„Mir imponiert sehr, wie freundlich die Community von LovelyBooks mit Neuautoren umgeht.“ SteglitzMind fragt bei Gabriele Schmid nach

Bei Gabriele Schmid habe ich nachgehakt, weil die Autorin eine erstaunliche Entwicklung nahm, die ohne die Umwälzungen auf dem Buchmarkt so schwerlich möglich gewesen wäre. Der erste Teil unseres Gespräches drehte sich um Schreibschulen und Autoren-Coaching, dann ging es um ihre Erfahrungen als Newcomerin, die den Eigenverlag PCSbooks ins Leben gerufen hat. Heute will ich von ihr wissen, was sie dafür tut, um als Autorin Fuß zu fassen.

Der Zwang zum Selbst-Marketing gilt heute für alle Autoren. Was tun Sie, um Ihre Bücher bekannt zu machen?

Werbung (lacht). Spaß beiseite: Ich versuche regelmäßig jeden zweiten Tag bei Facebook zu posten, halte meine Homepage so aktuell wie möglich und habe seit neuestem einen Blog, der aber erst noch seine Anhänger finden muss. Ansonsten versuche ich bei Veranstaltungen in meiner Heimatgemeinde präsent zu sein. Zum Beispiel darf ich am kommenden Freitag, den 11. Juli, gemeinsam mit Joanne St. Lucas zum zweiten Mal im Froggy in Münchingen lesen. Eine weitere Lesung bei den Landfrauen in Münchingen ist bereits für Dezember geplant.

Welche Aktivitäten kamen besonders gut an?

Lesung im Froggy © Nicole Geck

Lesung im Froggy © OOOGrafik

Die Lesungen sind gut besucht. Wobei wir hier nur von kleinen Veranstaltungen sprechen, nicht von Sälen, die ich fülle. Aber die Resonanz ist toll.

Und was floppte?

Erfolglos waren meine Bemühungen, bei einer der regionalen Zeitungen einen Bericht über mich und meine Bücher unterzubringen. Da kam nicht einmal eine Rückmeldung.

Im Social Web setzen Sie auf Facebook. Sie pflegen eine Autorenseite, eine PCSbooks-Seite und für Ihre Publikationen Fanseiten. Was versprechen Sie sich von den unterschiedlichen Auftritten?

Anfangs schwebte mir vor, mit meiner Fanseite für „Gleichklang“ auch Menschen erreichen zu können, die mit Hämophilie irgendwie verbunden sind.

Der Bluterkrankheit ihres Sohnes, die im Roman ja auch eine Rolle spielt…

Ja. Leider ist mir das bisher nicht gelungen. Gleiches gilt für meine Kurzromane, die im fiktiven Örtchen Mittsingen spielen. Auch hierfür hätte ich gerne eine eigene kleine Fangemeinde gewonnen. Letztlich ist es aber so, dass immer dieselben Leute meine Seiten besuchen. Das meiste läuft wohl über meine eigene Chronik, die ich ursprünglich gar nicht pflegen wollte und anfangs dementsprechend vernachlässigt habe.

Was kommt bei Facebook besser an: Ihre Autorenpräsenz oder die Fanseiten?

Meine Autorenpräsenz, obwohl ich alle meine Seiten gezielt bespiele.

Worauf achten Sie bei Ihrer Kommunikation im Web besonders?

Das Privatleben bleibt außen vor. Fotos nur von mir, keine von meiner Familie. Das ist absolut tabu!

Wo verorten Sie im Social Web besondere Risiken?

Das „Ausgeliefert-Sein“ fürchte ich am meisten. Man hört ja immer wieder von verbalen Angriffen. Menschen, die einem nicht wohlgesonnen sind, oder Neider. Das lässt sich im Netz schon gar nicht steuern.

Marketing übers Pricing ist im Selfpublishing-Bereich eine gängige Methode, um Publikationen „an den Mann“ zu bringen. Anfang Mai lief eine Preisaktion für die E-Bookversion von „Gleichklang“, Mitte Juni gab es eine Mittsingen-Sonder-E-Book-Edition für 0,99 Cent. Rechnen sich solche Aktionen?

Auf jeden Fall! Die Verkaufszahlen sprechen für sich. Durch die vermehrten Verkäufe rutscht man im Ranking nach oben und man ist in den Bestenlisten präsenter.

Was halten Sie von Kostenlos-Aktionen?

Davon halte ich gar nichts. Es ist harte Arbeit, ein gutes Buch zu schreiben und herauszubringen. Das kann es nicht für umsonst geben.

Es hat sich inzwischen eingebürgert, Testleser ins Boot zu holen…

der Stadtplan  © PCSbooks

der Stadtplan © PCSbooks

Das halte ich ebenso. Sobald ein Manuskript erstmals lesereif ist, geht es an mindestens fünf Testleser, die nur lesen. Obwohl es keine Profis sind, kommen von ihnen wertvolle Rückmeldungen, die in meine Überarbeitungen einfließen. Und sie haben tolle Ideen. Als ich die Mittsingen-Reihe „Aus Träumen werden Geschichten“ entwickelte, machte eine Testleserin zum Beispiel den famosen Vorschlag, dass ich eine Karte von Mittsingen entwerfen sollte. Gesagt – getan. Mithilfe eines jungen Bekannten entstand der Stadtplan von Mittsingen, der von Band zu Band ergänzt wird.

Wie rekrutieren Sie Ihre Testleser?

Die Ersten habe ich direkt angesprochen. Inzwischen kommen Menschen auf mich zu, um sich als Testleser anzubieten.

Was hat ein Testleser davon, wenn er Ihre Manuskripte kritisch unter die Lupe nimmt?

Spaß (lacht). Nach Erscheinen erhält jeder ein handsigniertes Exemplar des entsprechenden Buches.

Leserunden bei der Holtzbrinck-Community LovelyBooks sind bei Autoren und Lesern ausgesprochen beliebt. Wie waren Ihre Erfahrungen, als Sie „Gleichklang“ und die Mittsingen-Kurzromane auf Deutschlands beliebtester Social-Reading-Plattform vorgestellt haben?

Zunächst war ich sehr überrascht, dass so viele meinen Debütroman lesen wollten. Es kam zu einer regelrechten Rangelei um die Freiexemplare von „Gleichklang“. Riesig gefreut habe ich mich über die durchweg positiven Rezensionen und schließlich auch darüber, dass die ersten beiden Bände meiner Mittsingen-Kurzromanreihe „Herbststürme“ und „Sternschnuppen-Regen“ ebenso gut aufgenommen wurden wie der Liebesroman „Gleichklang“. Mir imponiert sehr, wie freundlich die Community von LovelyBooks mit Neuautoren umgeht und vor allem wie ausgereift und detailliert die einzelnen Rezensionen sind. Man erkennt auf Anhieb, dass die Leser nicht nur eine starke Affinität zu Büchern, sondern auch Ahnung davon haben.

Es gibt aber sehr wohl auch schwarze Schafe…

Ja, leider gibt es die auch, die Bücher zwar kassieren, aber nie eine Rückmeldung oder Rezension posten. Ich achte inzwischen sehr sorgfältig darauf, ob die jeweiligen Interessenten auch Rezensionen anfertigen. Sollte dem nicht so sein, fällt die betreffende Person aus meinem Lostopf raus.

Haben Sie infolge der Leserunde auch Bücher verkauft?

Bezüglich „Gleichklang“ kann ich darauf leider keine Antwort geben, da ich die Verkaufszahlen bislang nicht kenne. Was meine Kurzromane anbetrifft, sind in diesem Zeitraum kaum mehr verkauft worden. Was die Verkaufszahlen generell anbetrifft, da beobachte ich ein Phänomen: Geht ein Buch weg, dann folgen in den nächsten Tagen viele nach. Geht ein paar Tage nichts, dann steigt der Verkauf prompt wieder an, wenn das Erste gekauft wurde. Die Verkaufszahlen, meine Mittsingen-Reihe betreffend, kann ich schmunzelnd als Wellenbewegungen bezeichnen. Aber, damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich bin hoch zufrieden!

 Vielfach wird ja behauptet, dass die Beschäftigung mit Büchern im Internet substanzlos ist. Bücher werden gelikt, gerankt oder allenfalls in stümperhaften Rezensionen wiedergegeben, die vielfach nicht mehr sind als der Klappentext. Wie sehen Sie das?

Meine Erfahrungen mit der Community von LovelyBooks bestätigen das nicht. Die Rezensionen zu meinen Büchern sind allesamt detailliert und urteilssicher. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass abgeschrieben wird. Auch nicht von einander. Zu meinen Leserunden, die durchweg gut besucht waren, wurden ebenfalls kompetente Beiträge beigesteuert.

Herzlichen Dank, dass Sie mir so ausführlich Rede und Antwort standen. Viel Erfolg mit PCSbooks und Glück auf bei den Projekten, die Sie derzeit gemeinsam mit Ulrike Dietmann und Lea Korte angehen.

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In der losen Interview-Reihe “Steglitz fragt … bei Autoren nach” standen bereits Rede und Antwort:  Jando, Petra van Cronenburg, Petra Röder, Nicole Sowade aka Miss Januar, Jan-Uwe Fitz aka Vergraemer, die Sachbuch-Autorin Sonya Winterberg, der Berner Shooting-Star Patric Marino, Wilhelm Ruprecht Frieling, im Social Web als Prinz Rupi bekannt, der Selfpublisher Michael Meisheit und der Lyriker Jost Renner. –  Stets geht es darum, wie die befragten Autoren die Entwicklungen infolge der Digitalisierung einschätzen, welche neuen Wege sie nutzen und wo sie Chancen und Risiken sehen.

Avantgarde oder Traditionalisten? Wie sich Buchhändler heute positionieren (Teil 3)

Nach immerhin 44 Beiträgen, die seit September 2013 im Rahmen der Gesprächsreihe SteglitzMind stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor zusammengekommen, schien die Zeit reif, etwas näher darzulegen, wie sich die befragten Sortimenter im Zuge der Digitalisierung aufstellen. Bewahrheiten sich Vorurteile, die vielfach kolportiert werden: Hinken sie den Entwicklungen hinterher? Ist ihnen das Netz fremd und Online-Shopping ein rotes Tuch? Haben Sie mit E-Books und Publikationen von Self Publishern nichts am Hut?

Ob und wie sich die Befragten im Netz engagieren und inwieweit E-Bücher bereits Einzug in ihre Läden gehalten haben, habe ich bereits dargelegt. Somit geht es heute im dritten Teil meines Resümees um die Frage:

  • Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Verneint wird die Frage selten. Lediglich acht von 44 Gesprächsteilnehmern denken nicht daran, Titel von Self Publishern feil zu bieten. Ein Buchhändler führte an, den Markt nicht zu überschauen – Hand auf’s Herz: wer tut das schon? Andere begründeten ihre Abwehr damit, dass man der Bücherschwemme auf dem Markt sowieso nicht Herr werden könne und deshalb auf die Selektion durch Gatekeeper angewiesen sei, die sich bewährt habe.

Anna Jeller ©  Jacqueline Godany

Anna Jeller © Jacqueline Godany

Nein. Verlage leisten sehr viel, egal ob Groß, Mittel oder Klein. Diese Filterfunktion benötige ich in dem schieren Überangebot von Büchern. Verlagsprogramme schaffen Identität und stehen für Qualität, jeder Verlag hat seinen eigenen Ausdruck. Meint Klaus Kowalke von der Buchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz

Eher nicht. Die Produktionen der Verlage sind ohnehin unübersichtlich genug. Sagt Anna Jeller von der Wiener Buchhandlung Anna Jeller

Mir reichen schon die Bücher, die mir von den Verlagen angeboten werden. So Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm

Das Gros allerdings hat mit Self Publishern keine Berührungsängste. Wohl konnte ich mich bisweilen des Eindrucks nicht erwehren, dass man dabei vorrangig an Werke aus Independent Verlagen denkt, die im Buchmarkt ja durchaus ein gewisses Ansehen haben.

Das machen wir schon immer bei Pro qm. Im Eigenverlag herausgegebene Publikationen – aus dem In- und Ausland – in Form von Heften, Büchern, Zeitschriften, Platten, CDs und DVDs gehören bei uns zentral zum Sortiment, sofern sie sich thematisch mit unseren Fragestellungen überschneiden. Die Verwaltung ist  zugegebenermaßen etwas aufwändiger, aber manchmal kommen gerade die wertvollsten Kommentare zu einer Thematik aus den verwickeltsten Kanälen. Meint das Team von der Buchhandlung Pro qm in Berlin/Mitte

Maria Glusgold-Drews © privat

Maria Glusgold-Drews © privat

Ich biete sowieso schon Titel von Self Publishern an. Ich finde es enorm wichtig, eine Plattform zu haben, auf der man ausprobieren kann. Ich habe einige Titel am Lager, die in Kleinstauflagen produziert wurden und die durchaus auch verkauft werden. So Maria Glusgold-Drews vom Buchladen MaschaKascha – Schöne Bücher in Hannover

Ja – ich biete seit Beginn der Buchhandlung auch Publikationen von Self-Publishern an – diese können eine große Bereicherung sein, weil es viele besondere Publikationen gar nicht in einem Verlag gibt, sondern in sehr geringen Auflagen in Eigeninitiative erscheinen. Voraussetzung ist die qualitative Umsetzung des entsprechenden Themas. Sagt Lia Wolf von der Wiener Buchhandlung Lia Wolf

So Titel von Self Publishern ins Sortiment aufgenommen werden, dann im Kommissionsbezug. Chancen räumen die befragten Buchhändler am ehesten Titeln mit regionalen Bezügen und solchen Autoren ein, die im Umkreis der Buchhandlung leben und wirken. Ob die Bücher, die in Kommission genommen wurden, dann tatsächlich auch gekauft werden – das freilich steht auf einem anderen Blatt.

Beate Laufer-Johannis  © privat

Beate Laufer-Johannis © privat

Hm, ja, habe ich schon ab und zu gemacht. Es handelte sich dann um Autoren aus dem Ort. Da war es durchaus auch für andere interessant zu erfahren, was ihr Freund oder Nachbar zu sagen hatte. Auch wenn nicht immer die Qualität dem entsprach, was ich normalerweise empfehle. Es gibt aber immer wieder Überraschungen, eines dieser Bücher war sogar ein richtiger Renner. So Annaluise Erler von der Buchhandlung Findus im sächsischen Tharandt

Einige Titel haben wir im Laden, diese sind allerdings sorgfältig ausgesucht. Ich muss von dem Buch wirklich überzeugt sein und die Chemie zum Autor muss stimmen. Es ist sehr unterschiedlich, wie diese Titel ankommen. Bücher mit einem regionalen Bezug verkaufen sich da noch am besten. Sagt Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach

Christian Röhrl © privat

Christian Röhrl © privat

Ich verkaufe ja auch seit 25 Jahren Bücher von Eigenverlegern. Es sind vor allem regional gute Titel dabei. Generell denke ich aber, dass es Sinn macht, vor einer Veröffentlichung jemanden zu haben, der das Ganze lektoriert, korrigiert, bewirbt, veröffentlicht und einen wirtschaftlich sinnvollen (gebündelten) Vertrieb ermöglicht. – Kurz ich bevorzuge Verlage. Meint Christian Röhrl von der Buchhandlung Bücherwurm in Regensburg

Es kommt immer wieder vor, dass uns Eigenproduktionen angeboten werden, in der Regel von Menschen aus unserem näheren Buchhandlungsumfeld, sprich regionale Geschichten. Da bin ich immer offen und nehme sie in Kommission. Allerdings verkaufen sich solche Werke meist schlecht. Oft ist die sprachliche Qualität leider nicht besonders gut. Ein Lektorat/ Korrektorat ist sehr wichtig, das fehlt in der Regel. Sagt Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental

lesende Buchhändlerin ©  Mila Becker

lesende Buchhändlerin © Mila Becker

Ich biete sie an. Allerdings nur, wenn sie mich wirklich überzeugen. Der Haken bei diesen ist, und ich höre schon den Aufschrei, man sieht es ihnen leider zu 90% an. Das Auge isst ja bekanntlich auch mit, und die meisten sehen vollkommen unprofessionell aus. Wenn man da dann nicht 100% hinter steht, liegen diese, wie in Blei gegossen. Meint Mila Becker von Mila Becker Buch & Präsent in Voerde

Gefragt ist Qualität, und zwar sowohl in inhaltlicher als auch in gestalterischer Hinsicht.

Es gibt kein grundsätzliches Argument dagegen – und keines dafür. Die beiden entscheidenden Argumente sind ausschließlich: 1. was  damit publiziert wird und 2. wie  es gemacht ist. So Clemens Bellut vom Heidelberger Buchladen Artes Liberales (diesen Beitrag könnt Ihr hier ab 6. März in Gänze lesen)

Warum denn nicht? Schließlich entscheidet die Qualität, die Form, der Inhalt. Wenn das stimmt, sehr gern. Sagt Susanne Dagen vom Buchhaus Loschwitz in Dresden

Doch der Anforderungen an Form und Inhalt nicht genug. Qualität allein reicht nicht, um das Herz von Buchhändlern zu gewinnen! Self Publisher punkten bei ihnen vorrangig dann, wenn die Publikation gedruckt vorliegt und der Titel zum Sortiment der Buchhandlung passt. Wünschenswert ist außerdem, dass das Marketing stimmt. Da die Befragten unisono berichten, dass Titel von Self Publishern besonders beratungsintensiv sind, sollte man nicht mit (sachlichen!) Informationen geizen, die auf die Belange des Buchhandels zugeschnitten sind. Von Lobhudeleien und Marktschreierei sei dringend abgeraten. Gut beraten ist außerdem, wer sich gewisse Kenntnisse über die buchhändlerische Praxis aneignet. Und – last but not the least – potentielle Handelspartner lassen sich nur dann überzeugen, wenn die Rabatte stimmen. Und genau hier scheint noch manches im Argen zu liegen.

Frau Bergmann © Hedwig Bergmann

Martina Bergmann © Hedwig Bergmann

Ich verkaufe auch Bücher von Self Publishern – wenn sie mir gefallen und wenn die Einkaufsbedingungen marktfähig sind. Deshalb verkaufe ich meistens keine Bücher von Self Publishern. Meint Martina Bergmann von der Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen

Gedruckte Exemplare, wenn sie denn gut sind, auf jeden Fall. So Lutz Heimhalt von der gleichnamigen Buchhandlung in Hamburg

Barbara Roth  © Iris Roth

Barbara Roth © Iris Roth

Grundsätzlich kann ich mir diese Entwicklung gut vorstellen. Wichtig wäre dabei, dass wir uns über diese Titel auch vorab informieren und die Kunden dazu beraten könnten. Wünscht sich Barbara Roth von der Offenburger Buchhandlung Roth

Warum nicht, wenn die Qualität stimmt. Allerdings scheitert es oft an dieser Voraussetzung. Unser örtlicher Bestseller wurde von einer Marketingfrau zusammen mit einem alten Verlagsprofi gemacht, da stimmte alles. Auch die Kalkulation mit Buchhandelsrabatten. Oft hat man statt dessen aber den Eindruck, dass einige Produzenten glauben, Buchhändlers ausreichender Lohn sei die Ehre, ihre Produkte zu handeln. Wird von uns erwartet, Eitelkeiten zu finanzieren? Sagt Gustav Förster von der Wein-Lese-Handlung Förster in Ganderkesee

Thomas Calliebe  ©  Thomas Calliebe

Thomas Calliebe © Thomas Calliebe

Wir führen selbstverständlich Titel von Autoren aus unserer Region, auch Self Publisher – allerdings hat das nichts mit Umsatz oder gar Gewinn zu tun. Diese Titel sind mangels Marketing sehr beratungsintensiv und zudem nur mäßig rabattiert. Auf den gesamten Buchmarkt bezogen vertraue ich auf Bücher aus eingeführten Verlagen, weil ich mir hier in Bezug auf Inhalt, Form und Gestaltung sicher sein kann. So Thomas Calliebe von der Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau

Unbeliebtes Thema Self-Publisher. Grundsätzlich habe ich keine Einwände – vorausgesetzt die (Text-)Qualität stimmt. Ja, liebe Self-Publisher, auch Druck, Schriftbild, Papierqualität, Covergestaltung… beeinflussen die Kaufentscheidung! In der Praxis gibt’s jedoch jede Menge Ärger: fehlende Einträge im VLB und oft auch via Internet schlecht oder gar nicht zu bibliografieren. Fehlerhafte Rechnungsstellung, unorthodoxe Liefermethoden, fehlendes Wissen der Usancen im Buchhandel, nicht zu reden von Rechtschreibfehlern im oft genug miserablen Text. Und ja, es ist ja schön, wenn der Autor von seinem Werk begeistert ist, aber wir wollen auch unsere Kunden im Laden bedienen und nicht so gerne umständlichen Inhaltsangaben am Telefon lauschen. Meint Rosemarie Reif-Ruppert von der Gostenhofer Buchhandlung in Nürnberg

Beate und Mischa Klemm © lesen und lesen lassen

Beate und Mischa Klemm © lesen und lesen lassen

Also in unserem Laden gibt es genau ein Buch eines Self Publishers. Super Cover, super Titel, ansprechender Klappentext, günstiger Preis, bei unserem Großhändler einfach zu beziehen. Aber diese Dinge treffen leider nur ganz selten zusammen. Und dann ist es ja so, dass wir zweimal im Jahr etwa fünfzig Kilo Verlagsvorschauen durchsehen, Leseexemplare testen, mit Verlagsvertretern sprechen, auswählen, aussortieren … Wenn man das geschafft hat, klickt man einfach nicht mehr auf den Link zu einem „ganz tollen“ Buch. Sorry. Sagen Beate und Mischa Klemm von der Berliner Buchhandlung lesen und lesen lassen

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Zum “Best of: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen” gelangt Ihr hier. Und falls sich wer die Frage stellen sollte, einmal Buchhändler, immer Buchhändler?, der wird hier fündig

Zu guter Letzt: Die Aussagen von 44 Buchhändlerinnen und Buchhändlern sind ebensowenig repräsentativ wie das Resümee, das ich ziehe.

„Entweder es passt oder es passt nicht.“ Buchblogger vs. Selfpublisher?

Ein Aufreger besonderer Art auf SteglitzMind war der Beitrag Lieber buchaffiner Blogger, wie hältst du es mit Selbst-Verlegtem?, der am 9. November 2012 erschienen ist. Darin zu lesen waren 15 Statements von Bloggern und Bloggerinnen, die auf die Frage Antwort gaben: Wie würdest du damit umgehen, wenn dir Selfpublisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Von Stimmungsmache gegen selbstverlegende Autoren konnte keine Rede sein. Herausgekommen ist ein ausgewogenes Meinungsbild: Die befragten Blogger stehen Publikationen von Selfpublishern zwar kritisch, aber nicht generell ablehnend gegenüber. So sie Rezensionsexemplare abwinken – was sie häufig tun, hängt das mit dem Selbstverständnis des jeweiligen Bloggers zusammen, der seine Unabhängigkeit schätzt und großen Wert auf selbstbestimmte Lektüre legt. Man will sich nicht in die Pflicht nehmen lassen. Und zwar gilt das für Publikationen von Selfpublishern und Rezensionsangeboten aus klassischen Verlagen gleichermaßen. Hier machen die Blogger keinen Unterschied. Einig waren sie sich auch dahingehend, dass Selfpublisher und Verlagsautoren durch Qualität überzeugen müssen.

Erstaunt hat mich so manche Reaktion, die der Beitrag hervorrief. Fast könnte man meinen, dass die Fronten zwischen Buchbloggern und Selfpublishern verhärtet sind:

Übrigens weiß ich nicht, ob ich bei diesem Beitrag und einigen Kommentaren heulen oder lachen soll. […].Ich habe den Eindruck, dass viele, die nun wirklich vorurteilsbeladen Self Publishing von vornherein als Trash klassifizieren, sich einfach nicht wirklich auszukennen scheinen.

Schade eigentlich, dass es da so viele Vorurteile gibt, denn ich denke immer, es kommt darauf an was in dem Buch drin steht und nicht welcher Verlagsnamen, bei denen man auch schummeln kann, draufsteht …

Was wirklich fehlt ist der Respekt vor Amateuren, auch im textlichen Bereich …

Zur meiner Irritation trug vergangene Woche des Weiteren der Artikel „Self-Publishing. Der YouTube-Literaturbetrieb“ von Jan Fischer bei, der bei ZEIT online erschienen ist. Zwar kommt dem Verfasser zweifellos das Verdienst zu, mit dem Thema Selfpublishing einen Gegenstand aufgegriffen zu haben, den die klassischen Medien lieber meiden. Allerdings kolportiert der Beitrag die Behauptung, dass „viele deutsche Blogger, die sich mit Rezensionen von Neuerscheinungen befassen“, Büchern von Selfpublishern „ablehnend gegenüber“ stünden. Dass sich die Aussage direkt auf den SteglitzMind-Blogpost vom 9. November 2012 bezog, verwunderte mich doch sehr.

denk mal um © GvP

denk mal um © GvP

Wo steht dort geschrieben, dass viele Buchblogger Indie-Publikationen keinen Respekt zollen, ihnen gar ablehnend gegenüberstehen? Wurde gar das Fazit des Beitrags übersehen, in dem zu lesen steht, dass Blogger keine Unterschiede machen und von Autoren – egal ob Indie-, Hybrid- oder Verlagsautor – in erster Linie Qualität einfordern. Warum fiel mein Versuch, ein differenziertes Stimmungsbild wiederzugeben, pauschalisierenden Schlussfolgerungen anheim? Neigt man in der Eile des Gefechts dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten?

Da mir daran gelegen ist, die Sachlage zu objektivieren, freue ich mich, heute mit 15 Stellungnahmen zur Frage nachziehen zu können: Wie würdest du damit umgehen, wenn dir Selfpublisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Ich habe da keine Vorbehalte. Das ist auch schon vorgekommen. Es ist ähnlich wie oben [bei Verlagen oder Dienstleistern]. Ich kaufe lieber, weil ich mich dann in meiner Entscheidung freier fühle, ob ich darüber schreiben will. Jutta S. Piveckova aka Melusine Barby, Gleisbauarbeiten

Es kommt ganz darauf an, ob mich das Werk interessiert. Aber grundsätzlich sehe ich mich derzeit nicht als Rezensentin. Nur wenn mich etwas so begeistert oder empört, dass ich andere daran teilhaben lassen möchte, dann mache ich darauf aufmerksam. @Anousch, Anousch

Ähnlich [wie bei Verlagen oder Dienstleistern: Ich schau mir immer genau den Inhalt an, ob es mich interessieren könnte. Wenn nicht antworte ich höflich, dass es einfach nicht meinen Geschmack trifft.] Entweder es passt oder eben nicht. Bücherliebhaberin, glasperlenspiel13

Vermutlich ebenso wie ich es im Fall von Verlagen und Autoren tun würde. [Ich wähle sehr bedacht aus und greife meist nur bei mir bekannten Autoren zu oder auch bei einem Verlag, deren Programm sehr viele Übereinstimmungen mit meinem Lesegeschmack hat. Rezensionsexemplare bedeuten immer die Verpflichtung, zeitnah eine entsprechend ausführliche Rezension zum Gelesenen online zu stellen – die möchte ich gerne erfüllen und mich zugleich nicht beim Lesen und Schreiben hetzen, weil sich Rezensionsexemplare bereits bei mir stapeln. Aus diesem Grund, und auch weil mir manche Titel nicht zugesagt haben, habe ich Rezensionsexemplare durchaus schon dankend abgelehnt. Zudem kommentiere ich im Gegensatz zu vielen anderen Bloggern auch nicht vorwiegend Neuerscheinungen.] Svenja, Syn-ästhetisch

Ich nehme sie an, wenn sie zu meinem Blog passen. Marcus Johanus mit Marcus Johanus‘ Blog

Das ist schon vorgekommen. Bisher hab ich die Angebote abgelehnt, weil es sich dabei um Krimis und eine Biografie handelte, die mein Interesse nicht wecken konnten. Mal sehen, wie ich handeln werde, wenn mir mal etwas gut Klingendes angeboten wird … Ob ich dann mein eigenes Vorurteil, beim Self Publishing könne ja nichts Gutes rauskommen, überwinden werde? Ich könnte es ja hiermit beschließen und der Sache eine Chance geben! Mareike Fallwickl, Bücherwurmloch

Wie bereits erwähnt, wähle ich mir meine Bücher selbst aus. Das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, sondern mit Freiheit, das zu lesen, was ich möchte – und die Zeit, in der ich das machen kann, ist eng begrenzt. So habe ich nur maximal zwei Stunden dafür am Tag Zeit dafür – außer an den Wochenenden oder im Urlaub. Ich möchte mich nur ungern von meiner Lesefreiheit trennen. Auf der anderen Seite sehe ich, wie schwieriger es für Schreibende wird, ihre Werke bei Verlagen unterzubringen. Simone Finkenwirth, Klappentexterin

Genau gleich wie bei den anderen Büchern: Ich reiche sie an das Team durch. Entscheidend ist, ob sich ein Rezensent dafür interessiert. Aber: es passiert in der Regel nicht … Oliver Gassner, Literaturwelt

Genauso, wie wir mit Rezensionsexemplaren von Verlagen umgehen. Wenn uns Genre, Titel und vor allem die Beschreibung ansprechen, würden wir das Buch auch lesen und rezensieren. Bislang ist das leider nicht vorgekommen, da meist entweder das Genre für uns nicht passte, oder der Inhalt nicht allzu attraktiv beschrieben war. Das wäre dann auch ein Tipp an alle Self Publisher: Jeder potenzielle Leser wird natürlich vom “Klappentext” auf den Inhalt und die Art und Weise, wie das Buch geschrieben ist, schließen. Dieser kurze Beschreibungstext muss also so attraktiv wie möglich und natürlich fehlerfrei sein. Stefanie und Yvonne, Leselink

Das ist bis jetzt noch nicht passiert. Hartmut Abendschein, Betreiber des literarischen Weblogs taberna kritika und Mitbegründer von litblogs.net

Ich sehe keinen Unterschied zwischen einem Self-Publisher und einem “Verlags-Autoren”, d.h. siehe oben. (Rezensionsexemplare würde ich sehr, sehr sorgfältig prüfen, bevor ich eine Zusage geben würde. Leider habe ich immer viel weniger Zeit, als mir lieb ist. Deshalb würde ich keine Erwartungen wecken, die ich dann nicht erfüllen kann.) Axel Hollmann, Axel Hollmanns Schreibblog

Self-Publisher unterscheiden sich für mich nicht von anderen Autoren. Ich entscheide nach Titel und Thema, ob ich das Werk lesen möchte. Ruth Justen, Ruth liest

Wie bereits erwähnt, nehme ich ein Angebot an, wenn es mich anspricht. Wobei ich gestehen muss, dass das selten der Fall ist. [Noch vor einiger Zeit war ich mächtig stolz darauf, wenn mir ein Rezensionsexemplar angeboten wurde. Ich habe mich geehrt gefühlt, dass es jemanden interessiert, was ich von einem Buch halte. Ich habe diese Bücher auch gerne angenommen. Seitdem ich jedoch merke, dass viele Blogger die selben E-Mails bekommen, in denen nur die Anrede ausgetauscht wird, überlege ich doch ein bisschen länger, ob ich ein Rezensionsexemplar annehmen soll. Ehrlich gesagt finde ich es besser, selbst ein Rezensionsexemplar bestellen zu dürfen und freue mich jedes Mal sehr, wenn ich ein entsprechendes Päckchen aus dem Briefkasten herausfische.] Dorota Federer, Bibliophilin

Grundsätzlich genauso wie mit anderen Rezensionsexemplaren auch, allerdings nehme ich keine E-Books an , da ich keinen eigenen Reader besitze und auch vorerst keinen haben möchte bzw. brauche. (Heute nehme ich kaum noch Rezensionsexemplare an. Manchmal tut es mir leid, Absagen erteilen zu müssen, gerade in Hinblick auf noch unbekannte Autoren, doch ich schaffe das zeitlich einfach nicht mehr. Je nachdem, was beruflich oder privat so anliegt, bin ich zu eingespannt, sodass für den Blog kaum noch Zeit übrig bleibt. In solchen Phasen schätze ich es sehr, meine Lektüre frei auswählen zu können, ohne unter dem Druck zu stehen, das Buch möglichst zeitnah zu lesen und vor allem auch zeitnah rezensieren zu müssen.) Ada Mitsou, Ada Mitsou liest….

Ich mache keinerlei Unterschiede zwischen den Büchern von Verlagen und denen selbstverlegender Autoren. Für mich zählt die Qualität eines Buchs und nicht, ob es über einen bekannten Publikums-Verlag, einen Print-on-Demand-Anbieter oder als Kindle-eBook veröffentlicht wurde. Auch hier gilt: Ich veröffentliche nur dann eine Rezension, wenn ich das Buch meinen Lesern guten Gewissens empfehlen kann. Einen Verriss würde ich nur dann schreiben, wenn der Autor partout auf der Rezension seines Werks besteht. Richard Norden, Writers Workshop

Dezidierte Vorurteile gegen Selfpublishing oder gar Ignoranz gegen Publikationen, die in Eigenregie verlegt sind, werden in diesen Stellungnahmen abermals nicht laut. Und wenn, wie hier in einem Fall, dann werden diese kritisch hinterfragt. – So darf ich mein Fazit vom 9. November 2012 also getrost wiederholen: Durch die Bank legen die befragten Blogger Wert auf selbstbestimmte Lektüre, weshalb sie Rezensionsangebote vielfach ablehnen. Sie unterscheiden nicht zwischen Verlagsautoren und Selfpublishern, noch legen sie unterschiedliche Kriterien an die jeweiligen Publikationen an. Überzeugen lassen sie sich allein durch Qualität.

Weitere Überlegungen zur Bedeutung von Literaturblogs und deren Umgang mit E-Book und selbstverlegenden Autoren habe ich in einem Interview für litaffin angestellt, das hier nachgelesen werden kann.

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Die Frage Wie würdest du damit umgehen, wenn dir Selfpublisher ihre Titel zur Rezension anbieten?  ist Bestandteil der Gesprächsreihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger“ vor, die im September 2012 an den Start ging. Ihr voraus geht die Frage Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten? Aus den Antworten darauf stammen die Zitate, die in eckige Klammern […] gesetzt sind.

Rede und Antwort standen in der Interviewreihe bislang 37 Bloggerinnen und Blogger. Ein Überblick findet sich hier

Steglitz fragt bei Wilhelm Ruprecht Frieling aka @Prinz Rupi nach (Teil 3)

„Ich arbeite als Rampensau auf offener Bühne und mache mich notfalls auch zum Affen.“

Im ersten Teil des Gespräches äußerte sich Wilhelm Ruprecht Frieling, im Social Web als »Prinz Rupi« bekannt, u.a. dazu, wie er die Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung einschätzt und welche Zukunft er der Buchbranche prophezeit. In zweiten Teil des insgesamt dreiteiligen Interviews ging es um die Stichworte Self-Publishing und E-Book. Abschließend dreht es sich heute ums Buchmarketing.

Was hältst du von der Entwicklung, dass Autoren immer mehr für ihr Buchmarketing selbst tun (müssen)?

Rupi macht sich zum Affen © R. W. Frieling

Prinz Rupi macht sich zum Affen © R. W. Frieling

Der Zwang zum Self-Marketing gilt heutzutage für Autoren wie für bildende Künstler, für Musiker, Schauspieler und alle anderen Kulturschaffenden. Selbst prominente Verlagsautoren tingeln über Land und halten ihr Gesicht in die Kameras, um ins Gespräch zu kommen und sich zu verkaufen. Schließlich drängen immer mehr Selbstdarsteller mit ihren Werken auf den Markt.

Das Web 2.0 stellt uns mit den Social Communities dutzende Plattformen zur Verfügung, die für ein gezieltes Buchmarketing eingesetzt werden können. Wer online auftritt, hat eine größere Reichweite.

Was machst du für Dein Buchmarketing außerhalb des Social Web?

Ich veranstalte Lese-Performances an schrägen Orten, gern auch in Zusammenarbeit mit unkonventionellen Musikern und Schauspielern. Auf Barcamps, Kongressen und Fachveranstaltungen trete ich mit Vorträgen zu aktuellen Themen des Publizierens auf. Firmen im Medienbereich biete ich Mitarbeiterschulungen und Fortbildungen zum Stichwort Web 2.0 an. All das führt unmittelbar zu einem Interesse an meinen Büchern.

Welche deiner Aktivitäten außerhalb des Social Web kamen besonders gut an, welche floppten?

Meine Veranstaltungen waren zu meinem Glück bisher immer ausverkauft. Beliebt sind Lesungen aus »Angriff der Killerkekse«, wo selbstverständlich auch Killerkekse zum Verzehr dargeboten werden. In meiner Show »Der Viagra-Mann kommt« bekommen die Besucher zuvor eine blaue Pille; das dient der Entspannung und Erheiterung.

Im Bereich Social Web: Welche Plattformen bevorzugst du hier für dein Buchmarketing? Warum?

Historisch bin ich in der Reihenfolge Online-Foren, Blogs, YouTube, LovelyBooks, Qype, Twitter, Facebook, Google+, Pinterest angetreten. Foren habe ich vor etwa zehn Jahren aufgegeben, das Trollunwesen machte eine vernünftige Arbeit fast unmöglich. Ich blogge seit 2006 und betreibe neben meinem Prinz-Rupi-Blog einen Literatur-, Oper- und Kunstblog sowie einen Gruppenblog mit derzeit 1.500 mitwirkenden Autoren. Insgesamt wurden über meine Blogs inzwischen weit mehr als 1,5 Millionen Leser erreicht.

Ich twittere seit 2008 mit guten Ergebnissen für mehr als 15.000 Abonnenten. YouTube ist ein toller Kanal für Tests, da habe ich knapp 400.000 Abrufe. Google+ ist für Sachthemen spannend und hat mehr Klasse als Masse. Pinterest kommt aufgrund des optischen Bezugs stark in Schwung. Über die Kindle-Community habe ich ebenso interessante Kontakte wie über LovelyBooks bekommen. Über XING werde ich zu Vorträgen und Firmenveranstaltungen eingeladen.

Und das Netzwerk, bei dem sich inzwischen alle tummeln?

Facebook wird als Bühne zunehmend uninteressant, Hobbyautoren schwimmen in diversen Gruppen im eigenen Saft und stehlen sich gegenseitig die Zeit. Sie neiden sich ihren bescheidenen Erfolg und schlagen aufeinander ein, bis das Blut spritzt. Ich bin neulich von einem talentlosen Schreiberlein als »Hassprediger« bezeichnet worden, weil ich sein Buch auf Amazon mit »nur« drei freundlichen Sternen bewertet hatte. Ein anderer schickte mit eine Anzeige wegen übler Nachrede ob einer kritischen Buchbesprechung ins Haus, die natürlich niedergeschlagen wurde. Das muss man sich mal vorstellen: So tief ist die Szene mittlerweile gesunken!

Rupi auf der Höhe © R. W. Frieling

Prinz Rupi auf der Höhe © R. W. Frieling

Bist du bei deinen ersten Schritten im Social Web planvoll vorgegangen? Setzt du für dein Buchmarketing auf eine Social-Media-Strategie?

Für mich war das die logische Fortsetzung der analogen Werbung. Ich habe mir angesehen, was es gab und das Beste daraus zu machen versucht. Sobald es Werkzeuge gab, um Rückläufe zu zählen, habe ich sie eingesetzt.

Worauf achtest du bei deiner Kommunikation im Social Web besonders?

Ich möchte meine Leser informieren und mit möglichst viel eigenem Content unterhalten. Auf keinen Fall will ich langweilen, spammen oder Links zum x-ten Mal wiederholen. Ich poste grundsätzlich keine privaten Dinge, ich arbeite stattdessen als Rampensau auf offener Bühne und mache mich notfalls auch zum Affen. Was hinter dem Vorhang passiert, geht niemanden etwas an.

Welche deiner Aktivitäten im Social Web kamen besonders gut an?

Schwer zu sagen. Meine beste Aktion in jüngerer Zeit war vielleicht Ask-A-Conductor für meinen Kunden Universal Music auf Twitter, damit konnte ich dem von mir aufgebauten Account KlassikAkzente in 24 Stunden knapp 2.000 neue Follower zuführen.

Was habe ich mir unter einer Dirigenten-Befragung bei Twitter vorzustellen?

Das war eine 24stündige Aktion auf Twitter, die unter dem Stichwort »#ask-a-conductor« weltweit ein musikinteressiertes Publikum von Melbourne über Johannisburg, New York, London bis Berlin zusammenbrachte. Weltberühmte Dirigenten wurden gewonnen, Fragen aus dem Publikum direkt per Tweet zu beantworten. In meinem Opern-Blog habe ich die Aktion ausführlich beschrieben.

Was floppte bislang im Social Web?

Lesungen im Second Life floppten aufgrund technischer Unzulänglichkeiten. Die Plattform kam zehn Jahre zu früh, sie wurde damals wie heute nur von Kennern genutzt. Auch Anzeigen für E-Books verbuche ich unter Misserfolge, weil die Kosten in keinem gesunden Verhältnis zu den Erträgen stehen. Ansonsten habe ich enormes Glück gehabt und stets schwarze Zahlen geschrieben.

Hast du Erfahrungen mit Kostenlos-Aktionen gesammelt?

Gratisaktionen sind ein großartiges Marketinginstrument, die möglichst zielgerichtet und anlassbezogen eingesetzt werden sollten. Beispiel: Zum Todestag von Richard Wagner habe ich meinen Opernführer zum »Rheingold« verschenkt. Zu meinem letzten runden Geburtstag gab ich meine Autobiografie »Der Bücherprinz« ab.

Bringt das wirklich was?

Der Name des Autors wird mit derartigen Aktionen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht: Streuwerbung ohne Kosten. Mehr als 5.000 neue Leser konnte ich damit gewinnen. Anschlussverkäufe im dreistelligen Bereich wurden generiert. Derartige Aktionen bringen allerdings nur etwas, wenn der Titel mindestens unter die Gratis-Top-Five kommt.

Social Media ist sehr zeitaufwändig. Wie sieht dein Pensum aus?

Ich war immer schon Workaholic und bin bekennender Internet-Junkie. Darum möchte ich diese Frage lieber überspringen. Nur so viel: Unter einer 80-Stunden-Woche geht es selten. Ich spiele gelegentlich mit dem Gedanken, einen Mitarbeiter für Routinen einzustellen. Doch damit wäre der Zwang zum Wachstum verbunden, und diese Phase habe ich eigentlich erfolgreich überwunden.

Ausloggen fällt dir demnach schwer?

Eines meiner Bücher heißt programmatisch »Tausend Titten tanzen Tango«. Damit beschreibe ich die endlosen Irritationen und Ablenkungen, die uns durch Klingeln, Blinken, Piepsen und Klopfen auf immer neue und raffinierte Weise im Netz verzaubern und gefangen nehmen wollen. Besonders problematisch empfinde ich dabei die zunehmend enger werdende Verzahnung der digitalen Welt mit dem Tagesalltag und seinen Abläufen. Kurz: Es kostet mich enorm viel Selbstbeherrschung, abzuschalten.

Gemälde von Jan Bouman ©  W.R. Frieling

Gemälde von Jan Bouman © W.R. Frieling

Wie regelst du Fragen der Erfolgskontrolle? Nutzt du Tools?

Jede Plattform verfügt über passende Tools. Es würde zu einem weiteren E-Ratgeber führen, hier jedes Werkzeug vorzustellen. Eine nützliche Zusammenstellung der Tools hat Wolfgang Gumpelmaier auf seiner Seite veröffentlicht.

Was sollte man als Autor/in im Social Web unterlassen? Wo verortest du Risiken?

Jeder muss sich die zentrale Frage beantworten, ob er privat auftreten will oder als Kunstfigur agiert. Beides geht meines Erachtens nicht. Ich finde es grauenvoll, wenn Autoren sich im Netz abmelden, weil sie kurz pinkeln gehen, ihren Urlaub verkünden, als würde sie tatsächlich jemand vermissen und sich dann wieder zurückmelden, um zehn Likes à la »Ach wie schön, dass Du wieder da bist« zu kassieren. Ich finde einfach nur peinlich, wenn sich Damen plötzlich als Muttis aufspielen, wildfremde Leute wecken, mit virtuellem Gebäck füttern und ihnen ein Gute-Nacht-Lied singen.

Wie schätzt du die Entwicklung ein, dass Twitter und die anderen Social Communities wie Facebook mittlerweile von fast allen Verlagen entdeckt worden sind?

Von fast allen Verlagen entdeckt? Wo siehst du das denn? Die meisten Verlage nutzen Twitter & Co in der Manier, sich ein weiteres buntes Mäntelchen in den Schrank zu hängen, weil das momentan jeder so macht. Das geschieht in vielen Fällen herz- und hirnlos. Sonst würde ich nicht immer wieder Anfragen von Verlagen bekommen, ob ich ihr Team schulen kann oder einen Twitter-Account für sie einrichte. Letzteres ist, unter uns gesagt, eine lukrative Nebenbeschäftigung …

Danke sehr, Rupi. Unser Gespräch war mir Ehre, Lehre und Vergnügen zugleich …

Ich habe zu danken, denn ich vermute, dass Du Dir mit diesem Interview nicht nur Freunde machst. Dazu polarisiere ich zu stark. Und wie heißt es so schön: »Der Mutige wird zuerst erschossen«. Dennoch hoffe ich, dass Dir der Gnadenschuss aus dem Stall der Neidhammel erspart bleibt. Ich bleibe jedenfalls mir und meinen Idealen treu und folge meiner inneren Stimme. Damit bin ich im Leben sehr weit gekommen.

Ist der Ruf erst ruiniert … So du Zeit und Lust hast, legen wir 2013 nach.

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Wer mehr über Wilhelm Ruprecht Frieling erfahren möchte, findet ihn und seine Bücher hier im Netz:

Webpräsenzen:

Heimathafen

Herausgeber

Wikipedia

Twitter

Google+

Facebook

Pinterest

YouTube

XING

Blogs:

Prinz-Rupi-Blog

Literatur-Blog

Opern-Blog

Kunst-Blog

Autoren-Blog

Bücher:

http://www.amazon.de/Wilhelm-Ruprecht-Frieling/e/B001K1NI6G

Steglitz fragt bei Wilhelm Ruprecht Frieling aka @Prinz Rupi nach (Teil 2)

„Ich habe als überzeugter E-Booker mit der Welt von gestern gebrochen.“

Im ersten Teil unseres insgesamt dreiteiligen Interviews äußerte sich Wilhelm Ruprecht Frieling, im Social Web als »Prinz Rupi« bekannt, u.a. dazu, wie er die Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung einschätzt und welche Zukunft er der Buchbranche prophezeit. Jetzt geht es um die Stichworte Self-Publishing und E-Book.

Welche Vorteile versprichst du dir vom Self-Publishing?

»Früher« war es schon aufregend, seine Buchkinder auf Papier zu sehen und dann im Laufe der Jahre die Entwicklung der Veröffentlichung zu erleben. Durch E-Books bekommt das Geschäft eine unglaubliche Dynamik. Meine Verkäufe haben sich verzehnfacht, verzwanzigfacht, und sie waren vorher schon nicht schlecht. Es ist alles wie in einem Bauchladen überschaubar, als Self-Publisher genieße ich die volle Kontrolle. Wenn ich müsste, könnte ich inzwischen sogar von meinen E-Book-Erlösen bescheiden leben, und das nach so kurzer Zeit … Kurz: Die E-Bookerei schenkt mir täglich Freude und neue Erkenntnisse.

Wo machst du beim Self Publishing besondere Risiken aus?

Pastell von Olaf Neumann  © W.R. Frieling

Pastell von Olaf Neumann © W. R. Frieling

Die größten Risiken sehe ich im Kontrollverlust. Es ist kinderleicht, etwas zu veröffentlichen und ein verdammt geiles Gefühl, im Handumdrehen dafür virtuelle Anerkennung zu kassieren. Das verleitet viele Autoren zum vorschnellen Veröffentlichen. Endlich können sie ihren Text mit einem einzigen Klick ans Licht der Welt bringen! Sie vermeiden, einen Text nochmals umzuschreiben, daran zu feilen, ihn zu bearbeiten oder überhaupt zu korrigieren. Sie unterschätzen dabei den Leser, denn ist der alles andere als doof. Wenn es kurz darauf negative Rezensionen hagelt und Verkaufserfolge ausbleiben, ist das Gejammer groß. Dabei ist doch der Name eines Autors für den Leser weitgehend verbrannt, wenn er einmal Müll geliefert hat. Bei dem Überangebot ist für eine zweite Chance kaum Platz.

Worauf sollten Autoren, die ihre Publikationen in die eigene Hand nehmen, besonders Acht haben?

Sie sollten sich so gut wie möglich auf die Erfordernisse des E-Book-Marktes einstellen und offen sein für jede Anregung und Kritik. Es gibt eine Reihe nützlicher Nachschlagewerke, die bei der Vorbereitung der Veröffentlichung helfen. Wichtig ist auch die Beantwortung der Frage, ob ein Korrektor oder Lektor hinzugezogen werden sollte. Es lohnt sich, in einen Profi zu investieren, denn das Ergebnis gewinnt in den allermeisten Fällen.

Deine Titel erscheinen inzwischen nahezu ausnahmslos als E-Book. Warum setzt du auf das elektronische Format?

Elektro- und Holzbücher sprechen vollkommen unterschiedliche Leserkreise an. Ich möchte beide bedienen. Darum gibt es meine älteren Bücher weiterhin auf Papier, sie wurden erst nachträglich digitalisiert, soweit ich Inhaber der Rechte bin. Die neueren Bücher werden nach und nach den umgekehrten Weg gehen und auch auf Papier erhältlich sein. Hörbücher mit brillanten Sprechern sind in Vorbereitung.

Nicole Sowade berichtete mir, dass man als »Nur«-E-Book-Autor mit Widerständen zu rechnen hat, und zwar vor allem seitens potenzieller Rezensenten. Wie siehst du das?

Self-Publisher mussten immer schon mit Ablehnung, Widerstand und Gegnern leben. Vor zwanzig Jahren argumentierte die FAZ noch, es käme »Ekelverdacht« auf, wenn Autoren ihre Werke selbst herausgeben. Nun beklagt DIE ZEIT die digitale Entwicklung und die Vorreiterrolle Amazons. Ignorieren können sie die Flut mittlerweile nicht mehr. Der Riesenerfolg von Jonas Winners »Berlin Gothic« zeigt, dass die Dämme brechen und selbst das konventionelle Feuilleton E-Books rezensiert, sobald sie einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben. Nika Lubitsch wurde soeben im STERN gefeiert …

Das ist aber wohl eher die Ausnahme, dass das Feuilleton …

Mir stellt sich die Frage, wem in der digitalen Szene an Rezensenten des klassischen Feuilletons überhaupt noch gelegen ist. Sind das vielleicht Autoren, die mit den Mitteln und Möglichkeiten von heute die Meinungsbildner von gestern ansprechen wollen? Sehen diese Menschen das E-Book eventuell nur als Vehikel, um von der alten Verlags- und Medienwelt angenommen zu werden? Ich habe als überzeugter E-Booker mit der Welt von gestern gebrochen und beantworte Deine Frage positiv, indem ich behaupte: Es gibt enorm viele Rezensenten; sie warten sogar schon auf uns!

Du meinst im Netz?

Ja. Viel interessanter als das abgestandene Feuilleton sind doch beispielsweise Besprechungen auf Blogs – und damit meine ich ganz bewusst nicht nur Buchblogs! Dort werden aufgeschlossene Leser direkt angesprochen. Da treffe ich meine Zielgruppen. Der Leser neuen Typs ist lediglich einen Klick weit vom besprochenen Buch entfernt, er kann es sofort lesen. Ich beobachte mein eigenes Verhalten wie das meiner Bekannten: Wir kaufen durch Anregungen in Social Communities und dank Empfehlungen von Freunden mehr Bücher denn je – und zwar meistens direkt bei Amazon. Den Empfehlungen von ZEIT, FAZ und SÜDDEUTSCHE sind wir letztmals vor gefühlten 150 Jahren gefolgt. Dabei möchte ich deren Artikel nicht missen, sie lesen sich gut, erreichen mich aber nicht mehr wirklich.

Heilversprechen sollte man sich von den unzähligen Buchblogs im Netz allerdings keine ausrechnen …

Rupi mit Skulptur von Knut van der Vinzburg  © W.R. Frieling

Rupi mit Skulptur von Knut van der Vinzburg © W. R. Frieling

Auf keinen Fall! Mit Literaturzeitschrift.de und dem zugehörigen Blog betreibe ich ja selbst eine der ältesten Rezensionsplattformen im Netz. Deshalb kann ich relativ gut beobachten, was darüber verkauft wird. Das gilt auch für LovelyBooks, Facebook, Twitter und die anderen Social-Media-Communities. Ich meine eher die »normalen« Blogs, in denen über Menschen, Themen und Schicksale berichtet wird, da sehe ich das eigentliche Potential.

Der große Vorteil der Blogosphäre ist, dass eine enge, bisweilen familiäre Bindung zwischen denjenigen, die Lesestoff empfehlen und ihren Lesern entsteht. Es ist doch so, dass eine stabile Fanbase von 500 Lesern, die garantiert jede Neuerscheinung eines Autors kaufen, schon mal eine vernünftige Ausgangsbasis sind; und das kann ich heutzutage mit gezielten Empfehlungen im virtuellen Raum locker erzielen. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang daran, dass auch die gern zitierte amerikanische E-Book-Millionärin Amanda Hocking ausschließlich durch Blogs und Communities berühmt wurde.

Seit Start der Plattform erscheinen deine elektronischen Titel in der Kindle-Edition. Warum hier?

Amazon ist international der Vorreiter des Self-Publishings. Mit Kindle Desktop-Publishing stellt der Konzern interessierten Autoren ein mächtiges Werkzeug zur Verfügung, um ohne vorgeschalteten Zensor zu veröffentlichen. Minutengenaue Abrechnungen, jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf die eigenen Bücher und ein hilfsbereiter Kundendienst sind weitere Kriterien. Außerdem wird der wesentliche Umsatz im E-Book-Markt auf dem Amazonas generiert. Deshalb schreibe ich lieber neue Bücher, statt mich mit den Eigenheiten weiterer Plattformen zu befassen.

Worauf sollte man besonders achten, wenn man sich für Amazon entscheidet?

Danke für die Steilvorlage: Lies die aktuellste Version meines Buches »Kindle für Autoren oder: Wie veröffentliche ich ein Buch auf Amazon.de«. Da steht alles drin, was ein Autor beachten muss.

Ein paar Tipps werde ich dir hier schon noch entlocken … Wie verfährst du mit dem Kopierschutz?

Ich folge dem Vorbild der Musikindustrie und verzichte auf Kopierschutz. Digital Rights Management (DRM) reizt doch nur, den Schutz zu knacken. Das kann übrigens jeder Amateur mittels frei verfügbarer Programme. Schon aus diesem Grunde sind DRM-Systeme für Bücher ein Altherrenwitz. Der Schlüssel der Problematik liegt für mich im Buchpreis. Werden E-Book zu Wucherpreisen angeboten, dann lohnt der Aufwand, sie zu knacken und zu vervielfältigen. Bei E-Books zu vernünftigen Preisen kommt niemand auf die Idee.

Was hältst du generell von den Diskussionen rund um das Pricing beim E-Book?

Der Buchpreis ist als Marketing-Instrument abhängig vom Bekanntheitsgrad des Autors und von seinem Sujet. Durch meine Interviews mit erfolgreichen E-Bookern weiß ich, dass einige von ihnen mit Gratisaktionen starteten und darauf ihren wundervollen Erfolg gründen. Nika Lubitsch steht für diesen Weg.

Welchen Festpreis das E-Book letztlich haben sollte, hängt auch von den Intentionen des Autors ab. Will man mittelfristig davon leben? Dann kann sich jeder selbst ausrechnen, wie viele Bücher zu 99 Cent verkauft werden müssen, um auf den gleichen Erlös zu kommen, der beispielsweise bei € 2,99 beschieden ist: Etwa sechsmal so viel! Oder will man erst einmal bekannt werden und ein paar Jahre für seinen Namen und sein Programm werben? Dann zählt jedes verkaufte Buch und es geht darum, möglichst viele Exemplare abzusetzen. Dies wird durch möglichst niedrige Preise beflügelt.

In dem Zusammenhang sollten wir uns aber auch klar machen, dass vom überwiegenden Teil der rund aktuell 230.000 deutschen E-Book-Titel weniger als 100 Exemplare pro Jahr verkauft werden. Es gibt nur wenige hundert Autoren, die jährlich mehr als 10.000 Exemplare und eine Handvoll, die mehr als 100.000 Stück an den Leser bringen. Von amerikanischen Millionenumsätzen sind wir noch Lichtjahre entfernt. Daraus folgt: Die große Mehrheit der Self-Publisher muss in der derzeitigen Phase der Entwicklung darauf orientieren, größere Stückzahlen unter die Leute zu bringen.

Meinst du, dass dem E-Book die Zukunft gehört?

Dem Lesen gehört die Zukunft. Dabei ist es sekundär, ob Texte handgeschrieben auf Pergament, in gedruckten Büchern, Hörbüchern oder E-Books Brücken zum Wort schlagen.

Unübersehbar verdrängen Elektrobücher in greifbarer Zukunft einen Teil der bisherigen Papierbuchproduktion. Das gilt besonders für die Unterhaltungsliteratur. Es ist viel unkomplizierter, mit einem gut bestückten Reader durchs Leben zu reisen als ständig eine zentnerschwere Bibliothek zu schleppen. Bei Sachbüchern haben die Reader bereits das Rennen gewonnen. Die Möglichkeit der ständigen Aktualisierung von Inhalten ist dem herkömmlichen Auflagendruck himmelhoch überlegen.

Nun nenne mir bitte doch drei ultimative Tipps: Was macht einen erfolgreichen E-Book-Autoren aus?

Rupi mit Kurt Krömer beim Echo © W. R. Frieling

Rupi mit Kurt Krömer beim Echo © W. R. Frieling

Was ist Erfolg? – Rund 25.000 verkaufte Exemplare eines Titels brauchte es, um im ersten Kindle-Jahr 2011 einen der Spitzenplätze der Amazon-Jahres-Hitparade einzunehmen. Entsprechend viel verkaufte Kollege Matthias Matting, der erfolgreichste Kindle-Autor des Jahres 2011. Wer 10.000 verkaufte Einheiten aufweisen konnte, bewegte sich seinerzeit bereits in den oberen Etagen der Amazon-Verkaufscharts.

In 2012 sind die Zahlen bereits deutlich nach oben geschnellt. Es wurden inzwischen mehrere Millionen Kindle-Reader verkauft und eine entsprechend lesehungrige Leserschaft gewonnen. Jetzt sind mindestens 120.000 verkaufte Einheiten erforderlich, um zum Jahresende in die Top Ten zu kommen. Martina Gercke verkaufte allein im ersten Halbjahr 2012 via Amazon 100.000 Exemplare «Holunderküsschen« à € 2,99. Nika Lubitsch benötigt monatlich deutlich mehr als 20.000 Verkäufe, um die grauen Schatten zu verdrängen und sich auf Platz 1 der Bestsellerliste zu behaupten. Diese Zahlen sind der aktuelle Maßstab für die Definition von »Erfolg«.

Abermals umschiffst du konkrete Tipps!

Allzu gern würde ich Dir hier den Stein der Weisen auf den Tisch legen und nach allen Regeln der Kunst ausleuchten. Aber ich habe ihn (noch) nicht gefunden, und auch die anderen Erfolgsautoren die ich ausgequetscht habe, stehen teilweise ratlos vor ihrem eigenen Erfolg.

Aus meiner Sicht sind folgende Aspekte wichtig:

  1. Content rules. Thema, Inhalt und Aktualität dessen, was in einem Buch steht, sind immer noch das Nonplusultra im Buchgeschäft. Dabei sind Sachbuchautoren aufgrund der Aktualisierungsmöglichkeiten deutlich im Vorteil.
  2. Das Cover eines E-Books muss auch im Briefmarkenformat funktionieren und den potentiellen Lesern anspringen.
  3. Der Klappentext zu einem Buch muss klar und wahr sein. Er sollte den Leser in Bann ziehen und zwingen, das Buch ohne lange Bedenkzeit zu erwerben.
  4. Der behutsame Aufbau einer intelligenten und lebendigen Fanbase ist wichtig – damit meine ich allerdings keinesfalls jene stumpfen Claqueure, die loshüpfen und jede kritische Rezension als »nicht hilfreich« abstrafen, denn das schadet dem Autor langfristig.
  5. Jede Kritik, so hart sie auch treffen mag, ist positiv und hilfreich. Nichts ist schlimmer, als totgeschwiegen zu werden.

Zum Thema noch ein persönlicher Nachsatz: Man kann es nie allen recht machen, und wer von allen geliebt werden möchte, wird zum Arsch ohne Ohren.

Ein gar treffliches Bild, Rupi. – Welche Illusionen sollte sich ein E-Book-Autor abschminken?

Dass die Welt darauf wartet, dass gerade er/sie endlich sein Werk veröffentlicht und ihn/sie dafür entlohnt!

Im dritten und letzten Teil unseres Gesprächs, der am 21. Dezember erscheint, steht Rupi rund ums Buchmarketing Rede und Antwort.

Steglitz fragt bei Wilhelm Ruprecht Frieling aka Prinz Rupi nach

„Ein Verleger, der sich abschafft und dabei auch noch Spaß empfindet.“

In der Buchszene kennt man Wilhelm Ruprecht Frieling, der Autor, Fotograf, Redakteur und Verleger in einer Person ist. So war er u.a. für das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel tätig. Als Autor von Sachbüchern und Ratgebern sammelte er vielfältige Erfahrungen mit Publikumsverlagen. Bekannt wurde er mit dem Slogan »Verlag sucht Autoren«, unter dem er in den 80er Jahren ein für die damalige Bundesrepublik neues Geschäftsfeld eroberte, nämlich den Zuschussverlag. Den Frieling-Verlag Berlin, der heute unter dem Namen Frieling & Huffmann GmbH & Co KG firmiert, verkaufte er 2002.

Rupi, im Social Web als »Prinz Rupi« bekannt, fiel mir bei Twitter auf, wo er seit Mai 2008 aktiv ist. Sich selbst nennt er einen »Digital Consultant«, der im Kulturbereich wirkt und u.a. Universal Music berät. Er bloggt seit langem und hat bereits E-Books vorgelegt, als das elektronische Format hierzulande noch wenig von sich reden machte. Sein erstes »richtiges« E-Book nach diversen PDF-Experimenten, »Twitter kann viel Freude schenken / musst nur lust´ge Tweets versenden«, erschien 2009 und war seinerzeit das erste Buch mit Twitter-Versen. Aktuell liegen 20 E-Books von ihm vor, die seit Start der Plattform im April 2011 vornehmlich in der Kindle-Edition erscheinen.

Während Rupi bis vor einigen Jahren auch Ratgeber vorlegte, die Tipps zum kreativen Schreiben beinhalten, beschäftigt er sich in diesem Umfeld heute mit Fragen, was einen erfolgreichen E-Book-Autor ausmacht. – Das wollte ich natürlich genauer von ihm wissen. Zunächst habe ich den Branchenkenner allerdings danach befragt, wie er die Auswirkungen der Digitalisierung einschätzt und ob er die Buchbranche für zukunftsfähig hält.

Rupi mit seiner großen Liebe © W. R. Frieling

Wie kam es zur Gründung des Frieling-Verlages 1983?

Ich hatte ursprünglich mit einer Einzelfirma begonnen. Da sich die Geschäftstätigkeit relativ schnell ausweitete und meine Buchprojekte gut liefen, wandelte ich das Unternehmen 1983 in eine Werbe- und Verlagsgesellschaft um, die Frieling & Partner GmbH. Geld wurde anfangs mit klassischer Werbung für Markenartikler verdient, Gewinne wurden in den Verlag investiert. Mein Verlagskonzept war, Self-Publishern die Veröffentlichung eigener Werke zu ermöglichen. Als erster deutscher Verleger trat ich unter dem Slogan »Verlag sucht Autoren« öffentlich dafür ein, dass jeder, der es wollte und es sich leisten konnte, auch die Chance bekam, sich dem Publikum zu stellen. Schließlich sind Verleger dazu da, eine Brücke zwischen Autor und Leser zu schlagen.

Hier gilt freilich: Buch gegen Geld …

In der Verlagsszene war es bereits damals üblich, Bücher subventionieren zu lassen. Es gab kaum einen etablierten Verlag, der ein Unternehmen, einen öffentlichen Auftraggeber oder einen potenten Sponsor, der mit dem Scheckbuch wedelte, von der Bettkante gestoßen hätte. Absolut verpönt war es jedoch, darüber öffentlich zu sprechen oder dies gar zur Geschäftsidee zu erheben. Entsprechend negativ war das Echo innerhalb der mafiotisch organisierten Szene darauf, dass ein Insider »plauderte«. Doch das war mir egal, denn nur wer wagt, gewinnt.

Gewonnen hast du ja …

Im Ergebnis entwickelte sich meine Geschäftsidee stetig und schnell: In den 20 Jahren, die ich den Verlag führte, veröffentlichten wir Texte von mehr als 10.000 Autoren. In Spitzenzeiten produzierten wir täglich ein neues Buch und schufen damit ein Programm, über das beispielsweise »Der Spiegel« urteilte: »Es ist das schrägste, originellste und individuellste Verlagsprogramm weit und breit. Und kein anderer Verleger hat so viele Autoren glücklich gemacht«. Ende 2002 verkaufte ich den Verlag, da ich Kraft für eine Chemotherapie brauchte. Dadurch gewann ich auch Zeit, mich mehr um meine eigenen Bücher zu kümmern, die Möglichkeiten des Web 2.0 zu nutzen und andere Künstler zu fördern.

Zuschussverlage drucken bekanntlich alles, auch Mist. Rührt sich bei einem literarisch versierten und interessierten Verleger nicht bisweilen ein schlechtes Gewissen?

 © W. R. Frieling

© W. R. Frieling

Sorry, aber diese Unterstellung stammt von Zeitgenossen, die vom Verlagswesen wenig verstehen. Erstens ist der Begriff »Zuschussverlag« falsch, denn der Auftraggeber gibt keinen »Zuschuss«: er zahlt die Dienstleistung, die er in Auftrag gibt, vollständig. Insofern wäre die Bezeichnung »Dienstleistungsverlag« sicherlich treffender.

Zum zweiten drucken fast alle Verlage auch mal »Mist«; einige machen damit sogar richtig Umsatz. Ich kenne Verlegerkollegen, in deren Häusern Lebensbeichten von TV-Sternchen, Stummeldeutsch von Fußballspielern und Gewäsch von Berufspolitikern zwischen Buchdeckel gepresst werden. All diese Kollegen sind literarisch versiert und interessiert. Sie haben ein gutes Gewissen, weil sie mit diesen Umsatzbringern ihre Unternehmen in den schwarzen Zahlen halten. Ansonsten könnten sie ihren Job nicht meistern. So war es auch bei mir, unsere Rendite stimmte.

Von Alfred Döblin, dem Autor von »Berlin. Alexanderplatz« stammt übrigens ein passendes Bonmot zum Thema: »Der Verleger schielt mit einem Auge nach dem Schriftsteller, mit dem anderen nach dem Publikum. Aber das dritte Auge, das Auge der Weisheit, blickt unbeirrt ins Portemonnaie.«

Haben Zuschussverlage in Zeiten, in denen Self-Publishing zum Kinderspiel wird, überhaupt noch Überlebenschancen?

Verlage, die Self-Publishern Dienstleistungen anbieten, haben wie vor 30 Jahren beste Überlebenschancen, wenn sie die Bedürfnisse der Zielgruppe kennen und bedienen. Gerade im digitalen Bereich, in dem das Publizieren scheinbar zum Kinderspiel wird, ist Hilfestellung dringend notwendig. Das beginnt beim Korrekturlesen, geht über Lektorat und Formatieren in die entsprechenden Dateiformate bis hin zu PR und Werbung. Die Rechteverwertung will ich gar nicht erst ansprechen. Nahezu täglich springen deshalb neue seriöse und weniger seriöse Unternehmensplattformen auf den Markt und umwerben diejenigen, die mit ihren Texten auf den Markt drängen. Es herrscht Goldgräberstimmung!

Wie schätzt du die Entwicklung ein, dass Verlage ihre Rolle als Gatekeeper zunehmend einbüßen?

Auch dem klassischen Feuilleton dämmert inzwischen, dass im Verlagswesen ein Wandel stattfindet. Im Deutschlandfunk hieß es gerade in einer Rezension meiner Autobiographie »Der Bücherprinz«: »Ein Verleger, der sich abschafft und dabei auch noch Spaß empfindet.« Damit ist meine persönliche Position gut getroffen.

Wir erleben derzeit die Ära des selbstbestimmten Publizierens. Erstmals in der Geschichte des geschriebenen Wortes gewinnt die Autorenschaft: Sie kann im Ergebnis der digitalen Revolution zensurfrei am Markt teilnehmen. Aus Bittstellern, die bislang an den Toren der etablierten Verlage kratzten und sich im Erfolgsfall deren geschmacklichen und ökonomischen Vorgaben anpassen mussten, sind über Nacht selbstbewusste Publizisten geworden. Autoren werden zu Herren ihres eigenen Schicksals und erlösen Tantiemen, die ihnen kein klassischer Buchverlag in dieser prozentualen Höhe bietet.

Der moderne Autor kommt ohne die klassischen Torwächter eines vermeintlichen Zeitgeistes aus. Er macht sein eigenes Ding, über dessen späteren Erfolg die Leserschaft direkt entscheidet. So wurden erstmals in der Geschichte des Verlagswesens im Jahre 2008 weltweit mehr selbst verlegte Bücher herausgegeben als solche, die über Verlage in den Markt gelangten. Im Jahr 2009 wurden bereits 76 Prozent aller Bücher im Eigenverlag veröffentlicht, wobei die Zahl der von Verlagen produzierten Bücher zurückging.

Für Deutschland gibt es keine vergleichbaren Marktzahlen …

Schau dir beispielsweise die Entwicklung der Libri-Tochter Books on Demand (BoD) in Norderstedt an. Die haben 2011 um 75 Prozent zugelegt. Ebenso haben fast alle anderen Dienstleisterverlage Umsatzsteigerungen erzielt, obwohl sie von denjenigen Marktteilnehmern, die sich für etwas Besseres halten, mit dem Einzug der E-Books für tot erklärt wurden.

Hast du eine Erklärung, warum sich die Buchbranche mit den Entwicklungen vielfach so schwer tut?

Rupis erste Liebe © W. R. Frieling

Rupis erste Liebe © W. R. Frieling

Die Buchbranche tut sich ebenso schwer mit den digitalen Herausforderungen wie es seinerzeit die Musikindustrie tat. Sie beginnt nur Jahrzehnte später, die Veränderung der Welt wahrzunehmen. Statt nun als Langschläfer von denjenigen zu lernen, die bereits viel Lehrgeld gezahlt haben, meinen die Buchmacher, sie seien etwas Besonderes und wollen alle Erfahrungen selbst machen.

Eine Branche, die sich seit Jahrhunderten ihrer Pfründe sicher war, erlebt mit der digitalen Revolution den Einzug eines trojanischen Pferdes in ihre heiligen Hallen: Plötzlich machen Leute Umsatz und bestimmen das Geschehen mit, von denen sie nie zuvor gehört oder gelesen haben. Noch schlimmer: Manche dieser Marktteilnehmer hatten teilweise zuvor an ihre Türen geklopft und wurden als ungeeignet abgewiesen. Was jedoch am schlimmsten wirkt, ist die eigenständige Rolle des Leser: Jetzt taucht der Leser, der bisher durch Werbung und mediale Kontrolle geschickt zu führen war, als eigenständige Größe auf. Und dieser Leser will zu allem Überfluss noch etwas lesen, das die Verlage für schlecht befanden. So gerät das Selbstverständnis der Buchwelt samt des mit ihr verbandelten Hochfeuilletons ins Rutschen.

Eine weitreichende Revolution, die sich nicht allein auf die Produktionsprozesse und Distributionswege beschränkt, sondern auch die Kulturtechniken des Lesens und Schreibens erfasst…

Die Grenzen zwischen Lesen und Schreiben werden porös. Leser entwickeln sich gleichzeitig zu Produzenten und werden selbstständig. Das bedeutet Kontrollverlust und daraus folgernd auch Umsatzrückgänge für diejenigen, die bislang ausschließlich mit der Macht des Marketings Bestseller vorherbestimmen konnten. Es geht um viel mehr, als gedruckte Bücher auch in digitaler Form lesen zu können oder das Papierbuch durch das Elektrobuch zu verdrängen: Es geht um eine andere Art des Schreibens, Veröffentlichens und Lesens, die am Horizont winkt!

Kritik entzündet sich auch am Börsenverein, dem nachgesagt wird, mehr darauf Wert zu legen, angestammte Pfründe zu wahren anstatt sich den Herausforderungen zu stellen. Wie siehst du das?

Der Börsenverein als Standesorganisation war schon immer berüchtigt, sich ausschließlich für die Abwehr von vermeintlichen Gefahren einzusetzen, die vor allen seinen großen und kapitalkräftigen Mitgliedsbetrieben drohen, statt sich um Innovationen und Fortschritt zu kümmern. Interessen kleinerer Mitgliedsbetriebe wurden nie ernst genommen; Versuche junger Unternehmen, neue Wege zu gehen, wurden belächelt und totgeschwiegen. Der Börsenverein ist ein Verhinderungsclub statt Visionär und Wegbereiter zu sein. Es wird höchste Zeit, dass sich dieser Veteranenverein neu erfindet, um wieder attraktiv zu werden.

Eine klare Ansage, Rupi. Was stößt dir bei den Diskussionen rund um die Zukunft des Buches besonders auf?

Das aktuelle aufeinander Einschlagen der Holz- und Elektrobuch-Fraktionen nervt. Es ist ähnlich unproduktiv wie das Gerede zwischen der »hochwertigen« Presse und der Internet-»Journaille«, das sich glücklicherweise inzwischen gedreht hat.

Hat sich das wirklich gedreht?

Im Journalismus hat sich das Blatt gedreht. Bei den Buchautoren noch nicht, was natürlich auch daran liegt, dass viele »Indies« unvorstellbaren Müll produzieren, keinen Wert auf sprachliche Qualität, Rechtschreibung und Grammatik legen sowie streckenweise – der aktuelle Fall Martina Gercke belegt es anschaulich – auch noch von anderen abschreiben.

Insgesamt wäre ein Miteinander zum Wohle des Lesens sinnvoller. Ein Buch entfaltet seinen Zauber stets erst im Kopf des Lesers: Da muss es hinein. Dabei ist zweitrangig, ob es auf Papier oder im Rechner gelesen beziehungsweise als Audiobuch vorgelesen wird.

Ich kann allerdings gut verstehen, wenn der kleine Sortimentsbuchhändler an der Ecke sauer auf die E-Book-Entwicklung reagiert, die er als existenzbedrohend wahrnimmt. Der Börsenverein lässt ihn auch allein, statt innovativ zu helfen. Ebenso gut verstehe ich die Verbitterung der Kleinverleger, wenn ein Buchhändler nur Bücher will, die vom Barsortiment geführt werden, das wiederum kleine Unternehmen ungern listet.

Was glaubst du, wie wird sich der Buchmarkt zukünftig entwickeln?

Publishers Weekly nannte am 14. April 2010 die stolze Zahl von 764.448 Titeln, die anno 2009 durch Self-Publisher veröffentlicht wurden. Dieser Position standen 288.355 Bücher aus Verlagen gegenüber. Insgesamt wurden damit in dem Jahr mehr als eine Million Bücher herausgegeben, mehr als je zuvor.

Ursache für diese explosionsartige Veränderung der Buchlandschaft ist der technologische Fortschritt. An erster Stelle stehen die Digitalisierungsprozesse von Satz und Druck und die damit verbundene bedarfsorientierte, kostengünstige Print-On-Demand-Technologie. Bücher müssen heutzutage erst gedruckt werden, wenn tatsächlich jemand danach verlangt, und das spart nicht nur Papier, sondern auch Lagerhaltungskosten und eine Menge teurer Logistik.

Durch die Entwicklung von E-Books, die inzwischen mehr können als Seiten im starren PDF-Format abzubilden, entsteht eine zweite, vollkommen neue Front des Lesens und Publizierens. Diese schockiert mit ihrer enormen Kraft die mehrheitlich hilflos reagierende Verlagswelt.

Marshall McLuhan prägte 1962 den Begriff der Gutenberg-Galaxis, in der die Welt grundlegend vom Buch als Leitmedium geprägt ist. Das Gutenberg-Zeitalter wird auch als Periode der »Explosion« bezeichnet. Damit ist die Ausweitung des Menschen in den Raum gemeint, allerdings ist sie noch gekennzeichnet durch ein allgemein langsames Tempo, durch eine Verzögerung der Reaktionen auf die Aktionen. Diese Verzögerung wird erst abgelöst durch das »Zeitalter der Implosion«, auch »elektronisches Zeitalter« genannt, das wir mit dem Web 2.0 erleben dürfen.

Und wie sieht deine Vision vom elektronischen Zeitalter aus?

Das elektronische Zeitalter wird uns mit vollkommen neuen Formen des Lesens konfrontieren. Das, was wir derzeit als E-Books kennen, ist dabei nur der allererste Entwicklungsschritt. Das klassische Buch in seiner fest gebundenen Form löst sich auf; Texte agieren immer stärker mit Bildern, Klängen und Interaktionen. Lesen wird zum Gemeinschaftsprozess, bei dem der einzelne Leser nicht mehr im stillen Kämmerchen schmökert, sondern in Kontakt mit Menschen kommt, die ebenfalls das Buch lesen oder gelesen haben und mit ihnen kommuniziert. Der Leser wird das Geschehen in einem Roman mitentscheiden können. Er wird, ähnlich wie in einem Computerspiel, per Klick bestimmen, ob der Held stirbt oder lebt; ob Susi mit Karsten, Rüdiger oder Yvonne ins Bett geht.

Und der Autor von morgen?

Rupi beim Twittwoch  © W. R. Frieling

Rupi beim Twittwoch © W. R. Frieling

Auch die Rolle des Autors wird sich in diesem Prozess viel stärker ändern als es derzeit vorstellbar ist. Wir werden sehr bald Hilfsmittel wie eine »Bestseller-Writing-App« in Händen halten, die das maßgeschneiderte Schreiben von Büchern, die unmittelbar auf die Bedürfnisse des Lesers abgestimmt sind, ermöglicht. Bereits heute schreiben Maschinen kürzere journalistische Texte, und keiner merkt es! In Kürze werden diese Roboter auch Prosa verfassen. Auf Autoren aus Fleisch und Blut warten damit vollkommen neue, bislang undenkbare Aufgaben und Herausforderungen.

Schließlich wird das Verhältnis von Leser und Lesestoff ein anderer: Wir werden bereits heute von den Büchern, die wir digital lesen, »beobachtet«; die Lesegeschwindigkeit, die Häufigkeit des Umblätterns, das Unterstreichen (Markieren) von Textpassagen werden von den Readern und Apps an die entsprechenden Plattformen übermittelt und dort ausgewertet. – Ja, wozu wohl? – Diese Daten sind extrem wertvoll, weil sie exakt messbare Aufschlüsse über das Leseverhalten geben, die wiederum in neue Buchprojekte eingearbeitet werden können.

Muss uns das nicht auch ängstigen?

Ich kann gut verstehen, wenn manch einer sorgenvoll in die Zukunft schaut. Aber die Kulturgeschichte der Menschheit zeigt auch, dass es stets Bedenken und Mahner bei Innovationen gab, bevor sich diese durchsetzen konnten. Als Gutenberg den Druck mit beweglichen Lettern erfand, jammerten Adel und Kirche, ein Werteverfall finde statt. Dabei wurden vollkommen neue Werte, die seit Jahrhunderten allseits anerkannt sind, geschaffen. Ich vermute stark, dass es jetzt wieder so sein wird.

Würdest du heute abermals mit einem Verlag an den Start gehen? Wenn ja, wie sähe ein zeitgemäßes Geschäftsmodell aus?

Jederzeit würde ich, entsprechende jugendliche Frische vorausgesetzt, wieder einen Verlag gründen. Ich kann mir keine schönere Beschäftigung vorstellen, als Tag für Tag mit interessanten Menschen zu kommunizieren, ihre Fantasien, Träume und Ideen kennen lernen zu dürfen und daraus innovative Projekte zu machen.

Du hast vor zehn Jahren doch den Internet-Buchverlag …

Nach meinem Ausstieg aus dem Verlag Frieling & Partner gründete ich 2003 den Internet-Buchverlag, mit dem ich Texte in der Tradition des »New Journalism« verbreiten wollte. Dabei handelt es sich um einen Reportagestil, der Mitte der Sechziger Jahre aufkam und von dem Schriftsteller Tom Wolfe begründet wurde. Truman Capote, Norman Mailer und Gay Talese und der »Gonzo«-Journalist Hunter S. Thompson sind weltberühmte Vertreter des Stils.

Schließlich interessiere ich mich für dadaistische und expressionistische Lyrik wie die von Jakob van Hoddis, dessen »Weltende« ich als E-Book verlegt habe. Leider gibt es im deutschsprachigen Raum wenig Autoren, die in diese Genres passen und zugleich unterhaltsam erzählen können; deshalb nutze ich den Verlag als Experimentierbühne für eigene Veröffentlichungen im Print-on-demand und E-Book. Alles, was ich vorher im Printbereich gelernt und getestet habe, kann ich hier nun erneut einsetzen und auf Tauglichkeit prüfen.

Und du behältst dein Wissen und deine Erfahrungen nicht für dich …

Im Ergebnis war ich im Frühjahr 2011 beispielsweise sofort am Start mit meinem Ratgeber »Kindle für Autoren oder: Wie veröffentliche ich ein Buch auf Amazon.de?«, von dem im Laufe eines Jahres 12.000 Exemplare verkauft wurden. Und wenn Erfolgsautoren wie Nika Lubitsch, Carina Bartsch und Jonas Winner heute öffentlich sagen, dass dieses Buch ihnen den Einstieg ins E-Book-Geschäft bescherte, dann macht mich das natürlich auch stolz und glücklich.

In Teil 2 des Gesprächs erfahren wir u.a., warum der überzeugte E-Booker Rupi mit der Welt von gestern gebrochen hat, wieso er auf den Platzhirsch Amazon setzt und worauf man als Self Publisher besonders achten sollte. – Zu lesen ist das hier ab Freitag, den 14. Dezember.