Steglitz stellt Stephan Waldscheidt mit „Schriftzeit“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Dass sich heute Stephan Waldscheidt mit seiner Schriftzeit vorstellt, hatte Richard Norden vorgeschlagen, der Writers Workshop betreibt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

Danke zunächst an Kollege Richard Norden, der mich für Ihr Blog vorgeschlagen hat.

  • Schriftsteller.
  • Geboren und aufgewachsen im Saarland.
  • Wohn- und lebhaft zwischen Schwarzwald und Elsass.
  • Studierter Konsumentenforscher.
  • Passionierter Kaffeetrinker, Kuchenbäcker, Wanderer.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Stephan Waldscheidt © Onuk www.onuk.de

Stephan Waldscheidt © Onuk http://www.onuk.de

Ich blogge seit … keine Ahnung. Mein aktuelles Blog »Schriftzeit – Wie Sie Romane schreiben und Ihre Leser verzaubern« betreibe ich seit Dezember 2010. Vorher hatte ich schon mal eins, mit anderen Inhalten.

Ich blogge, um Autoren Dinge über das Schreiben zu zeigen, die sie so noch nicht kennen. Ich blogge für mich, weil ich von meiner seit jeher intensiven Analyse von Romanen, die die Grundlage der Blog-Artikel bilden, selbst am meisten profitiere – genauer: meine Romane und ich.

Ich blogge da, wo ich blogge, weil in meinem Webpaket dieses Blog mit drin ist. Die Basis ist ein, allerdings stark eingeschränktes, WordPress-Blog. Was schlecht ist, weil es mir gestalterisch wenig Freiraum lässt. Und zugleich gut, weil es mir gestalterisch wenig Freiraum lässt. Es zwingt mich dazu, mich auf die Texte, auf die Inhalte zu konzentrieren.

Deine Themenschwerpunkte …

Das Schreiben und Erzählen im Allgemeinen und das Schreiben von Romanen im Besonderen.

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Ich habe zu viele eigene Projekte, um mich groß mit dem »Betrieb« auseinanderzusetzen, was immer das sein soll. Ich kenne Autoren, ich bin mit einigen befreundet, ich finde, die meisten Autoren sind verdammt nette Menschen. Aber ich sehe mich nicht als Teil der Literaturszene. Was immer genau das sein soll. Ich lebe nicht in Berlin. Vielleicht erklärt sich damit alles andere.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Im Blog selbst empfehle ich den Leuten ein Abo des Feeds. Als erstes und regelmäßig poste ich neue Beiträge auf meiner Facebook-Seite und bei twitter. Des Weiteren treibe ich mich auch fast täglich bei Facebook und Twitter herum.

Ich veröffentliche alle zwei, drei Monate einen Newsletter für Autoren, mit dem ich dann indirekt auch wieder an mein Blog erinnere. Ich veröffentliche Schreibratgeber, für die ich die Blog-Artikel überarbeite und erweitere und mit Schreibtricks oder Schreibanregungen versehe. Wer einen Ratgeber kauft, wird darin auch einen oder mehrere Links zu meinem Blog finden. Ich schreibe regelmäßig eine Glosse für die Autorenzeitschrift Federwelt. Dort wird auch auf mein Blog hingewiesen. Gelegentlich kommentiere ich auch mal was in einem anderen Blog, dazu komm ich aber leider zu selten.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Seine Leser zu langweilen. Gegen Propaganda und egozentrische Meinungsmache habe ich nichts. Es fehlt zu vielen Autoren in Deutschland an Leidenschaft und an eigenen Meinungen und dem Mut, sie zu vertreten. Wenn ich davon mehr bekomme, nehme ich auch die Agitatoren in Kauf.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Die Hürden sind offenbar zu niedrig. Sonst würden nicht so viele bloggen. Die größte Schwierigkeit dürfte sein, Leser zu finden. Und wenn man die hat, mehr Leser zu finden.

Ansonsten hatte ich bei meinem ersten Blog das Problem, das Blog nicht selbst vom Netz nehmen zu können. Es dümpelte Jahre da herum, und ich konnte nichts dagegen machen, der Betreiber hat auf keinen einzigen Kontaktversuch reagiert. Grundsätzlich ist fehlende Kontrolle ein Problem. Wenn das Blog auf einem Webspace liegt, auf den man als Blogger keinen Einfluss hat. Ein Problem beim Bloggen: Es kostet Zeit. Die mir dann für die Arbeit an meinen anderen Projekten, vor allem an den Romanen, fehlt.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Die Reaktionen zufriedener und bisweilen sogar enthusiastischer Leser.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Ist noch nie vorgekommen. Ich schreibe ja auch keine Rezensionen, obwohl ich in meinen Artikeln gerne aktuelle Romane als Beispiele benutze. Die meisten Verlage schicken mir dann auf Anfrage ein Exemplar zu.

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Immer her damit. Aber ich verspreche nicht, dass ich darüber schreibe. Und schon gar nicht verspreche ich eine positive Kritik. Keine Vorteile für niemanden, das bin ich meiner Glaubwürdigkeit schuldig. Vielleicht ist das noch eine Gefahr für Blogger: sich abhängig zu machen. Was besonders dann leicht vorkommen kann, wenn man Gefälligkeiten erwidern möchte.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

E-Books sind inzwischen für mich als Autor essenziell. Meine Schreibratgeber bringe ich alle zunächst als E-Book heraus. Dank meines erfolgreichen Blogs und der sonstigen Bemühungen und, wie ich hoffe, wegen der Inhalte, verkaufen sie sich hervorragend. Relativ zur Größe der Zielgruppe, wohlgemerkt. Wegen der erstklassigen Margen, die Amazon mit Kindle Direct Publishing bietet, und dem genau einzugrenzenden Kreis potenzieller Leser und Käufer ist das wahrscheinlich trotzdem lohnender, als über einen klassischen Verlag zu gehen.

Ein selbstpubliziertes E-Book ist das ideale Medium für Autoren, die ihre Zielgruppe kennen und sie auch ansprechen können. Was mein anderes Standbein, das Schreiben von Romanen, betrifft, bevorzuge ich nach wie vor den klassischen Verlag. Was sich aber ändern mag. Mal sehen, was kommt.

Als Leser bevorzuge ich das klassische Buch zum Anfassen, zum Sachen Anstreichen, lese aber regelmäßig auch auf meinem Kindle. Der ist ideal für unterwegs. Und neue Titel sind sofort da, wenn man sie haben will. Oder sogar haben muss.

Ein Nachteil des E-Books wird leicht übersehen: Ein E-Book vergisst man leicht. Wenn ich ein Taschenbuch auf dem Tisch liegen habe, denke ich daran, es zu lesen. Wenn es eins ist unter tausend auf meinem Reader, vergesse ich es schnell mal. So sammeln sich die Titel rascher an, als man sie liest.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Hm, schwierig, da ich leider so gut wie nie zum Lesen von Blogs komme. Ich mag das Blog von Marcus Johanus, der sich hier ja bereits vorgestellt hat. Mir haben es vor allem seine Top-10-Listen angetan haben. Mehr als einen Blick wert ist auch der Gedankenzirkus von Oliver Koch.

Eines meiner wichtigsten englischsprachigen Stopps ist The Killzone, wo einige amerikanische Krimi- und Thriller-Autoren Anregendes und Lehrreiches von sich geben. Und, für jeden, der besser plotten lernen will, empfehle ich Storyfix von Thriller-Autor Larry Brooks. – Die Staffel gebe ich weiter an Oliver Koch.

Schön, dass du auch englischsprachige Blogs empfiehlst, das hatten wir seit  Klausbernd Vollmars Beitrag hier hier nicht mehr. Danke, Stephan, dass du in der Gesprächsreihe dabei bist.

Dank zurück, hat Spaß gemacht.

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Zuletzt stellte sich Katarina Liest mit Die Bücherphilosophin. vor. Ihre Wunsch-Interviewpartnerin war die Betreiberin von Literaturen. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier

Der Kulturflüchter auf SteglitzMind: Die Gewächshaus-Generation von B. Claus DeFuyard

Nach „Adlon. Ein Trostschreiben“ von Ubiquiste und Auszügen aus „Die Siechendienerin“ von Enzor Fadar präsentiert SteglitzMind heute abermals einen Beitrag aus dem KULTURFLÜCHTER. Ganz von ungefähr kommt das nicht. Seit längerem begleite ich das literarisch ambitionierte Projekt mit Biss, das sich Un-Periodikum nennt. Deshalb richtete ich die Rubrik „Der Kulturflüchter auf SteglitzMind“ ein, in der in loser Folge auch zukünftig Beiträge und Textauszüge aus dem Un-Periodikum vorgestellt werden.

B. Claus DeFuyard ist Herausgeber des Kulturflüchters. Sein heutiger Beitrag beschäftigt sich mit jungem Gemüse – mit apostrophierten Keimlingen der deutschen Gegenwartsliteratur und orakelnden Samenhändlern im Feuilleton. Die Illustrationen dazu fertigte die Berliner Künstlerin Susanne Haun eigens an. Ich bin stolz darauf, die Zeichnungen an diesem Ort erstveröffentlichen zu dürfen und sage Susanne herzlich dafür danke!

B. Claus DeFuyard: Die Gewächshaus-Generation

Es gehört dazu Mut, eher noch Risiko, in einem funktionellem Glashaus das Bild junger Genies zu entwerfen, die mal eben begonnen haben auf allen Vieren der Schriftstellerei Werkspuren zu hinterlassen, von denen gemunkelt, nein, gemutmaßt wird, sie würden „unsere literarische Landschaft verändern“. Wir wissen nicht, was den Creativen der ZEIT vorschwebte, Deutschlands jüngste Autorengeneration für das Titelblatt der Literaturbeilage zur Buchmesse 2012 zu einem Fototermin in einem Gewächshaus, einem Treibhaus, zu versammeln und zu einem Werkstattgespräch über die deutsche Gegenwartsliteratur zu laden. Das ist augenblicklich ein Unterfangen, vielleicht vergleichbar mit der Entdeckung Amerikas seinerzeit, ohne einen Schimmer gehabt zu haben, was da am Ende herauskommt.

Blatt 1 Gewächshaus-Generation © Susanne Haun

Blatt 1 Gewächshaus-Generation © Susanne Haun

Der am 22. Januar 2013 von 3sat ausgestrahlte Beitrag Literarische Ich-AG – Kulturvermarktung im Internet weckt Erinnerung an den Früchtegroßhandel im nachhaltig aufgespießten Gewächshaus-Artikel und will zwischen der im schlimmsten Fall als „notwendiges Übel“, andernfalls „als Goldgrube“ bezeichneten „neuen, digitalen Welt“ eine Mission erkennen, um die „Masse zu überzeugen“. Nach wie vor erwächst zwischen der ‚Gewächshausgeneration‘ und dem fundamentalistisch anmutenden Bekenntnis zum Digitalen der Unterschied zwischen zwei Glaubensrichtungen und eine davon, das ist voraus zu sehen, wird der Verwilderung anheimfallen. Es wird sich für die Autoren nichts ändern. Die einen sind ‚in‘, die anderen bleiben ‚out‘ (s. Kulturflüchter N° 4).

Der Vorteil eines Gewächshauses liegt in der künstlich erzeugten Wachstumsperiode, die es möglich macht, zu jeder Zeit im Jahr Gemüse und Früchte, Kräuter und Blumen zu ernten. Wäre eine Orangerie als Motiv nicht geeigneter gewesen? Wo Zitronenbäume, Bananen und Pomeranzen gedeihen. Auch der Botanische Garten, mit seiner bewunderten Flora und mitunter wundersamen Schmetterlingen, die wiederum, wem das Gleichnis gefällt, in ihrem Vorleben doch nur Raupen waren. Soviel Sinnbildnerei trägt man dem Leser an, bei Ansicht des Titels: um diese zu entziffern. Die Allegorie ist nicht zu übersehen. Das hat es noch nie gegeben – ohne sich zu ereifern, Missvergnügen über das Glück anderer zu empfinden, da ein Funke des Bedauerns mitschwingt, der vorerst weniger den so gnadenlos Belobigten gilt, als der Inszenierung, zu der, einer defätistischen Neigung zufolge, unweigerlich gewisse Assoziationen führen.

Und was sonst einem zur Einrichtung und Pflege winteranfälligen Gemüses einfällt – Gurken und Tomaten. Zarte Sprösslinge erst, die – wenn überhaupt – nur außen und in gemäßigtem Klima gedeihen und in eben einem solchen Gewächshaus vor Wind und strenger Witterung geschützt werden müssen. Nur, wer möchte gerne eine Tomate sein? Oder eine Gurke? Ein Früchtchen?

Ja, „Da wächst was nach.“  Klar, nur kräftig gießen und düngen. Einzigartig ist der großzügige Vorschuss, den man den Keimlingen seitens des Früchtemarktes aufdrängt: angesichts der weit verbreiteten Legasthenie – es steht ja in der Zeitung. Ergo: Stimmt’s.

Eine feierliche Beschwörung, dass etwas so sei – zum Erfolg verdammt – ohne eine Ahnung, was der Auslöser für den Auftritt sein könnte. „ICH werde zurückkehren …“, griff der freundliche Rezensent und Makler ein spärliches Zitat auf und mit Wortgebilden hart an der Satire, es „klingt nach festem Willen und nach innerer Stärke“ und mutmaßte: bei den „Figuren, die in diesen Romanen eine Rolle spielen … ziemlich jung … fällt jede Bewegung dramatisch aus, sie führt ins Leben hinein oder: an ihm vorbei …“ Klar. Entweder oder. Und so gerieren sich die orakelnden Samenhändler – die Gewächshausgeneration als ‚literarische Herostraten‘ zu feiern. Diese aber sind unschuldig. Sie „… und die Poesie des Nüchternen sind nichts gegen die Poesie des Rasenden“ – aus der Mottenkiste des Plato im Dialog mit Phaidros – und womöglich ist es ihnen unangenehm als Gruppe vereinnahmt zu werden.

FrüchteschwangerBlatt 2 Gewächshaus-Generation © Susanne Haun

Früchteschwanger
Blatt 2 Gewächshaus-Generation © Susanne Haun

Es erinnert an einen Satz: „Der Gegenwartsautor tritt als Gruppe auf.“ Iris Radisch DIE ZEIT Aha! (s. Kulturflüchter N°1) – Als Pool, als Quintett, als Fraktion. „Einsam sein ist Scheiße, so ein Betroffener. Es herrscht Fraktionszwang. Man muss sich von jeder Autorenherrlichkeit frei machen“. ( SZ Nr.139/2000) Die armen Dinger – und zwei männliche Wesen als Draufgabe – als verabreichte man ihnen ein Aphrodisiakum, in Sorge, wie denn die über sie verhängte Weissagung auch erfüllt werden könne? Es ist ein Wagnis, innerhalb der gläsernen Wände eines Gewächshauses die Bedeutung jugendlicher Dichterseelen zu beschwören, als sei hier der Jahrgang für die Exorbitanz der Betrachtung maßgebend. Jungsein allein genügt ja nicht. Altsein schon gar nicht. Und die dazwischen liegen, gerade mal eben dem Gewächshaus entnommen, plaudern munter drauf los, wie es ist, wenn man so ist, man sich fühlt im Leben. Gegenwärtig ziemlich grauenvoll. „Und davon lohnt es sich zu erzählen.“ Von der Wahrheit, jeder Verheißung, der guten Absicht – nach uferloser Zeit, vielleicht im Jahr 2022 –  wir werden nicht mehr da sein – aber schauen Sie mal, inwieweit die derart in Szene gesetzten Dreißiger sich „verändert haben“ und der Hoffnung entgegen kommen.

© 2013 Der Kulturflüchter N° 4

Das Un-Periodikum erscheint im Zeitlichkeitverlag und wird von B. Claus DeFuyard herausgegeben. – “Der Kulturflüchter” präsentiert sich in Bälde auch mit einem Blog

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„Die Zeichnung ist für mich wie ein zusätzliches Sinnesorgan. Wenn ich lese, entstehen Bilder in meinem Kopf, die ich in Tuschezeichnungen umsetze,“ so die Berliner Künstlerin Susanne Haun.  – In Berlin sind Werke von ihr derzeit hier zu sehen:

Der Sommer trifft auf weiß – Zeichnungen von Susanne Haun, Gemälde von Conny Niehoff (23. Januar – 3. März, Alte Bahnhofshalle Berlin/Friedenau, Bahnhofstr. 4d, 12159 Berlin)

Dämone – Zeichnungen und Leinwände von Susanne Haun, Lyrik von Diarmuid Johnson (29. Januar – 7. März, Irische Botschaft Berlin, Jägerstr. 51, 10117 Berlin)

Steglitz stellt Katarina Liest mit „Die Bücherphilosophin“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Dass wir heute etwas mehr über Katarina Liest aka Die Bücherphilosophin erfahren, hatte Dorota Federer vorgeschlagen, die ihr Blog Bibliophilin pflegt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

  • Viel-, aber gleichzeitig auch Langsamleserin
  • Offen für schwierige Bücher (z.B. AM Homes, Das Ende von Alice; Joyce Carol Oates, Zombie)
  • Liverpool Expat, aber kein Beatles Fan 😉
  • Hörbuchliebhaberin
  • Studentin der Literatur und des literarischen Schreibens
  • 2fache Katzenersatzmama, aber das nur am Rande

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Ich blogge seit zwei Jahren, wie die Zeit vergeht… Angefangen habe ich bei Blogger, wobei dort sehr viele Jugendbuch Blogger zu finden sind, eine Schublade in die ich einfach nicht passe und so nach einem halben Jahr der Wechsel zu WordPress, mit klassischem Layout und vielen Belletristik Bloggern und Blogs, die ich damals schon bewunderte – für mich die beste blogbezogene Entscheidung bisher.

Frauen, die lesen ... ©  Katarina Liest

Frauen, die lesen … © Katarina Liest

Zu Bloggen habe ich angefangen zu einer Zeit als ich zwar wusste, ich will schreiben, aber einen Zugang zu diesem Wunsch, bzw. die Mittel und Motivation um diesen in die Tat umzusetzen, hatte ich noch nicht. Also schien mir das Bloggen als Hobby eine Softcore Variante dessen, was ich später mal machen wollte, ein sanfter Einstieg darin regelmäßig formschöne Texte zu verfassen. Zum Literaturbloggen bin ich gekommen einfach aus der Freude am Lesen heraus und der Lust mich darüber auszutauschen. Denn, wie bei vielen meiner Bloggerkollegen, wird im Freundeskreis leider gar nicht, bzw. nur sehr wenig gelesen, was mich aber mittlerweile nicht mehr stört – habe ich doch eine Gruppe Gleichgesinnter gefunden, mit denen ich über Bücher schwätzen und schwärmen kann, auch mal stunden-, ach was tagelang.

Deine Themenschwerpunkte …

Das sind ganz klar Rezensionen, Rezensionen und nochmal Rezensionen, ganz klassisch also. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf Belletristik, gerne frisch vom Verlag, aber das ist natürlich nicht immer möglich. Ab und zu versuche ich auch etwas außerhalb der Regale zu stöbern, die von meinen Kollegen frequentiert werden. Dazu läuft meine Aktion „Lesen ist hardcore!“ bereits im zweiten Jahr.

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Um ehrlich zu sein folge ich dem deutschen Literaturbetrieb nicht so wirklich, dafür lebe ich einfach zu weit weg und schreibe zudem noch hauptsächlich auf Englisch. Was ich interessant finde, ist der langsame Wechsel von der klassischen Autor/Lektor Beziehung hin zu der vermittelnden Funktion der Literaturagenturen. Ein System, das im englischen Raum bereits etabliert ist – hier schauen sich Verlage nur Manuskripte an, die über Agenten vermarktet werden. Das kostet den Schriftsteller natürlich Prozente, man hat aber, besonders als Anfänger, einen erfahrenen Verbündeten gegenüber dem Verlag, der einem mit Rat und Tat zur Seite steht – auch nicht schlecht. Ich bin gespannt wie sich der deutsche Markt dahingehend entwickelt.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Ich betreibe den absoluten Mindestaufwand an Selbstmarketing, wäre mein Blog ein Unternehmen, wäre ich sicher schon längst in die Buchhaltung versetzt worden 😉

Wie viele andere Blogger habe ich eine Facebook-Fan-Seite, wo Beiträge verlinkt sind, und auch auf meinem Twitter Konto sind diese Links zu finden. Ansonsten ist es im www allerdings eher still um die Bücherphilosophin, ein Insider-Tipp quasi, dafür habe ich am Ende aber auch mehr Zeit zum Lesen.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Texte und Bilder kopieren ohne vorher eine Erlaubnis einzuholen kann zu unangenehmen, eventuell sogar rechtlich prekären, Situationen führen – mit einem bloßen Link auf die Seite auf der man sich bedient hat, ist es im Regelfall nicht getan, es sei denn es ist ein liebevoller Hinweis auf einen geschätzten Bloggerkollegen. Davon würde ich also abraten, besonders in Zeiten übereifriger Abmahnungsanwälte, den Ärger braucht keiner, das vergnatzt am Ende nur die Lust am Bloggen.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Ich denke die größte Hürde ist weiterzuschreiben in Zeiten, da die Rückmeldungen ausbleiben, besonders wenn es so scheint als wäre das auf den eigenen Blog beschränkt. Es ist keine Schwierigkeit per se, aber ein kleiner Dämpfer, den jeder mal einstecken muss. Es kommt dabei immer darauf an, was man draus macht, ob man das Handtuch wirft oder sich motiviert fühlt und mehr einbringt, auch als Leser auf anderen Blogs.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Ich denke diese Erlebnisse kommen fast täglich und sind für sich genommen zwar ganz bescheiden, hier ein Kommentar, dort ein Beitrags-Abo, in der Summe ist die Freude darüber dann aber ganz groß. Ein besonderes Kribbeln löst bei mir derzeit noch die Erwähnung durch rezensierte Autoren aus, zum Beispiel das „gefällt mir“ von Katrin Weßling (Drüberleben) auf meiner Facebook Seite, war ein solcher Moment.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Mir werden nur alle paar Schaltjahre Rezensionsexemplare angeboten, aber um ehrlich sein, auch wenn man sich geschmeichelt fühlt, suche ich mir am liebsten selbst etwas aus. Schön ist es für mich dabei festzustellen, wie immer mehr meiner Lesewünsche erfüllt werden – Rezensionsexemplare sind für mich arme Studentenmaus nämlich die einzigen finanzierbaren deutschen Neuerscheinungen. Dafür bin ich aber auch Schneekönigin durch und durch, wenn ich ein solches Paket öffne und anschließend lesen und rezensieren darf, was ich mir so sehnlichst gewünscht hatte.

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Das lehne ich ab, ohne Ausnahme. Ich bin da sehr konservativ, was nicht durch die redigierenden Mühlen eines Verlags gewandert ist, kommt bei mir nicht ins Regal. Dazu muss ich sagen, dass ich Bücher nicht nur als Unterhaltung, bzw. Zeitvertreib lese, sondern auch als Möglichkeit mein eigenes Schreiben zu verbessern – da muss es dann schon ein Roman sein, der es „geschafft“ hat und dabei mehrere Stadien, bzw. Entwürfe, durchlaufen hat.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

Von E-Books bin ich ganz begeistert, bin ich mit dem Kindle in der Tasche doch um einiges mobiler, als mit einer ganzen Bibliothek Taschenbücher im Koffer. Was ich bedauere ist, dass deutschsprachige E-Books sich von ihren gedruckten Varianten preislich kaum unterscheiden – für uns Kleingeldbeutler kann das schon mal schwierig werden – ich würde so gerne zugreifen, mehr deutsche E-Books lesen, kann aber nicht.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Wen kann ich denn empfehlen, der hier nicht schon zu  Wort gekommen ist?! Blogs, die ich selbst gerne und häufig lese sind u.a. Bibliophilin, Die Klappentexterin, SchöneSeiten und Buzzaldrins Bücher. Für das nächste Gespräch vorschlagen möchte ich gerne Literaturen. Ein Blog mit ganz wunderbaren Empfehlungen und noch dazu einer äußerst sympathischen Betreiberin.

Danke, Katarina, auch für die tolle Illustration: Frauen, die lesen … In diesem Zusammenhang mag ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, dass das Geschlechterverhältnis innerhalb der Gesprächsreihe inzwischen zuungunsten der Blogger ausfällt. Die Frauen liegen derzeit mit 21:18 vorne.

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Zuletzt stellte sich Christiane Nowak mit vorgelesen vor. Ihre Wunsch-Interviewpartnerinnen waren die Betreiberinnen von lesErLeben. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier

Der Kulturflüchter auf SteglitzMind: „Die Siechendienerin“ von Enzo Fadar

Vergangene Woche präsentierte SteglitzMind mit „Adlon. Ein Trostschreiben“  von Ubiquiste erstmals einen Beitrag, der dem „KULTURFLÜCHTER“  entnommen ist. Ganz von ungefähr kommt das nicht. Seit längerem begleite ich das literarisch ambitionierte Projekt mit Biss, das sich Un-Periodikum nennt. Nun bin ich stolz darauf, die Rubrik „Der Kulturflüchter auf SteglitzMind“ eröffnen zu können. Darin werden in loser Folge Textauszüge aus dem Kulturflüchter vorgestellt.

Heute Aufzeichnungen einer Pflegerin, die Bezug auf eine Nachrichtensendung nehmen, die am vergangenen Wahlsonntag lief. Eine Anmerkung zum Autor: In einem Alter, das andere längst hinter sich gelassen hat.

Die Siechendienerin. Nach dem Tagebuch einer Pflegerin von Enzo Fadar

„Nur ein Tag im Leben (!) eines Menschen in einem Altenheim, auch heute, wie in alten Zeiten eher in einem Siechenhaus, einer ‚Einrichtung für die Aufnahme und Verpflegung von Todgeweihten‘, zumeist sehr liebenswerten Menschen, deren Schicksal einem das Herz erweicht. Keiner sucht sich sein Ende aus, wie bei einem Roulettespiel ist der Ausgang ungewiss. So, wie ich es erlebe, kann es Jeden treffen, mich und die von Nebenan.“

„Ich versorge in Schichtarbeit zehn Alte, folge einem strengen Zeitplan, jeder möchte sich mit mir unterhalten, aus Mangel an Pflegepersonal sind enge Beziehungen nahezu unmöglich und doch versuche ich die Arbeit so menschlich als möglich zu gestalten: Das fällt sehr schwer und es mag auch enttäuschen.“

Horst Wagner 2013  © Der Kulturflüchter / mit freundlicher Genehmigung »galerie for you« - Rostock

Horst Wagner 2013 © Der Kulturflüchter / mit freundlicher Genehmigung »galerie for you« – Rostock

„Es wird immer so viel von der Würde des Menschen gesprochen und gerade hier wäre diese erforderlich, sie einzufordern. Das einzige, was hier nicht stimmt, ist das Leben selbst, das sich nicht gerade von der besten Seite zeigt. Es ist rücksichtslos denen gegenüber, die hier ihre Tage verbringen, auf Greisenhöhe reduziert, ihr bisschen Leben im Zustand der Auflösung – involtio senibilis – dem alle organischen Wesen am Ende verfallen; das Augenmaß geht verloren, es ist abenteuerlich auf Schritt und Tritt und eine Zumutung noch im Fortgang gewisser vegetativer Verrichtungen. Es ist müßig, über Alter und Elend, einen langen Abschied, das Sterben zu philosophieren und mit meiner Erwartung ans Leben so furchtbar und hoffnungslos, was denen nichts bedeutet, die vergleichbar noch unbekümmert daherkommen. Vom Diesseits und etwas schon vom Jenseits, davon können auch nur die aussagen, die sich in der Grauzone im Übergang befinden. Niemand weiß es, ich kann auch nur ahnen, unter welchen Schmerzen und seelischer Verzweiflung sie leiden. Und das Tag für Tag. Solange sie leben.“

„Einige der Herrschaften (!) sind redselig, etliche kindisch, vielleicht auch schwachsinnig, während Herz und Leber sich verkleinern, die Nieren schrumpfen, die Haut dünner wird, die Gedanken sich im Kreis herum drehen – das Alter ist die Summe aller Störungen, die überhaupt noch denkbar sind. Darüber zu schreiben, ohne Schnörkel, nicht ohne Humor, ist mein Anliegen. Es ist hart und nichts für die im Dunst ihrer Wellness-Oase. Würde sieht in diesen vier Wänden anders aus, als ‚innerer Wert‘, eine ‚hoheitsvolle Haltung‘ oder ‚Ansehen‘, wie es in den Wörterbüchern erklärt wird, ist Würde hier nicht zu finden und daran ist auch nichts zu beschönigen.“

„Ich stehe um fünf Uhr morgens auf, mache mir eine Tasse Kaffee, frühstücken zu dieser Uhrzeit kann ich nicht … Dann gehe ich ins Bad, ziehe mich an und verlasse die Wohnung.“

„6:40 Uhr – Ich betrete das Zimmer von Frau Beate M., geboren in den Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts. ‚Guten Morgen!‘ Ich höre einen Seufzer, einen Luftschnapper. Ich wecke sie behutsam. Sie blinzelt, erkennt mich und strahlt. […].“

„Sonntag, den 20. Januar 2013. Warum ich mich an den Tag erinnere? Ja, die Politik und deren Verhalten am Tag der Wahl – dazu äußere ich mich nicht. Im Kalender steht: ‚Jeder Kaufmann macht einmal im Jahr Inventur. Er stellt seine Guthaben und Warenbestände den Verpflichtungen gegenüber und zieht Bilanz.‘ Wenn das so ist, verdienen die Leiden der mir zur Pflege anvertrauten Menschen meine ganze Aufmerksamkeit. In den abendlichen Nachrichten des Tages nämlich, während des Machtgeschubses um Ämter, Gerechtigkeit und Verantwortung, ist womöglich das VIDEO über Gewalt in einem deutschen Altenheim durch eine Pflegerin nicht weiter beachtet worden. Gleichzeitig ist mir jedoch aufgefallen, dass eine gewisse Frau Nahles zur gleichen Stunde öffentlich betont – habe ich richtig verstanden? – wer ‚ihresgleichen‘ wählt, sorge dafür, dass Menschen hierzulande keine Angst haben müssen – alt zu werden.

Das ist Quatsch, Allerwerteste. Darauf haben Sie und scheinbar auch der liebe Gott keinen Einfluss. Das Leben ist ein Würfelspiel, jeder Tag, wie Zufall und Schicksal. Man muss einfach Angst haben. Vor der Natur und, was diese mit einem anstellt, nämlich die Summe eigenen Vorlebens ausmacht und unsere Gene bewirken mögen. Sicher ist gar nichts. Wer alt wird – und das ist in unserem wohlgeordneten Land, in dem Fußballer mit Millionen aufgewogen werden, sicherlich nicht unbedingt eine Gnade – die begründete Angst, dass sich nur dann etwas ändert, wenn die Zustände in den Pflegeheimen – das System – zu einem Gesetz führt, ins Grundgesetz; die gerechte Bezahlung von Pflegekräften – an die Adresse der Herren und Damen in den Gewerkschaften gerichtet – so wie auch die charakterliche Eignung bei Pflegern eingefordert werden muss, als ginge es um eine verantwortliche Position in der Industrie – was eben dort in den Ausschreibungen als unerlässlich vorausgesetzt wird.

Da es später, oft unverhofft jeden und jede treffen kann, ebenso diejenigen, deren Angehörige sie mitunter derart im Stich lassen – zeugt es unverhohlen von einer Geisteshaltung – ohne Pathos -, die einfach nur dumm, kurzsichtig, phantasielos ist. Ein Symptom der Krise.

Richtig – solange die Arbeit der Pflegekräfte so minder angesehen ist, so gleichgültig und nebensächlich, keinen Wert darstellt und nur eine lästige Pflicht – allen, die placeboartig sich nicht genug darüber auslassen können – sei gesagt: genaues wollen Sie doch gar nicht wissen. Es scheint alles noch weit weg. Dass die Würde am Ende eine Phrase – einfach – unwürdig ist. Milde ausgedrückt.

© 2013 Der Kulturflüchter N° 5 (auszugsweise)

Der hier veröffentlichte Text ist ein stark gekürzter Auszug aus „Die Siechendienerin. Ein schonungsloser Bericht“ von Enzo Fadar und Magdalena Kopp, in: Der Kulturflüchter N° 5. Das Un-Periodikum erscheint im Zeitlichkeitverlag, Herausgeber ist B. Claus DeFuyard. „Der Kulturflüchter“ präsentiert sich in Bälde auch mit einem Blog

Steglitz stellt Christiane Nowak mit „vorgelesen“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Heute stellt sich Christiane Nowak mit vorgelesen vor. Den Vorschlag hatte Ada Mitsou gemacht, die Ada Mitsou liest… pflegt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

Zuerst einmal herzlichen Dank an Ada Mitsou, dass sie meinen Blog vorgeschlagen hat.   Es freut mich sehr, das Interview beantworten zu können. Ich bin 34 Jahre alt, habe Neuere deutsche Literatur, Deutsch als Fremdsprache, Politik und Publizistik studiert und bis vor einem Jahr in Neuere deutsche Literatur promoviert. Meinem Sohn, der 2008 geboren wurde, ist mein Blog gewidmet. Beim Bloggen begleitet mich eine Holzpuppe, ein kleiner Pinocchio, der viele Dummheiten macht und lernt, ein Mensch zu werden.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Im September 2011 habe ich vorgelesen bei wordpress eingerichtet. Einige Monate lang war vorher die Lektüre von Blogs meine liebste Ablenkung beim Schreiben meiner Doktorarbeit gewesen. WordPress schien mir die am häufigsten benutzte Plattform und da ich nicht sehr technikaffin bin, habe ich mich auf das verlassen, was andere auch benutzen.

Und nach der Promotion?

Das Bloggen hat sich für mich dann als Ersatz zum Schreiben an der Doktorarbeit entwickelt. So konnte ich fortsetzen, was einige Jahre lang meine tägliche Beschäftigung war. Und es erlaubt mir, noch anderen Leidenschaften nachzugehen: Ich liebe es, Dinge, die ein Leben dokumentieren, zu sammeln und zu archivieren. Leider gibt es aus meiner Kindheit nicht so viele Dokumente, so dass ich meinem Sohn gerne mehr Erinnerungen mitgeben möchte.

Während meines Studiums und der Doktorarbeit habe ich zudem viel Wissen über Literatur angehäuft. Mit diesem Wissen im Kopf konnte ich die Kinderbücher meines Sohnes nicht unbefangen lesen. Beim Vorlesen machte ich mir ständig Gedanken über Erzählperspektiven, Raumgestaltungen, literaturgeschichtliche Einordnungen, Gesellschaftsbilder, Interpretationen und Text-Bild-Interaktionen. Diese Beobachtungen und Überlegungen mussten irgendwie raus.

Deine Themenschwerpunkte …

der Blogbegleiter © Christiane Nowak

der Blogbegleiter © Christiane Nowak

Ich rezensiere Bilderbücher für Kinder von 0 bis 6 Jahren und Kinderbuchklassiker, die man gut Kindern vorlesen kann. Mein Sohn ist jetzt fast 5 Jahre, vielleicht weitet sich das Spektrum bald auf Kinderbücher zum Selbstlesen aus. Daneben berichte ich von Lesungen oder Kinderliteraturveranstaltungen, die wir besucht haben, und ich stelle Autoren vor, die mir am Herzen liegen. Außerdem schreibe ich meine Gedanken zu allem auf, was das Vorlesen betreffen könnte und wo unser Alltag sich mit Büchern verknüpft. Ich versuche literaturwissenschaftliches Hintergrundwissen zu einzelnen Büchern in klare, verständliche und gut lesbare Texte zu verpacken. Apps und kommerziellen Reihen stehe ich sehr kritisch gegenüber.

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Im Bereich Kinder- und Jugendbuch nervt mich, dass sehr stark dem Prinzip der Reihen gefolgt wird und dass die Vermarktung von Kinderbuchfiguren immer mehr ausgeweitet wird. Meiner Meinung nach wird da zu sehr die Unmündigkeit und Verführbarkeit von Kindern ausgenutzt. Wenn ein Kind eine Figur lieb gewonnen hat, müssen Eltern dann ständig entscheiden, ob nun auch noch das Hörbuch, das Kuscheltier und die Brotdose gekauft werden können. Manchmal wird da mit ganz schön perfiden Mitteln gearbeitet, finde ich.

Wir hatten schon eine CD, in der ein kleines Pflaster als Geschenk mit der Figur eingelegt war, was meinen Sohn total begeistert hat. Beim nächsten Aua war dann die Enttäuschung groß, dass es nicht mehr von diesen tollen Pflastern gab. Solchen Ärger möchte ich ungern mit Kinderbuchfiguren verknüpfen. Es handelt sich hierbei um kein sehr aktuelles Phänomen, sondern um eine langfristige Entwicklung. Im Kinder- und Jugendbuchbereich hat meiner Meinung nach die Kommerzialisierung stark zugenommen.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Ich habe eine Facebookseite, bin mit einigen Literaturblogs und Elternblogs verlinkt, wurde auf der Seite der Elternzeitschrift nido sowie auf der Seite von Brigitte Mom vorgestellt und habe an der Jury des Preises „Urzeitroboter – Das lustigste Bilderbuch 2012“ teilgenommen. Die Eintragung in Blogverzeichnisse und Listen steht immer mal auf meiner To-Do-Liste, rutscht aber immer wieder nach hinten.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Ich finde es ganz schön fies, wenn ein Blogger, dem man eine Zeit lang gerne gefolgt ist, plötzlich gar nichts mehr von sich hören lässt, und die Leser im Unklaren darüber lässt, ob es weiter geht oder nicht. Eine kleine Nachricht darüber, was passiert, sollte immer drin sein.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Als berufstätige Mutter ist Zeit natürlich ein knappes Gut. Dafür sind Bilderbücher aber nicht so umfangreich wie erwachsene Bücher, so dass die Lektüre viel schneller geht. Mir fehlen ein paar Software-Kompetenzen, z.B. in der Bildbearbeitung, und ich habe auch keine Geduld, mir diese anzueignen, so dass ich manchmal nicht ganz so zufrieden mit der Darstellung von Bildern im Blog bin.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Im November 2012 habe ich über meine Kindheitserinnerungen an Märchen auf Diarollfilmen berichtet, die meine Eltern uns Kindern immer vorgelesen haben. Daraufhin meldeten sich Schulfreundinnen, die das Medium auch kannten und wir konnten die Erinnerungen an solche Kinoabende teilen. Wir haben eine kleine Tauschbörse veranstaltet und wiederholen diese Tradition des Heimkinos jetzt mit unseren eigenen Kindern.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Der Bereich Bilder- und Kinderbuch unterscheidet sich da etwas von der Erwachsenenliteratur, so scheint es mir. Es gibt nicht so viele Blogs und die Verlage nehmen das Medium noch nicht so ernst. Ich bekomme daher kaum Rezensionsexemplare angeboten und wurde von einem großen deutschen Verlag sogar schon einmal abgewiesen mit meiner Bitte um ein Buch. Da ich aber auch gerne und öfters ältere Bücher vorstelle, die nur noch antiquarisch erhältlich sind, brauche ich gar nicht oft neue Werke. Außerdem muss ich eh immer aufpassen, dass die Büchermenge nicht überhandnimmt – ein großes Bibliothekszimmer wird wohl noch sehr lange einer meiner unerfüllten Träume bleiben. So bin ich ganz zufrieden, dass ich noch nicht so oft mit Angeboten konfrontiert war und bisher nicht viele Absagen schreiben musste.

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Es gibt kaum Self-Publisher, die Kinder- und Jugendbücher herausbringen, denn Illustrationen sind sehr aufwändig in der Herstellung.

Wie hältst du es mit dem E-Book?

Ich kenne mich damit noch gar nicht aus, spiele im Moment aber mit dem Gedanken, mir einen E-Book-Reader anzuschaffen. Ich finde sie für Fachpublikationen sehr sinnvoll. Es grenzt an ein Wunder, dass ich noch keinen Bandscheibenvorfall hatte, so viele Bücher habe ich schon aus Bibliotheken heraus und wieder hinein getragen. Da sind E-Books eine große Erleichterung.

Bei Kinderbüchern und beim Vorlesen kann ich mir aber nicht vorstellen, auf das Medium Computer umzusteigen. Mein Sohn ist immer so neugierig, dass er sich mehr auf die Funktionen des E-Book-Readers (Tasten, Schaltflächen) konzentrieren würde und ich Angst hätte, der Inhalt der Bücher würde gar nicht mehr richtig ankommen. Außerdem ist das Blättern in Büchern sehr wichtig für die Strukturierung des Vorlesens. Mit einem E-Book könnte ich gar nicht mehr sagen: „Und nun nur noch eine Seite!“ Außerdem sind Bücher viel robuster und man muss nicht vor der Zerbrechlichkeit des Mediums warnen. Und man muss sich keine Gedanken um die Stromversorgung machen. Ich versuche generell, meinen Sohn zu einem bewussten, kritischen und zielgerichteten Medienkonsum zu erziehen. Reale Begegnungen und Erfahrungen sind für Kinder elementar.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Märchensammler, Papillionis liest, jungesbuch und lesErLeben. An den Literaturclub lesErLeben möchte ich auch die Stafette weiterreichen.

Danke, Christiane, auch dafür, dass du unser Augenmerk auf Kinder- und Jugendbücher lenkst.

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Zuletzt stellte sich Richard Norden mit Writers Workshop vor. Sein Wunsch-Interviewpartner war Stephan Waldscheidt, der schriftzeit betreibt. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier

„Entweder es passt oder es passt nicht.“ Buchblogger vs. Selfpublisher?

Ein Aufreger besonderer Art auf SteglitzMind war der Beitrag Lieber buchaffiner Blogger, wie hältst du es mit Selbst-Verlegtem?, der am 9. November 2012 erschienen ist. Darin zu lesen waren 15 Statements von Bloggern und Bloggerinnen, die auf die Frage Antwort gaben: Wie würdest du damit umgehen, wenn dir Selfpublisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Von Stimmungsmache gegen selbstverlegende Autoren konnte keine Rede sein. Herausgekommen ist ein ausgewogenes Meinungsbild: Die befragten Blogger stehen Publikationen von Selfpublishern zwar kritisch, aber nicht generell ablehnend gegenüber. So sie Rezensionsexemplare abwinken – was sie häufig tun, hängt das mit dem Selbstverständnis des jeweiligen Bloggers zusammen, der seine Unabhängigkeit schätzt und großen Wert auf selbstbestimmte Lektüre legt. Man will sich nicht in die Pflicht nehmen lassen. Und zwar gilt das für Publikationen von Selfpublishern und Rezensionsangeboten aus klassischen Verlagen gleichermaßen. Hier machen die Blogger keinen Unterschied. Einig waren sie sich auch dahingehend, dass Selfpublisher und Verlagsautoren durch Qualität überzeugen müssen.

Erstaunt hat mich so manche Reaktion, die der Beitrag hervorrief. Fast könnte man meinen, dass die Fronten zwischen Buchbloggern und Selfpublishern verhärtet sind:

Übrigens weiß ich nicht, ob ich bei diesem Beitrag und einigen Kommentaren heulen oder lachen soll. […].Ich habe den Eindruck, dass viele, die nun wirklich vorurteilsbeladen Self Publishing von vornherein als Trash klassifizieren, sich einfach nicht wirklich auszukennen scheinen.

Schade eigentlich, dass es da so viele Vorurteile gibt, denn ich denke immer, es kommt darauf an was in dem Buch drin steht und nicht welcher Verlagsnamen, bei denen man auch schummeln kann, draufsteht …

Was wirklich fehlt ist der Respekt vor Amateuren, auch im textlichen Bereich …

Zur meiner Irritation trug vergangene Woche des Weiteren der Artikel „Self-Publishing. Der YouTube-Literaturbetrieb“ von Jan Fischer bei, der bei ZEIT online erschienen ist. Zwar kommt dem Verfasser zweifellos das Verdienst zu, mit dem Thema Selfpublishing einen Gegenstand aufgegriffen zu haben, den die klassischen Medien lieber meiden. Allerdings kolportiert der Beitrag die Behauptung, dass „viele deutsche Blogger, die sich mit Rezensionen von Neuerscheinungen befassen“, Büchern von Selfpublishern „ablehnend gegenüber“ stünden. Dass sich die Aussage direkt auf den SteglitzMind-Blogpost vom 9. November 2012 bezog, verwunderte mich doch sehr.

denk mal um © GvP

denk mal um © GvP

Wo steht dort geschrieben, dass viele Buchblogger Indie-Publikationen keinen Respekt zollen, ihnen gar ablehnend gegenüberstehen? Wurde gar das Fazit des Beitrags übersehen, in dem zu lesen steht, dass Blogger keine Unterschiede machen und von Autoren – egal ob Indie-, Hybrid- oder Verlagsautor – in erster Linie Qualität einfordern. Warum fiel mein Versuch, ein differenziertes Stimmungsbild wiederzugeben, pauschalisierenden Schlussfolgerungen anheim? Neigt man in der Eile des Gefechts dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten?

Da mir daran gelegen ist, die Sachlage zu objektivieren, freue ich mich, heute mit 15 Stellungnahmen zur Frage nachziehen zu können: Wie würdest du damit umgehen, wenn dir Selfpublisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Ich habe da keine Vorbehalte. Das ist auch schon vorgekommen. Es ist ähnlich wie oben [bei Verlagen oder Dienstleistern]. Ich kaufe lieber, weil ich mich dann in meiner Entscheidung freier fühle, ob ich darüber schreiben will. Jutta S. Piveckova aka Melusine Barby, Gleisbauarbeiten

Es kommt ganz darauf an, ob mich das Werk interessiert. Aber grundsätzlich sehe ich mich derzeit nicht als Rezensentin. Nur wenn mich etwas so begeistert oder empört, dass ich andere daran teilhaben lassen möchte, dann mache ich darauf aufmerksam. @Anousch, Anousch

Ähnlich [wie bei Verlagen oder Dienstleistern: Ich schau mir immer genau den Inhalt an, ob es mich interessieren könnte. Wenn nicht antworte ich höflich, dass es einfach nicht meinen Geschmack trifft.] Entweder es passt oder eben nicht. Bücherliebhaberin, glasperlenspiel13

Vermutlich ebenso wie ich es im Fall von Verlagen und Autoren tun würde. [Ich wähle sehr bedacht aus und greife meist nur bei mir bekannten Autoren zu oder auch bei einem Verlag, deren Programm sehr viele Übereinstimmungen mit meinem Lesegeschmack hat. Rezensionsexemplare bedeuten immer die Verpflichtung, zeitnah eine entsprechend ausführliche Rezension zum Gelesenen online zu stellen – die möchte ich gerne erfüllen und mich zugleich nicht beim Lesen und Schreiben hetzen, weil sich Rezensionsexemplare bereits bei mir stapeln. Aus diesem Grund, und auch weil mir manche Titel nicht zugesagt haben, habe ich Rezensionsexemplare durchaus schon dankend abgelehnt. Zudem kommentiere ich im Gegensatz zu vielen anderen Bloggern auch nicht vorwiegend Neuerscheinungen.] Svenja, Syn-ästhetisch

Ich nehme sie an, wenn sie zu meinem Blog passen. Marcus Johanus mit Marcus Johanus‘ Blog

Das ist schon vorgekommen. Bisher hab ich die Angebote abgelehnt, weil es sich dabei um Krimis und eine Biografie handelte, die mein Interesse nicht wecken konnten. Mal sehen, wie ich handeln werde, wenn mir mal etwas gut Klingendes angeboten wird … Ob ich dann mein eigenes Vorurteil, beim Self Publishing könne ja nichts Gutes rauskommen, überwinden werde? Ich könnte es ja hiermit beschließen und der Sache eine Chance geben! Mareike Fallwickl, Bücherwurmloch

Wie bereits erwähnt, wähle ich mir meine Bücher selbst aus. Das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, sondern mit Freiheit, das zu lesen, was ich möchte – und die Zeit, in der ich das machen kann, ist eng begrenzt. So habe ich nur maximal zwei Stunden dafür am Tag Zeit dafür – außer an den Wochenenden oder im Urlaub. Ich möchte mich nur ungern von meiner Lesefreiheit trennen. Auf der anderen Seite sehe ich, wie schwieriger es für Schreibende wird, ihre Werke bei Verlagen unterzubringen. Simone Finkenwirth, Klappentexterin

Genau gleich wie bei den anderen Büchern: Ich reiche sie an das Team durch. Entscheidend ist, ob sich ein Rezensent dafür interessiert. Aber: es passiert in der Regel nicht … Oliver Gassner, Literaturwelt

Genauso, wie wir mit Rezensionsexemplaren von Verlagen umgehen. Wenn uns Genre, Titel und vor allem die Beschreibung ansprechen, würden wir das Buch auch lesen und rezensieren. Bislang ist das leider nicht vorgekommen, da meist entweder das Genre für uns nicht passte, oder der Inhalt nicht allzu attraktiv beschrieben war. Das wäre dann auch ein Tipp an alle Self Publisher: Jeder potenzielle Leser wird natürlich vom “Klappentext” auf den Inhalt und die Art und Weise, wie das Buch geschrieben ist, schließen. Dieser kurze Beschreibungstext muss also so attraktiv wie möglich und natürlich fehlerfrei sein. Stefanie und Yvonne, Leselink

Das ist bis jetzt noch nicht passiert. Hartmut Abendschein, Betreiber des literarischen Weblogs taberna kritika und Mitbegründer von litblogs.net

Ich sehe keinen Unterschied zwischen einem Self-Publisher und einem “Verlags-Autoren”, d.h. siehe oben. (Rezensionsexemplare würde ich sehr, sehr sorgfältig prüfen, bevor ich eine Zusage geben würde. Leider habe ich immer viel weniger Zeit, als mir lieb ist. Deshalb würde ich keine Erwartungen wecken, die ich dann nicht erfüllen kann.) Axel Hollmann, Axel Hollmanns Schreibblog

Self-Publisher unterscheiden sich für mich nicht von anderen Autoren. Ich entscheide nach Titel und Thema, ob ich das Werk lesen möchte. Ruth Justen, Ruth liest

Wie bereits erwähnt, nehme ich ein Angebot an, wenn es mich anspricht. Wobei ich gestehen muss, dass das selten der Fall ist. [Noch vor einiger Zeit war ich mächtig stolz darauf, wenn mir ein Rezensionsexemplar angeboten wurde. Ich habe mich geehrt gefühlt, dass es jemanden interessiert, was ich von einem Buch halte. Ich habe diese Bücher auch gerne angenommen. Seitdem ich jedoch merke, dass viele Blogger die selben E-Mails bekommen, in denen nur die Anrede ausgetauscht wird, überlege ich doch ein bisschen länger, ob ich ein Rezensionsexemplar annehmen soll. Ehrlich gesagt finde ich es besser, selbst ein Rezensionsexemplar bestellen zu dürfen und freue mich jedes Mal sehr, wenn ich ein entsprechendes Päckchen aus dem Briefkasten herausfische.] Dorota Federer, Bibliophilin

Grundsätzlich genauso wie mit anderen Rezensionsexemplaren auch, allerdings nehme ich keine E-Books an , da ich keinen eigenen Reader besitze und auch vorerst keinen haben möchte bzw. brauche. (Heute nehme ich kaum noch Rezensionsexemplare an. Manchmal tut es mir leid, Absagen erteilen zu müssen, gerade in Hinblick auf noch unbekannte Autoren, doch ich schaffe das zeitlich einfach nicht mehr. Je nachdem, was beruflich oder privat so anliegt, bin ich zu eingespannt, sodass für den Blog kaum noch Zeit übrig bleibt. In solchen Phasen schätze ich es sehr, meine Lektüre frei auswählen zu können, ohne unter dem Druck zu stehen, das Buch möglichst zeitnah zu lesen und vor allem auch zeitnah rezensieren zu müssen.) Ada Mitsou, Ada Mitsou liest….

Ich mache keinerlei Unterschiede zwischen den Büchern von Verlagen und denen selbstverlegender Autoren. Für mich zählt die Qualität eines Buchs und nicht, ob es über einen bekannten Publikums-Verlag, einen Print-on-Demand-Anbieter oder als Kindle-eBook veröffentlicht wurde. Auch hier gilt: Ich veröffentliche nur dann eine Rezension, wenn ich das Buch meinen Lesern guten Gewissens empfehlen kann. Einen Verriss würde ich nur dann schreiben, wenn der Autor partout auf der Rezension seines Werks besteht. Richard Norden, Writers Workshop

Dezidierte Vorurteile gegen Selfpublishing oder gar Ignoranz gegen Publikationen, die in Eigenregie verlegt sind, werden in diesen Stellungnahmen abermals nicht laut. Und wenn, wie hier in einem Fall, dann werden diese kritisch hinterfragt. – So darf ich mein Fazit vom 9. November 2012 also getrost wiederholen: Durch die Bank legen die befragten Blogger Wert auf selbstbestimmte Lektüre, weshalb sie Rezensionsangebote vielfach ablehnen. Sie unterscheiden nicht zwischen Verlagsautoren und Selfpublishern, noch legen sie unterschiedliche Kriterien an die jeweiligen Publikationen an. Überzeugen lassen sie sich allein durch Qualität.

Weitere Überlegungen zur Bedeutung von Literaturblogs und deren Umgang mit E-Book und selbstverlegenden Autoren habe ich in einem Interview für litaffin angestellt, das hier nachgelesen werden kann.

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Die Frage Wie würdest du damit umgehen, wenn dir Selfpublisher ihre Titel zur Rezension anbieten?  ist Bestandteil der Gesprächsreihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger“ vor, die im September 2012 an den Start ging. Ihr voraus geht die Frage Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten? Aus den Antworten darauf stammen die Zitate, die in eckige Klammern […] gesetzt sind.

Rede und Antwort standen in der Interviewreihe bislang 37 Bloggerinnen und Blogger. Ein Überblick findet sich hier

Steglitz fragt bei Michael Meisheit nach (Teil 2)

„Die Frage nach der Verfügbarkeit in der Buchhandlung oder danach, ob es ‚Soap‘ auch fürs iPad gibt, tut jedes Mal weh …“

In diesem Beitrag erfahren wir u.a., weshalb Michael Meisheit mit eBook und der gedruckten Version von „Soap“ zweigleisig fährt, warum er auf den Platzhirschen Amazon setzt und welche Lehren er aus seinen bisherigen Erfahrungen als Selbstverleger zieht. Im ersten Teil des Gespräches berichtete er uns, wie er Chancen und Risiken bezüglich Selfpublishing einschätzt, warum er sich für CreateSpace entschieden, welche Erfahrungen er damit gemacht hat und wie er mit Vorurteilen gegen Autoren umgeht, die ihre Publikationen in Eigenregie auf den Markt bringen.

Mit einem eBook und einem gedruckten Buch fährst du zweigleisig. Warum das?

Man kann so ein Projekt nicht über das Internet aufziehen und dann das elektronische Buch außen vorlassen. Mir war immer klar, dass in meiner Zielgruppe die meisten Leute das sogenannte Holzbuch noch bevorzugen würden, aber rund um das eBook passieren ja noch viel aufregendere Dinge, was neue Weg angeht, also wollte ich das auf keinen Fall missen.

Glaubst du, dass dem eBook die Zukunft gehört?

Auf jeden Fall. Es wird Papier nicht komplett ersetzen, aber die Vorteile liegen auf der Hand. Neue Generationen werden dann auch die Nostalgie nicht mehr kennen, die viele von uns noch mit dem Umblättern verbinden. Wenn ich sehe, wie mein dreijähriger Sohn schon selbstverständlich zwischen iPhone-App-Geschichte und Buch zum Blättern wechselt, weiß ich, wie die Zukunft aussieht.

Wie hältst du es beim eBook mit dem Kopierschutz?

Da hab ich wie ein Schaf erst einmal den voreingestellten Kopierschutz gelassen wie er ist. Wobei ich mich mittlerweile durchaus frage, warum. Leider kann man es im Nachhinein nicht mehr ändern. Aber ich muss mich definitiv noch mehr mit dem Thema und den Möglichkeiten beschäftigen. Was ich auch daran merke, dass ich mich in der ganzen Urheberrechtsdiskussion oft auf der Seite von Kreativen, die vor allem Schutz und Sanktionen fordern, nicht so richtig wohl fühle. Auch hier reizen mich eher die neuen Möglichkeiten des Internets. Aber das ist eine andere Diskussion.

Wie schätzt du die Diskussionen um das Pricing beim E-Book generell ein?

Hier wird noch viel experimentiert. Im Moment wirkt es schon teilweise absurd, wenn man sich die Listen bei Amazon anschaut. Wenn die gleichlangen 99 Cent-Bücher neben Verlags-eBooks für 22,99 Euro stehen, merkt man, dass der Markt sich noch regulieren muss. Kurios ist allerdings, dass Beide es in die Topliste schaffen können …

Und wie bist du mit der Preisgestaltung bei eBook und Taschenbuch verfahren?

Michael Meisheit © Steven Mahner

Michael Meisheit © Steven Mahner

Ich hab meine potentiellen Leser in meinem Blog gefragt und sogar abstimmen lassen. Wie bei vielen anderen Fragen rund um die Veröffentlichung ja auch. Natürlich hatte ich eine grobe Vorstellung – das Taschenbuch sollte nicht über 10 Euro kosten, das eBook nicht für 99 Cent verramscht werden. Aber ich fand es sehr hilfreich, dass die Mehrheiten und Argumente im Blog meine Auffassung stützten. Beim Taschenbuch waren sich eh alle mehr oder weniger einig. Beim eBook gab es – wenig überraschend – die größere Bandbreite an Meinungen. Für mich war hier entscheidend, dass ich nicht zu weit vom Taschenbuch weg wollte. Allerdings bin ich mir bei den 4.99 noch nicht so ganz sicher, ob es die beste Wahl war. Daher habe ich heute eine Aktion gestartet und verkaufe nun für ein paar Tage das eBook für 2.99.

Selbstredend eine nette Geste an die Adresse der Leser unseres Gespräches … Warum ist „Soap“ derzeit lediglich beim Platzhirschen Amazon zu haben?

Das lag natürlich erst einmal an meinem Wunschpartner CreateSpace. Mit dem drängt sich das Kindle-Programm ja gleich als nächster Schritt auf, es sind nur wenige Klicks mehr. Und „lediglich“ bei Amazon zu sein, ist bei deren Marktposition ja nicht das Schlechteste. Allerdings soll es so nicht bleiben. Sobald ich die Zeit habe, mich durch das Dickicht von Formaten und möglichen Wegen zu kämpfen, werde ich zum einen andere eBook-Kanäle hinzunehmen und zum anderen auch das Taschenbuch auf neue Wege bringen.

Wo machst du beim Platzhirschen persönlich Nachteile aus?

Was mich überrascht hat, war, dass man erstaunlich wenige Analyse-Möglichkeiten für seinen Verkauf hat. Vielleicht bin ich durch Google-Analytics bei meinem Blog verwöhnt, wo man ja auch noch die Farbe der Unterwäsche seiner Seitenbesucher gemeldet bekommt. Aber dass es im Kindle-Programm noch nicht einmal eine Verkaufsaufstellung nach Tagen gibt, hat mich sehr verwundert. Ganz zu schweigen davon, dass es doch interessant wäre, wie viele Leute die Verkaufsseite des Buches besuchen, wo die herkommen usw. Technisch ist das alles möglich, Amazon lässt sich aber nicht in die Karten schauen. So hockt man viel zu viel da und rätselt, wieso, weshalb, warum.

Worauf sollte man besonders Acht geben, wenn man sich für diese Vertriebsschiene entscheidet?

Zu empfehlen ist, dass man sich als Autor bei „Author Central“ von Amazon anmeldet. Dann kann man nicht nur ausführlicher über sich berichten, sondern hat auch so etwas wie einen Ansprechpartner, der kurzfristig antwortet. Was bei Amazon normalerweise ja nicht so einfach ist. Denn der Laden ist und bleibt ein schwer durchschaubarer Riese. Ansonsten muss einem klar sein: Amazon ist auch nicht die Welt. Die Frage nach der Verfügbarkeit in der Buchhandlung oder danach, ob es „Soap“ auch fürs iPad gibt, tut jedes Mal weh …

Was hält dich ab, andere Vertriebspartner ins Boot zu holen?

Ehrlich gesagt bin ich noch etwas ratlos, wen ich wie hinzunehme. Alle eBook-Vertriebe haben einen oder mehrere Hinkefüße. Mal muss man auch den Vertrieb über Amazon abgeben und verdient entsprechend weniger. Mal braucht man eine (teure) ISBN für das eBook. Andere haben undurchsichtige Konditionen. Hier sammle ich noch Feedback von anderen Selfpublishern. Erfahrungsberichte sind jederzeit willkommen!

Was rätst du jenen, die Schritte in Richtung Selfpublishing planen?

Sie sollten Zeit mitbringen und Geduld. Zeit im Sinne von: Vieles dauert länger als geplant. Besonders wenn auch mal was schief geht. Oder wenn man viel zu lange in der Social-Media-Welt hängen bleibt. Geduld braucht man bis die eigenen Maßnahmen greifen. Selbst Leute, die begeistert gesagt haben, dass sie das Buch „sofort“ kaufen, trifft man manchmal Wochen später und hört „Ach ja, das Buch!“ Bei Pressekontakten und ähnlichem kann es auch ewig dauern, bis was passiert. Oder hoffnungsmachende Kontakte verlaufen plötzlich im Sande.

Frustrationen sind wohl inbegriffen …

Daher muss man Kontakt zu seiner inneren Rampensau aufnehmen. Wer die gar nicht besitzt, wird sich schwer tun – denn am Anfang gibt es niemanden, der einen irgendwo ins Gespräch bringt außer einem selbst. Das ist manchmal echt unangenehm, aber da muss man durch – sonst braucht man vielleicht doch einen Verlag. Allerdings ist hier Augenmaß notwendig. Ab wann nervt man? Auch wenn man selbst das Gefühl hat, das Buch ist der Mittelpunkt der Welt, für die da draußen ist es eins von buchstäblich Millionen. Es kann daher helfen, das Projekt eben nicht zum Mittelpunkt der eigenen Welt zu machen, sondern einfach auch mal was anderes zu schreiben bzw. sich mit echten Menschen zu beschäftigen.

Was sollte sich ein Selbstverleger abschminken?

Abschminken kann man sich, dass man mit der Geschichte wirklich reich wird. Selbst dass man in irgendeiner Form davon leben kann, ist wohl die Ausnahme. Wer mit dieser Erwartungshaltung da reingeht, kann nur verlieren. Besonders weil es nun schon eine ganze Weile eine Art Goldgräberstimmung gibt und sich entsprechend viele Leute mit ihren Goldpfannen am Amazonas und anderswo tummeln.

Es heißt ja, dass die Digitalisierung und der Umstand, dass Autoren nicht mehr auf Verlage angewiesen sind, erhebliche Folgen für den Buchmarkt und -handel haben werden. Wie schätzt du die weitere Entwicklung ein?

Ich gehöre zu denen, die glauben, dass der bisherige Buchmarkt und -handel in zehn Jahren völlig anders aussieht. Ich glaube nicht, dass Bereiche komplett verdrängt werden, es wird einfach diversifiziert. Es wird sicher weiterhin Verlage geben, aber es wird auch hochwertige Selbstverleger geben. Es wird für diese dann Organisationsformen geben mit Dienstleistern und Plattformen. Es wird verlegende Hobbyautoren geben usw. Vor allem denke ich auch, dass sich noch einiges zwischen den verschiedenen Medienformen tun wird. Also dass es neben dem Buch und dem eBook interaktive Erzählungen, netzbasierte Erzählungen, Verbindungen von Film, Spiel und Text usw. geben wird.

Kannst du dir vorstellen, dass Independent Publikationen den klassischen Gatekeepern à la longue den Rang ablaufen werden?

Ich kann es mir vorstellen, aber es kommt auch darauf an, wie klug die Verlage, Buchhandelsketten usw. mit der Situation umgehen, sprich ob sich darauf einstellen. Wer stur darauf pocht, dass doch nur ein Buch aus Papier das Wahre ist und der Verlag über allem steht, der wird es sicher irgendwann schwer haben. Spätestens wenn die Mehrzahl der Autoren anderswo bessere Konditionen, Hilfestellungen und vor allem Möglichkeiten bekommt, ihre Vision umzusetzen.

Was stößt dir bei den aktuellen Diskussionen rund um die Zukunft des Buches besonders negativ auf?

Wie bei den meisten Diskussionen, die bevorzugt in der Textform (Feuilleton-Artikel, Blogs oder gar Foren) geführt werden, wird oft zu verbissen und unfreundlich diskutiert. Ich hab nichts gegen eine Diskussion, in der es auch mal hoch hergeht. Aber man ist allerorts erstaunlich schnell mit persönlichen Angriffen, Unterstellungen und ähnlichem. Und gerade Autoren sollten doch in der Lage sein, sich in die Position des Gegenübers reinzuversetzen – wie entwickeln sie denn sonst Figuren? Abgesehen davon finde ich es schade, dass die Selfpublisher in vielen Bereichen noch die Kellerkinder sind, aber es liegt sicher an uns selbst, dies durch selbstbewusstes und professionelles Auftreten zu ändern.

Du experimentierst seit Jahren als Autor im Netz. Was meinst du, inwieweit verändert die Digitalisierung auch unser Verständnis von Literatur und Autorenschaft?

Zwei Sachen verändern sich zurzeit aus meiner Sicht durch das Internet: Das Buch ist nicht mehr das Nonplusultra in der Literatur. Andere Textformen oder auch transmediale Erzählformen spielen eine immer größere Rolle. Gleichzeitig wird der Autor entmystifiziert. Er ist nicht mehr der Schreiber im Elfenbeinturm, sondern weilt über Blogs, Foren und interaktive Experimente mitten unter seinen Lesern. Das wird zunehmend selbstverständlich. Ich weiß noch, dass ich vor ca. 15 Jahren „Flamingo Rising“ von Larry Baker gelesen habe, in dessen Impressum eine E-Mail-Adresse stand. Weil mir das Buch gut gefiel, hab ich dort hingeschrieben und bin fast vom Stuhl gefallen, als der Autor mir postwendend persönlich antwortete. Wir haben dann ein bisschen hin- und hergemailt darüber, wie man sein Buch als Deutscher wahrnimmt. Und ich hab mir damals schon gedacht: Ja, wieso denn nicht immer so? Was kann einem besseres passieren, als sich mit den Lesern auszutauschen? Aber damals war das noch absolut ungewöhnlich.

Was hat dich bewogen, „Soap“ gemeinsam mit Blogbesuchern und Lesern auf die Beine zu stellen?

Vielleicht war besagtes Erlebnis mit Larry Baker schon der Grundstein für den Wunsch, mich mit den Lesern auszutauschen. Später wurde dann mein Prosa schreiben (im Gegensatz zum Drehbuch schreiben) sehr stark durch meine aktive Zeit in der Community jetzt.de geprägt ist. Dort konnte man mit kleinen Texten experimentieren – unter dem Stichwort „Tagebuch“ – und man hat über Kommentare sofort Feedback bekommen. Auch wenn das manchmal hart war, hat es mir gefallen und weitergeholfen.

Als Serienautor schreibst du ja auch im Team …

Hinzu kommt, dass ich es als Drehbuchautor natürlich gewohnt bin, dass zahlreiche Leute meine Arbeit – gerade in frühen Fassungen – auseinander nehmen. So war es für mich nur folgerichtig, einen Romantext in einem frühen Stadium herauszugeben, um von dem Feedback zu profitieren. Gleichzeitig wollte ich so eine Basis an Lesern schaffen, denn für klassische Werbung und PR-Arbeit würde ich keine Mittel haben. Womit ich nicht gerechnet hatte: WIE begeistert viele der Leser waren, dass sie mitwirken „durften“. Ich hab zahlreiche Danksagungen bekommen, dabei machten die Leute letztlich Arbeit für mich! Spätestens da war mir klar, dass diese Art von Zusammenarbeit ein vielfach ungehobener Schatz ist.

Wie waren deine diesbezüglichen Erfahrungen? Was hast du an der „interaktiven Arbeitsweise“ besonders geschätzt?

Für mich war die Zusammenarbeit durchweg positiv. Man muss natürlich ein paar „Fähigkeiten“ mit bringen: Man muss mit Kritik umgehen können. In der Lage sein, das Wichtige herauszufiltern. Vor allem muss man gerne kommunizieren, meint in dem Fall: Auch zuhören! Und letztlich muss man wissen, was man tut. Wenn man selbst zu unsicher ist, was die eigene Arbeit, den eigenen Text angeht, verzettelt man sich. Denn es gibt IMMER mehrere Meinungen, die gegensätzlichen sind sowieso überproportional vertreten. Wenn das aber einmal funktioniert, hat man irgendwann eine kleine bzw. wachsende Community, die man nicht nur jederzeit um Rat fragen kann, sondern die einen auch motiviert oder sogar aktiv unterstützt. Es haben schon mehrere Leute Tage (!) an Arbeit in mein Projekt investiert, einfach weil sie sich damit identifizieren, es gut finden. Da war ich manchmal wirklich gerührt!

Wo kommt Teamwork an seine Grenzen?

Ich weiß nicht, ob das auch mit mehreren Tausend Leuten funktioniert, was ich da mache. Aber das Problem möchte ich erst einmal haben. Im Moment „kenne“ ich noch alle sehr aktiven Leuten einzeln, aber natürlich hätte das auch irgendwann eine Grenze. Und wenn ich als Autor nicht mehr ab und zu auch mal direkt antworte oder eingehe auf jemanden, wären die Bindungen sicherlich nicht so eng. Aber dann müsste man eben andere Wege finden.

Welche Lehren ziehst du bislang aus deinem „Selbstversuch“? Was würdest du heute anders machen?

Für mich ist die wichtigste Lehre, dass ich das in Zukunft immer so machen möchte: Öffentlich und gemeinsam kreativ arbeiten. Denn für mich hat es fast nur positive Effekte gegeben. Ein wenig muss ich in manchem Bereichen noch die Balance finden: Wann nervt ein Thema, weil man es zu oft bringt? Wie viel „Werbung“ kann ich den Leuten zumuten? Macht die bei den ewig selben Leuten irgendwann überhaupt noch Sinn? Die Gefahr ist, dass man die Leser irgendwann als selbstverständlich nimmt, aber letztlich können die auch wahnsinnig schnell wieder verschwinden. Man muss eben bei so einem Projekt auch immer Entertainer sein oder zumindest neue, interessante Informationen liefern, sonst dreht sich das Karussell weiter …

Danke, Michael, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst. Lunte gerochen hast du jedenfalls: Seit gestern gehst du abermals ein Projekt in Eigenregie an. Ein eBook mit ausgewählten Kurztexten die bei jetzt.de erschienen sind. Dafür suchst du Testleser. Glück auf dabei – und weiterhin Erfolg und Freude mit Soap.

Freundlicherweise stellte Michael mir einige Leseexemplare zur Verfügung. Wer sich für sein Debüt als Selfpublisher interessiert und “Soap” besprechen möchte, möge sich bei mir melden.

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In der losen Interview-Reihe “Steglitz fragt … bei Autoren nach” standen bereits Rede und Antwort:  Jando, Petra van Cronenburg, Petra Röder, Nicole Sowade aka Miss Januar, Jan-Uwe Fitz aka Vergraemer, die Sachbuch-Autorin Sonya Winterberg der Berner Shooting-Star Patric Marino und Wilhelm Ruprecht Frieling, im Social Web als Prinz Rupi bekannt. Stets geht es darum, wie die befragten Autoren die Entwicklungen infolge der Digitalisierung einschätzen, welche neuen Wege sie nutzen und wo sie Chancen und Risiken sehen.

Steglitz fragt bei Michael Meisheit nach

„Letztlich helfen gegen die Vorurteile nur Geduld und Beharrlichkeit“

Michael Meisheit ist ein erprobter Autor, der seit 15 Jahren erfolgreich Drehbücher für die populäre Fernsehserie „Lindenstraße“ schreibt, die immer sonntags um 18:50 Uhr im Ersten läuft. Obwohl er als ihr Autor bekannt und im Mediengeschäft erfahren ist, entschied er sich, seinen Roman Soap in Eigenregie zu veröffentlichen. Soap, dachte ich bei mir als wir uns kennenlernten, so gar nicht meine Kragenweite …

© Michael Meisheit

stolz aufs Werk © Michael Meisheit

Dann hat mich die Geschichte vom Filmstudenten Lukas doch gepackt, dem die Chance geboten wird, bei einer populären Soap namens „Schöneberg“ als Autor einzusteigen. Er stolpert von einer Kuriosität zur nächsten, tritt von einem Fettnäpfchen ins andere, hangelt sich von Schlappe zu Schlappe und ahnt nicht, dass da einer im Hintergrund geschickt die Strippen zieht. Keine Frage, Meisheit kennt das Unterhaltungssujet aus dem FF.  Darüber hinaus beeindruckte mich die Genese des Debüts, die der Autor auf seinem Blog von Anbeginn dokumentiert hat. Nachdem ich mich eingehender mit der Entstehungsgeschichte des Romans und Meisheits Entschluss beschäftigt hatte, unter die Indie-Autoren zu gehen, habe mich gefragt, ob Soap nicht sogar auch ein Lehrstück für Selfpublisher ist. Nachzulesen ist das hier.

Seit Erscheinen des Romandebüts sind nunmehr sechs Wochen vergangenen. Mir scheint die Zeit reif, den frisch gebackenen Selbstverleger nach seinen Erfahrungen zu befragen. Heute möchte ich u.a. von ihm wissen, wie er Chancen und Risiken bezüglich Selfpublishing einschätzt, warum er sich für CreateSpace entschieden, welche Erfahrungen er damit gemacht hat und wie er mit Vorurteilen gegen Autoren umgeht, die ihre Publikationen in Eigenregie auf den Markt bringen.

Was hat dich bewogen, dein Debüt „Soap“ in Eigenregie durchzuziehen?

Seit längerem rede ich davon, dass das Internet für Kreative völlig neue Möglichkeiten eröffnet, die noch viel zu wenig genutzt werden. Die Stichworte sind Transmedia, Unabhängigkeit, Interaktivität, Arbeiten mit der „Crowd“. Im Sommer diesen Jahres war dann endlich etwas zeitlicher Freiraum in Sicht, so dass ich mir gesagt habe: Dann mach doch jetzt auch mal! Nun hatte ich ein altes Manuskript – „Soap“ – in den Untiefen meiner Word-Ordner schlummern. Ein vorhandener Text – den ich zweifelsohne liebte, aber nicht erst schreiben musste – war perfekt für einen ersten Gehversuch auf den neuen Wegen, fürs Ausprobieren, fürs Experimentieren.

Welche Vorteile hast du dir von deiner Entscheidung versprochen?

Die Vorteile waren diffus. Es ging vor allem um neue Erkenntnisse, um Dazulernen in jeglicher Hinsicht. Aber auch sehr viel darum, bei der kreativen Arbeit komplett mein eigener Herr sein zu können. Nach Jahren in den Mühlen der Unterhaltungsindustrie war die Aussicht auf ein Schaffen ohne Kompromisse, enge Rahmenbedingungen und kurzsichtige Gegenüber traumhaft.

Wie schätzt du die Entwicklung in Richtung Selfpublishing generell ein?

Ich finde sie großartig. Natürlich ist das für alle erst einmal unübersichtlich und verwirrend. Manchen macht es Angst, manche sind genervt. Aber ich kann mir für einen kreativen Menschen keine bessere Situation vorstellen, als am Anfang einer neuen, umwälzenden Entwicklung dabei zu sein. Es gibt noch keine ausgetretenen Pfade, keine Erbhöfe, kein „das haben wir schon immer so gemacht“. Natürlich wird das Rad nicht neu erfunden – ein Buch ist ein Buch – aber es kommen neue Formen, neue Mitspieler, neue Wege dazu. Für mich ist das erst einmal positiv.

Wo verortest du Risiken?

Ich sehe ein wenig die Gefahr, dass die Leser nicht richtig mitgenommen werden. Dass es in solch einer Umbruchphase Reibungsverluste gibt, ist naheliegend und wird sich nicht verhindern lassen. Aber wenn sich allgemein der Eindruck durchsetzt, Selfpublishing macht alles nur kompliziert, anstrengend und führt letztlich nicht zu interessanten Publikationen, dann wird man lange brauchen, um das in der breiten Öffentlichkeit wieder aufzubrechen. Die Flut von in jeglicher Hinsicht schlechten Texten und fehlende Mechanismen, um diese auszusortieren, ist ein Problem. Das teilweise aggressive und unlautere Auftreten einiger Selfpublisher ein weiteres. Es wird darauf ankommen, wie die Autoren-Gemeinschaft damit umgeht. Und darauf, dass Wege entstehen, durch die sich die Spreu vom Weizen trennt.

Wo machst du in diesem Kontext besondere Chancen aus?

Es besteht die ernsthafte Chance, dass großartige, unterhaltsame oder außergewöhnliche Publikationen entstehen, die nicht den Marktgesetzen gehorchen. Und es besteht die Chance, das kleine, besondere Texte, die vielleicht nur wenige Menschen ansprechen – aber diese umso mehr – das Licht der Welt erblicken. Kein anderes Medium als das Internet bringt spezielle Interessen so zusammen. Jeder kann etwas finden. Und es wird sich dann auch lohnen, „nur“ für eine paar Leute etwas zu schreiben.

Gegen Indie-Autor gibt es gewisse Vorbehalte. Wie gehst du damit um?

Im Moment amüsieren sie mich noch. Ja, was mache ich denn bloß, wenn mich dann doch mal ein „echter Verlag“ verlegen will? Denn das ist nach wie vor die häufigste Frage, die ich zu hören bekomme. Dass ich gerne und freiwillig diesen Weg gehe, erscheint vielen noch nicht denkbar. Auch dass man als Selfpublisher manchmal etwas herablassend in die Kategorie „schreibende Hausfrau“ eingeordnet wird – am Besten noch von Leuten, die „Harry Potter“ verschlungen haben – entbehrt auch nicht einer gewissen Komik. Aber dass einem dadurch bei klassischen Medien oder auch in bestimmten Internetbereichen der Weg versperrt bleibt, nervt schon. Letztlich helfen gegen die Vorurteile nur Geduld und Beharrlichkeit.

Warum hast du dich für den Weg über CreateSpace entschieden?

Cover Soap

Liebe, Intrigen, Verrat …

Das ist einfach: Es rechnete sich. CreateSpace hat mir mit Abstand das beste Angebot für mein Taschenbuch gemacht. Ich konnte es für 9.90 Euro verkaufen und mit mehr als zwei Euro enorm daran verdienen. Anderswo hätte ich mindestens 15 Euro, meist sogar noch mehr verlangen müssen – und hätte nicht einmal groß etwas daran verdient. Ohne CreateSpace hätte ich vielleicht erst einmal sogar nur ein eBook herausgegeben, denn mehr als 10 Euro wollte ich für „Soap“ nicht verlangen.

Wie waren deine Erfahrungen beim Prozedere?

Es hilft sicherlich, wenn man des Englischen mächtig ist. Dass die CreateSpace-Seite noch nicht auf Deutsch vorhanden ist, dürfte auch abschrecken. Nimmt man aber einen der vielen Ratgeber zur Hilfe und ist man in der Lage, Fragen in Foren beantwortet zu bekommen, ist das Ganze wirklich ein Kinderspiel.

Hattest du spezielle du Hürden zu nehmen?

Das Veröffentlichen mit CreateSpace selbst war wirklich kein Problem. Unterschätzt hatte ich eher den ganzen Prozess des „Setzens“. Also dass der Text auch nach inhaltlicher Ausarbeitung und mehrfachem Gegenlesen noch lange nicht fertig war – ich sag nur Schusterjungen und Hurenkinder. Dafür hatte ich definitiv zu wenig Zeit eingeplant, die aber CreateSpace locker rausholte, indem das Buch quasi über Nacht bei Amazon reingestellt wurde – und es nicht wie vielerorts angekündigt eine Woche dafür brauchte.

War der Support ausreichend?

Viel Support direkt von CreateSpace habe ich nicht benötigt. Die Website gab alles her, was ich brauchte – vor allem mit der exzellenten Vorschau. Allerdings weiß ich nicht, wie es ist, wenn man auf Probleme stößt und mal mit einem Menschen reden möchte. Kurios finde ich nach wie vor, dass meine Autorenexemplare nicht – wie die Verkaufsexemplare – von Amazon Leipzig kommen, sondern aus den USA. Dadurch hat man sehr unwägbare Lieferzeiten und unter Umständen Probleme mit dem Zoll. Daran muss CreateSpace für den deutschen Markt sicherlich noch etwas tun.

Bist du mit den Ergebnissen zufrieden?

Sehr. Für die geringen Kosten, die der Druck macht, und dafür, dass ich ohne direkte professionelle Begleitung alles zusammengebastelt habe, kann sich das fertige Buch wirklich sehen lassen. Die meisten Leute sehen keinen Unterschied zu einer Verlagspublikation. Das einzige Problem, auf das ich bisher gestoßen bin, sind mögliche Unterschiede zwischen den einzelnen Exemplaren. Ich hatte schon leichte Farbabweichungen beim Cover. Und einige Leute hatten eine extrem feste Bindung bei ihrem Buch. Man kann also nie sicher sein, dass das nächste Buch auch wieder so schön ist wie das letzte. Und die „amerikanischen“ Bücher haben etwas schöneres Papier – minimal dicker und „cremiger“. Das würde ich mir auch für die Leipziger Bücher wünsche.

In Teil 2 des Gesprächs erfahren wir u.a., weshalb Michael Meisheit mit eBook und der gedruckten Version von „Soap“ zweigleisig fährt, warum er auf den Platzhirschen Amazon setzt und welche Lehren er aus seinen bisherigen Erfahrungen als Selbstverleger zieht. – Freundlicherweise stellte Michael mir einige Leseexemplare zur Verfügung. Wer sich für das Debüt in Eigenregie interessiert und „Soap“ besprechen möchte, möge sich bei mir melden.

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In der losen Interview-Reihe “Steglitz fragt … bei Autoren nach” standen bereits Rede und Antwort:  Jando, Petra van Cronenburg, Petra Röder, Nicole Sowade aka Miss Januar, Jan-Uwe Fitz aka Vergraemer, die Sachbuch-Autorin Sonya Winterberg der Berner Shooting-Star Patric Marino und Wilhelm Ruprecht Frieling, im Social Web als Prinz Rupi bekannt. Stets geht es darum, wie die befragten Autoren die Entwicklungen infolge der Digitalisierung einschätzen, welche neuen Wege sie nutzen und wo sie Chancen und Risiken sehen.

In eigener Sache: Ein Interview bei litaffin

Für SteglitzMind habe ich in den vergangenen Monaten zahlreiche Gespräche mit Autoren und buchaffinen Bloggern geführt. Den Spieß umgedreht hat jetzt Anne Stukenborg, die mich für litaffin befragte, das Blog des Masterstudiengangs Angewandte Literaturwissenschaft der FU Berlin.

Was genau steckt hinter deiner Interviewreihe mit bibliophilen Bloggern und wie kam es dazu?

In deinen Interviews spielen auch die Entwicklungen im Literaturbetrieb eine Rolle. Gibt es bei den Bloggern einen gemeinsamen Nenner zum Thema E-Books und Selfpublishing?

Wie nimmst du persönlich die Digitalisierung des Buchmarktes wahr?

Welche Potenziale siehst du in der Literaturbloggerszene?

Können Blogs als Multiplikatoren (auch) für Selfpublisher dienen, was Vermarktung, Rezensionen usw. betrifft?

Wie stellst du dir die Zukunft des Buches und seiner digitalen Geschwister vor?

littaffin.

Wer sich für meine Antworten interessiert, kann diese hier nachlesen. – Ich sage Anne und litaffin danke für das Gespräch.

ADLON. Ein Trostschreiben von Ubiquiste

© Der Kulturflüchter

© Der Kulturflüchter

Dem ZDF bescherte der Mehrteiler „Adlon. Eine Familiensaga“ vom Produzenten Oliver Berben und Regisseur Uli Edel eine sensationelle Gesamtquote. An den drei Abenden am 6., 7. und 9. Januar 2013 sahen jeweils rund 8,5 Millionen Zuschauer hin. Mich hat das Spektakel enttäuscht, um nicht zu sagen: verärgert.

Umso mehr freue ich mich, dass SteglitzMind mit freundlicher Genehmigung auszugsweise einen Beitrag aus dem Un-Periodikum „Der Kulturflüchter“ übernehmen darf, der sich kritisch mit dem Mehrteiler auseinandersetzt. Hinter dem Pseudonym Ubiquiste (nomen est omen) steht übrigens ein Kenner, was die Kenntnis von Geschichte und des Filmgeschäfts angeht.

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„Eine Gesellschaft, die sich der Erinnerung verweigert, wird die Fehler von gestern heute wiederholen.“ (Wilhelm von Sternberg)

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ADLON. Ein Trostschreiben von Ubiquiste

Das ist unter Verwandten und auch Freunden üblich und wirkt besonders, wenn dieses nicht im ersten Schmerz geschrieben wird, sondern – wie in diesem Fall – der erste und zweite Schmerz überwunden ist und die Heftigkeit der Anteilnahme, die selbst des Trostes bedarf, sich gelegt hat. Um was geht es? Um einen Film! Sag’ bloß?

Je mehr und inniger wir am Geschick des Jahrhundertwerks teilnehmen, desto lebendiger wird die Teilnahme als Trost wahrgenommen, wir – die Zuschauer, die eigentlichen Trostbedürftigen, sprechen unser ungeheucheltes Mitgefühl aus, in der Hoffnung auf eine wohltätige Wirkung auf die Verantwortlichen, die uns mit dem Dreiteiler überrascht haben, den Aussagen des Edelmannes zufolge sich mit der höchsten Zuschauerzahl – gegenüber den Tatorten – zufrieden geben konnten, wenn auch diese Aussage eher dafür steht, viel und mehr an Masse vermuten zu lassen. Und was sagt uns das?

Es tut – den Kulturflüchtern – unendlich leid zu sagen, dass diese  ADLON-Saga ein verschenktes Thema ist, weit hinter den Nibelungen, stellenweise operettenhaft, eine Visitenkarte indes für die Kostümbildner, die Maskenbildner, die Filmarchitekten und die Requisiteure, ausnahmslos professionell, mitunter jedoch wie telefoniert ablaufenden Dialogen, peinlich trotz der engagierten Talente. („Was den Film vor der Mittelmäßigkeit rettet, ist die prominente Besetzung“, Berliner Stadtmagazin). Kaiser Wilhelm aus der Muppetshow, den haben die Deutschen wirklich nicht verdient, der echte war schon Figura puppi genug.

Es mag darüber hinwegtrösten, dass keine der Episoden allzu entfernt vom Wahrscheinlichen liegen, es verwundert die Austauschbarkeit des Geschehens, ein wenig Buddenbrock, etwas vom Cabaret und Rosamunde Pilcher, umrühren und köcheln lassen, der Hunger treibt’s rein: die Bilder, die Szenen, die Dokumentation. Geschichtsträchtige Daten – aha! So war das! Es zerreißt einen, wenn mitten beim Quotensex – eine Pflichteinstellung! – der Reichstag lichterloh in Flammen aufgeht und uns vor der Erbärmlichkeit eines Coitus interruptus bewahrt. Allerdings, soviel deutsche Geschichte ist selten.

Ich werde daher nicht in die Elogen vorgefertigter PR-Texte einstimmen, dafür werden Sie mich vielleicht hassen, aber ich bemühe mich redlich zu erklären, warum der ADLON-Film nicht das Bildschirmereignis 2013 war, wie man uns das einreden möchte – das Jahr hat ja eben erst begonnen – und erkläre Ihnen gerne, warum ich anderer Meinung bin. Bitte!

Der Traum vom ADLON überlebte jeden Krieg, die Revolution, die physische Zerschlagung und die DDR – diese deutsche Geschichte – wenn dieser Art Stoffe weiter so behandelt werden – wird es nicht.

Es bleibt der Verdacht: der Geschichte, sprich Historie wird misstraut, sie wird nicht als ’gut genug’ befunden, um den Zuschauer mit der Wahrheit zu langweilen. Und bei so viel Aufwand wäre mit weitaus weniger Mitteln eine gut erzählte Geschichte die bessere Wahl gewesen. So folgt man lieber dem vermeintlichen Publikumsgeschmack, den man nicht müde wird, sich auf ihn zu berufen und gar behauptet, ihn zu kennen. Wir kleckern nicht. Wir klotzen. Und darin liegt das Geheimnis, warum immer wieder das Gleiche, das Selbe dabei herauskommt, die Titel wechseln, die Darsteller, Szenen ähneln sich, sind austauschbar.

Anno Dazumal – was geschehen ist und immer noch geschieht, seit eh und je zum Abenteuer entartet, alles, was der Gesellschaft zustößt führt zu unvorhergesehenen Konsequenzen, wie alles, was das Leben damals ausgemacht hat – ganz wie heute – es ist gerade mal 90 Jahre her: Geschichten von kleinen Leuten, zumeist aber ’großen’ Leuten, Unternehmern, die sich – so oder so! – als wirksame Elemente bemerkbar machten, Namen, die für eine Sache gestanden haben, gut oder schlecht, Erfinder und Gründer, Politiker, Bürger, Künstler – in einem entsetzlichen Drunter und Drüber.

Das hinter allem stehende Unheil zu beschreiben, angesichts der Montageflut, ist nicht unter die Haut gegangen und, außer denjenigen, die immer alles besser wissen, vermag auch ein Name wie der des Billy Wilder niemand so recht klar geworden sein, wer dieser Mann gewesen sein soll? Da wäre ein Ben Hecht, sein Freund und späterer Drehbuchautor, eher zu benennen gewesen, denn der hatte einen Bezug zum ADLON.

Bundesarchiv, Bild 102-13848F / CC-BY-SA,aus: Wikipedia

Bundesarchiv, Bild 102-13848F / CC-BY-SA,
aus: Wikipedia

„Im Jahr 1918 schickte ihn die „Chicago Daily News“ nach Berlin, um über das Deutsche Reich zu berichten. Der Amerikaner … war vielleicht der erste, der nach dem Krieg nach Berlin kam … An einem klaren Novembertag traf er in Berlin ein, drei Tage vor der Revolution. Er sprach kaum Deutsch … Hechts Hauptinformant der ersten Berliner Tage wurde ein Englisch sprechender Kellner des Hotel ADLON, in dem er auch Quartier bezog. Dieser Kellner informierte über die bevorstehenden Aktionen Liebknechts.“ (Helga Herborth, Karl Riha)

Dagegen sind die, die ein Wörtchen mitzureden hatten und am Ende mit dem Leben, ihrer Existenz bezahlten, vollends ausgeblendet: Jacob Wassermann, Siegfried Jacobson, Karl Kraus, Kurt Tucholsky, Frank Wedekind, Matthias Walden und Elsa Lasker-Schüler – Erich Maria Remarque, Franz Werfel, Walter Hasenclever, Gustav Meyrinck, Harry Graf Kessler – nur diese, die mochten die Deutschen aber nicht, sie waren wie ’Rufer in der Wüste’, die man am Ende aus dem Land jagte.

Thomas Mann, Albert Einstein und im Nachhinein noch die  Dietrich in den Kontext mit dem ADLON zu stellen ist, aufgrund deren unbedeutender Beziehungen zur Institution, historisch nicht einwandfrei.

Wir müssen uns sagen lassen, dass nahezu ausnahmslos, die zur damaligen Entwicklung Stellung bezogen, in die Flucht geschlagen wurden; bestraft für das, was sie zu sagen wagten; wie auch ein ganzes Volk bestraft – und innerhalb einer Dekade noch einmal – weil sie kritische Worte nicht ertragen konnten. Daran hat sich nicht viel geändert. Die aber, deren Werke auf den Scheiterhaufen landeten – hatten einfach nur Recht behalten.

Eine Katastrophe, die sich in ungezählten Schicksalen einer verschmähten Republik widerspiegelte, droht in mancher Hinsicht auch den Enkeln; während gegenwärtig die Ausweglosigkeit von Politik und einer verstiegenen Finanzwelt sich zu wiederholen scheinen, erinnern wir uns der unglückseligen Schlachten vor unserer Zeit und sehen zu, ob die Botschaft deutlich genug ausfällt, um endlich verstanden zu werden.

Aus welchem Grund man der Geschichte – sprich Historie –eine Fiktion überstülpt, bleibt schleierhaft. Autor und Regisseur, („Konfektionsarrangeur“ – Berliner Morgenpost) und Produzent laufen Gefahr einer unbedarften Generation Geschichtsunterricht zu erteilen – um nach weiteren Erzählungen dieser Art alles, was über Geschichte geschrieben, erlebt und überliefert wurde, dem Scheiterhaufen zu übergeben und wir uns dar ob eingestehen: was wir waren, sind wir offensichtlich nicht gewesen.

Unsere eher düstere Vergangenheit, die sozialen Probleme, ohne Humor, nur noch als eine Abfolge von Begierde und Lust darzustellen, kommt ohne das wirkliche Schicksal nicht aus, zum Leben verurteilt, von einer Aktion in die andere wankend – so scheint es, hat sich allmählich auch ein bestimmter Stil in der Darstellung von Charakteren herausgebildet, der, gleichgültig in welchem Kostüm oder auch Maske – es kommt wie eine Empfehlung: Als Mensch verhält man sich so.

Wir  benehmen uns falsch.

Man muss wohl da hineingewachsen sein, um das, was angesagt ist, auch durchhalten zu müssen und niemals den Drang zu empfinden, wegen all dieser kleinen Lügen, die noch als clever beschrieben werden, dagegenzuhalten. Gerade das aber würde jeden Künstler hervorheben und infolge der Umstände angepasster Kultur und eingebürgerter Erzählweise, das dringende Bedürfnis zu äußern, sich eine Auszeit zu gönnen, als sich im Rahmen der Quote zu verhalten. Wer so denkt, er oder sie, würde anders schreiben, sich anders bewegen, anders sprechen, sie würden andere Filme drehen.

„Diese Welt ist eine Welt zweier Götter. Es ist eine Welt des Aufbaus und des Zerfalls zugleich. In der Zeitlichkeit erfolgt diese Auseinandersetzung, und wir sind daran beteiligt.“ (Alfred Döblin, 1932 i. s. Stellungnahme zu den kritischen Äußerungen am Buch: »Berlin Alexanderplatz«)

„Die Wirtschaftskrise, die Anfang 1914 ihren Höchststand an Konkursen, Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit erreichte, war auch im Sommer nicht abgeklungen. Es kam eine neue Arbeitslosenwelle durch die massenhafte Schließung mittlerer und kleinerer Betriebe, deren Aufträge rückgängig gemacht oder nicht ausgeführt werden konnten, weil der Gütertransport lahm gelegt war.“ (Annemarie Lange »Das Wilhelminische Berlin«, Dietz Verlag, 5. Auflage 1988)

Das ist keine neue Sicht auf die alpgeträumte Wirklichkeit, noch geht es darum, die Vorlage als unsere einzige Welt zu begreifen; festzustellen, wo wir stehen uns noch im Licht wähnend, wo es doch eine Menge Dunkelheit gibt, in der viel mehr Menschen leben und sich allen Lastern des Daseins hingeben.

Natürlich dürfte im ADLON der Kohlrübenwinter 1916 keine so tragische Rolle gespielt haben. Nur, vor der Tür auf der Straße sah es anders aus. Die Stadt war verwahrlost, die Straßenreinigung funktionierte nicht, es fehlten die Kräfte. Handwerker gab es nicht, auch nicht für Geld, in den gepflegten Vierteln als auch in den einfachen Arbeiterbezirken bröckelte der Putz, der vorherrschende Eindruck war: Grau in Grau.

„Und auf öffentlichen Anlagen, den Wiesen, die vorher zu betreten „strengstens verboten“ waren, wurden Gemüse und Kartoffeln angepflanzt. Auf den Balkonen der Mietskasernen wuchsen die bis dahin unbekannten Tomaten, rankten sich Bohnen, gleich neben einem Gehäuse für Karnickel und ein paar bedauernswerten Hühnern. Die Menschen waren von Hunger und Entbehrungen gekennzeichnet, die jungen Leute – wie die Alten – schlichen gebückt, als trügen sie schwer am Gewissen, die Augen tief in den Höhlen. Noch nie zuvor zeigte sich derart ungeniert das ganze unfähige, morsche bürokratische System – als das beste der  Welt gepriesen. Und das ist nur eine oberflächliche Beschreibung des Elends – dem zwei fürchterliche Jahre folgen sollten.“ (a.a.O.)

Und das war selbst den Besuchern im ADLON kein Thema? Siehst Du, lieber Zuschauer, so war’s. Ach, war das so? Aus einer National-Idylle erwuchs am Ende ein Gespenst des Schreckens. Es zu verjagen blieb den Deutschen wenige Jahre. Es ist die besondere Tragödie, dass sie von den vielen, vielen Rezepten für ein Leben in Freiheit und Gerechtigkeit – das Falsche wählen.

© 2013 von Ubiquiste aus: Der Kulturflüchter N° 5

Das Un-Periodikum erscheint im Zeitlichkeitverlag, Herausgeber ist B. Claus DeFuyard. „Der Kulturflüchter“ präsentiert sich in Bälde auch mit einem Blog. – Der hier veröffentlichte Text ist ein Auszug aus „ADLON. Ein Trostschreiben“ von Ubiquiste, in: Der Kulturflüchter N° 5