„Gebt tollen Titeln mehr Zeit sich zu entwickeln.“ – SteglitzMind stellt Heike Röminger und Ingo Herrmann von der Buchhandlung „Moby Dick“ vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Dass wir ein wenig mehr über Ingo Herrmann und Heike Röminger von der Buchhandlung Moby Dick erfahren sollten, die im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ansässig ist, hatten sich Beate und Mischa Klemm von der Berliner Buchhandlung lesen und lesen lassen gewünscht.

Eine Skizze vom Laden …

Wir haben Moby Dick vor gut 2 Jahren in der sehr lebendigen Stargarder Straße im Prenzlauer Berg gegründet. Wir wollen eine Adresse für die Bewohner dieses Viertels sein und bieten daher ein allgemeines Sortiment an; d.h. neben unseren Schwerpunkten (Belletristik, Kinder- und Jugendbuch und Kriminalromane) findet man bei uns auch Sachbücher zu verschiedenen Themen sowie Berlin-Literatur. Außerdem bekennen wir uns sichtbar zu unserem Faible für Klassiker und für schöne Bücher.

Warum sind Sie Buchhändler geworden?

Ingo Herrmann & Heike Röminger  © Ingo Herrmann

Ingo Herrmann & Heike Röminger © Ingo Herrmann

Ingo Herrmann: Vor mehr als 30 Jahren wollte ich Buchhändler werden und ich hatte bislang auch das Glück nichts anderes sein zu müssen.

Heike Röminger: Ich bin Buchhändlerin geworden, weil ich viel gelesen habe und mich schon sehr früh für eine Ausbildung entscheiden musste. Dass dieser Beruf für mich eine glückliche Wahl sein würde, hat sich erst später herausgestellt.

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Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Ingo Herrmann: Ja – und solange Buchhändler noch gebraucht werden auch immer wieder. Ich wäre aber auch ein guter Gärtner…

Heike Röminger: Nein, bei einem zweiten Versuch würde ich lieber ein Handwerk lernen. Dann kann ich auch jederzeit lesen, was ich will.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

Im Grunde nicht so viel. Gut, es gibt mehr Technik, vieles geht einfacher und schneller, die Kunden sind, dank Internet, im Bereich Recherche informierter und kompetenter; letztlich möchte der Kunde im Buchhandel aber nach wie vor sehr guten Service von ausgebildeten Fachkräften, gute und individuelle Beratung und auch mal über ein Buch reden, das er gelesen hat oder noch lesen möchte. – Persönliche Tipps jenseits der Bestsellerlisten sind zunehmend gefragt.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Wir werden im kommenden Jahr über einen Online-Shop verfügen – so können unsere Kunden (und alle, die es noch werden möchten) vom PC aus bequem über das Internet einkaufen und zugleich den stationären Buchhandel vor Ort, die Buchhandlung ihres Vertrauens  unterstützen. Via Internet einkaufen heißt ja nicht automatisch: via Amazonien. Außerdem wollen wir unsere Homepage intensiver nutzen und auch auf unserer Facebook-Seite etwas aktiver werden. Das Herz von Moby Dick schlägt aber in der Stargarder Straße…

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

Das größte Problem für den Handel vor Ort sind die steigenden Kosten insbesondere der Mieten und die Bedrohung der gesetzlich festgeschriebenen Preisbindung für das Medium Buch.

Wie halten Sie es mit dem E-Book?

Wir werden sie im Shop anbieten (ca. 800.000 Titel), ich habe gerade einen Reader geschenkt bekommen und bin dabei mich schlau zu spielen…

Natürlich ist es praktisch, die Schrift den eigenen Seh- und Lesegewohnheiten anpassen zu können und weniger Platz für seine Bibliothek zu benötigen. Mein Herz hängt nicht daran – vielleicht weil es eben „nur“ eine Datei ist und kein Buch? Ich persönlich habe es lieber haptisch – ich wohne gerne mit meinen Büchern und besitze sie auch gerne. Aber das ist eine persönliche  Entscheidung.

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Wir haben die Möglichkeit so genannte Books on Demand über unseren Händler zu bestellen, darüber hinaus spielt das Thema bei uns keine Rolle.

Meist ist es ja so, dass jemand kommt und einen eigenen Titel anbietet; in der Regel stellt sich dann heraus, dass er/sie sich noch keine Gedanken über Konditionen, Preisgestaltung, Mehrwertsteuer, Vertrieb u. ä. gemacht hat. Von der Gestaltung ganz zu schweigen.

Es gibt natürlich Ausnahmen, eigentlich sind wir aber ganz zufrieden mit dem Filter „Verlag“.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Das Besondere an jeder (inhabergeführten!) Buchhandlung ist die Auswahl des im Geschäft präsentierten Sortiments. Wir haben zweimal im Jahr mehrere Regalmeter Verlagsvorschauen gesichtet und ausgewählt, was wir haben müssen und was wir haben wollen. Da ist viel Persönliches dabei und wir führen auch Bücher und Titel, die nicht im Scheinwerferlicht des Literaturbetriebes stehen.

Wir teilen eben gern, was wir mögen, und unsere Kunden wissen das inzwischen zu schätzen und freuen sich über ihre Trouvaillen.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

stöbern und schmökern  © Ingo Herrmann

stöbern und schmökern © Ingo Herrmann

Mit vielen Verlagen arbeiten wir sehr gut zusammen aber manchmal hakt es eben doch und ich glaube, das hat oft mit falschen Vorstellungen von der Arbeit des jeweils anderen zu tun – also bitte mehr Kommunikation wie z. B. Händlerbeiräte.

Wenn ich mich dann auf drei Wünsche beschränken soll (Kommunikation zählt nicht als Wunsch weil das in dieser Branche eigentlich selbstverständlich sein sollte…):

  • Es wäre schön, wenn man nicht als Bittsteller sondern als Handelspartner mit gemeinsamem Interesse (Handel mit Kultur UND Ware, nämlich Buch) gesehen würde.
  • Wenn, wie die Verlage gerne betonen, der Buchhandel als Vertriebsweg so wichtig ist: Wieso gibt es dann Bücher in Supermärkten und wieso verkaufen sie, die laut über nicht rentable Einzellieferungen an die Buchhändler wettern, ihre Bücher direkt an Endkunden?
  • Und bitte reduziert die Produktion und gebt damit tollen Titeln mehr Zeit sich zu entwickeln; die Regale der Buchhändler sind nicht unendlich groß und Rezensenten sind auch nur Menschen – immer öfter erscheinen Rezensionen ja erst wenn der Titel „durch“ ist und es ja schon wieder ganz viele neue Bücher gibt…

Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Ich wünsche mir weniger Event und mehr Information; mich erschreckt immer wieder, wie wenig Kunden um z. B. die gesetzliche Buchpreisbindung in Deutschland wissen und darum, dass die (auch kostenlose!) Lieferung auf den nächsten Tag zwar etwas Besonderes  st (im Vergleich zum europäischen Ausland), aber keine Erfindung der Eingeborenen von Amazonien. – Mit diesem Wissen relativiert sich der „Vorteil“  der Bestellung bei Amazon doch erheblich.

Und wenn ich schon mal beim Wünschen bin, wünsche ich mir von den Kollegen Buchhändlern weniger gehobene Brauen, wenn ein Kunde sich beispielsweise eine schöne, saftige, triviale Schmonzette o. ä.  kauft…schließlich hat uns niemand zum Richter über den Geschmack anderer gemacht. –  Man hört und liest da so manches – gerade auch im Netz (!!!) …und dann ist unsere Aufregung jedes Jahr  groß, wenn der Beruf Buchhändler auf der Beliebtheitsskala mal wieder gleich hinter Gerichtsvollzieher ganz hinten steht und die Leser lieber im Internet einkaufen, weil sie da nicht angemault werden und niemandem Rechenschaft über ihren Geschmack schulden.

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

  • Das Jammern über den Untergang der Buchhandlungen (auch in der Branchenpresse)
  • Lieblose und uninspirierte Klappentexte und Rezensionen
  • Menschen in Verlagen, die den Unterschied zwischen Kultur und Handel wertend betonen – ich finde als begleitender Verlagsmensch darf man bei einer Buchpräsentation oder einer Autorenlesung durchaus darauf hinweisen, dass das Buch dort käuflich zu erwerben ist.  iemand findet das anrüchig und Autoren, Buchhändler und ja, auch Verleger leben davon.

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

  • Weil das dazu beiträgt, dass es Buchhandlungen weiterhin gibt
  • Weil Gespräche, Meinungs- und Gedankenaustausch zu Buch und Lesen Kunden und Buchhändler freundlich verbindet, interessant sind und einfach dazu gehören
  • Weil es Spaß macht (bzw. machen kann)?

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Wir schlagen den Kollegen Kurt von Hammerstein von der Buchhandlung Hundt Hammer Stein in Berlin vor.

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Eine Übersicht über die Empfehlungen, die im Rahmen der Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen seit Juli 2013 zusammengekommen sind, findet sich hier