Steglitz stellt DieterWunderlich mit „Dieter Wunderlich: Buchtipps und Filmtipps“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Heute stellt sich Dieter Wunderlich vor, der seine Webseite Dieter Wunderlich: Buchtipps und Filmtipps seit zehn Jahren pflegt. Für ein Gespräch vorgeschlagen hatte ihn Klausbernd Vollmar, der kbvollmarblog derzeit nicht vorn Norfolk aus, sondern aus einem Berliner Gartenhäuschen heraus betreibt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

Begeisterter Leser / Buchautor aus Freude am Schreiben.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

2002 startete ich meine Website über Bücher, die mich beeindrucken. Eigentlich wollte ich nur mal sehen, wie so etwas funktioniert und bastelte deshalb alles selbst. (Das ist bis heute so geblieben, und es schaut auch so aus.) Inzwischen habe ich um die 4000 »Buch- und Filmtipps« verfasst, und weil die meisten Inhaltsangaben recht ausführlich sind, bräuchte man etwa 20.000 Blatt Papier, um das alles auszudrucken. Dabei schreibe ich über ein Buch nur, wenn ich es bis zur letzten Seite gelesen habe. Verrisse gibt es keine, denn ich möchte meine Besucherinnen und Besucher zum Lesen anregen und sie nicht davon abhalten, nur weil mir etwas nicht gefiel.

Deine Themenschwerpunkte …

Die „graue Eminenz“ im buchaffinen Netz © Dieter Wunderlich

Thema und Genre eines Romans sind für mich nicht ausschlaggebend. Mehr als auf die Geschichte kommt es mir auf die Form an. Die Autorin bzw. der Autor sollte sich etwas Eigenständiges und zum Inhalt Passendes ausgedacht haben. Das muss nicht so extrem sein wie bei Mark Z. Danielewski (»Das Haus«, »Only Revolutions«) oder so meisterhaft wie in Max Frischs Roman »Mein Name sei Gantenbein«, aber eine faszinierende Architektur erwarte ich schon.

Zur Form gehört die Sprache. Die Haltung vieler Leserinnen und Leser, es komme nur darauf an, dass man verstanden werde, bringt mich ebenso auf die Palme wie schludrig oder gar nicht lektorierte Bücher, in denen es von Orthografie- und Grammatikfehlern, Stilblüten und Widersprüchen wimmelt. Eine elegante Sprache wie etwa die von John Banville oder von Javier Marías hält mich auch dann zum Lesen an, wenn ich mit dem Inhalt nicht besonders viel anfangen kann.

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

1.) Die Frage, welche Bedeutung eBooks bekommen werden. 2.) Wie Verlage und Buchhandel auf die Herausforderung durch die neuen Medien reagieren.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Anfangs habe ich gar nichts dafür getan. Der Besucheransturm (zurzeit 5,5 Millionen Besucherinnen und Besucher pro Jahr) kam völlig überraschend. Seit einiger Zeit mache ich bei Facebook, Twitter & Co. auf neue Buchtipps aufmerksam – obwohl es nicht viel bringt.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Was ich persönlich sein lasse: Kommerzialisierung. Jemand sagte mir mal, dass ich viel Geld für Werbung bekommen könnte, aber meine Website soll unkommerziell bleiben, und deshalb lehne ich auch alle entsprechenden Angebote ab.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Neider scheint es auch hier zu geben. Jedenfalls machte sich offenbar vor einigen Jahren mal jemand die Mühe, bei Wikipedia in tagelanger Arbeit alle Hinweise auf meine Bücher, Buch- und Filmtipps zu entfernen.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Weniger schön als amüsant: Ein Schüler bat mich per E-Mail, die Inhaltsangabe eines Romans vorübergehend vom Server zu nehmen, denn er habe aus Zeitnot AUSNAHMSWEISE eine Kopie davon als Hausarbeit abgegeben und der Lehrer sollte das nicht merken.

Noch ein Erlebnis beeindruckte mich: Zwei Wochen nachdem ich eine Mafia-Familie in New York erwähnt hatte, erhielt ich von einem der Mafiosi eine E-Mail. Sie bestand nur aus einem Satz, sinngemäß etwa: »Streichen Sie das!« Das habe ich dann auch gleich getan.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Das lehne ich grundsätzlich ab, denn wenn ich auf alle diese Anfragen eingehen würde, müsste ich jeden zweiten, dritten Tag ein ZUSÄTZLICHES Buch lesen.

Wie hältst du es mit dem eBook?

Bisher hänge ich noch immer am Buch aus Papier. Aber ich vermute, dass sich das bald ändert. Dann stehe ich erst einmal vor der schwierigen Doppelfrage: Reader oder Tablet, Kindle oder anderes System?

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Für die Gesprächsreihe schlage ich die engagierte Schweizer Buchhändlerin und leidenschaftliche Leserin Manuela Hofstätter mit ihrem Blog lesefieber.ch vor. Außerdem verweise ich auf Claudias Bücherregal, buchkritik.at, die Literatur- und Buchtipps von Bookinists und kbvollmarblog von Klausbernd Vollmar, der sich bei dir ja bereits vorgestellt hat.

Vielen Dank, Dieter, dass du den Ball von Klausbernd aufgegriffen hast, um uns an deinen langjährigen Erfahrungen im Netz teilhaben zu lassen. – Glückwunsch zum 10-jährigen Jubiläum deiner Webseite.

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Zuletzt vorgestellt hat sich in der losen Gesprächsreihe Jarg mit Jargs Blog. Seine Wunsch-Interviewpartnerin ist die Betreiberin von Durchleser’s Blog.

Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand, findet sich hier

Steglitz stellt „Jargs Blog“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Auf Wunsch von Klausbernd Vollmar, der kbvollmarblog meist von Norfolk aus betreibt, stellt sich heute der Kopf vor, der hinter Jargs Blog steht.

Dein Steckbrief in Stichworten …

Musik- und filmaffiner Bibliophiliker, arbeitet im Bereich Medien- und Informationsmanagement, ist aus Buchhandlungen und Bibliotheken nur mit Androhung von Gewalt herauszubekommen, hat stets ein Buch in der Tasche, ist leidenschaftlicher Vorleser und Zwillingsvater, liebt Frischluft, Wandern, Radfahren und lässt sich vom Improvisationstheaterspielen herausfordern.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Ich blogge seit Ende 2009 auf WordPress, dessen Funktionalität sich mir schnell erschlossen hat. Ursprungsblog war der „Lesekreis Seitenweise“, der Blog eines Hamburger Literaturzirkels: Ein Freund regte an, die im Lesekreis gelesenen Bücher und unsere Kommentare dazu als Lese- und Diskussionsanregung in Weblogform ins Netz zu stellen. Schnell stellte sich allerdings heraus, dass die anderen Lesekreismitglieder zwar gerne lesen und noch lieber leidenschaftlich diskutieren, nicht aber zum Bloggen zu bewegen sind, wodurch der Blog seine ursprünglich geplante Lebendigkeit leider nie erreichte.

Deshalb und weil ich aufgrund meiner Profession auch privat oft nach Lese- und Medientipps gefragt werde, beschloss ich Anfang 2010, Jargs Blog ins Leben zu rufen: Ziel war und ist es, radikal und subjektiv Bücher – aber auch Filme und Musik –vorzustellen, die mir gefallen und die ich vorbehaltlos empfehlen kann. Dabei gilt mein Augenmerk vor allem dem Besonderen – das kann ein außergewöhnlich illustriertes Kinderbuch, ein sprachlich ansprechender Roman oder ein Sachbuch sein, dessen Thema mich bewegt, berührt und beschäftigt hat.

Deine Themenschwerpunkte …

Der Kopf hinter Jargs Blog © Jarg

Ein Schwerpunkt liegt ganz sicher beim Kinder- und Bilderbuch. Ich bin durch meinen Beruf und die Tätigkeit meiner Frau in der Lage, unkompliziert an viele neue und zum Teil außergewöhnliche Kinderbücher heranzukommen. Da ich unseren Zwillingen gerne vorlese, motivieren mich unsere gemeinsamen Leseerlebnisse immer wieder dazu, besonders schöne, ansprechende und gut gemachte Kinderbücher auf Jargs Blog vorzustellen, zumal gerade unter Bilderbüchern immer wieder erstaunlich kunstvolle Sprach- und Bildschöpfungen zu finden sind.

Ein zweiter Schwerpunkt ist in moderner und klassischer Literatur zu finden. Entscheidend hier ist für mich die gut erzählte, sprachlich ansprechende Geschichte. Ich bin immer wieder erstaunt, dass sich im Meer der jährlich veröffentlichten Bücher immer wieder welche finden, die sich auf ansprechende Art zentralen menschlichen Themen widmen – mag es auf ernste, melancholische oder auf humorvoll-satirische Art sein.

Der dritte Schwerpunkt liegt beim Sachbuch mit dem Fokus auf kultur- und ideengeschichtlichen Themen, Philosophie, außergewöhnlicher Reiseliteratur und bemerkenswerten, außergewöhnlichen Biografien. Daneben beschäftige ich mich auf Jargs Blog auch mit Musik und Filmen, meistens jenseits des Mainstreams.

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Ich bin zwar offen gegenüber technischen Entwicklungen, sehe aber mit Sorge etwa Amazons Versuche, sich Autoren und Buchrechte zu sichern, um auf Dauer sowohl im eBook-Bereich als auch beim klassischen Buchdruck den Markt dominieren zu können. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Vielfalt etwa des deutschen Buchmarktes auch von der Vielfalt der Verlage und der vorherrschenden Mischkalkulation bestimmt ist, bei der wenige Bestseller es einem Verlag wirtschaftlich möglich machen, auch Bücher zu publizieren, die sich nicht so gut verkaufen, dennoch aber die offene und pluralistische Gesellschaft bereichern.

Wenn man sieht, wie viele kleine und gut sortierte Fachgeschäfte unter anderem an Amazon kaputtgegangen sind, kann es einen um die kleine, feine Buchhandlung nebenan schon bange werden. – Aber vielleicht bin ich auch altmodisch, „zu analog“ und zu sehr auf ein „richtiges“ Buch mit „richtigen“ Seiten fixiert, sorgfältig lektoriert, gesetzt, gedruckt.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Am Anfang habe ich im Überschwang ziemlich viel publiziert, was aber relativ wenig Auswirkungen auf die Bekanntheit des Blogs hatte und auf Dauer auch qualitativ nicht durchzuhalten war. Heute beschränke ich mich auf etwa drei Beiträge die Woche und habe trotzdem deutlich höhere Zugriffsraten als in der Anfangszeit, auch wenn die Statistik für mich langsam an Bedeutung verliert. Ich kommentiere relativ häufig Beiträge auf anderen Blogs, die mir gefallen und gewinne dadurch immer mal wieder neue Leser auf Jargs Blog.

Ein nicht unerheblicher Teil kommt auch durch Mundpropaganda hinzu, da ich aus oben erwähnten Gründen auch immer gerne meinen Blog in petto habe, wenn mir privat die Frage nach Buch- und Medientipps gestellt wird. In Facebook poste ich die Blogbeiträge zwar auch, habe aber kaum Zugriffe, die dadurch bedingt sind. Das mag allerdings auch daran liegen, dass mein Facebook-Account nicht gerade eine „Drehscheibe“ ist, ich auf Facebook nicht sehr aktiv bin und auch nicht massig „Freunde“ einsammle, an Pinnwände poste oder meine „Chronik“ zu aktualisieren bestrebt bin.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Zu viele Beiträge zu posten, zu viele Tags verwenden, seltsame oder beleidigende Kommentare abzusondern und Beiträge zu schreiben, die sich über etliche Bildschirmseiten erstrecken. Letztere müssen nach meinem Empfinden schon sehr, sehr gut sein, damit sie dann jemand auch liest.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Hürden gibt es ja eigentlich keine. Letztlich finde ich Blogs interessant, die ein eigenes Profil erkennen lassen, eher wenige, gute Beiträge versammeln. Es gibt sehr gute Blogs, die sich auf ansprechende Art – sagen wir mal – mit Roter Bete und ihren zahlreichen kulinarischen Verwendungsmöglichketen auseinandersetzen. Und es gibt sehr öde Blogs, die alles, aber auch wirklich alles aus dem Alltag eines Menschen in die Welt posten. Weniger ist also vielleicht mehr …

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

DAS schönste Erlebnis gibt es eigentlich nicht. Ich empfinde es als ausgesprochen anregend und schön, über den Blog und natürlich über andere Blogs mit an Literatur und Medien interessierten Menschen auch über Ländergrenzen hinweg in Kontakt zu kommen und mit dem Blog auch in meinem „realen“ Freundeskreis stets virtuell mit Bücher- und Medientipps präsent zu sein.

Natürlich freue ich mich sehr, wenn sich jemand durch eine Rezension zur Lektüre anregen lässt, sich mit mir per Kommentar über das Buch austauscht. Erst so, durch den Dialog, die Anregung, die Kritik, durch ein anderes, zum gleichen Thema empfohlenes Buch oder eine Entdeckung auf einem anderen Blog wird Bloggen für mich lebendig, bekommt eine unmittelbare, menschliche Komponente, die über die technische Art der Kommunikation hinausgeht.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Ich bin bisher nicht sehr oft in der Situation gewesen und finde es zwiespältig, da dadurch eine gewisse Erwartungshaltung beim Verlag oder dem Autor entsteht, die ich vielleicht enttäuschen muss. Petra Gust-Kazakos hat es in dem Gespräch mit dir so schön auf den Punkt gebracht, dass sie nur Bücher empfiehlt, die ihr gefallen. Das entspricht im Wesentlichen auch meiner Haltung: Die Ursprungsidee von Jargs Blog besteht ja genau darin, nur das zu empfehlen, was mir gefallen hat, während das andere zwar gelesen, aber unbesprochen unter den Tisch fällt.

Wie hältst du es mit dem eBook?

Ich bin bezüglich Büchern privat noch recht analog und ganz auf sinnliche, haptische Wahrnehmung des Druckwerks eingestellt: Buchdeckel, Papier, am besten noch Fadenheftung und an luxuriösen Tagen vielleicht ein Ledereinband, Geräusche beim Blättern – sonst will ich das nicht. Beruflich setze ich mich allerdings gerade massiv mit eBooks und anderen virtuellen Medien auseinander.

In manchen Bereichen, etwa bei Sachbüchern der etwas kurzlebigeren Sorte (Stadtreiseführern, Rechtsratgebern, politischen Büchern) kann ich mir eBooks allerdings als Leser schon vorstellen. Nicht jedoch bei Kinderbüchern. Zurzeit komme ich regelmäßig mit einem Stapel Bücher nach Hause, auf den meine Kinder sich wie die Geier gierig stürzen, um danach schmökernd in den Leseecken der Wohnung zu verschwinden. Ich kann mir so eine Reaktion kaum vorstellen, wenn ich beim Heimkommen mit einem eBook-Reader winke, auf den die neusten Bilderbücher geladen wären.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

In deiner Reihe sind schon etliche Blogs genannt worden, die ich an dieser Stelle auch erwähnen würde. Einen schönen Querschnitt der japanischen Literatur bietet Japanliteratur.net, ein ausgesprochen ästhetisch gemachter Ableger des optisch und inhaltlich ebenso attraktiven BlauRaums. Nicht nur Bücher, Buchaffines und Zitate, sondern auch Fundstücke aus dem Netz, Kunst und Design bieten die sie sehr reduziert und klar gestalteten Seiten von Ansichtsexemplar.

Klar gestaltet, gut strukturiert, sorgfältig zusammengestellt und somit auch zum längeren Verweilen einladend ist auch Ada Mitsou liest …. Beeindruckt bin ich von Durchleser’s Blog, dessen Gestaltung ich sehr ansprechend finde und auf dem ich wegen der Grundhaltung des “intensiven, leidenschaftlichen Lesens“ (und trotz der postulierten Bleistiftanstreichungen in Büchern), der guten Auswahl und der Ergänzung durch Gedichte und Zitate ausgesprochen gern vorbeischaue. Eben jenen Durchleser möchte ich gerne für ein Gespräch vorschlagen.

Danke sehr, Jarg! Und nach den jüngsten Kommentaren, die das derzeit unausgewogene Geschlechterverhältnis innerhalb der Interviewreihe aufwarfen, bin ich dir auch dafür dankbar, dass du mit der frankophilen Durchleserin hier eine Bloggerin ins Gespräch bringst.

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Zuletzt stellte sich in der losen Interview-Reihe Benjamin Stein vor, der seinen Turmsegler seit 2006 pflegt. Er empfiehlt litblogs.net, einen Zusammenschluss engagierter Litblogs, und Alban Nikolai Herbsts Die Dschungel. Anderswelt. Als Gesprächspartner schlug er Lothar Struck alias Gregor Keuschnig mit dessen Blog Begleitschreiben vor.

Steglitz stellt Klausbernd Vollmar mit „kbvollmarblog“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Heute stellt sich Klausbernd Vollmar vor, der kbvollmarblog meist vom idyllischen Künstlerdorf Norfolk/England aus betreibt. Dass er hier zu Wort kommt, haben wir Mila von den Seitenspinnerinnen zu verdanken, die Klausbernd um Blog-Preziosen bat. Als Gesprächspartner für SteglitzMind schlägt er den Betreiber von Jargs Blog und Dieter Wunderlich vor, der über Buch und Film bloggt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

Ursprünglich komme ich aus dem universitären Bereich (Germanistik, Nordistik, Linguistik) und arbeitete für das Goethe Institut. Nebenbei habe ich dies und das geschrieben, aber als mein erstes Buch, eine Jugendsünde, ein Bestseller wurde, wechselte ich von der Theorie zur Praxis des Schreibens. Zwei Jahre lang führte ich mit Freunden eine Buchhandlung in Köln, ehe ich nach England zog, wo ich in skurriler Umgebung Sachbücher und Romane schreibe, ab und an an Expeditionen in Arktis teilnehme, meinen Garten pflege – und blogge.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Regelmäßig blogge ich seit etwas über einem Jahr, aber das Bloggen hatte mich bereits. Davor führte ich eine Website (die ich weiterbetreibe) mit Freundesbriefen (per E-Mail), die mir aber auf die Dauer zu statisch erschienen. Die einseitige Kommunikation einer Website liegt mir nicht als kommunikativer Rheinländer, der noch dazu Berliner Eltern hat. Neben dem Austausch mit Gleichgesinnten wollte ich Ideen, die nicht in meine Bücher passen, zur Diskussion stellen und dazu für meine Freunde und alle England-Fans von meinem Leben auf dem Lande in einem idyllischen Künstlerdorf am Meer berichten. Außerdem lese ich viel. Mir scheint es, wer viel liest, muss auch darüber schreiben, sonst wird er verrückt – naja, sagen wir mal „zu abgehoben“ …

Ich blogge bei WordPress, da mir das die Plattform zu sein scheint, die am einfachsten zu bedienen ist. Ich wollte ja bloggen und mir nicht bei technischen Problemen die Haare raufen.

Deine Themenschwerpunkte …

Literatur – hauptsächlich skandinavische und englische Literatur, aber nicht nur. Ich schrieb auch über Karl May :-)und das Bild des Piraten und der Piratin in der Literatur. Das idyllische Landleben in England – ich liebe meine Wahlheimat, die Küste von Nord-Norfolk, die eine lange literarische Tradition besitzt. Meistens versuche ich, meine Eindrücke mit literarischen Themen zu verbinden. Aber hallo, ich bin kein Rosamundus Pilcher 🙂

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Mich interessiert der Einfluss der „neuen“ Medien auf die Literatur, wie z.B. Autoren bloggen und wie sie ein Image für sich und ihre Bücher zu erzeugen suchen, und wie durch E-Mail, SMS und weniger durch den Blog die Sprache sich verändert. Was ich bisweilen bedaure.

Ein beachtenswertes Experiment fand ich den Blog von irgendlink während seiner Nordsee-Umradelung, der literarische Texte, Beschreibungen, Infos und Bild interessant miteinander verband.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Indem ich andere Blogs besuche und dort kommentiere. Allerdings erwähne ich auch bei jedem Medienauftritt meinen Blog. Außerdem habe ich mich mit dem Blog von Dina zusammengeschlossen, d.h. ich schreibe dort auch und sie macht die Fotos und Collagen auch für meinen Blog. Da ich weder Lust noch Zeit habe, in Deutsch und Englisch zu schreiben, halte ich die grafische Gestaltung für wichtig. Ich versuche, meine Beiträge so zu gestalten, dass auch einer, der kein Deutsch versteht, mit Freude meine Seite betrachtet. Bloggen ist ein weltoffenes Medium und so sollte ein Beitrag auf der Text- wie auf der Bildebene lesbar sein. Nur so erreicht man eine internationale Bekanntheit – will man nicht mehrsprachig bloggen (das mache ich dann mit 80, wenn ich alle Zeit der Welt habe). Ein gutes Beispiel finde ich Philea’s Blog, der gediegene Information bringt und zugleich stets dem Auge schmeichelt. – Sie hat sich bei dir hier ja bereits vorgestellt.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Klausbernd Vollmar © Hanne Siebers

Bloggen ist kein Solomedium, Bloggen ist Austausch. Keinen Kontakt zu anderen Bloggern zu pflegen ist falsch. Außerdem glaube ich, dass Qualität beim Bloggen wichtiger ist als Quantität. Einige Blogs sind – sorry – dahingeschludert. Also lieber weniger bloggen, aber dafür jeden Beitrag auf seine Wirkung hin reflektieren.

Zu viel Ego tut auch nicht gut. Ich war kürzlich auf dem Blog einer mir unbekannten Autorin, die nur über ihr Buch schrieb und es peinlicherweise dazu noch selbst in höchsten Tönen lobte und es von Freunden aufdringlichst feiern ließ. Man sollte bloggend das Mantra laufen lassen: Schreiben ist eine Dienstleistung für andere. Ich besuche Blogs nur einmal und nie wieder, in denen sich die Leute gegenseitig lediglich beweihräuchern. Diese in USamerikanischen Blogs verbreitete Sitte hat auf deutsche Blogs abgefärbt. Natürlich freut sich jeder über Lob, aber Kommentare zu Blogbeiträgen sollten nicht inhaltsfrei sein. Ich meine, Blogger sollten sich über Widersprüche freuen. Ein Advocatus Diaboli befördert doch stets die Auseinandersetzung; sein Kommentar sollte nicht gelöscht werden.

Hat man sich als Blogger eine bestimmte Bekanntheit erarbeitet, muss man darauf achten, nicht seinem eigenen Narzissmus zu verfallen, der häufig von unbekannteren Bloggern ausgenutzt wird, indem sie einen für die eigenen Ziele einspannen. Bei Einladungen zu Aktionen auf anderen Blogs heißt es cool zu bleiben und genau abzuwägen, ob der zeitliche Aufwand auch dem eigenen Blog nutzt.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Ich bin ehrgeizig. Das führte dazu, dass ich mindestens dreimal pro Tag aufgeregt meine Klicks abrief, die Statistik der Suchbegriffe schwitzend analysierte, geil auf Like-its und Kommentare war. Mehr oder weniger geht es vielen Bloggern zu Beginn so. Das erzeugt einen bösen Druck, der einem den Spaß am Bloggen nehmen kann. Wird der Blog zum Druck, sollte man bloß nicht das Handtuch werfen, sondern sich überlegen, was einem eigentlich am Bloggen wichtig ist. Meist hilft es weniger zu bloggen. Ich poste bestenfalls zweimal pro Woche und das passt so in mein Leben. Letztendlich ist mein größtes Problem, mir angenehme Zeiträume für das Bloggen zu schaffen. Von Maricopa lernte ich einen festen Zeitraum für das Bloggen – bei mir zwei Stunden tgl. von 11h bis 13h – einzuräumen und dann ist Schluss. Ein Blogger muss lernen, effektiv in Bezug auf seine Zeit zu bloggen.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Mein schönstes Erlebnis – eine Frage wie beim Schulaufsatz 🙂 – war die Zusammenarbeit mit drei anderen Bloggern bei einem Gemeinschaftsprojekt auf Dinas Seite. Das Thema war die Farbe Blau. Von Fotobloggern bekamen wir die Bilder, ein anderer Blogger schrieb einen Text dazu und ich führte diesen Text fort, einige andere Blogger gingen sofort spontan darauf ein – es wurde ein Gemeinsames. Die Betreiberin des Blogs arrangierte das Ganze publikumswirksam und zum ersten Mal bekamen wir über 100 Kommentare und über 50 Like-its für einen Beitrag … Huch, ich widerspreche mir gerade, schon fahre ich auf Quantität ab. – Du siehst, das ist eine heimtückische Gefahr beim Bloggen.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Ich freue mich darüber 🙂 Falls ich das Buch lese, wenn es in mein Interessengebiet fällt, werde ich etwas darüber schreiben – aber nur das, was ich davon halte. Da ich Bücher sammele, stelle ich Erstauflagen in meine Bibliothek, andere Bücher verschenke ich an Interessierte. Da ich in einem AONB (EU-Rating für Area of Outstanding Natural Beauty) lebe, habe ich viele Gäste und für sie habe ich stets Bücherstapel, von dem sie sich bedienen können.

Wie hältst du es mit E-Book?

In Deutschland und den USA habe ich je ein E-Book auf dem Markt. Um ein erfolgreicher Autor zu sein, muss ich ökonomisch denken, was heißt, dass ich alle Verwertungsmöglichkeiten nutze. So wie ich früher die Rechte für das Taschenbuch, foreign rights, Sonderausgaben und Buchklubausgaben regelte, so gehört heute die E-Book-Vermarktung auch dazu. Die Standardverträge der Publikumsverlage enthalten bereits seit einigen Jahren einen Paragrafen über diese Verwertung des Copyrights. Mein neustes Buch bei Droemer-Knaur „Das große Praxisbuch der Traumdeutung“ ist sowohl in der Print-Version als auch als E-Book erhältlich, wobei die Umsätze des E-Books deutlich unter denen der Print-Version liegen. Ist man nicht gerade Stephen Leather, der zurzeit erfolgreichste Autor bei der Vermarktung von E-Books, sollte man sich als Autor nicht zu hohe Gewinne von der E-Book-Vermarktung versprechen – noch nicht. Ich denke mir jedoch, dass dieses Buchmarktsegment zunehmend wichtiger wird. Allerdings muss ich zugeben, dass ich ein konservativer Leser bin. Ich ziehe das „gute alte Buch“ dem E-Book vor.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Der mir liebste Blog ist jener von Dieter Wunderlich. Ich würde hier gerne ein Interview von Dieter lesen, zumal sein Blog ungewöhnlich ist, da er keine Rückmeldungsmöglichkeit aufweist. Vorbildlich ist die Ordnung auf seinem Blog, auf dem man auch ältere Beiträge mühelos findet. Ferner gefällt mir Rumgekritzelt von Dr. Martin Haeusler gut, da er witzig, zugleich klug und originell bestimmte Themen aus seiner Sicht als Germanist darstellt, die er mit Fotos von Roswitha Mecke würzt. Seine Geschichten findet man als Martinsche Geschichten auch auf Dinas Blog. Außerdem lese ich Jargs Blog auch stets gerne, den ich auch vorschlagen würde, dass er hier vorgestellt wird.

Von englischsprachigen Blogs spricht mich der Blog des irischen Autors Arran Q. Henderson wegen seiner unterhaltsamen Mischung von Literatur und Beschreibung Irlands, speziell Dublins, an. Naja und alles Weitere kann man ja zumindest bei WordPress unter „Books“ aus seinem Reader ziehen;  deswegen nur noch zwei Hinweise auf englischsprachige Buchseiten: Book Rhapsody und At the BookShelf.

Danke, Klausbernd für geballte und nutzwertige Informationen. Danke, dass du deine Blog-Preziosen mit uns teilst und: Natürlich auch dafür danke, dass du meiner Einladung zu dieser Gesprächsreihe gefolgt bist 😉

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In der losen Interview-Reihe präsentierte sich zuletzt Marius Fränzel mit Bonaventura. Empfehlungen von ihm gingen an den Umblätterer von Frank Fischer, die beiden Echtzeit-Blogs zum Schiller-Goethe-Briefwechsel und zu Eckermanns Gesprächen mit Goethe von Giesbert Damaschke, an den Turmsegler von Benjamin Stein und an Oliver Gassner mit seiner Literaturwelt