besonders auf gar nichts, zumindest nicht auf mehr oder weniger, als wenn wir uns auf der Straße treffen würden. Anfangs bin ich höflich-sympathisch, vielleicht sogar eine Spur zurückhaltend. Dann lernen wir uns immer besser kennen und ich werde offener. Vielleicht geht dann auch mal ein Satz daneben, aber das gehört dazu und sorgt für Authentizität. Social Media Guidelines oder Netiquette-Regeln aufzustellen wäre in meiner Situation doch etwas schizophren. Schließlich kenne ich mich selbst mehr als gut genug und muss nicht jeden Tag auf meinen Mantra-Zettel schauen, um mich daran zu erinnern, wer ich bin. Sinnvoll wäre das nur, wenn ein Heer von Ghost-Postern für mich schreiben würde. Allerdings würde ich mich höchstwahrscheinlich schwer tun mit einem „Du musst so und so schreiben“-Regelwerk. Wer mag es schon, sich an Regeln zu halten, selbst wenn es die eigenen sind? Wo bleiben dabei der Spaß und die Freiräume für Spontaneität? Und mal ehrlich, wir besteigen ja hier nicht den Mount Everest, sondern reden lediglich von Facebook.

Welche deiner Aktivitäten im Social Web kamen besonders gut an, welche floppten?

Vielleicht sollte ich das Metier wechseln. Immer beliebter werden meine Zitat-Scribbles, die getreu dem Motto „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ für gute Stimmung unter meinen Fans sorgen. Mit dem Charme einer Sechsjährigen bebildere ich den Text. Dabei zählt: je reduzierter und tollpatschiger, desto besser. Schönmalen können die richtigen Künstler. Und Perfektion ist langweilig!

Der Megaflop – Foto (c) Nicole Sowade

Ein Mega-Flop dagegen war die Fußball-EM. Ein Grund für mich, auch bei den olympischen Spielen die Füße und Finger stillgehalten und keine Gold-Medaillen-Aktionen durchgeführt zu haben. Was hatte ich mir bei der EM auch erwartet? Dass der gemeine Leser von Liebesromanen die Aufstellung der Deutschen Elf kennt? Weder meine Heldin noch ich sind Profis auf dem Gebiet. Warum hätten es also meine Leser sein sollen? Aber wer weiß, vielleicht wäre die Resonanz ja bombastisch gewesen, wenn ich zu dem Zeitpunkt bereits mehr Fans auf meiner Seite gehabt hätte. Die ausgeklügelste Aktion bringt nichts, wenn niemand da ist, der sie weitersagt.

Social Media ist sehr zeitaufwändig. Wie sieht dein Pensum aus?

Na ja, noch sind meine Fanmassen überschaubar. Entsprechend reichen morgens, mittags und abends jeweils einige Minuten bis zu einer halben Stunde. Summiert ist das allerdings auch nicht so wenig. Sobald ich beginne nach Kooperationsmöglichkeiten oder Ähnlichem im Web zu suchen, Rezensionsanfragen stelle oder selbst Postings verfasse – ich mich also plötzlich vom Social Media Virus gepackt von Klick zu Klick hangle – erhält das Zeitkonto rasend schnell Zuwachs. Aber das gehört dazu. Ich arbeite ja nicht nach Stechuhr, sondern für mein Buchbaby. Und wer zählt dann schon die Stunden? Ich nicht.

Kannst du dich ruhigen Gewissens ausloggen oder treibt es dich dann doch wieder zum Rechner bzw. dem Smartphone?

Nichts einfacher als das! Immer! Es ist sogar so, dass das Gewissen an mir nagt, wenn ich zu viele Stunden im Social Web verbracht habe und die Zeit zum Schreiben mal wieder knapp wird. Ich stelle mir dann immer meine Heldin vor, wie ich sie gerade per Tastatur in ein richtig schönes Unglück gestürzt habe, zum Beispiel eine Entführung. Dann gibt es einen Cut. Solange ich nicht weiter schreibe, so lange sitzt sie in diesem dunklen, kalten Raum in ihrem viel zu dünnen, kleinen Kleidchen, auf engstem Raum mit ihrer Oma, muss mal Pipi und friert. Tage- und wochenlang nach meiner Zeitrechnung. Auweia, Zeit, sie da wieder rauszuholen …

Schaffst du dir regelmäßig Offline-Phasen?

Ja, und zwar ganz bewusst, in denen Outlook schweigt, die Facebook-Timeline keine Aktualisierungen anzeigt und mein Telefon zwar fröhlich Anrufe entgegen nimmt, ich sie jedoch nicht höre, weil es lautlos gestellt ist. Die Versuchung, ständig hier zu reagieren, dort zu kucken und da zu klicken, verschwindet ganz schnell. Ich vertiefe mich in meine Story, vergesse Zeit und Raum und freue mich über jeden lustigen Dialog und jeden noch so kleinen Mini-Scherz wie eine Königin. Dann nimmt die Entführung meiner Heldin ein gutes Ende. Soviel sei verraten, meine Heldin lächelt debil und ich lächele ebenfalls etwas debil. Na ja. Dann tauche ich irgendwann wieder auf, stelle fest, dass ich einen Bärenhunger habe, weil ich vor lauter Schreiben vergaß, zu essen. Dann wird schnell etwas in der Küche zurechtgezaubert und während ich wenig später esse, checke ich online, was sich im Social Web getan hat.

Du bist mit „Miss Januar“ bei derneuebuchpreis.de dabei. – Was versprichst du dir davon über einen Sieg hinaus?

Ich würde die Frage eher anders stellen: Was verspreche ich mir noch vor dem Sieg? Und das ist Aufmerksamkeit. Meine Teilnahme hat geradezu olympische Züge: Dabei sein ist alles. Und dass ich mich seit dem Start der Votingphase in den Top 50 halte, finde ich schon mal supertoll. Noch besser wäre natürlich die Top 5 zu stürmen. Ob ich mit meiner Feel-Good-Literatur jedoch tatsächlich aufs Goldtreppchen steige, wird sich zeigen. Sollte ich jedenfalls gewinnen, dann winken mir lediglich Ruhm und Ehre. Das Preisgeld würde ich eins zu eins in den Spendentopf für Save the Children tun. Schließlich hätte ich den Sieg meiner sympathisch-netten Romanheldin zu verdanken und die wäre andernfalls zu recht ziemlich sauer auf mich.

Ohne Fangemeinde geht in der Abstimmungsphase bei derneuebuchpreis.de nichts. Welche Wege nutzt du, um dir die Unterstützung deiner Fans und Leser zu sichern?

Gute Frage … Offensichtlich tue ich noch nicht genug, denn die Spitze des Rankings habe ich noch lange nicht erobert. Momentan rühre ich vor allem auf Facebook die Werbetrommel. Ähnlich verhält es sich mit Xing. Und ansonsten verschicke ich Mailings an Freunde und Bekannte, die mir weiterhelfen könnten, sprich, die einen Facebook-Account zur Abstimmung haben. Je persönlicher, desto besser. Auch nicht ungenutzt lasse ich meine Mail-Signatur. Wir verschicken jeden Tag so oft Nachrichten, da wäre es doch schade, die wichtigste Info unausgesprochen zu lassen. Mal schauen, wie weit ich damit komme. Erschwerend ist, dass mich manche mit ihrer Stimme zwar unterstützen wollen, aber auf die Schnelle die falsche Schaltfläche zum Voten gedrückt haben. Der „Abstimmen“-Button braucht leider sehr lange, um sich zu laden und es reicht nicht, auf „gefällt mir“ zu klicken. Aber vielleicht wird am Ende alles gut. Die Votingphase läuft ja noch etwa vier Wochen und es wäre zu schön, wenn beim Neuen Buchpreis ein Nur-E-Book vorne mitspielt.

Wie regelst du Fragen der Erfolgskontrolle? Welche Tools nutzt du?

Die Online-Welt macht es einem traumhaft einfach, Zahlen zu horten. Ich beobachte mein Amazon-Ranking und steigende Besucherzahlen auf meiner Website. Dass ich nicht mehr Miss Noname bin, sagt mir Google über Alerts regelmäßig. Und natürlich gibt es Facebook und twitter, deren steigende Fan- und Follower-Zahlen mich ebenfalls erfreuen. Mein Autorendasein wird transparent, messbar und vergleichbar. Und ich selbst kann auf Ausreißer nach oben und unten, also die Tops und Flops, reagieren und aus ihnen lernen.

Was ist schon Erfolg …

Eben. Zahlen als solche bedeuten mir recht wenig. Erfolg ist mehr als eine konstant hohe Klickrate. Wirklich gut fühlt sich tatsächlich nur das Feedback der Leser an, das mich regelmäßig gänzlich unvorbereitet erwischt. Leute fragen: „Wann kommt die Fortsetzung?“ Jemand gesteht plötzlich: „Ich bekomme Herzklopfen, wenn ich die Stellen mit Mr. Right und Lizzy lese.“ Oder der eine und andere freut sich bereits auf die Verfilmung. Und das ist schön zu hören, denn darauf freue ich mich auch! In solchen Momenten muss ich immer lächeln. Dann denke ich mir: Genau dafür hast du es gemacht, um Menschen beim Lesen eine schöne Zeit zu bereiten. Also: Machweiter so!

Was sollte man als Autorin im Social Web unterlassen? Wo verortest du Risiken?

Ist jetzt schon Zeit für das berühmte letzte Wort? Dazu fällt mir nur das ein: Verrate vieles, aber um Gottes Willen nicht alles! Weder über dich, noch deine Arbeit, noch deine Ideen. Wo bleibt denn sonst die Überraschung?

Mir hast du allerdings sehr viel Interessantes verraten. Danke, Nicole, für das tolle Gespräch und Glück auf beim neuen Buchpreis!

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Wer mehr über Nicole Sowade erfahren möchte, findet die Autorin hier im Netz:

www.nicolesowade.de

www.facebook.com/missjanuar

https://www.facebook.com/pages/Nicole-Sowade/376194652407771

http://twitter.com/mizz_energy

https://plus.google.com/105252781185163217785

http://www.amazon.de/Nicole-Sowade/e/B007FT489I

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Vorschläge, wer in der losen Interview-Reihe “Steglitz fragt … bei Autoren nach” auch zu Wort kommen könnte, nehme ich gerne entgegen. Mich interessiert: Wie gehen Autoren mit den Entwicklungen infolge der Digitalisierung um? Welche neuen Wege nutzen sie, wo sehen sie Chancen und Risiken?

Demnächst steht hier Jan-Uwe Fitz Rede und Antwort, der im Netz bestens als Taubenvergrämer bekannt ist.

Steglitz fragt bei Nicole Sowade nach

„Der Windows-Apple-Kindergarten aus der Musikindustrie wird mit epub und mobi zur Amazon-Apple-Spielwiese des Buchmarktes.“

Nicole Sowade fiel mir auf der re:publika12 auf. Zum Panel „Was Autoren vom Self-Publishing erwarten können (und was nicht)“ erschien sie mit Krönchen und Schärpe. Geschrieben stand darauf „Miss Januar“. Das ist der Titel ihres in der Kindle Edition im Februar 2012 selbstverlegten E-Books, mit dem die Berlinerin inzwischen bei epubli ist. In der Kategorie Belletristik ist sie damit zudem bei derneuedeutschebuchpreis.de vertreten – dem Schreibwettbewerb für die neue Self-Publisher-Autoren-Generation, der auf der Frankfurter Buchmesse 2012 zum zweiten Mal vergeben wird.

Nicole macht sich keine Illusionen. Die Entwicklungen auf dem Buchmarkt verfolgt die studierte Germanistin, die ein Praktikum in einem Publikumsverlag absolviert hat, kritisch. Und auch den Vor- und Nachteilen des Self Publishing sieht sie heute klaren Blickes ins Auge. Nicole sagt, als Selbstverlegerin müsse man kreativ sein. – Das wollte ich unter anderem von ihr genauer wissen.

Hast du dein Manuskript auch traditionellen Verlagen angeboten?

Zunächst einmal: Danke für die Einladung, Gesine. –  Ja, habe ich. Als ich vor einem guten Jahr den Schlusspunkt unter meinen Roman gesetzt hatte, konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als meinen Titel gedruckt zu sehen. Also habe ich es natürlich probiert und die großen deutschen Verlage, die Unterhaltungsliteratur im Programm haben, zwischen Hoffen und Besseres-Wissen angeschrieben. Was dann folgte, waren früher oder später eintrudelnde Absagen, die mit einem „Weiterhin viel Erfolg!“ endeten. – Immerhin weckte meine ziemlich chaotische Suche nach Mr. Right auf den Straßen Berlins das Interesse des Rowohlt-Verlags. Sie baten um Einsendung des Manuskripts. Obwohl man anfänglich begeistert nachfragt hatte, erfolgte auch hier eine Absage, erneut mit Standard-Sätzen. – Mein Liebling ist allerdings nach wie vor Bastei Lübbe. Wohl hat sich der Verlag bis heute nicht bei mir zurückgemeldet und das, obwohl die findige Mitarbeiterin mir auf der Leipziger Buchmesse nahezu genervt versicherte: „Wir melden uns immer!“ Haha, naja …

Die typischen Leiden einer Jung-Autorin …

Ja. Anders hatte ich das auch nicht erwartet. Denn während meines Studiums habe ich als Praktikantin Mäuschen in einem Berliner Lektorat gespielt. Dort waren die Stapel des „unaufgefordert Eingesandten“ keine Chefsache, sondern meine Aufgabe. Ob sich das heute geändert hat? Wer weiß … Vielleicht sind es mittlerweile Werkstudenten oder Volontäre? Letztlich kann ich mir jedoch nicht vorstellen, dass Lektoren neben ihrer eigentlichen Arbeit an neuen Titeln, tatsächlich noch den Literaturscout spielen. Dieses Feld wird doch mehr und mehr Agenturen überlassen, die im Idealfall auch Einblick in die Programmplanung der Verlage haben. Für alle, die nicht wissen, was in einem Jahr „in“ ist, bleibt das ein Glückspiel. Und die machen bekanntlich nur dann Spaß, wenn man gewinnt.

Welche Vorteile hat das Self-Publishing deiner Meinung nach?

Da muss ich nur mein Cover anschauen. Am glücklichsten bin ich, dass mein Roman immer noch „Miss Januar“ heißt und ich mir jedes Mal aufs Neue denke: Wow, was für ein toller, sympathischer Titel! Bei der Covergestaltung sage ich mir immer: Puh, zum Glück läuft da nicht gerade ein Hamster, ein Frosch oder irgendein anderes Tier übers Bild! Die haben nämlich aus unerfindlichen Gründen noch immer Hochkonjunktur.

Und zudem deine Spendenaktion zugunsten „Save the Children Deutschland“ …

Ja, genau. Das freut mich umso mehr, dass mit jedem verkauften „Miss Januar”-E-Book 50 Cent an die gemeinnützige Organisation gehen. Ich bezweifele, dass ich als unbekannte Autorin eine solche Spendenaktion bei einem klassischen Verlag hätte durchsetzen können. Mir ist zumindest kein Titel bekannt, bei dem das gemacht wird – jedenfalls nicht in der Unterhaltungssparte.

Neben den formalen Aspekten … Welche Vorteile machst du beim Self Publishing darüber hinaus aus?

Großartig ist, dass ich die Story völlig unabhängig von Programmplanungen der etablierten Verlage herausbringen konnte. Meine Heldin stolpert durch Berlin wie in den 90er Jahren Bridget Jones durch London. Nebenbei sucht sie Mr. Right und eine Lösung, die Welt zu retten. Und egal, ob der Stoff nun laut den Gesetzen des Buchmarkts angesagt ist, oder nicht: Diese charmante Figur bekam blitzartig die Chance, das Herz der Leser zu erobern.

Ein bisschen ist die Situation auf dem Buchmarkt derzeit vergleichbar mit der Fashionindustrie. Plötzlich hängt nur noch Orange in den Geschäften, weil irgendeine Trendmesse festgelegt hat, dass man das nun tragen soll. Aber wenn dir Orange nicht steht oder nicht gefällt, dann hättest du doch gerne etwas anderes, nicht? Ich bin das andere! Gemeinsam mit vielen anderen Selbstverlegern sorge ich für etwas Abwechslung.

Wo machst du beim Self-Publishing besondere Risiken aus?

Hmm, lass mich kurz nachdenken … Ich glaube das größte Risiko besteht darin, auf ein Unternehmen zu vertrauen, das einem beim Vertrieb oder etwa bei der Vermarktung helfen will und mit utopischen Erfolgszahlen lockt. Für die Leistungen werden Gebühren fällig. Und die werden plötzlich immer höher. Der Bereich Self-Publishing ist genauso kommerziell wie jeder andere auch. Doch woher soll der Hobby-Autor wissen, welches Angebot seriös ist und welches nicht? Welcher Laie kennt schon die Buchbranche und ihre Gepflogenheiten? Und wie kann man einen Nepper-Schlepper-Bauernfänger erkennen, bevor man bettelarm ist?

Nicole Sowade – Foto (c) frischefotos / Heiko Marquardt

Dazu kommt, dass mir beim Self-Publishing niemand professionelles Feedback zur Qualität meines Textes gibt. Mir bleibt nur die Reaktion der Leser, die im meinem Fall dankbarerweise bis jetzt durchweg positiv ist. Aber vielleicht wurde ein Manuskript auch mit Fug und Recht von Verlagen abgelehnt? Dann kann ich den Text natürlich selbst veröffentlichen, das macht ihn aber leider auch nicht besser.

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Was ist in deinen Augen von besonderem Nachteil?

Na ja. Der größte Nachteil beim Self-Publishing ist schlichtweg der Vertrieb. Klar kann ein Titel mit ISBN überall bestellt werden, aber das heißt ja noch lange nicht, dass er Platz in jeder Buchhandlung findet. Oder – wenn er wie in meinem Fall zunächst nur als E-Book vorliegt – in den absolut relevanten Online-Store vertreten sein. Für die Sichtbarkeit und steigende Bekanntheit muss der Autor selbst sorgen.

Was rätst du jenen, die Schritte in Richtung Self Publishing / Independent Publishing planen? Worauf sollten sich Autoren, die ihre Publikationen in die eigene Hand nehmen, besonders einstellen?

Dass ihr bis auf weiteres keine Autoren mehr seid. Vergesst es! Nennt euch ab sofort Selbstvermarkter! Ich sage das bewusst so direkt, weil mir das vorher in dem Maße nicht so klar war. Ziemlich naiv dachte ich, das läuft schon irgendwie. Ich hatte sogar bereits mit der Fortsetzung begonnen. Dann kam Teil 1 raus. Und plötzlich war keine Zeit mehr zum Schreiben. Auf einmal ging es um Leser, Fans, Marketing-Material, Messen und immer wieder die Frage: Was kann ich, verdammt noch mal, noch unternehmen, um mit einem kleinen Budget einen zumindest bemerkbaren Effekt zu erzielen?

Wer also einen Text selbst veröffentlichen möchte, der sollte sich Zeit nehmen, das Danach zu planen. Sollte beobachten, was andere Autoren erfolgreich macht. Und ruhig auch nochmal das eine oder andere DIY-Fachbuch zum Thema Buchmarketing lesen. Traut euch unbedingt auch, andere Personen aus der Branche auf Xing oder Facebook und natürlich auch im echten Leben anzusprechen! Gerade uns Frauen fällt das ja nicht immer so leicht. Doch falsche Bescheidenheit ist fehl am Platze. Und last but not least: Übt unbedingt über euren Text zu sprechen. So banal das klingen mag, wenn der Moment kommt, dein „Baby“ vorzustellen, solltest du es flüssig und prägnant in den höchsten Tönen loben können …

Warum hast du dich für die Veröffentlichung von „Miss Januar“ für ein E-Book entschieden?

Entscheidung würde ich es gar nicht nennen. Es gab im letzten Jahr einen Moment, an dem eine Veröffentlichung als E-Book plötzlich Sinn machte. Während allmählich die Absagen ins Haus trudelten und der Frust wuchs, meinten Freunde, dass ich den Roman doch selbst drucken lassen könnte. Doch davon war ich nicht überzeugt. Ich hätte stapelweise Papier im Flur, und dann? Zur gleichen Zeit stieß ich online auf eine Studie des Öko-Instituts, wonach E-Books nachhaltiger als Print-Bücher seien – zumindest wenn man als Vielleser mehr als 11 Titel im Jahr schafft.

Was hat das mit deinem Roman zu schaffen …

Ganz, ganz viel! Ich kenne nämlich nur eine ganz spezielle Sorte von Verrückten, die so viel lesen: Fans von Liebesgeschichten und Happyends. Also: meine Zielgruppe! Und genau die kann ich mit E-Books erreichen und dabei sogar Gutes tun. Zugleich fiel mir auch mein Vorhaben wieder ein, zu meinem Roman etwas dazu zupacken. Urplötzlich war mir klar, dass ich ganz im Sinne meiner Romanheldin eine Spendenaktion möglich machen könnte. Na ja. Zu guter Letzt, bin ich wohl irgendwann über den „Buch veröffentlichen“-Button bei Amazon gestolpert. Ich wusste um das Honorar von Taschenbuch-Autoren. Mir ging auf, dass ich über Amazon wesentlich höhere Tantiemen erhalten würde. Der Rest ist Geschichte.

Worauf sollte man besonders achten, wenn man sich fürs E-Book entscheidet?

Ich denke, das ist ähnlich wie bei anderen Eigenveröffentlichungen. Lass es unbedingt von so vielen Leuten wie möglich lesen. Dann musst du dir das Cover überlegen, die Bildrechte klären, dich eventuell um eine ISBN kümmern und einen guten Preis festlegen. Wie soll der Satz aussehen? Wie das Layout? Wie das Inhaltsverzeichnis? Packst du noch weitere Infos rein? Verlinkst du Texte ins Web, was mit dem klassischen Buch nicht möglich ist. Und kannst du womöglich sogar am Ende des Buches bereits auf einen Nachfolger aufmerksam machen?

Und natürlich ist es nie verkehrt, bei den Profis zu lauschen. Janet Evanovich hatte damals gerade Teil 17 herausgebracht. Mir war es eine Freude, unter dem Deckmantel knallharter E-Book-Recherche ihre neue Story zu lesen und nebenbei zu schauen, was ein digitales Buch – noch dazu made in America – mindestens können muss. Auch wenn es in der Buchbranche sonst zu Recht nicht gerne gesehen ist, hier gilt: Abkucken erlaubt!

Was hältst du von den Diskussionen rund um das Pricing beim E-Book?

Als Leser finde ich die Preispolitik der großen Verlage unverschämt überteuert. Wobei es hier natürlich auch Ausnahmen gibt. Ich kann nur hoffen, dass die Mehreinnahmen den Autoren zugutekommen. Wenn bei einem gedruckten Buch in der Regel ein Drittel der Einnahmen für die Produktion berechnet wird, so erwarte ich beim E-Book mindestens einen vergleichbaren Nachlass beim Verkaufspreis. Schließlich ist die digitale, technische Herstellung um ein Vielfaches günstiger ist.

Wie verfährst du mit der Preisgestaltung?

Als Autor gehe ich natürlich anders an die Frage heran. Dabei ist entscheidend, wo ich selbst stehe und was ich strategisch möchte. Die Verramschungspanik kann ich nicht teilen. Als Part-Time-Autor finde ich Gratis-Aktionen, die in der Regel ja auch zeitlich beschränkt sind, toll. Sie sind das, was im klassischen Verlag das Gewinnspiel ist, und kosten de facto sogar weniger, nämlich nichts. Der Effekt ist jedoch der Gleiche: Man gewinnt neue Leser.

Mit welchem Preis Self-Publishing-Autoren aufmachen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Mein Rat: Kalkulieren und sich dann für die beste Alternative entscheiden. Mein E-Book „Miss Januar“ ist für 3,49€ zu haben. Damit verdiene ich zwischen 60% und 80% vom Nettoverkaufspreis. Und damit schon einmal viel mehr pro Exemplar, als wenn ich ein Taschenbuch verkaufen würde. Von meinen Einnahmen gehen 50 Cent für die Spendenaktion für Save the Children Deutschland ab. Verbleiben also grob zwischen 1,20€ und 1,80€ für mich, die ich wiederum in Aktionen oder Ähnliches investieren kann. Für mich perfekt.

Aber nochmal: Der Preis ist abhängig von der persönlichen Situation und den eigenen Zielen. Mir geht es mit meinem Erstling „Miss Januar“ darum, Leser zu finden und zu unterhalten. Wenn ich damit den einen oder anderen Euro verdiene ist das ein Plus, kein Muss. Und noch toller wäre ehrlich gesagt, wenn ich nach einem Jahr einen richtig fetten Check an Save the Children überreichen könnte. Dafür muss ich aber vor allem eines: bekannter werden …

Du hast „Miss Januar“ zunächst in der Kindle-Edition veröffentlicht. Inzwischen bist du damit bei epubli, dem Online-Unternehmen der Verlagsgruppe Holtzbrinck. – Wieso das?

Du wirkst überrascht? Dabei sprachen für epubli sogar relativ viele Gründe und nicht einmal an erster Stelle, dass sie zu Holtzbrinck gehören und damit auf relativ sicheren Beinen stehen. Sie nehmen mir vor allem das Handling mit den drei großen E-Book-Stores Amazon, iTunes und Google Play ab. Außerdem haben sie mich im Gegensatz zu anderen Anbietern bereits auf der Leipziger Buchmesse durch Seriosität und Professionalität überzeugt. Hinzu kommen eine gute Reputation und ein sympathisch-unaufdringliches Auftreten. Jeder kennt das doch: Man betritt einen Laden und in den Augen der Verkäufer blitzen Provisionsgedanken auf. Dann stürzen sie sich auf dich und beginnen dir alles Mögliche aufzuschwatzen. Um bei meinem Fashion-Beispiel zu bleiben: Sie argumentieren, dass dir Orange doch steht. Erst zu Hause siehst du dem Fehlkauf offen ins Auge und bist enttäuscht. Das war bei epubli nicht so.

Spielte der Standort-Vorteil bei deiner Entscheidung auch eine Rolle?

Ja. Für epubli sprach auch, dass sie wie ich in Berlin sitzen. Noch besser, sogar in einer Ecke, in der es nur so vor jungen Leuten mit tollen Ideen wimmelt. Dort herrscht genau der Spirit, den ich klassischen Verlagen heute nicht mehr zutraue. Epubli hat beispielsweise derneuebuchpreis.de ins Leben gerufen, an dem epubli-Autoren wie ich teilnehmen können, um dadurch bekannter zu werden. Sie sind außerdem auch Print-on-Demand-Anbieter, was vielleicht für mich noch spannend werden kann. Na ja. Und falls ein anderes Angebot attraktiver werden sollte, dann ist das auch kein Weltuntergang. Mit einer Kündigungsfrist von fünf Tagen werde ich epubli im Zweifel schneller los als meinen furchtbaren Handyvertrag.

Welche Vorteile machst du in der Zusammenarbeit mit einem BOD-Verlag aus?

So unromantisch das jetzt auch klingen mag: Während ich mit meinen Ideen rumtüdele, wollen BODs im Grunde nur eines: Verkaufen! Und das ist überhaupt nicht verkehrt, sondern im Gegenteil von nicht zu unterschätzendem Wert. Zum einen bin ich ihre Ware – wobei sich das Invest bei epubli jedoch in Grenzen hält. Zum anderen ist es aber mein Titel. Und der soll allen Umsatz bringen. Da sag ich doch nicht „nein“ dazu. Außerdem kommt mir deren Fachkompetenz ebenfalls zugute. Was für mich momentan noch Freizeit ist, ist deren Hauptberuf: Trends des eBook-Marktes verfolgen, bewerten und selbst setzen, nach Amerika schauen, die Vorreiter sind, und und und. Man muss, ja man kann als Self-Publisher nicht Profi in allem sein!

Siehst du in der Zusammenarbeit mit BOD-Verlagen auch Nachteile?

Dafür währt die Zusammenarbeit mit epubli noch zu kurz. Logischerweise fehlt ihnen die Vertriebsstruktur der großen, klassischen Verlage. Oder hast du schon einmal auf den Buchtischen der großen Ketten wie Thalia &Co neben Goldmann, Rowohlt und wie sie nicht alle heißen das epubli-Label gesehen? Aber, das kann man ihnen wohl kaum anlasten. Das wäre ja so, als wolle ich mich beschweren, dass es im Supermarkt kein Benzin zu kaufen gibt. Es steckt einfach ein anderes Geschäftsmodell dahinter.

Darüber hinaus muss ich mich bei einem BOD-Verlag um mein Marketing selbst kümmern. Allerdings war mir das bereits vor meiner Entscheidung bewusst, zu epubli zu wechseln. Wenn ich nicht Top-1A-Superseller-Autor der großen Verlage bin, wäre das dort kaum anders. Frag mich doch bezüglich der Nachteile in einem Jahr nochmal, vielleicht weiß ich dann mehr …

Das mache ich glatt, Nicole – epubli & co … Alle Zeichen deuten ja darauf hin, dass die Digitalisierung und der Umstand, dass Autoren nicht mehr auf traditionelle Verlage angewiesen sind, erhebliche Folgen für den Buchmarkt und -handel haben. Wie schätzt du diese Entwicklung ein?

In puncto Digitalisierung und damit einhergehender Panik lassen sich immer schöne Parallelen zum Musik-Business ziehen. Genau wie dort, wird das Angebot wachsen. Es gibt den Mainstream, der im Radio läuft, und daneben zahlreiche Künstler, die sich ebenfalls erfolgreich positioniert haben. Genau diese Vielfalt entwickelt sich mehr und mehr auch auf dem Buchmarkt. Und das ist doch auch gut so, oder? Die Verlage sind keine Gatekeeper mehr– mit welchem Recht auch? Dass solche Entwicklungen den Buchhandel, so wie er momentan existiert, und allen voran den stationären Buchhandel bedrohen, das sehe ich auch. Wie sie sich behaupten können? Naja. Vielleicht indem sie statt neuestem Grillbesteck, Blumensamen und saisongerecht passenden Schürzen endlich verstärkt das digitale Leben in ihre Heiligen Hallen lassen und damit auch wieder für ein jüngeres Publikum interessant werden.

Und die Autoren …

Jeder Autor kann sich sein Publikum selbst suchen. Formen der Urheberschaft, etwa wenn eine Community einen Social Roman schreibt, und Bezahlmodelle werden sich genauso wie die Textgattungen verändern. Denke doch zum Beispiel an den Kurzroman, der gerade immer beliebter wird und zugleich ein Symptom unserer schnelllebigen Zeit ist. Inhalte werden in Rekordgeschwindigkeit konsumiert, bis der nächste Text die Aufmerksamkeit erregt. Mir war dieser Trend, bevor ich mich mit E-Books beschäftigt habe, nicht klar. Mittlerweile finde ich ihn jedoch sehr spannend.

Was stößt dir bei den aktuellen (brancheninternen) Diskussionen rund um die Zukunft des Buches besonders negativ auf?

Die Branche klammert sich an ein Trägermedium, weniger an den Inhalt. Und sollte es nicht genau darum gehen? Das ist doch ihr eigentliches Business! Die Inhalte erhalten gerade eine neue Verpackung, mehr nicht. Was dahinter steht, behält doch die gleichen Werte. Es bleibt genauso liebenswert oder schockierend oder informativ wie zuvor. Es ist ja auch nicht so, dass nur noch E-Books publiziert werden. Im Gegenteil! Jeder Titel steht in verschiedenen Formaten zur Verfügung und jeder Leser muss für sich entscheiden, welches Format er wählt. Vielleicht gewinnt die Haptik eines echten Buches, vielleicht die Platzersparnis eines E-Books. Vielleicht brauchen einige Leser auch ihr Bücherregal, auf das sie voller Stolz schauen können, so wie andere sich ihren Porsche leisten …

„Meine Güte, so what?!“, möchte man am liebsten ausrufen. Hauptsache: Der Inhalt ist gut und Hauptsache, es wird gelesen. Und das wird es! Schon zu Beginn meines Studiums, und das ist mittlerweile zehn Jahre her, geisterte die Angst vor dem Tod des Buches durch die Hörsäle. Völlig übertrieben und mal ehrlich: Totgesagte leben länger.

Meinst du, dass dem E-Book die Zukunft gehört?

Was heißt dem E-Book? Dem digitalem Lesen … Warum nicht? Beides existiert ja längst nicht erst seit gestern, auch wenn alle so tun. In den Diskussionen wird oft vergessen, dass wir bereits seit Jahrzehnten tagtäglich am PC und auf Handys digital lesen. Und so abstoßend, wie es bisweilen dargestellt wird, empfinden wir das bei weitem doch gar nicht, sondern in der Regel als ziemlich praktisch. Die entsprechenden Geräte haben wir heute schon und freiwillig gestalten wir unser Leben immer mobiler und digitaler. Wenn wir sogar schon Freundschaften online pflegen, warum dann nicht auch unsere Bücher? Die Technik mag noch nicht hundertprozentig ausgereift sein, aber es kann sich ja nur noch um Augenblicke handeln, bis hier Abhilfe geschaffen wird.

Wo siehst du Probleme?

Für mich ist nach wie vor die Frage des Zitierens ungeklärt. Zum wissenschaftlichen Arbeiten taugt das E-Book momentan nicht. Und noch furchtbarer ist das Hickhack mit den Dateiformaten. Der Windows-Apple-Kindergarten aus der Musikindustrie wird mit epub und mobi zur Amazon-Apple-Spielwiese des Buchmarktes. Und ich baue darauf, dass es ein gemeinsames Format geben wird, wie die wunderbare mp3 im Audiobereich, das auf allen Readern funktioniert.

Wird Gedrucktes deines Erachtens jemals verschwinden?

Eher nicht. Mit dem Siegeszug des PCs dachten auch alle, das papierlose Büro naht. Und dennoch drucken und archivieren wir wie die Weltmeister. Das recht einfach herzustellende Medium Papier wird ergänzt. Abgelöst jedoch durch ein technisch hoch komplexes Gerät? Noch lange nicht!

Der zweite Teil meines Gespräches mit Nicole Sowade dreht sich darum, was sie für ihr Buchmarketing tut, welche Maßnahmen erfolgreich waren, welche floppten und wo sie im Social Web Chancen und Risiken ausmacht.

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Vorschläge, wer in der losen Interview-Reihe “Steglitz fragt … bei Autoren nach” auch zu Wort kommen könnte, nehme ich gerne entgegen. Mich interessiert: Wie gehen Autoren mit den Entwicklungen infolge der Digitalisierung um? Welche neuen Wege nutzen sie, wo sehen sie Chancen und Risiken?

Steglitz fragt bei Petra Röder nach

„Es gibt kaum einen rationalen Grund, nicht auf E-Books umzusteigen.“

Die Verbindung zu Petra kam über Michael Röder zustande, für dessen Portal The Intelligence ich gelegentlich schreibe. Als ich mir Gedanken machte, welche Autoren unterschiedlichen Schlages in meiner losen Gesprächsreihe den Anfang machen könnten, fragte ich Micha, ob er mir einen Kontakt herstellt. Und: siehe da …

Die Selbst-Verlegerin Petra Röder ist ursprünglich Grafikerin. Ihr Debüt, den ersten Band der Vampir-Trilogie „Blutrubin“, veröffentlichte sie 2011 bei „edition winterwork“, einem BOD-Verlag, der auch die Folgebände druckte. Mit ihren E-Books ist sie bei Kindle präsent, seitdem die Plattform in Deutschland im Frühjahr 2011 an den Start ging. Petra hat klare Vorstellungen von den Anforderungen an Self Publisher und ist davon überzeugt, dass dem E-Book die Zukunft gehört. Ginge es nach ihr, würde die Buchpreisbindung in Deutschland fallen.

Wie kam es zu deiner ersten Publikation?

Ich habe vor rund drei Jahren mit dem Schreiben begonnen und einen, nennen wir es Übungsroman zu Papier gebracht. Der liegt mittlerweile gut verschlossen in einer Schublade. Dort wird er auch bleiben. Das erste vorzeigbare Werk war „Blutrubin – Die Verwandlung“ mit dem ich mich auch bei verschiedenen Verlagen und Agenturen beworben habe. Neben vielen Absagen, die übrigens heute noch – nach über 2 Jahren – eintreffen, bekundete eine bekannte deutsche Literaturagentur ernsthaftes Interesse. Nach vielen Gesprächen habe ich den Roman umgeschrieben und die Charaktere etwas verjüngt, damit die Zielgruppe sich besser damit identifizieren kann. Das alles nahm ein halbes Jahr in Anspruch. Danach war drei Monate Funkstille. Am Ende wurde mir dann mitgeteilt, dass derzeit kein Bedarf an weiteren Vampir-Romanen bestünde. An diesem Punkt habe ich mich entschlossen, die Veröffentlichung selbst in die Hand zu nehmen.

Deine Bücher sind bei „edition winterwork“ erschienen. Hast du – außer dem Druck – auch andere Dienstleistungen in Anspruch genommen?

Neben dem Druck ist „edition winterwork“ ist auch für den Vertrieb zuständig. Die Covergestaltung und den Satz habe ich selbst übernommen. Als Grafikerin fällt mir das nicht schwer. Das Lektorat wurde zusammen mit meinem Mann, einigen Testlesern und Softwareunterstützung ebenfalls selbst bewerkstelligt. All diese Dienstleistungen kann man bei „edition winterwork“ auch dazu buchen, sofern man sich damit überfordert fühlt.

Wieso „edition winterwork“ …

Vor der Zusammenarbeit mit „edition winterwork“ habe ich sehr ausführlich recherchiert, bei welchem Anbieter ich mein Buch veröffentlichen möchte. Die Leitungen sind sicherlich überall ähnlich, die Preise und Vertragsbedingungen sind allerdings eklatant unterschiedlich. Da mir bei „edition winterwork“ auch telefonisch eine sehr kompetente und intensive Beratung geboten wurde, habe ich mich letztendlich für diesen Anbieter entschieden und es bis heute nicht bereut. Meinen Verlag kann ich hier reinen Gewissens eine Empfehlung aussprechen.

Welche Vorteile machst du in der Zusammenarbeit mit einem BOD-Verlag aus?

Im Vergleich zu klassischen Verlagen sehe ich einen großen Vorteil darin, dass Bücher, schnell und unkompliziert veröffentlicht werden.

Siehst du in der Zusammenarbeit mit BOD-Verlagen auch Nachteile?

So man keine größeren Summen investieren möchte oder kann, muss man sich um alles in Eigenregie kümmern: Lektorat, Satz, Cover und Marketing. Mittlerweile sehe ich das jedoch nicht mehr als Nachteil. Wahrscheinlich, weil es mir längst zur Routine geworden ist.

Was sollte man bei der Zusammenarbeit mit BOD-Verlagen besonders beachten?

Man sollte unbedingt darauf achten, dass die Daten, hier besonders der Text, korrekt sind, die man für den Druck übermittelt. Letztendlich wird gedruckt, was man liefert. Ohne weitere Rückfragen. Mit meinem ersten Buch habe ich diesbezüglich eine unvergessliche Erfahrung gemacht. Als ich die für meinen Eigenbedarf benötigte Auflage bestellt habe, rutschte mir doch tatsächlich versehentlich eine unkorrigierte Version in die Mail an den Verlag. Diese Bücher liegen jetzt hier im Schrank. Vielleicht werden sie einmal begehrte Sammlerstücke, wer weiß … Zum Verkauf taugen sie jedenfalls nicht.

Welche Vorteile hat Self-Publishing deiner Meinung nach?

Ich bin mein eigener Herr. Meine Bücher erscheinen so, wie ich sie geschrieben habe. Es gibt niemanden, der sich einmischt, weder bei der Story noch bei der Gestaltung des Covers.

Wo machst du besondere Risiken aus?

Bisher sind mir keine Risiken aufgefallen; zumindest nicht bei meinem Anbieter.

Was rätst du jenen, die Schritte in Richtung Self Publishing/Independent Publishing planen? Worauf sollten sich Autoren, die ihre Publikationen in die eigene Hand nehmen, besonders einstellen?

Ein BOD-Verlag druckt alles, was man ihm vorlegt. Auch den allergrößten Mist, um es unverblümt zu sagen. Daher ist es ungemein wichtig, sich zuallererst wirklich belesene und vor allem gnadenlose Kritiker zu suchen, auf die man dann auch hört. Kritikfähigkeit ist unabdingbar. Wahrscheinlich ist kein Autor auf diesem Planeten in der Lage, das eigene Werk objektiv zu betrachten. Wer aus der Schreiberei einen Nebenerwerb oder mehr machen möchte, der muss qualitativ Ansprechendes abliefern. Ob das dann ein wirklicher Erfolg wird oder nicht, stellt sich erst später heraus.

Petra Roeder – Foto (c) Michael Roeder

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass man sich keinen Illusionen hingibt. Es mag da so manchen geben, der sich bereits kurz nach der Veröffentlichung Gedanken über seine Rede zur Verleihung des Literaturnobelpreises macht. Das mag jetzt überspitzt formuliert sein. Aber: Wer von vornherein davon ausgeht, ab sofort mit Reichtum und Ruhm rechnen zu können, der liegt gründlich daneben. Um einen kommerziellen Erfolg zu erzielen, müssen viele Faktoren zusammenspielen, die man nur bedingt planen kann.

Was unerlässlich ist, ist das Marketing. Das tollste Buch wird von niemandem gekauft, wenn kein Mensch weiß, dass es das Buch gibt. Besonders in Sachen Social Media kann man mit der Vorplanung gar nicht früh genug anfangen.

Du veröffentlichst deine Bücher auch als E-Book, und zwar in der Amazon Kindle-Edition. Was hat dich dazu bewogen?

Ich stieg bei Kindle bereits kurz nach dem Start der Plattform ein, um zu testen, ob es da wirklich einen Markt gibt. Die Verkaufszahlen waren gleich zu Beginn erfreulich. Und da die Veröffentlichung eines Kindle-Buches relativ einfach ist, lag es auf der Hand auch meine anderen Bücher dort einzustellen. Ein nicht zu vernachlässigender Grund sind natürlich auch die deutlich höheren Tantiemen.

„Traumfänger“ lag zunächst als E-Book vor – dann als körperliches Buch. Was versprichst du dir von dieser Abfolge?

Die gedruckte Ausgabe war von vorneherein geplant, da es sehr viele Leser gibt, die ein Buch in Händen halten möchten. Allerdings ist die Kindle-Version schneller erstellt. Und so etablierte sich bei mir das Prozedere, ein neues Buch direkt nach Fertigstellung als Kindle-E-Book zu veröffentlichen und sich erst danach um den Satz und das Cover für die gedruckte Version zu kümmern. Zudem dauert es auch ein bisschen, bis ein neues Druckwerk bei Amazon und den anderen Anbietern gelistet und verfügbar ist. Das ist auch bei meinem neuesten Roman „Racheschwur“ so, was die Fortsetzung von „Flammenherz“ ist. Seit vorletzter Woche gibt es die Kindle-Edition. Die gedruckte Ausgabe erscheint am 1. September.

Wie hältst du es mit dem Kopierschutz?

Den habe ich aktiviert. Obwohl mir natürlich bewusst ist, dass wir hier nicht von „unknackbar“ sprechen. Ich stehe allerdings auf dem Standpunkt, dass für geleistete Arbeit auch ein entsprechendes Honorar fällig ist. Und wer es noch nicht selbst gemacht hat, dem sei es hier verraten: Dass es wirklich Arbeit ist, ein Buch zu schreiben.

Was hältst du von den Diskussionen rund um das Pricing beim E-Book?

Ich finde das sollte man jedem Autor bzw. Verantwortlichen selbst überlassen. Der Vorteil am E-Book ist ja, dass mit ein paar Mausklicks etwas geändert werden kann, neben spät erkannten Tippfehlern auch der Preis. Ob man das nun für eine befristete Sonderaktion zu Promo-Zwecken nutzt oder herumexperimentiert, zu welchem Preis sich das Buch gut verkaufen lässt.

Ich habe das mit meinem Buch „Mitten ins Herz“ so gemacht. Anlässlich der Fußball-EM habe ich den Preis heruntergesetzt, um den nicht fußballbegeisterten Lesern eine kleine Freude zu machen. Die Verkaufszahlen sind daraufhin so exorbitant angestiegen, dass ich beschlossen habe, den reduzierten Preis zu belassen. Mit einer Preisbindung ist das unmöglich. Wenn es nach mir ginge, würde auch die Buchpreisbindung für Gedrucktes abgeschafft. Überall wird von den „Märkten“ geredet, die das regeln. Nur bei Büchern hält man an einer Regelung fest, die einfach nicht mehr zeitgemäß ist.

Meinst du, dass dem E-Book die Zukunft gehört?

Das beantworte ich mit ganz klaren Ja. Das lässt sich doch bereits an den Verkaufszahlen von E-Books ablesen, die von Monat zu Monat ansteigen. Seit Weihnachten 2011 ist ein echter Boom erkennbar. Man hat deutlich gemerkt, dass der Kindle-Reader bei vielen Menschen unter dem Christbaum lag. Ich gehe davon aus, dass sich das dieses Jahr wiederholt. Ich bin mir zwar sicher, dass gedruckte Bücher zumindest mittelfristig nicht aussterben, aber in den kommenden Jahren mehr und mehr von E-Books abgelöst werden. Wer schon einmal einen E-Book-Reader mit E-Ink-Technologie in der Hand hatte, wird zugeben müssen, dass der Unterschied zu Papier wirklich minimal ist. Es gibt also kaum einen rationalen Grund, nicht auf E-Books umzusteigen.

Es heißt ja, dass die Digitalisierung und der Umstand, dass Autoren nicht mehr auf traditionelle Verlage angewiesen sind, erhebliche Folgen für den Buchmarkt und -handel haben (werden). Wie schätzt du die Entwicklung ein?

Sagen wir es so: Als Buchhändler würde ich mir schon meine Gedanken machen, was in drei oder fünf Jahren sein wird. Auf den Buchladen vor Ort dürften echte Probleme zukommen. Für Verlage wird es sicher nicht ganz so dramatisch werden. Die werden ihre etwas geringeren Umsätze dann eben mit E-Books wettmachen.

Glaubst du, dass Independent Publikationen à la longue den klassischen Verlagen den Rang ablaufen können?

Das kommt darauf an, wie sich die Autoren verhalten. Es ist zwar einfach ein E-Book auf den Markt zu bringen, aber nicht jeder Autor ist auch in der Lage ein gutes Buch zu schreiben. Sicher sind unter den neuen Autoren viele unentdeckte Talente, aber eben auch viele Hobbyschreiber, die über kurz oder lang erkennen werden, dass sieben verkaufte Bücher innerhalb eines Jahres zum Broterwerb nicht taugen. Ich denke, das wird sich mit der Zeit einspielen. Neben den publizierenden Hobbyschreibern werden etablierte Self Publisher und E-Book-Autoren stehen, die den traditionellen Verlagen richtig Konkurrenz machen. Ob die renommierten Bestseller-Autoren zukünftig auf Verlage verzichten werden, kann ich schwer einschätzen. Es ist aber zu vermuten, dass sich Vertragsverhandlungen anders gestalten werden und die Tantiemen entsprechend erhöht werden.

Der zweite Teil meines Gespräches mit Petra Röder dreht sich darum, was sie für ihr Buchmarketing tut, welche Maßnahmen erfolgreich waren, welche floppten und wo sie im Social Web Chancen und Risiken ausmacht.

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Vorschläge, wer in der losen Interview-Reihe “Steglitz fragt … bei Autoren nach” auch zu Wort kommen könnte, nehme ich gerne entgegen. Mich interessiert: Wie gehen Autoren mit den Entwicklungen infolge der Digitalisierung um? Welche neuen Wege nutzen sie, wo sehen sie Chancen und Risiken? – Rede und Antwort standen hier bereits Jando und Petra van Cronenburg.