Alles gut, Buchbranche? Fragen an den Buchhändler Klaus Kowalke

Vom 20. – 24. April 2016 findet zum zweiten Mal der Zwickauer Literaturfrühling statt, zu dem sechzehn Verlage mit einem vielfältigen Programm beitragen. Ich werde dort die Autorin und Verlegerin Zoë Beck, den Buchhändler Klaus Kowalke und den Literaturkritiker Marc Reichwein treffen. Anlässlich des Welttages des Buches am 23 April wollen wir in einem gemeinsamen Gespräch die Risiken und Chancen der Buchbranche ausloten. „Alles gut, Buchbranche?

Im Vorfeld des Literaturfrühlings in Zwickau stand mir freundlicherweise bereits Zoë Beck Rede und Antwort; nun Klaus Kowalke. Er betreibt in Chemnitz die Buchhandlung Lessing und Kompanie, eine der 108 Buchhandlungen, die für ihr Engagement im vergangenen Jahr mit dem „Deutschen Buchhandlungspreis“ ausgezeichnet wurden.

Allseits ist zu hören, dass der Buchhandel derzeit eine Renaissance erfährt. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Klaus Kowalke © Christoph Künne

Klaus Kowalke © Christoph Künne

Die Indiebookszene hat dem stationärem Sortiment imagemäßig sehr geholfen (oder war es umgekehrt?). Es gibt tatsächlich eine positive Grundstimmung in der Branche, die nehmen wir auch wahr. Es gibt eine Renaissance des schönen Buchs. Lesen ist cool. Die kleine (literarische) Buchhandlung ist cool.

Lange Zeit stand der Buchmarkt unter dem Verdikt, die Herausforderungen der Digitalisierung zu verschlafen. Inzwischen erweckt die Branche den Anschein, als sei alles im Lot …

Ich zitiere den Buchmarkt: „Im aktuellen BuchMarkt-Heft entzaubert Markus Klose ein paar digitale Mythen, die sich in den Köpfen mancher Digital Natives festgesetzt haben. Er belegt: „Die Buchbranche hat die Digitalisierung nicht verschlafen, sondern mit vorangetrieben.“ Diese Meinung teile ich. Im Lot? Ich weiß nicht, mich interessieren die technischen Fortschritte nicht. Die Auseinandersetzungen mit den Möglichkeiten der digitalen Zukunft des Buchmarkts müssen andere führen.

Wo verorten Sie derzeit die größten Risiken?

Nach wie vor im Onlinehandel, er betrifft alle Branchen. Die Umwälzungen die sich hier abzeichnen, lassen uns Abschied nehmen von belebten Innenstädten. Lassen uns aber auch Abschied nehmen von der Gewerbesteuerfinanzierung der Kommunen und Gemeinden. Ob Aktionen wie buy local hieran etwas ändern? Das ist eine globale Entwicklung, da bin ich skeptisch.

Was meinen Sie, wie wird sich der Buchmarkt in den kommenden Jahren entwickeln?

Die Branche wird schrumpfen. Vielleicht gesundschrumpfen. Das Buch wird es weiterhin geben. Grundsätzlich: positiv.

In unserem Gespräch im Juli 2013 haben Sie „Buch pur“ promotet. Damals waren weder das elektronische Buch, noch Publikationen von Self-Publishern eine Option für Ihre Buchhandlung „Lessing und Kompanie“. Halten Sie an dieser Linie fest?

Ja, unbedingt! Wir fahren sehr gut damit und bauen die Marken „Buch pur“ und „EinfachBuch“ weiter aus. Unsere Umsatzzuwächse resultieren hauptsächlich aus der intensiven Auseinandersetzung mit den Büchern der Schriftstellerinnen und Schriftsteller (und deren Verlagen).

Natürlich verkaufen wir 5-10 Ebooks im Jahr, wir haben auch 4-5 Titel von Selfpublishern im Programm. Es geht um Kundenwünsche bei den Ebooks und um die Relevanz bei den Selfpublishern. Aber das hinterlässt wirtschaftlich keine Fußspuren. Um nicht den Unmut der Selfpublisher heraufzubeschwören: Wir führen ein kleines hochliterarisches Sortiment in einem Wohngebiet ohne Laufkundschaft, d. h. unser Einkauf ist ohnehin geprägt von „zu viel“, was die Verlage anbieten (und wir auswählen müssen), und den Möglichkeiten, die unsere Stammkundschaft uns gibt bzw. erwartet und/oder wir ihr empfehlen können und wollen.

Der Aspekt der Filterfunktion Lektorat/Verlag darf nicht hoch genug eingeschätzt werden. Unsere Zeit ist begrenzt, wir müssen uns auf die Programmqualität der Verlage verlassen können. Und das Ganze muss sich unter wirtschaftlichen Bedingungen abspielen. Da spielt die Rolle der Bündelung der Auslieferungen eine Rolle, da spielen Bezugs- und Transportkosten eine Rolle, da spielen Vertretertermine eine Rolle. Gerade die nicht kleine Indiebookszene hat es geschafft, mit einigen Partnern einen professionellen Vertrieb aufzubauen, der es erlaubt wirtschaftlich einzukaufen. Mittlerweile kaufen wir für unser Sortimentsprogramm nur noch über Verlagsvertreter ein. Ein Sortimentsprogramm spiegelt genauso wie das Programm eines Verlages die Intention der Inhaber wider.

Was halten Sie von der Entwicklung, dass Verlage immer stärker auf den Direktverkauf setzen und die Leser fokussieren?

Wir beobachten das sehr genau. Falls Verlage als Partner für den Buchhandel wegfallen oder besser gesagt „wegfallen wollen“ so ergibt sich daraus nicht unmittelbar ein Problem: Es gibt eine Überproduktion im deutschsprachigen Buchmarkt, es ließen sich leicht andere Verlagspartner finden. Aber auf bestimmte Verlage möchten wir nur ungern verzichten. Also gibt es doch ein Dilemma.

Welche Themen brennen Ihnen auf den Nägeln? Und was würden Sie gerne in unserem Gespräch im Rahmen des Zwickauer Literaturfrühlings aufgreifen?

Das ist eine gute Frage! Ich möchte ja vor einem Literaturfrühlingspublikum nicht zu sehr Brancheninterna diskutieren als vielmehr die Frage, was bewegt die Leute: Spielt Kunst und Literatur in ihrem Leben überhaupt noch eine Rolle?

Danke sehr, Klaus Kowalke. Ich freue mich auf unser Wiedersehen in Zwickau.

Das Gespräch setzen wir am 23. April um 19.30 Uhr fort. Ort: KV Freunde Aktueller Kunst e.V. | Hölderlinstraße 4 | 08056 Zwickau

Alles gut, Buchbranche? Fragen an Zoë Beck

Vom 20. – 24. April 2016 findet zum zweiten Mal der Zwickauer Literaturfrühling statt, zu dem sechzehn Verlage mit einem vielfältigen Programm beitragen. Ich werde dort die Autorin und Verlegerin Zoë Beck, den Buchhändler Klaus Kowalke und den Literaturkritiker Marc Reichwein treffen. Anlässlich des Welttages des Buches am 23 April wollen wir in einem gemeinsamen Gespräch die Risiken und Chancen der Buchbranche ausloten. „Alles gut, Buchbranche?

Im Vorfeld des Literaturfrühlings in Zwickau steht mir freundlicherweise Zoë Beck Rede und Antwort. Die Autorin ist diesjährige Preisträgerin des renommierten „Deutschen Krimipreises“ und leitet als Verlegerin gemeinsam mit Jan Karsten den CulturBooks-Verlag.

Nach den Diskussionen über ihre Zukunftsfähigkeit scheint sich die Buchbranche wieder auf ureigene Themen zu besinnen: Meinungsfreiheit, Vielfalt, kultureller Austausch und nicht zuletzt – das Buch. Das dürfte dir doch eigentlich gelegen kommen?

ZB: Dass es um Themen geht, statt um Technik? Grundsätzlich: ja. Wir wollen, dass die Texte im Vordergrund stehen, ganz egal, wie und worauf man sie liest. Allerdings habe ich tatsächlich den Eindruck einer „Rückbesinnung“, weil das Thema, wie sich eBooks in den Buchhandel bringen lassen, nun wieder großzügig unter den Tisch fällt und in der Diskussion einigen wenigen überlassen wird, statt sich gemeinsam zu bemühen.

Das klassische Feuilleton speckt ab; Besprechungen werden immer marginaler. So befand Thierry Cherval vom Perlentaucher, dass sich die Zahl der Literaturkritiken seit 2000 halbiert hat. Wie gehst du als Autorin und als Verlegerin mit dieser Entwicklung um?

Zoë Beck © Anette Göttlicher

Zoë Beck © Anette Göttlicher

ZB: Natürlich wird jetzt sehr viel mehr auf die Buchblogs geschielt, und einige kleinere Verlage schreiben fast schon aggressiv Menschen, die im Netz irgendwas mit Büchern zu tun haben, an und betteln – ausgerechnet! – um Amazonkritiken und ähnliches. Dann gibt es noch Agenturen, die für Verlage Blogbesprechungen vermitteln, teils gegen Bezahlung für die Blogbetreiber*innen. Oder Verlage organisieren selbst Portale extra für Blogger*innen. Nun sind Buchblogs in ihrer Ausrichtung und auch der Qualität der Besprechungen so unterschiedlich, dass man das unmöglich alles unter einer Kategorie zusammenfassen kann. Für manche Titel klappt es auf Blogs, für andere klappt es im Feuilleton. Manches verkauft sich nach einer Besprechung besser, meistens passiert aber leider gar nicht mal so viel. Ich finde, worauf wir alle achten sollten – Feuilleton oder Blog: nicht immer dasselbe besprechen. Wir hatten in Deutschland mal eine durchaus gesunde Midlist, aber die bröselt seit einiger Zeit weg. Wenn dann überall nur die immer selben angesagten Spitzentitel durchgereicht werden, tut es der Vielfalt nicht gut. Und war das nicht gerade wieder ein Thema, auf das sich die Branche besinnen wollte, Vielfalt?

Buchblogger sind derzeit in aller Munde. Versprichst du dir von den Multiplikatoren im Netz Heil?

ZB: Wie gesagt, es kommt sehr auf den jeweiligen Titel an. Es gibt wahnsinnig viele Blogs, aber welche davon haben wirklich den Impact, einen Bestseller zu machen? Das geht nur über die Masse. Und wenn sich dann, wie gerade auf der Leipziger Buchmesse Thema war, ein großer Teil der Buchblogs professionalisiert, kommen die Verlage mit ihren Rezensionsexemplaren nicht mehr hinterher … Dann wird wieder strenger ausgewählt, und ein paar wenige Blogs werden meinungsführend sein. Womit sich auch die Blogs in der Breite schwertun, sind die eher literarischen eBook only-Titel. Wer Literarisches bespricht, will noch das Buch als Buch, wer eBooks bespricht, ist häufig in der Selfpublisherszene oder in bestimmten Genres unterwegs. Es gibt allerdings ein paar sehr feine Blogs, die da keine Berührungsängste haben, wir Digitalverlegerinnen haben uns mit einigen auf der Messe getroffen und über einen besseren Austausch nachgedacht. Die traditionelle Presse ignoriert eBooks nach wie vor. In der FAZ hat Elke Heinemann eine Kolumne, das Missy Magazine war das erste Printmedium, in dem eBooks wirklich besprochen wurden. Sonst: nichts. Von daher sind wir, die wir nicht die Marketing- und Vertriebspower von Konzernverlagen haben, sehr froh über die Möglichkeiten im Internet. Als Autorin hingegen habe ich sehr breite Wahrnehmung in den Feuilletons gehabt, da darf ich mich gar nicht beschweren.

Das Verdikt, die Digitalisierung zu verschlafen, beherrschte lange Zeit die Diskussionen. Inzwischen erweckt die Branche den Anschein, als sei alles im Lot. Wie siehst du das? Ist der Buchmarkt für das digitale Zeitalter fit genug?

ZB: Das Thema wurde etwas weggeschoben. Auf der einen Seite ist es gut, dass ein bisschen die Hysterie aus der Diskussion verschwunden ist, weil man so nüchterner die Dinge betrachten kann. Andererseits dürfen die tastsächlichen Probleme nicht aus dem Blick geraten: Wenn ich etwa ein eBook über die Buchhandlung meines Vertrauens beziehen will, ist es immer noch umständlich und die Buchhandlung selbst verdient viel zu wenig daran, obwohl sie die gesamte Beratung übernimmt. Wir sind da ehrlich gesagt nicht sehr viel weiter.

Wo verortest du derzeit die größten Risiken?

ZB: Das Wegbrechen der Midlist. Das Ignorieren der Vielfalt. Wir bemühen uns im Digitalen um die Abbildung der Vielfalt, wenn sie schon im Print immer weniger stattfindet (Verfügbarhaltung von älteren Titeln etc.).

Der Kuchen, den es zu verteilen gilt, wird immer kleiner: neue Marktteilnehmer und Self-Publisher, die sich zunehmend professionalisieren. Bereitet dir die wachsende Konkurrenz Sorgen – als Autorin/als Verlegerin?

ZB: Ach, Märkte ändern sich ständig, wer weiß, was in fünf Jahren ist. Wir machen uns für das stark, woran wir glauben, und wir sind ja nicht die einzigen, die das gut finden. Unser Publikum ist ein anderes als das der erfolgreichen Selfpublisher, die bestimmte Genres und Subgenres bedienen. Genau das tun wir ja nicht. Da nehmen wir uns gegenseitig nichts weg.

Es heißt ja, der Buchhandel habe seine Scheu vor eBooks überwunden. Wie erlebt Ihr das bei CulturBooks?

ZB: Wir wollen nach wie vor sehr gern mit Buchhandlungen enger zusammenarbeiten. Langsam tut sich etwas. Uns geht das natürlich nicht schnell genug, wir scharren da schon seit es uns gibt mit den Füßen. Und so ganz überwunden ist die Scheu ja auch nicht. Viele Probleme bestehen, wie schon erwähnt, immer noch.

CulturBooks ging Ende 2013 als Verlag für elektronische Bücher an den Start. Warum verlegt Ihr inzwischen auch Print?

ZB: Wir sehen uns als modernen Literaturverlag. Wir denken vom Text aus: Wie lässt sich ein bestimmter Text am besten präsentieren und vertreiben? Das wird bei einer Kurzgeschichte oder einer kürzeren Novelle ein schönes eBook sein, das kann bei einem aktuellen Roman ein Paperback oder ein Hardcover sein, mit dem man dann auch besser und nachhaltiger die Buchhandlungen erreicht und Leute, die lieber Printbücher lesen. Das ist keine Frage des „entweder/oder“:  Natürlich wird es auch immer ganz konservativ eine eBook-Ausgabe geben. Doch warum sollte man sich einem bestimmten Vertriebsweg grundsätzlich verschließen?

Welche Themen brennen dir auf den Nägeln? Und was würdest du gerne in unserem Gespräch im Rahmen des Zwickauer Literaturfrühlings aufgreifen?

ZB: Aus Sicht der Verlegerin nach wie vor das Thema: Ist es nicht egal, wie und worauf wir lesen? Lasst uns einfach weiterlesen. Auch hier kommt es doch auf die Vielfalt an: Mal der Griff zum gut gemachten Buch, mal der zum Reader. Hauptsache wir lesen gute Texte! Aus Sicht der Autorin: Mischen wir uns genug ein? Wir Autor*innen haben doch alle eine Stimme, nutzen wir sie genug und richtig? Oder lassen wir uns zu sehr vom Unterhaltungsanspruch plattmachen?

Danke sehr, Zoë. Ich freue mich auf unser Wiedersehen in Zwickau.

Das Gespräch setzen wir am 23. April um 19.30 Uhr fort. Ort: KV Freunde Aktueller Kunst e.V. | Hölderlinstraße 4 | 08056 Zwickau

Alles gut, Buchbranche? (Teil 2)

Trotz eines leichten Umsatzrückganges im vergangenen Jahr (minus 1,7 Prozent) gab sich die Branche auf der gerade zu Ende gegangenen Leipziger Buchmesse siegesgewiss. Nach Ansicht des Börsenvereins wurden die Herausforderungen des digitalen Wandels gemeistert. Die Branche sei „zukunftsfähiger denn je“, meinte Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis. Tatsächlich sind die heftigen Diskussionen, die bis vor einigen Monaten sogar eine breitere Öffentlichkeit bewegt haben, abgeebbt. Es ist ruhig geworden in der Branche. Vereinzelte Scharmützel noch, die sich eher um partikuläre Interessen drehen. Die Gemüter haben sich beruhigt; die Zeiten passé, zu denen eine Sau nach der anderen durch die Branche getrieben wurde.

Buch(s)baum © Zwickauer Literaturfrühling

Buch(s)baum © Zwickauer Literaturfrühling

Buchaffine Blogs. Davon versprechen sich die Verlage inzwischen eine Menge. Es ist noch nicht lange her, da mussten Buchblogger um Rezensionsexemplare betteln. Man schenkte ihnen keine Beachtung, vielfach wurden sie sogar belächelt. Irgendwann bekam man offensichtlich mit, dass im Netz 1 Prozent der Nutzer für über 50 Prozent des Traffics sorgen und Blogger „Influencer“ sind. Inzwischen wird die Buchszene im Netz regelrecht hofiert. Was freilich vornehmlich dem Umstand geschuldet ist, dass das Feuilleton abspeckt und Buchkritik immer marginaler wird. Der Buchhändler Thomas Calliebe bietet Bloggern in seinem Laden in Groß-Gerau Präsentationsflächen, Verlage stellen eigens Ansprechpartner ab, organisieren Blogger-Challenges und Bloggertreffen, auf den Buchmessen gibt es Bloggerlounges, die Verlagsgruppe Random House betreibt seit März 2015 ein eigenes Portal für Blogger. Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse, die 800 Blogger besucht haben, fand erstmals eine Bloggerkonferenz statt; auch einige Kölner Verlage laden Buchblogger und Booktuber im Juni 2016 zu einer Konferenz. – Das aktuelle Trendthema „Blogger Relation“ scheinen derzeit viele für ein Heilsversprechen in der Art eines „Sesam öffne dich“ zu halten. Ein Hype, der voraussichtlich ebenso schnell vorübergeht wie schon andere zuvor.

Arriviert sind inzwischen auch die Self-Publisher, die sich professionalisiert und vernetzt haben, etwa in einem eigenen Verband. Inzwischen macht das Self-Publishing, vor kurzem in der Branche noch verhöhnt, das am schnellsten wachsende Segment der Buchbranche aus. Anzunehmen ist, dass in Kürze über diesen Weg mehr Titel auf den deutschen Markt kommen als über klassische Verlage. BoD etwa schätzt, dass im Jahr 2017 etwa 175.000 neue Titel von Selberverlegern erscheinen werden. Längst wird die Szene nicht mehr müde belächelt, sondern als Marktgröße und Konkurrenz wahrgenommen. Auf den Messen existieren eigene Ausstellungsbereiche; Dienstleister buhlen um die Autoren. Um den Markt wird immer raffinierter und härter gekämpft. Die Plattform epubli beispielsweise bietet bis 15. Juni 2016 Self-Publishern erstmals auch die kostenfreie Veröffentlichung einer Print-Publikation mit einer ISBN an.

Manche meinten ja, dass die Niedrigpreise der Self-Publisher die Preismodelle der klassischen Verlage ins Wanken bringen könnten. Das scheint nicht der Fall zu sein. Inzwischen denken do-it-yourself-Autoren vielmehr darüber nach, ihre Arbeit nicht mehr unter Wert verkaufen zu wollen. Die Verlage sehen hier Gefahren und Chancen. Längst halten sie nach erfolgreichen oder vielversprechenden Selbstverlegern Ausschau. Sie beteiligen sich an Communities wie etwa die Verlagsgruppe Bastei Lübbe, die sich die Mehrheit an Bookrix gesichert hat, oder sie bauen eigene Self-Publisher-Imprints auf. So beispielsweise die Verlagsgruppe Droemer Knaur, die ihre Plattform neobooks gezielt für die Manuskript-Auswahl nutzt, oder die Self-Publisher-Plattform Twentysix, eine junge Kooperation zwischen Random House und BoD.

Der Börsenverein des deutschen Buchhandels, der vielen nicht wendig genug erschien, reagierte ebenfalls auf die Herausforderungen. Eine Strukturreform, die auf den Berliner Buchtagen im Juni 2015 beschlossen wurde, soll schnellere Entscheidungswege, größere Transparenz, verbesserte Kommunikationsstrukturen und eine stärkere Partizipation aller Marktteilnehmer ermöglichen. Noch ist da allerdings reichlich Luft nach oben offen.

In der einst ebenso streitbaren wie umstrittenen Buchbranche ist still geworden. Verdächtig still? Für Schlagzeilen sorgten in jüngerer Zeit lediglich die Verlage, denen zwei Gesetzentwürfe contre coeur gingen. So die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, dass Verwertungsgesellschaften wie VG Wort die Urheberpauschale nur an Autoren, nicht aber an Verlage ausschütten dürfen, was wiederum erhebliche Nachzahlungen zur Folge haben könnte. Und die vorgesehene Novellierung des Urheberrechts, die unter anderem für Urheber eine Ausstiegsoption nach fünf Jahren vorsah. Bislang konnte die Dauer individuell festgelegt werden und geschah das nicht, gilt eine Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Autors. Auch diese Aufreger scheinen inzwischen obsolet. Der Gesetzentwurf sieht die Fünfjahresfrist nicht mehr vor. Sie wurde durch ein „Recht zur anderweitigen Verwertung nach zehn Jahren“ ersetzt. Und was ist mit dem Gesetzentwurf über die Ausschüttungspraxis der Verwertungsgesellschaften? Das dürfte den Europäischen Gerichtshof abermals beschäftigen.

Manchmal wirft noch das altbekannte Schreckgespenst Amazon seine Schatten. Hin und wieder wird über den Kompetenz- und Geltungsverlust der Literaturkritik geklagt und die Buchhändler fordern höhere Preise für Bücher. Ansonsten regt man sich derzeit allenfalls noch über das Verbot von Plastiktüten und die 99-Cent-Preise auf. Letzteres Problemchen scheint sich von selbst zu regulieren, da immer mehr Verlage die Buchpreise runden. – Alles im Lot? Erlebt die Buchbranche derzeit einen zweiten Frühling? Oder sind die Zeiten allgemein für eine eher selbstgefällige Nabelschau zu stürmisch geworden? Hat die Branche tatsächlich keine Probleme mehr? Sind die Fronten wirklich geklärt? Fragen, die ich im Rahmen einer Gesprächsrunde mit der Autorin und Verlegerin Zoë Beck, dem Buchhändler Klaus Kowalke und dem Literaturkritiker Marc Reichwein beim Zwickauer Literaturfrühling am 23. April aufwerfen werde.

Ob sich die Menetekel für das Buch, Buchhandlungen und Verlage erfüllt haben, frage ich im ersten Teil des Beitrages „Alles gut, Buchbranche?“

Alles gut, Buchbranche?

Erlebt die Buchbranche derzeit einen zweiten Frühling? Die heftigen Diskussionen, die sogar eine breitere Öffentlichkeit bewegt haben, sind abgeebbt. Es ist ruhig geworden in der Branche. Vereinzelte Scharmützel noch, die sich eher um partikuläre Interessen drehen. Die Gemüter haben sich beruhigt; die Zeiten passé, zu denen eine Sau nach der anderen durch die Branche getrieben wurde.

Buch(s)baum © Zwickauer Literaturfrühling

Buch(s)baum © Zwickauer Literaturfrühling

Digital oder analog? An den viel beschrieenen Tod des gedruckten Buches glaubt indes heute niemand mehr. Gedruckte und elektronische Bücher leben in friedlicher Koinzidenz. Selbst Bibliophile, die lange behaupteten, Print unverbrüchlich die Treue halten zu wollen, verkünden inzwischen stolz, eine Bibliothek in der Tasche zu tragen. Weiterhin wird gelesen. Kein einziges Menetekel hat sich erfüllt! Obwohl die Umsätze auf dem deutschen Buchmarkt im vergangenen Jahr erneut geschrumpft sind, bleibt die Zahl derjenigen, die gelegentlich zum Buch greifen, laut einer Studie des Börsenvereins stabil. Die Tolino-Allianz bietet dem Kindle die Stirn und geniallokal dem Internetriesen Amazon Paroli. Und: die TTIP-Verhandlungen wollen die Buchpreisbindung ausklammern, zudem wird die Preisbindung zukünftig auch für E-Books gelten. Umsatzsteuerrechtlich ziehen sie freilich (noch) nicht mit gedruckten Büchern gleich.

Sogar der totgesagte klassische Buchhandel erlebte eine Renaissance! Und wird für sein Engagement seit dem vergangenem Jahr noch dazu mit dem „Deutschen Buchhandlungspreis“ geehrt. Befürchtungen, das Sortiment sei nicht für notwendige Innovationen bereit, haben sich zerstreut. Fast jeder Buchladen verfügt heute über einen Online-Shop und hat auch E-Books im Angebot. Seine Scheuklappen bezüglich Self-Publishing scheint der Buchhandel ebenfalls abzulegen. Laut der „Self-Publishing-Studie 2016“, die BoD gestern vorlegte, haben 42 Prozent der befragten Buchhändler aktuell selbstverlegte Titel im Sortiment. Und jeder Dritte meint sogar, dass das Phänomen in Zukunft für das stationäre Sortiment noch an Bedeutung gewinnt.

Obwohl es immer wieder hieß, dass der Onlinehandel, und allen voraus Amazon, dem stationären Buchhandel den Garaus macht, wird nach wie vor jedes zweite Buch im Buchladen gekauft. Mit einem Anteil von gut 16 Prozent sind die Online-Händler nur der drittgrößte Konkurrent des stationären Sortiments. Die Probleme haben sich verlagert. Nicht Amazon, sondern die unerbittlichsten Widersacher sind aktuell die Verlage; jedes fünfte Buch wird von ihnen direkt verkauft. Noch vornehmlich an die Nebenmärkte; doch zunehmend gelangen auch die Endkunden (die Leser) ins Visier der Verlage.

Allen Unkenrufen zum Trotz haben die Verlage, obschon sie weiterhin unter Innovationszwang stehen, die digitalen Herausforderungen nicht komplett verschlafen. Sie führen elektronische Bücher im Programm, verzichten zunehmend auf einen harten Kopierschutz und lockern ihre Lizenzpolitik, was u.a. E-Book-Flatrates zugutekommt. Es ist en vogue, für die digitalen Titel eigene Segmente zu schaffen; derzeit vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein neues Imprint aus der Taufe gehoben wird. Und das, obwohl der E-Book-Marktanteil langsamer wächst als von den Verfechtern prophezeit und der Kuchen dank Self-Publishing und vielen neuen Marktteilnehmern immer kleiner wird. Noch dazu ist das E-Book außerhalb des Internets medial kaum sichtbar, Rezensionen wie etwa in der Kolumne „E-Lektüre“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bleiben selten.

Heute kaum noch vorstellbar ist, dass die Verlage lange vor den neuen Kommunikationsmöglichkeiten zurückschreckten. Längst machen sie es sich zu Nutzen, dass sich die Leser Informationen auch digital besorgen; aus Blogs, Youtube, via Whatsapp, Snapchat, Instagram oder aus der Timeline diverser Social-Media-Kanäle. Beim größten Player präsent zu sein, ist heute beinahe schon ‚old school‘. Youtube und Twitter werden ebenfalls genutzt, zudem rücken Instagram, Pinterest und Snapchat in den Fokus. Wer es sich leisten kann, unterhält eine eigne Online-Abteilung oder zumindest einen Social-Media-Berater. Freilich sagen weder die Präsenz, noch die Anzahl der Follower oder Fans etwas über den Ertrag aus. Fakt ist, dass es immer schwieriger wird, mit Facebook-Seiten nennenswerte Reichweiten zu generieren. Möglicherweise hängt damit zusammen, warum Verlage wieder auf eigene Blogs setzen, die im Zuge des Social-Media-Hypes in den Hintergrund geraten waren.

Alles im Lot? Erlebt die Buchbranche derzeit einen zweiten Frühling? Oder sind die Zeiten allgemein für eine eher selbstgefällige Nabelschau zu stürmisch geworden? Hat die Branche tatsächlich keine Probleme mehr? Sind die Fronten wirklich geklärt? Fragen, die ich im Rahmen einer Gesprächsrunde mit der Autorin und Verlegerin Zoë Beck, dem Buchhändler Klaus Kowalke und dem Literaturkritiker Marc Reichwein beim Zwickauer Literaturfrühling am 23. April aufwerfen werde.

Schlaglichter auf Blogs, Self-Publishing und andere Vorzeichen, die einen zweiten Frühling der Buchbranche nahelegen, werfe ich an dieser Stelle.

„Ich schreibe meinen Autoren nichts vor, vor allem nicht, was oder wie sie zu schreiben haben.“ Ein Gespräch mit Lea Korte über Schreibschulen und Autoren-Coaching

Lea Korte veröffentlicht bei Droemer Knaur historische Romane, Liebesromane beim Aufbau Verlag und unter Pseudonym liegen bei Heyne und Bastei Lübbe Sachbücher und Liebesromane von ihr vor. Seit 2011 bietet die rührige Autorin, die seit Jahrzehnten im Süden lebt, zudem Online-Autorenkurse und ein Manuskriptcoaching an. Beides nahm Gabriele Schmid wahr, mit der ich Gespräche über ihren Weg als Autorin und Eigenverlegerin geführt habe. Darüber kam ich mit Lea Korte in Kontakt, die sich freundlicherweise bereit erklärte, mir im Zusammenhang mit Schreibschulen einige Fragen zu beantworten. – Ich sage Lea Korte herzlich danke, dass sie sich die Zeit genommen hat.

Dem Literaturinstitut in Leipzig und dem Studiengang Kreatives Schreiben in Hildesheim eilt der Ruf voraus, Türöffner für Verlage und den Literaturbetrieb zu sein. Werden Autoren ernster genommen, die spezielle Schulungen durchlaufen haben?

Ja, ich denke schon, dass dies der Fall ist. Wann immer ich mit Agenten oder Lektoren über die Autoren meiner Kurse und deren Werke rede, sehe ich ja auch, auf welch großes Interesse ich stoße. Der Agent oder der Verlagslektor weiß, dass die Projekte, die im Rahmen des Kurses entwickelt wurden, handwerklich einwandfrei und optimiert sind. In der Tat haben ja auch schon einige „meiner“ Autoren den Weg in Publikumsverlage geschafft beziehungsweise einen Agenturvertrag unterschreiben können.

Anfang des Jahres sorgte ein ZEIT-Kommentar von Florian Kessler für Aufregung, in dem auch die Literaturinstitute in Hildesheim und Leipzig ihr Fett abbekamen. Wie sehen Sie das: Besteht die Gefahr, dass Schreibschulen uniforme Literatur produzieren?

Lea Korte © Lea Korte

Lea Korte © Lea Korte

Nein, diese Gefahr sehe ich nicht – und in meinem Kurs schon gar nicht. Ich schreibe meinen Autoren nichts vor, vor allem nicht, was oder wie sie zu schreiben haben. Das Autorenhandwerk, das ich im Kurs vermittele, ist einfach das Rüstzeug, das jeder Autor braucht, wenn er vorankommen will – und das bedeutet nicht, dass man ab da „nach „Regeln schreibt“. In der Tat habe ich derzeit sogar in jedem Kurs einige äußerst „regelwidrige“ Romane, denen ich aber größte Chancen auf dem Buchmarkt einräume, gerade weil sie anders, weil sie originell, weil sie etwas ganz Besonderes sind. Ich helfe Autoren, das Optimum aus IHRER Romanidee zu machen und stelle vor allem Fragen, durch die der Autor selbst den richtigen Weg finden kann, und zwar einen, der dann auch zu ihm passt.

Reicht ein solides literarisches Handwerk tatsächlich aus, um als Autor unter heutigen Bedingungen zu reüssieren?

Nicht allein, denn mindestens ebenso wichtig ist die Romanidee, die Figuren… Beides muss Hand in Hand gehen, und deswegen arbeiten ich im Kurs ja auch auf mehreren Ebenen.

Das „wie erzähle ich?“ mag man lernen können. Aber doch nicht das „was erzähle ich?“. Oder?

Doch, auch das. Ideenfindung gehört zur Arbeit im Kurs. Nicht alle Autoren kommen schon mit einer Romanidee; die, die noch keine haben, finden sie im Kurs. Auch hierfür gibt es durchaus Techniken.

Sie haben selber Schreibkurse belegt; meines Wissens sogar bereits in Ihrer Schulzeit. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Ich habe schon in der Schule – was damals sicher der Zeit voraus war – Kurse in „creative writing“ besuchen können, auch später jede Schulungsmöglichkeit wahrgenommen, den ständigen Austausch mit guten Kollegen gesucht und viele, viele Romane analysiert, um zu sehen: Was geht, was nicht? Was zieht den Leser weiter, was wirft ihn raus? Wie baut welcher Autor die Figuren, die Spannung auf? Etc. Und ich habe bei alledem immens viel gelernt – und gebe dieses Wissen heute weiter.

Was hat Sie bewogen, Kurse für Autoren anzubieten?

Je bekannter ich geworden bin, desto öfter habe ich Mails von Autoren mit der Bitte bekommen, mir ihre Texte doch mal „kurz“ anzusehen und eine Einschätzung bzw. „ein paar Tipps“ zu geben. Damit aber ist es in 99% der Fälle nicht getan. Da fehlt Handwerk, die Figurenentwicklung ist nicht hinreichend durchdacht, die Spannungskurve flacht schon nach wenigen Seiten wieder ab, etc. Das alles aber kann man nicht „in drei Worten“ vermitteln. Und da ich, wenn, dann richtig helfen wollte, habe ich diesen Kurs entwickelt.

Sollte man ein gewisses Rüstzeug mitbringen, wenn man sich bei Ihnen fortbilden will?

entführt in phantastische Welten... © Lea Korte

entführt in phantastische Welten… © Lea Korte

Wichtig ist die Liebe zum Schreiben, Ausdauer und Kritikfähigkeit. Wer diese drei Dinge mitbringt, der hat in der Regel alles, was man braucht, um sich weiterentwickeln zu können. Ich sehe ja immer wieder, wie sehr sich die Projekte und Romanszenen der Autoren allein schon in nur drei Monaten weiterentwickeln!

Wie schätzen Sie die Entwicklung ein, dass mit dem Aufkommen des Selfpublishings auch Schreibschulen wie Pilze aus dem Boden wachsen?

Das Problem ist – wie immer -, dass der Autor am Ende vor der Schwierigkeit steht, den richtigen Mentor/Lehrer zu finden. Es gibt sehr gute Mentoren, Coacher, Schreiblehrer, etc. – aber es gibt auch weniger gute, die ihr Handwerk selbst nicht verstehen. Hier die Spreu vom Weizen zu trennen ist für einen Autor, der ja zunächst nur einen Blick von außen auf das werfen kann, was da angeboten wird, sicher nicht einfach.

Worauf sollte man bei der Wahl einer Schreibschule besonders Acht geben?

Die Chemie zwischen dem Autor und seinem Mentor muss stimmen. Die Kursdauer sollte nicht zu kurz angelegt sein, denn Roman und Autor brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Es sollte nicht nur um das Handwerkszeug, das Schreiben an sich gehen, sondern man sollte auch Hilfe bei der Roman- und Figurenentwicklung, dem Plot, dem Exposé, der Leseprobe bekommen. Man sollte einen Probemonat machen können. Wichtig wäre mir als Autor auch der Austausch mit anderen Autoren. Wie ich dies zum Beispiel in meinem (nur für Kursteilnehmer offenstehenden) Autorenforum anbiete und das in sehr großem Umfang genutzt wird.

Sie sind eine eingeführte Autorin, die inzwischen sogar vom Schreiben leben kann. Was raten Sie dem Nachwuchs?

Wichtig ist, so langweilig sich das jetzt auch anhören mag, Disziplin, Ausdauer und Geduld. Ein Roman schreibt sich nicht „in drei Minuten“, der braucht Zeit – auch Zeit zum Atmen, sprich Zeit, in der man ihn mal liegenlässt, damit der Blick für ihn wieder frei wird, man Abstand zu seinem Werk bekommt. Und der andere wichtige Tipp hängt damit direkt zusammen: Ein gutes Buch ist das Ergebnis von vielen, vielen Überarbeitungsschritten. Nur die allerwenigsten Autoren können einen guten Text aus dem Ärmel schütteln. Der „normale“ Autor, und das sind sicher die meisten, braucht dafür viele Überarbeitungsschritte. Ein guter Roman wird seinen Weg gehen, aber bis er gut ist, muss man viel Zeit und Energie reinstecken. Und das Wissen, wie man beim Überarbeiten vorgeht, kann dabei nur nützlich sein.

Herr Braunsdorf, was meinen Sie, was wäre zu tun, damit der Buchhandel zukunftsfähig bleibt?

Zoë Beck, Lorenz Borsche, Boris Langendorf und Stefan Weidle standen mir im Vorfeld der Diskussionsrunde „Wie groß ist die Zukunft des Buches?“ dankenswerterweise hier Rede und Antwort. Nun kann man sich fragen, warum ich nicht auch beim Initiator der Veranstaltung, Jörg Braunsdorf, nachgehakt habe?

Hab‘ ich! Der Beitrag ist gestern in der Rubrik Das Sonntagsgespräch bei Buchmarkt online erschienen.

Logo © Tucholsky-Buchhandlung

Logo © Tucholsky-Buchhandlung

 

Die Gesprächsrunde, von der Jörg Braunsdorf sich auch Signale an die Politik und den Börsenverein für den deutschen Buchhandel erhofft, findet am Dienstag, den 3. Juni 2014, um 19.00 Uhr in der Tucholskystr. 47 in Berlin/Mitte in der Tucholsky-Buchhandlung statt. Der Eintritt ist frei, um Voranmeldung, entweder per E-Mail  [kurt(at)buchhandlung-tucholsky(dot)de] oder via Facebook, wird gebeten.

Gäste sind: Siegmund Ehrmann, MdB (Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien), Zoë Beck (Autorin und e-Book-Verlegerin CulturBooks), Lorenz Borsche (Vorstand der buchhändlerischen Genossenschaft eBuch), Boris Langendorf (freier Publizist), Daniel Leisegang (Politikwissenschaftler, Redakteur der Monatszeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“ und Autor von „Amazon. Das Buch als Beute”) und Stefan Weidle (Verleger und Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung).

„Wir sollten unser System nicht nur verteidigen, sondern es vielmehr offensiv propagieren!“ Im Gespräch mit Stefan Weidle

???????????????????????????????Wie groß ist die Zukunft des Buches?“ – so ist eine Diskussionsrunde überschrieben, mit der SteglitzMind indirekt verbandelt ist. Und zwar insofern als die Gespräche mit Buchhändlern/innen, die ich seit letztem Sommer führe, dafür Pate standen. In seinem Beitrag kündigte der Inhaber der Berliner Tucholsky-Buchhandlung Jörg Braunsdorf an, die Fragestellungen der Interviewreihe anderenorts vertiefen zu wollen. Seinen Worten folgen nun Taten. Die Diskussionsrunde, von der Braunsdorf sich auch Signale an die Politik und den Börsenverein für den deutschen Buchhandel erhofft, findet am Dienstag, den 3. Juni 2014, um 19.00 Uhr in der Tucholskystr. 47 in Berlin/Mitte in der Tucholsky-Buchhandlung  statt.

Gäste sind: Siegmund Ehrmann, MdB (Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien), Zoë Beck (Autorin und e-Book-Verlegerin CulturBooks), Lorenz Borsche (Vorstand der buchhändlerischen Genossenschaft eBuch), Boris Langendorf (freier Publizist), Daniel Leisegang (Politikwissenschaftler, Redakteur der Monatszeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“ und Autor von „Amazon. Das Buch als Beute”) und Stefan Weidle (Verleger und Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung).

Ich erwarte mir im Vorfeld der Berliner Buchtage, die übrigens Tags darauf beginnen, eine spannende Diskussion, zu der Ihr herzlich eingeladen seid. Der Eintritt ist frei, um Voranmeldung, entweder per E-Mail  [kurt(at)buchhandlung-tucholsky(dot)de] oder via Facebook, wird gebeten.

Als Appetizer gibt es auf SteglitzMind vorab Gespräche mit einigen Gästen, die das Podium bestreiten werden.

Heute – Stefan Weidle

„Es geht um das Buch“ – steht auf dem Best-of-Katalog der Kurt-Wolff-Stiftung und neuerdings auch auf knallroten Stofftaschen, die auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse erstmals am Stand der Stiftung zu haben waren. Die Assoziation liegt nahe, dass das Buch gefährdet ist. Wie sehr sorgen Sie sich darum?

Als wir den Slogan erfanden, das muß 2006 gewesen sein, hatten wir noch keine Gefährdung des Buches dabei im Blick. Es ging uns da eher um die Wurst, bzw. die Assoziation zu dieser. Freilich könnte man den Satz, wie Sie, heute anders verstehen, und ich sorge mich zwar nicht um das Buch, verfolge aber manche Entwicklung rund um das Buch mit Sorge, etwa die Wahrnehmung des Buches als bloßer Content, bei dem es egal ist, in welcher Form er rezipiert wird. Ein Buch ist ein Zusammenklang von mehreren Elementen: Die Wahrnehmung dafür tritt unseligerweise mehr und mehr in den Hintergrund.

Stefan Weidle  © Jürgen Eis

Stefan Weidle © Jürgen Eis

Offenbar ist Amazon ja nicht nur der größte Feind des Buchhandels. Für den Buchhändler scheint der Riese aus Seattle auch die einzige Gefahr zu sein? Ist das nicht zu eng gedacht?

Amazon ist nicht nur der Feind des Buchhandels. Amazon ist der Feind unserer gelebten Kultur, die doch zu einem großen Teil aus den Begegnungen in den Städten besteht, aus dem Flanieren. Wir binden uns durch unser gemeinsames Leben in Städten und Dörfern zusammen, betrachten einander und vergleichen. Nur wo wir zusammentreffen, sind wir das Volk (wer mag schon in verödeten Innenstädten demonstrieren, wo alle Schaufenster längst von selbst zerbrochen sind?). Wenn es Amazon und Konsorten gelingt, den Einzelhandel auszumanövrieren, dann ist das ein Ende für vieles, worauf wir uns gründen. Aber es ist ja nicht nur Amazon, es ist der Slogan der Nemesis: Geiz ist geil. Wenn wir auf andere Werte als Geld Wert legten, könnte man den Untergang noch aufhalten. Aber sobald heute drei Menschen irgendwo zusammenkommen, werden Preise verglichen. Der Preis hat längst den inneren Wert der Ware ersetzt. Etwas ist nicht den Nutzen wert, den es bringt, sondern den Betrag, den es gekostet hat. Also zu Ihrer Frage zurück: Der gesamte Online-Handel ist der Feind.

Die Angst ist groß, dass die Buchpreisbindung mit dem transatlantischen Freihandels­abkommen fallen könnte. Könnten denn freie Preise nicht sogar eine Belebung des Buchmarktes zur Folge haben?

Wenn die Preisbindung fällt, schließe ich drei Monate später meinen Verlag. Ich jogge zurzeit gelegentlich mit einem Briten, der mir in den wärmsten Farben schilderte, was in seinem Land nach Aufhebung der Preisbindung passiert ist. Die Bücher wurden sehr viel teurer, und die Buchhandlungen machten sich auf den Weg über die Wupper – auch wenn die nicht durch Großbritannien fließt. Nein, freie Preise sind keine Belebung, eher eine Betodung des Buchmarktes. Schauen Sie nach Israel, dort war der Buchmarkt wegen des Preiskampfes zweier Ketten so unter die Räder gekommen, dass der Staat die Autorenhonorare übernehmen musste. Um den Komplettzusammenbruch zu verhindern, hat man die Preisbindung eingeführt. Wir sollten unser System nicht nur verteidigen, sondern es vielmehr offensiv propagieren! Die Schweiz wird schon bald die Früchte ihres Wahnsinns ernten, denn der stationäre Buchhandel wird es kaum auf Dauer überleben, dass Amazon jedes deutschsprachige Buch (also auch Bücher aus Schweizer Verlagen) mit 20% Rabatt auf den Ladenpreis portofrei in die Schweiz liefert. Natürlich ein Verlustgeschäft für Amazon (geliefert wird von DHL – deren Rolle beim bösen Spiel wird überhaupt nie hinterfragt), aber es geht ja nicht um kurzfristigen Gewinn, sondern um den Aufbau einer Monopolstellung. Man könnte sich wehren: Was, wenn jeder Schweizer bei Amazon ein Reclam-Bändchen bestellt und es sofort zurückschickt? Auch die Schweizer wären das Volk, wenn sie es denn sein wollten.

Selfpublishing ist in aller Mund; inzwischen satteln auch etablierte Verlage auf. Wie schätzen Sie das ein: Nur ein Hype oder ein langfristiger Trend, der den Buchmarkt umstülpt?

Ich beschäftige mich nicht damit. Wie gesagt, ist ein Buch für mich mehr als Content. Gut daran aber ist, dass die Bezahlverlage dadurch ihr Geschäft verlieren.

Neben Kleinstverlagen drängen zunehmend auch Labels von Selfpublishern auf den Markt, die den Käufer vermuten lassen, dass ein Verlag dahinter steht. Was halten Sie davon?

Ist mir noch nicht untergekommen. Aber: Niemand wird aus freien Stücken Selfpublisher. Man sucht doch immer zuerst einen Verlag. Und wenn jemand das Buch eines Selfpublishers für ein traditionell verlegtes Buch hält, ist das doch nur recht. Bücher sollen gelesen werden, egal auf welchem Weg sie in die Welt kommen. Wenn das Buch gut ist, spielt es keine Rolle, was auf dem Buchrücken steht.

Bei den Gesprächen mit Buchhändlern/innen für SteglitzMind konnte ich mich verschiedentlich nicht des Eindrucks erwehren, dass der Sortimenter bisweilen Publikationen aus Independent Verlagen und Titel von Selfpublishern in einen Topf wirft. Machen Sie ähnliche Erfahrungen? Und wenn ja, halten Sie das womöglich für problematisch?

Nein, diese Erfahrung habe ich noch nicht gemacht. Ich glaube nicht, daß Selfpublisher Buchhandelsvertreter und eine professionelle Auslieferung haben. Ein Sortimenter, der nicht jeden Morgen unmittelbar nach dem Aufstehen gegen seinen Schrank läuft und anschließend die Beule mit dem Klammerbeutel überpudert, kann das unterscheiden.

Die Zugehörigkeit zur Kurt-Wolff-Stiftung ist für Verlage ja quasi auch ein Gütezeichen. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten. Verzeichnen Sie im Zuge der Entwicklung, dass immer mehr Kleinstverlage entstehen, verstärkt Anträge auf eine Mitgliedschaft?

Ja, wir bekommen mehr Anträge als früher. Was uns zeigt, dass wir gelegentlich auch mal was richtig gemacht haben. Wir haben eine Kriterienkatalog auf unsere Website gestellt, und wer alle diese Kriterien erfüllt, wird automatisch in den Freundeskreis der KWS aufgenommen. Bei der Aufnahme in den Katalog entscheidet das Kuratorium der Stiftung (dem kein Verleger angehört), wer dafür qualifiziert ist; und natürlich wird immer wieder rotiert, auf die Dauer wird jeder Verlag auch mal aussetzen müssen. Mehr als 65 Verlage können wir im Katalog nicht präsentieren.

Als Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung sprechen Sie sich schon länger für eine staatliche Förderung engagierter Buchhandlungen aus. Jetzt kündigte Kulturministerin Monika Grütters an, den unabhängigen Buchhandel finanziell unterstützen zu wollen. Was versprechen Sie sich davon?

Das muss ich präzisieren: Es geht nicht um eine staatliche Förderung, also um Subventionen. Es geht darum, Buchhandlungen, die sich als kulturell wichtiger Ort etabliert haben, dafür mit einer Prämie auszuzeichnen, also analog den Auszeichnungen für die Programmkinos. Kulturell wichtige Buchhandlungen sind solche, die das Gespräch über Kultur ermöglichen. Wenn nämlich über Kultur nicht mehr gesprochen wird, stirbt sie. In vielen kleineren Orten findet Kultur, bzw. eine Debatte über Kultur, allein in Buchhandlungen statt; das muss so bleiben und sich noch verstärken. Und eine »vielfältige Verlags- und Literaturszene«, zu deren Förderung die KWS angetreten ist, findet kaum in Buchhandelsketten statt, sondern im inhabergeführten unabhängigen Buchladen. Natürlich geht es auch darum, die flächendeckende Versorgung mit Literatur zu sichern. Ich verspreche mir davon, dass Buchhandlungen nicht mehr in erster Linie als Warenumschlagplätze angesehen werden, sondern als staatlich anerkannte kulturelle Einrichtungen; diese Buchhandlungen bekommen dann ein Label an die Tür oder das Fenster, das darauf hinweist. Diese Plakette können auch Buchhandlungen bekommen, die nicht unabhängig oder zu umsatzstark für eine Prämie sind, aber ein gutes Kulturprogramm anbieten.

Von der Gesprächsrunde in der Berliner Tucholsky-Buchhandlung, bei der Sie am 3. Juni ebenfalls Gast sind, erhofft sich der Veranstalter Jörg Braunsdorf ein Signal in Richtung Politik und Börsenverein. Wo sehen Sie in diesem Kontext besonderen Nachholbedarf?

In Richtung Politik erhoffe ich mir ein wachsendes Bewusstsein für die Wichtigkeit des Buchhandels für unsere Kultur (jenseits derer die Verrohung lauert). In Richtung Börsenverein habe ich wenig zu sagen, da ich mit diesem konstruktiv und vertrauensvoll bei der Gestaltung des Prämiensystems für den unabhängigen Buchhandel zusammenarbeite.

Wenn Sie drei Wünsche an den Buchhandel frei hätten. Welche wären das in Ihrer Funktion als Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung? Und welche für Ihren Weidle-Verlag, mit dem Sie sich seit über 20 Jahren vorrangig um die Exilliteratur verdient gemacht haben?

Als KWS: 1. Mehr Einsatz für unabhängige Verlage. 2. Kein eigenes Indie-Regal, wir wollen nicht die armen Verwandten sein. Wenn unsere Bücher neben den uniformen Konzernprodukten liegen, sieht man erst, wieviel individueller sie gemacht und gestaltet sind. 3. Permanente Präsentation unseres Katalogs »Es geht um das Buch«. Die Kunden nehmen ihn sehr gerne mit, er muss nur sichtbar zur Mitnahme ausliegen.

Als Weidle Verlag (der übrigens inzwischen viel mehr macht als Exilliteratur): 1. Termine mit unseren Vertreterinnen. 2. Mehr Bestellungen von Leseexemplaren (unsere Bücher verkaufen sich leichter, wenn man sich davon überzeugt hat, dass sie überzeugend sind). 3. Verkauf ausschließlich unserer Bücher in gewaltigen Stückzahlen.

Es scheint im Trend zu liegen, sich die Buchhandlung der Zukunft auszumalen. Wie sieht Ihre persönliche Vision aus?

Meine Vision ist schon Bonner Realität und heißt Buchhandlung Böttger. Dort finde ich immer wieder Titel aus Verlagen, die selbst ich nicht kannte. Und treffe Autoren, die aus Mangel an kommerziellem Potential anderswo gar nicht erst eingeladen werden. Letzte Woche etwa Alfred Goubran, einen Wiener Autor, der einen großartigen Roman, »Durch die Zeit in meinem Zimmer«, bei Braumüller publiziert hat. Hand aufs Herz, Ihr Buchhändler: Wer kennt den, und wer hätte ihn eingeladen?

Ich wünsche mir in erster Linie von einer Buchhandlung, dass der Buchhändler belesener ist als ich selbst und mir Tipps gibt, für die ich ihm immer dankbar sein werde. – S. Corinna Bille hätte ich ohne meinen Buchhändler vermutlich nicht entdeckt, ebenso wenig Giovanni Orelli, von dem ich inzwischen sogar ein Buch publiziert habe (das im Impressum ein Dankeschön an Alfred Böttger enthält). Das ist meine Buchhandlung der Gegenwart, und meine Buchhandlung der Zukunft wünsche ich mir ganz genau so. Und ich weiß, dass es hierzulande Buchhändler gibt, die sich in diese Richtung bewegen.

Vielen Dank, Herr Weidle. Ich freue mich auf unsere persönliche Begegnung am 3. Juni in der Tucholsky-Buchhandlung.

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Am Sonntag, den 1. Juni,  könnt Ihr beim Buchmarkt ein Gespräch mit dem Initiator der Veranstaltung, Jörg Braunsdorf, lesen.

Zum Gespräch mit Lorenz Borsche von eBuch geht es hier, Zoë Beck  steht mir im Zusammenhang mit der Diskussionsrunde „Wie groß ist die Zukunft des Buches?“ hier Rede und Antwort und zu den Antworten von Boris Langendorf geht es hier

 

„Der Buchhandel wird dieses Geschäft anders betreiben als früher, aber er wird es weiter tun.“ Im Gespräch mit Boris Langendorf

???????????????????????????????Wie groß ist die Zukunft des Buches?“ – so ist eine Diskussionsrunde überschrieben, mit der SteglitzMind indirekt verbandelt ist. Und zwar insofern als die Gespräche mit Buchhändlern/innen, die ich seit letztem Sommer führe, dafür Pate standen. In seinem Beitrag kündigte der Inhaber der Berliner Tucholsky-Buchhandlung Jörg Braunsdorf an, die Fragestellungen der Interviewreihe anderenorts vertiefen zu wollen. Seinen Worten folgen nun Taten. Die Diskussionsrunde, von der Braunsdorf sich auch Signale an die Politik und den Börsenverein für den deutschen Buchhandel erhofft, findet am Dienstag, den 3. Juni 2014, um 19.00 Uhr in der Tucholskystr. 47 in Berlin/Mitte in der Tucholsky-Buchhandlung  statt.

Gäste sind: Siegmund Ehrmann, MdB (Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien), Zoë Beck (Autorin und e-Book-Verlegerin CulturBooks), Lorenz Borsche (Vorstand der buchhändlerischen Genossenschaft eBuch), Boris Langendorf (freier Publizist), Daniel Leisegang (Politikwissenschaftler, Redakteur der Monatszeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“ und Autor von „Amazon. Das Buch als Beute”) und Stefan Weidle (Verleger und Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung).

Ich erwarte mir im Vorfeld der Berliner Buchtage, die übrigens Tags darauf beginnen, eine spannende Diskussion, zu der Ihr herzlich eingeladen seid. Der Eintritt ist frei, um Voranmeldung, entweder per E-Mail  [kurt(at)buchhandlung-tucholsky(dot)de] oder via Facebook, wird gebeten.

Als Appetizer gibt es auf SteglitzMind vorab Gespräche mit einigen Gästen, die das Podium bestreiten werden.

Heute – Boris Langendorf

Sie analysieren und kommentieren die Entwicklungen auf dem Buchmarkt seit fast vier Jahrzehnten. Anfangs beim Buchreport, dann für den eigenen buchhändlerischen Informationsdienst. Was trieb Sie in all den Jahren besonders um?

Boris Langendorf © privat

Boris Langendorf © privat

Die fast 25 Jahre bei „buchreport“ waren eine Zeit, in der ich einen spannenden Beruf und eine faszinierende Branche genoss. Zur Gründung von „Langendorfs Dienst“ kam es dann, weil ich die Tätigkeit des Chronisten mit einer echten Aufgabe tauschen wollte: dem unabhängigen Buchhandel zu helfen, im Wettbewerb besser zu bestehen.

Wie schätzen Sie die aktuellen Entwicklungen ein? Sorgen Sie sich um den Buchhandel? Etwa gar um das Kulturgut Buch?

Warum? Qualitative Information ist ein Grundbedürfnis, das wichtiger wurde und noch wichtiger wird. Den kompetenten Zugang zu dieser Information zu verschaffen dient diesem Grundbedürfnis, hat also ebenfalls Zukunft. Der Buchhandel wird dieses Geschäft anders betreiben als früher, aber er wird es weiter tun. Und das Medium Buch? Auch das entwickelt sich, aber warum sollte ich einem E-Buch von vornherein die Eigenschaft als „Kulturgut“ absprechen?

In den Debatten um die Zukunft der Buchhandlungen beruft man sich gerne auf drei große Bs: Bibliographieren, Beschaffen, Beraten. Bibliographieren und Beschaffen sind im Zeitalter des WWW keine große Kunst mehr. Und Beratung im Sinne von Buchempfehlungen findet man ebenfalls zu Hauf im Netz. Sind die buchhändlerischen Kernkompetenzen nicht längst old school?

Nein. Bibliografieren und Beschaffen kann der Buchhändler nicht mehr exklusiv, aber wenn er es anbietet, warum sollte der ungeübte Kunde das selbst machen? Und selbst wenn, schadet das niemandem. Denn die Beratung wird mit der wachsenden Flut nicht einschätzbarer Informationen für den Laien immer bedeutender. Buchempfehlungen von Lieschen Müller sind keine Beratung, sondern Teil des Informationsgestrüpps.

 Eine feste Rubrik in Langendorfs Dienst ist die „Leuchtturm“-Buchhandlung des Monats. Was bringt eine Buchhandlung zum Leuchten?

Ganz unterschiedlich, jede dieser inzwischen 140 Buchhandlungen ist anders. Gemeinsamer Nenner ist, dass diese Leuchttürme ihren zur Entmutigung neigenden Kollegen zeigen, dass auch heute ein guter und erfolgreicher Buchhandel unter den unterschiedlichsten Bedingungen möglich ist. Für das Publikum draußen und auch für die Berufswahl des Nachwuchses ist es ein Signal für Vielfalt und Nutzen des klassischen Sortimentsbuchhandels.

Amazon scheint ja nicht nur der größte Feind des Buchhandels zu sein. Vielmehr drängt sich inzwischen der Eindruck auf, als sei der Riese aus Seattle die einzige Gefahr für den hiesigen Buchhandel. Ist das nicht zu eng gedacht?

Das ist in der Tat zu eng gedacht. Technische und gesellschaftliche Entwicklungen haben den Umgang mit qualifizierten Informationen grundlegend verändert, und Amazon ist nicht mehr als ein Symptom dafür. Es gilt nicht vor immer neuen Feindbildern zu erstarren, sondern sich auf die Weiterentwicklung der Gesellschaft vorzubereiten, auf eine Zeit, aus deren Sicht Amazon eine Episode ist, wie es die Feindbilder Warenhaus, Buchclub, Nebenmarkt und Großfläche waren.

Amazon als Verleger: Die Bemühungen, mit dem Kindle und hauseigenen Publikationen im Sortiment Fuß zu fassen, scheiterten bislang weltweit. Jetzt wurde bekannt, dass der italienische Filialist Giunti in den Vertrieb einsteigt. Ist damit der Damm gebrochen?

Es ist wie immer: Die einen machen mit, die anderen nicht. Wenn Amazon am Verlegen nicht sowieso wieder die Lust verliert, wird dieser Teilnehmer einer von vielen am Markt sein, dessen Erfolg aber immer noch von der Akzeptanz des Publikums abhängt.

Die buchhändlerische Genossenschaft eBuch will Amazon mit einem Online-Shop die Stirn bieten, der für alle Händler und Verlage offen ist. Halten Sie solche Initiativen für einen Schritt in die richtige Richtung?

Ja. Der Zugang des unbefangenen Kunden zum Sortiment muss so leicht sein, wie er eigentlich gedanklich nahe liegt, und ohne dass sich jemand den Kopf über Adressen und Formate zerbrechen muss. Dann müssen Service und Kulanz noch auf Amazon-Niveau kommen. In diese Richtung sehe ich die eBuch-Initiative gehen. Wie weit? Man wird sehen.

Von der Gesprächsrunde in der Berliner Tucholsky-Buchhandlung, bei der Sie am 3. Juni ebenfalls Gast sind, erhofft sich der Veranstalter Jörg Braunsdorf Signale in Richtung Politik und Börsenverein. Wo sehen Sie in diesem Kontext besonderen Nachholbedarf.

Politik und Öffentlichkeit sollen den Sortimentsbuchhandel als eine leistungsfähige und selbstbewusste Wirtschaftsbranche wahrnehmen, die nicht nur den eigenen Beutel füllt, sondern ohne Subvention und ohne viel Gejammer eine wichtige Aufgabe im kulturellen Leben des Landes leistet. Der Börsenverein ist ja in der Öffentlichkeitsarbeit keineswegs untätig, könnte aber dieses Zeichen aus Berlin zum Anlass nehmen, branchenintern die Sparte verbreitender Buchhandel noch stärker zu gewichten, nicht aus Fürsorge, sondern zwecks Selbsterhalt.

Die Angst ist groß, dass die Buchpreisbindung mit dem transatlantischen Freihandels­abkommen fallen könnte. Könnten freie Preise nicht sogar eine Belebung des Buchmarktes zur Folge haben?

Die genannte Angst teile ich nicht. Wenn die Preisbindung fällt, dann wegen der Undiszipliniertheit von Marktteilnehmern, nicht aber wegen des Abkommens. Ihr Wegfall würde zu einer Belebung im Sinne einer Marktveränderung führen, nicht jedoch, wie die Beispiele anderer Länder gezeigt haben, zu einer Verbesserung des Angebots für die Kunden.

Es scheint im Trend zu liegen, sich die Buchhandlung der Zukunft auszumalen. Wie sieht Ihre persönliche Vision aus?

Die Buchhandlung der Zukunft ist selbstverständlich auf allen digitalen Kanälen voll vernetzt, und ihre Kunden wissen das. Sie bleibt aber als stationäres Geschäft ein Platz, an dem man sich gerne trifft, um gemeinsam mit der Buchhändlerin die Informationsbeschaffung zu einem guten Ergebnis zu bringen und darüber hinaus sich mit Niveau zu unterhalten und etwas Schönes zu erleben.

Danke, dass Sie sich Zeit für meine Fragen genommen haben. Ich denke mal, einige Aspekte werden am 3. Juni auch Thema sein.

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Am Freitag geht’s an dieser Stelle weiter mit Stefan Weidle.

Zum Gespräch mit Lorenz Borsche von eBuch geht es hier und Zoë Beck  steht mir im Zusammenhang mit der Diskussionsrunde „Wie groß ist die Zukunft des Buches?“ hier Rede und Antwort

„Ein wichtiger Punkt ist die Gleichbehandlung von Buch und eBook. “ Im Gespräch mit Zoë Beck

???????????????????????????????Wie groß ist die Zukunft des Buches?“ – so ist eine Diskussionsrunde überschrieben, mit der SteglitzMind indirekt verbandelt ist. Und zwar insofern als die Gespräche mit Buchhändlern/innen, die ich seit letztem Sommer führe, dafür Pate standen. In seinem Beitrag kündigte der Inhaber der Berliner Tucholsky-Buchhandlung Jörg Braunsdorf an, die Fragestellungen der Interviewreihe anderenorts vertiefen zu wollen. Seinen Worten folgen nun Taten. Die Veranstaltung, von der sich Braunsdorf auch Signale an die Politik und den Börsenverein für den deutschen Buchhandel erhofft, findet am Dienstag, den 3. Juni 2014, um 19.00 Uhr in der Tucholskystr. 47 in Berlin/Mitte in der Tucholsky-Buchhandlung  statt.

Gäste sind: Siegmund Ehrmann, MdB (Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien), Zoë Beck (Autorin und e-Book-Verlegerin CulturBooks), Lorenz Borsche (Vorstand der buchhändlerischen Genossenschaft eBuch), Boris Langendorf (freier Publizist), Daniel Leisegang (Politikwissenschaftler, Redakteur der Monatszeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“ und Autor von „Amazon. Das Buch als Beute”) und Stefan Weidle (Verleger und Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung).

Ich erwarte mir im Vorfeld der Berliner Buchtage, die übrigens Tags darauf beginnen, eine spannende Diskussion, zu der Ihr herzlich eingeladen seid. Der Eintritt ist frei, um Voranmeldung, entweder per E-Mail  [kurt(at)buchhandlung-tucholsky(dot)de] oder via Facebook, wird gebeten.

Als Appetizer gibt es auf SteglitzMind vorab Gespräche mit einigen Gästen, die das Podium bestreiten werden.

Heute – Zoë Beck

Sorgst du dich um die Zukunft des Buches; womöglich sogar um das Kulturgut Buch?

Wir reden von dem Gegenstand „Buch“? Nein. Da mache ich mir keine Sorgen. Der hat an Faszination immer noch nicht verloren. Im Gegenteil glaube ich, dass schön gestaltete Bücher Zukunft haben werden. Was mit den Taschenbüchern passiert, merken wir ja schon: weniger Verkäufe zugunsten der eBooks.

Zoë Beck © Victoria Tomaschko

Zoë Beck © Victoria Tomaschko

Ihr seid vor gut sechs Monaten mit CulturBooks an den Start gegangen. Die Philosophie Eures Verlages für elektrische Bücher, die abseits des Mainstream liegen, könnte durchaus als Kampfansage verstanden werden…

Oder als Ausdruck offenen Wahns, schließlich wird einem ständig gesagt: Mit eBooks verdienst du nur Geld, wenn du Erotik und den ganzen Mainstream machst. Aber schon im Print wird doch hauptsächlich der ganze Mainstream gemacht, weil man auf der „sicheren Seite“ sein will. Da werden grandiose Texte aus absurden Gründen (Mixgenre/zu kurz/zu lang/zu Experiment/zu Nische) nicht gedruckt, da sagt man AutorInnen: toller Text, nur leider bekommen wir den nicht im Vertrieb durch, da sind tolle Texte vergriffen, weil sich der Nachdruck finanziell möglicherweise nicht lohnt. Wenn niemand das Risiko mehr eingehen will, die ganzen guten Sachen zu machen, wo kommen wir da hin? Dann müssen wir eben etwas für das Kulturgut „Großartige Texte“ machen. Deshalb haben wir CulturBooks gegründet. Irgendjemand muss ja.

Warum setzt Ihr ausschließlich auf digitale Bücher?

Wir sind selbst große Fans vom digitalen Lesen. Aus praktischen Gründen. Außerdem ist die Grundinvestition zwar nicht null, wie häufig geglaubt wird, aber natürlich niedriger als beim gedruckten Buch. Deshalb können wir mehr wagen. Tun wir ja auch. Wenn ein Text, den wir grandios finden, nur zweimal verkauft wird, haben wir keine 498 Restexemplare, die irgendwo verschimmeln. Im Gegenteil haben wir den Vorteil, dass wir diesen Text einfach so lange stur im Programm lassen können, bis er eines Tages vielleicht doch noch von hunderten, ja tausenden Menschen entdeckt wird. Wir sehen da eine Menge Vorteile.

E-Books sind im Sortiment inzwischen zwar angekommen, beliebt sind sie – vornehmlich aufgrund geringer Margen – beim Buchhändler allerdings nicht. Welche Erfahrungen habt Ihr bislang gemacht?

Da hilft tatsächlich nur: Überzeugungsarbeit mit viel Geduld. Mit allen reden und nach gemeinsamen Lösungen suchen, damit sich eben für die einzelnen Buchhandlungen der Aufwand rechnet. Damit sie ein Produkt bekommen, das für sie attraktiv ist. Wir bleiben dran. Es braucht Zeit, weil sich da noch alles – im Vertrieb, in der gesamten Denke sowieso – auf Strukturen stützt, die ja eigentlich für physische Bücher entwickelt wurden. Mit den Großhändlern und den großen Onlineanbietern ist es leichter in der Zusammenarbeit, klar. Da gibt es Exklusivaktionen und so weiter. Aber wir wollen ja eben besonders gern mit dem Sortiment arbeiten. Volker Oppmann will mit log.os auch eine Lösung bieten, die vorsieht, dass die Sortimentsbuchhandlungen eben deutlich mehr als jetzt beim Verkauf von eBooks bekommen und dass die Abläufe sehr viel einfacher und direkter werden.

Dass CulturBooks auch auf digitale Literatur setzt, „die aus verlagswirtschaftlichen Gründen out of print sind“, dürfte im Sortiment schwerlich für einen Freudentaumel sorgen…

Nun. Aber bei uns und bei denen, die auf die Neuauflagen gewartet haben. Und wie gesagt: So ein eBook nimmt ja nicht viel Platz weg, setzt keinen Staub an, ist stubenrein und liegt auch länger aus als nur sechs Wochen.

Wenn du als Autorin drei Wünsche an den Buchhandel frei hättest. Welche wären das? Und welche in deiner Funktion als Verlegerin?

Habt Freude an guten Texten, egal in welchem Format, und keine Angst vor der Zukunft. Macht das eBook zu eurem Produkt, denn ihr seid diejenigen, die Inhalte verkaufen, das kann niemand besser als ihr.

In der Schusslinie ganz vorne steht Amazon. Wie siehst du das: Gehen vom Riesen aus Seattle tatsächlich die größten Gefahren für den deutschen Buchmarkt aus?

Die größte Gefahr geht von denjenigen aus, die die Augen vor Entwicklungen verschließen, die sich gegen Realitäten verwehren, die nicht wahrhaben wollen, dass sich die Welt verändert. Dass es online „den Einen“ gibt, ist ein Phänomen, das wir nicht nur beim Buchhandel haben. Denken wir mal an eBay oder Google, die waren nicht von Anfang an da, die gab es irgendwann, und dann beherrschten sie den Markt auf eine Art, die viele von „Monopol“ sprechen lässt. Was streng genommen natürlich Unsinn ist, weil es Alternativen gibt. Wie auch immer, Amazon hat sich aus vielen Gründen durchgesetzt und ist Marktführer. Aus Konsumentensicht machen sie eine Menge richtig. Aus wirtschaftlicher Sicht tun sie das, was ein Konzern eben tut: Sie wollen Gewinne machen. Da kann man sich jetzt auf den Rücken werfen und mit den Beinen strampeln und sagen: Böseböse! Oder dagegenhalten und Geduld haben und sehen, wie weit man kommt. Gefahr sehe ich, wie gesagt, immer dann, wenn die Menschen aufhören, sich zu bewegen, und resignieren.

Dass Selfpublishing den Buchmarkt aufmischt, ist auch ein Verdienst von Amazon…

Moment. Auch da gibt es mehr als eine Selfpublishingplattform. Und wieder darf man nicht vergessen, dass die Art, wie Verlage mit ihren Autorinnen und Autoren umgegangen sind, doch einige ins Selfpublishing getrieben hat. Die großen Verlage haben vergessen, was ihre eigentlichen Kompetenzen sind, jedenfalls gewinnt man diesen Eindruck. Da wurden riesige Programme rausgehauen mit dem vollen Bewusstsein, dass die meisten der Bücher absaufen würden. Aber Hauptsache, die Verlagskataloge waren schön dick und man verstopfte die Vertriebskanäle. Und diese Konzentration auf gewisse Genres, innerhalb dieser Genres auf bestimmte Richtungen. Die Angleichung der Cover und der Titel, letztlich auch des Stils. Da wurde Literatur industrialisiert, im ganz großen Stil. Da hieß es „Schreib doch mal dasunddas, Thalia und Hugendubel suchen sowas gerade“ und nicht mehr „Was hättest du denn mal für uns, wir wollen etwas Neues auf den Buchmarkt bringen?“

Davon, wie mit einigen Kolleginnen und Kollegen auf persönlicher Ebene umgegangen wurde und teils noch wird, will ich gar nicht erst anfangen. Wenn dann am Ende steht, dass man monate- und jahrelang dafür gearbeitet hat, dass man einen winzigen Vorschuss, lächerlich winzige Verkaufsbeteiligungen inklusive schlechter Behandlung bekommt, ohne Aussicht, dass es mit einem weitergeht – dann doch lieber selbst und mit Spaß verlegen und so schreiben, wie man es auch möchte. Kann ich absolut verstehen. Und trotzdem finde ich persönlich Verlagsarbeit – nämlich so, wie sie mal gedacht war – unheimlich wichtig. Ein kluger Selfpublisher wird sich ein fähiges Team suchen. Seinen eigenen Mikroverlag, oder wie man es nennen mag, aufziehen. Dass Amazon mit hohen Beteiligungen winkt und eben Marktführer ist, macht es für Selfpublisher attraktiv. Die Verlage hätten sich schon vor Jahren überlegen müssen, was sie vielleicht falsch gemacht haben, was sie besser machen könnten, was ihre eigentlichen Aufgaben sind, statt so zu tun, als seien Selfpublisher ein lästiges Randphänomen, das sich irgendwann von selbst erledigt.

Von der Gesprächsrunde in der Berliner Tucholsky-Buchhandlung, bei der du am 3. Juni ebenfalls Gast bist, erhofft sich der Veranstalter Jörg Braunsdorf Signale in Richtung Politik und Börsenverein. Wo siehst du in diesem Kontext besonderen Nachholbedarf?

Ein wichtiger Punkt ist die Gleichbehandlung von Buch und eBook. Ein bisschen tut sich da ja schon: Es scheint der politische Wille da zu sein, den eBook-Mehrwertsteuersatz an den der Printbücher anzugleichen, auch in den Fragen der Übersetzerförderungen gibt es Fortschritte, nicht zuletzt, seitdem in den Förderprogrammen der EU eBooks ausdrücklich willkommen sind. Interessant ist die Lage bei den deutschen Literaturpreisen: Während einige Jurys eBooks zulassen (wie etwa der Internationale Literaturpreis oder der Deutsche Buchpreis), führen andere Preise mit sehr löchrigen und widersprüchlichen Argumenten einen fast rührend anmutenden, aber trotzdem ärgerlichen Abwehrkampf (etwa der Preis der Hotlist). Aber es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis allen klar ist: es geht um Inhalte, nicht um das Trägermedium.

Die Angst ist groß, dass die Buchpreisbindung mit dem transatlantischen Freihandels­abkommen fallen könnte. Könnten freie Preise nicht sogar eine Belebung des Buchmarktes zur Folge haben?

Ja, könnten sie. Aber die Buchpreisbindung ist ja erst einmal eine Illusion für die Kundschaft. Es bekommen doch alle Händler andere Gewinnmargen. Wie will denn eine kleine Buchhandlung, die sowieso schon weniger am einzelnen Buch verdient als eine große Kette, mithalten können, wenn der Buchpreis bei der Konkurrenz gesenkt wird? Beim physischen Buch verstehe ich deshalb alle Bedenken und Argumente, die gegen die Aufhebung der Buchpreisbindung sprechen. Beim eBook sieht es ein wenig anders aus, da ist die Vorleistung des Buchhandels eine andere. Allerdings wird es wohl genau deshalb doch wieder nur darauf hinauslaufen, dass es dann auch nur „den Einen“ gibt, der alles für kleinstes Geld anbietet.

Wichtig finde ich jetzt, dass das Sortiment im nächsten Schritt beim eBook-Verkauf nicht wie ein Affiliate Store behandelt wird. Auch die elektronischen Werke müssen zum Produkt des Sortiments werden, statt nur online stattzufinden. Und ich werfe mal die Überlegung in den Ring: Wir wollen alle letztlich mit Büchern und Texten Geld verdienen. Ob wir sie nun schreiben, verlegen oder verkaufen. Das ging in der Vergangenheit schon meist eher schlecht, weshalb sich alles mehr und mehr auf diese Bestsellerkultur zuspitzte, und die hat uns auch eher unglücklich gemacht. Zudem wurde der Graben zwischen denen, die gerade so vom Buchverkauf leben können oder wenigstens etwas damit verdienen, zu denjenigen, die damit richtig reich werden, verbreitert. (Wobei die, die vermeintlich viel damit verdient haben, ja auch seit Jahren Probleme haben und noch höhere Beteiligungen von den Verlagen fordern.) Darüber, was das mit den Inhalten und der Qualität gemacht hat, müssen wir nicht reden. Wo wollen wir also hin? Ein breites Angebot, mehr Platz für Vielfalt und Qualität (die natürlich unterschiedlich definiert wird) schaffen, und irgendwie verdienen alle damit. Geht das tatsächlich nur über die Buchpreisbindung? Oder müssen wir noch ein Stück weiter denken? Ich habe da keine Lösung parat, ich bin keine Wirtschaftswissenschaftlerin. Aber ich habe den Eindruck, dass die durchaus sinnvolle Buchpreisbindung allein nicht die ganze Branche retten wird.

Es scheint im Trend zu liegen, sich die Buchhandlung der Zukunft auszumalen. Wie sieht deine persönliche Vision aus?

Die Buchhandlung als Mittelpunkt des Kiezes, als Treffpunkt der Nachbarschaft, als Hort des gedanklichen Austausches und der Gemütlichkeit? Ungefähr so? Gibt’s aber schon. Finde ich gut. Weiter so und mehr davon. Natürlich wird in Zukunft das eBook schön in der Buchhandlung präsentiert werden können. Die Buchhandlung wird zur Texthandlung und bietet Orientierung bei der Auswahl und Beratung. Und es gibt überall guten Tee.

Danke sehr, Zoë. Ich freue mich sehr, dass auch du am 3. Juni in der Tucholsky-Buchhandlung dabei sein kannst.

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In der kommenden Woche geht’s an dieser Stelle weiter mit Boris Langendorf, dem ich zum heutigen Geburstag herzlich gratuliere.

Zum Gespräch mit Lorenz Borsche von eBuch geht es hier

„Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, der hat schon verloren“. Im Gespräch mit Lorenz Borsche

???????????????????????????????„Wie groß ist die Zukunft des Buches?“ – so ist eine Diskussionsrunde überschrieben, mit der SteglitzMind indirekt verbandelt ist. Und zwar insofern als die Gespräche mit Buchhändlern/innen, die ich seit letztem Sommer führe, dafür Pate standen. In seinem Beitrag kündigte der Inhaber der Berliner Tucholsky-Buchhandlung Jörg Braunsdorf an, die Fragestellungen der Interviewreihe anderenorts vertiefen zu wollen. Seinen Worten folgen nun Taten. Die Veranstaltung, von der sich Braunsdorf auch Signale an die Politik und den Börsenverein für den deutschen Buchhandel erhofft, findet am Dienstag, den 3. Juni 2014, um 19.00 Uhr in der Tucholskystr. 47 in Berlin/Mitte in der Tucholsky-Buchhandlung  statt.

Dass dieses Mal die üblichen Grabenkämpfe nicht ausgefochten werden, dafür werden sicherlich auch die geladenen Diskutanten sorgen. Sie alle haben mit der Buchbranche zu tun, kommen aber aus völlig verschiedenen Ecken: Siegmund Ehrmann, MdB (Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien), Zoë Beck (Autorin und e-Book-Verlegerin CulturBooks), Lorenz Borsche (Vorstand der buchhändlerischen Genossenschaft eBuch), Boris Langendorf (freier Publizist), Daniel Leisegang (Politikwissenschaftler, Redakteur der Monatszeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“ und Autor von „Amazon. Das Buch als Beute”) und Stefan Weidle (Verleger und Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung).

Ich erwarte mir im Vorfeld der Berliner Buchtage, die übrigens Tags darauf beginnen, eine spannende Diskussion, zu der Ihr herzlich eingeladen seid. Der Eintritt ist frei, um Voranmeldung, entweder per E-Mail  [kurt(at)buchhandlung-tucholsky(dot)de] oder via Facebook, wird gebeten.

Als Appetizer gibt es auf SteglitzMind vorab Gespräche mit einigen Gästen, die das Podium am 3. Juni in der Tucholsky-Buchhandlung bestreiten werden.

Heute – Lorenz Borsche von eBuch:

Über mangelndes Engagement für den Erhalt des stationären Sortiments kann man derzeit kaum klagen, Blogger stellen Buchhandlungen vor, neue Preise für engagierte Buchhändler werden ausgelobt, jüngst sprach sich sogar Kulturministerin Monika Grütters dafür aus, den unabhängigen Buchhandel finanziell unterstützen zu wollen. Halten Sie staatliche Subventionsmodelle für sinnvoll?

Lorenz Borsche © privat

Lorenz Borsche © privat

Direkte Kulturförderung – für Lesungen zum Beispiel – halte ich für sinnvoll. Subventionen für normale Handelsgeschäfte lehne ich aber ab – unter der Prämisse, dass dann auch Online-Versender keine Millionenzuschüsse für den Bau ihrer Logistikzentren erhalten dürfen. Wer eine Buchhandlung aufmacht und damit Arbeitsplätze schafft, bekommt allenfalls einen günstigen Kredit, aber keinen Investitionszuschuss. Das müsste man mal alles zusammenzählen, was da bezahlt wurde, und zum Ausgleich einen Fond schaffen, der einspringt, wenn von der Gemeinde monatelang die Straße vor dem Laden aufgerissen wird. Wegen solcher Vorkommnisse mussten schon viele kleine Buchhändler schließen. Auf der grünen Wiese passiert das nie…

Die buchhändlerische Genossenschaft eBuch, die derzeit mehr als 600 Mitglieder vereint, wurde im Jahr 2000 ins Leben gerufen. Damals war die Buchpreisbindung gefährdet. Wo sehen Sie heute die größten Herausforderungen für den Buchhandel?

Ganz eindeutig im Wettbewerb mit Amazon.

Bekanntlich wahrt der Börsenverein für den deutschen Buchhandel die Interessen der drei Sparten des Buchhandels. Warum braucht es neben dem Börsenverein eigens eine Genossenschaft für das stationäre Sortiment?

Gegenfrage: Weshalb gibt es wohl einen Verband der Bahnhofsbuchhändler? Und zwar seit über 50 Jahren? Pure Nostalgie ist das sicher nicht.

Ein Drei-Sparten Verband muss immer zwischen allen vermitteln, das ist ein schwieriger Spagat, und der gemeinsame Nenner kann mitunter sehr klein sein. Eine Verbundgruppe dagegen kann viel leichter die wirtschaftlichen Interessen ihrer relativ homogenen Mitgliedschaft verfolgen.

Offenbar ist Amazon ja nicht nur der größte Feind des Buchhandels, für den Buchhändler scheint er auch der einzige zu sein. Ist das nicht zu eng gedacht?

Sicher ist das zu eng gedacht. Amazon, Zalando und Co. sind die größte Gefahr für den gesamten stationären Handel und damit auch für große Teile des Mittelstands. Der ist aber das tragende Element und Rückgrat unserer Wirtschaft. Ohne ihn spaltet sich unsere Gesellschaft noch weiter auf in „Oben“ (= wenige gutbezahlte, „wichtige“ Jobs) und „Unten“ (= viele, schlechtbezahlte Hilfstätigkeiten). Die Kunden bleiben mit ihren Beratungswünschen auf sich selbst gestellt. Allerdings ist das nicht jedermanns Sache, sich im stillen Kämmerlein vor dem Rechner schlau zu machen. Außerdem gehen damit viele alltägliche Sozialkontakte verloren. Insgesamt erleben wir dadurch eine stärkere Segregation der Gesellschaft – und das ist ja alles andere als wünschenswert.

eBuch will in diesem Jahr mit Libri und den Anabel-Partner einen bundesweit einheitlichen Online-Shop an den Start bringen, der Händlern, Großhändlern, Auslieferungen und Verlagen ein gemeinsames Dach bieten soll. Sie wollen damit Amazon die Stirn bieten. Kann man einem quasi Online-Monopolisten mit einer Online-Strategie beikommen?

Mit „nur Online“? Sicher nicht, allemal, wenn einer so gut aufgestellt ist wie Amazon. Deshalb zielt unser Projekt auf eine nahtlose Verknüpfung von „Online“ mitStationär“. Sie haben dann auf der einen Seite die pure Variante Versand/Paketbote, auf der anderen Seite bieten wir den Kunden einen Onlineshop, der ganz eng mit den lokalen Geschäften verzahnt ist, der aber das pure Versand-Modell auch kann – das ist ein Mehrwert für den Kunden, der ein Buch sofort haben oder lieber im Laden abholen will und dafür auch gerne das Haus verlässt. Wenn er denn weiß, dass das Buch vorrätig ist und jetzt für ihn reserviert bereit liegt. Das „jetzt“ darf auch morgen sein, aber niemand läuft gerne umsonst. Das genau leistet unser Shop – und die Versand-Variante sowieso, aber das ist ja nichts Neues.

Amazon punktet im Buchbereich ja nicht allein mit der Verfügbarkeit, auch mit Service, persönlichen Empfehlungen sowie einem Pool an Rezensionen und Bewertungen. Haben Sie dem ebenfalls etwas entgegenzusetzen?

Wir würden ein solches Projekt nicht ohne einen langfristigen Plan angehen. Zu einem gemeinsamen Bewertungs- und Rezensionspool werden die Buchhändler/Innen mit ihrem Fachwissen entscheidend beitragen. Das zumindest ist Teil des Plans.

Andere sind mit Plattformen gescheitert: „Wer als Leser Bücher sucht, ist bei libreka! an der richtigen Adresse“

Ein solches Projekt darf nicht bei einem gemeinnützigen Verein angesiedelt sein, sondern muss von Menschen getragen werden, deren wirtschaftliches Wohl und Wehe davon abhängt. Die den Erfolg wirklich wollen, weil sie sonst nicht wissen, wie sie morgen ihre Brötchen bezahlen sollen.

In der ferneren Vergangenheit sind einige Projekte „Gemeinsames Einkaufen vieler kleiner Buchhändler“ gescheitert. Das hat uns aber im Jahr 2000 nicht davon abgehalten, einen neuen Versuch zu wagen. Mit ANABEL haben wir ein erfolgreiches Modell etablieren können. So erfolgreich, dass es sogar kopiert wurde. Das garantiert natürlich nicht, dass wir auch diesmal erfolgreich sein werden, aber immer gilt: „Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, der hat schon verloren“.

Lieber spät als nie… Ketzerisch gefragt: Warum kommt der Online-Shop von eBuch erst jetzt?

Den ersten Online-Shop mit Bestandsanzeige der lokalen Buchhandlung haben wir schon 1999 installiert und waren damit die allerersten. Allerdings waren die Kunden damals trunken vor Begeisterung, dass man ihnen etwas nach Hause bringt, und das noch dazu kostenlos. Mit dem Bekanntwerden aller negativen Folgen, u.a. der Verödung der Fußgängerzonen, dem Anschwellen von Billigjobs, dem Wegbrechen kommunaler Steuereinnahmen, ist diesbezüglich inzwischen Ernüchterung eingekehrt. Trotzdem wissen vier von fünf Stammkunden einer Buchhandlung nicht, dass diese einen leistungsfähigen Online-Shop hat, und das vielleicht schon seit Jahren. Das liegt auch daran, dass es unmöglich ist, mit so einem Kleinstshop bei Google irgendwo aufzutauchen. Kein Kunde kann sich „www.buecherstube-kleinkretzingen.de merken oder geschweige denn gar eintippen.

Bitte… Warum jetzt erst?

Einem einheitlichen, gemeinsamen Dach-Shop unter einem einprägsamen Label standen bislang die Buchhändler selbst im Wege: Es gibt im Einzelhandel einen kaum stärker ausgeprägten Individualismus als im Buchhandel. Bis der ketzerische Gedanke, dass das Schaufenster im Web nichts mit dem Ambiente des Ladengeschäft zu tun haben muss, um erfolgreich zu sein – bis das überhaupt diskussionsfähig war, da ist sehr viel Zeit verstrichen.

Genau solche „Individualität“ verhindert im Netz den Erfolg. Zum Beispiel muss das Suchfeld immer an derselben Stelle sein. Und zwar da, wo der Kunde es sucht, weil er es aus anderen Shops oder von Google eben so kennt. Für Kunden stehen online Bequemlichkeit und Funktionalität an allererster Stelle. „Schön“ muss nicht unbedingt sein – wann wären Telefonbücher oder Gelbe Seiten oder Fahrpläne jemals schön gewesen? Übersichtlichkeit und Funktionalität sind die Schlüsselworte. Das belegen optisch eher karge Internetauftritte von erfolgreichen Onlinern wie Amazon und eBay sehr eindrucksvoll.

Die Initiative richtet sich an alle Verlage, Zwischenbuchhändler, Verlagsauslieferungen und Buchhandlungen. Was ist mit dem Bereich Self-Publishing?

Mit „Books on Demand“ verfügt unser Partner bereits über eine hervorragende Self-Publishing Plattform, die von tausenden von Autoren (und übrigens auch Verlagen) erfolgreich genutzt wird. Die heute als europäischer Marktführer gilt und schon im Jahr 1999 in Amerika den renommierten Smithsonian Award, einen Innovationspreis gewonnen hat. Die es also schon gab, lange bevor das von Amazon nacherfunden wurde. Und das ist nicht die einzige solche Plattform in Deutschland. Das müssen wir also nicht neu erfinden.

Wie wollen Sie die Masse, sprich: Bündnispartner für Ihre neue Plattform gewinnen?

Genau so wie wir weit über 90% unserer eingefleischten „Individualisten“ letztens in wenigen Stunden überzeugen konnten: Wer den Schuss bis jetzt noch nicht gehört hat, der mag in individueller Schönheit dahinsiechen. Für alle, die überleben wollen, gilt: Die Zeit der Eitelkeiten muss jetzt vorbei sein. Im Internet sei Platz für viele, denn jeder sei nur einen Klick weit vom anderen entfernt, war die dümmste „Weisheit“, die in den Anfangstagen des WWW verbreitet wurde. Man hat einfach die Bequemlichkeit des Menschen außer Acht gelassen. Der einzige, der konsequent vom Kunden aus gedacht hat, war Jeff Bezos – das ist seine größte Leistung und der Motor seines Erfolges. Und genau das müssen wir auch tun. Da müssen sich auch harte Konkurrenten die Hand reichen und zusammenarbeiten, sonst wird das nichts – und dann verlieren wir alle.

Warum sollte im E-Commerce das Heil für die Buchbranche liegen?

Was über einhundert Jahre der Versandhandel war, heißt heute „E-Commerce“. Aber neu ist da wirklich nichts, außer, dass man den Katalog nicht gedruckt, sondern aktuell und online ständig parat hat. Das Internet hat diese Sparte für Kunden deutlich bequemer gemacht. Aber ob das ein Heil ist und für wen, diese Frage ist mir einfach zu groß.

Das Internet ist ein großartiges Informationsinstrument. Bevor ich vor die Tür gehe, möchte ich wissen, ob mein Händler das gesuchte Produkt entweder vorrätig hat oder bis wann er es mir bestellen und besorgen kann. Früher hat man sich – oft durch mehrere Geschäfte – durchtelefoniert oder mehrfach hinlaufen müssen. Heute kann ich das mit einem Klick erledigen, und genau das will der Kunde. Wenn er überhaupt noch bereit ist, vor die Tür zu gehen – und das ist er ja zum Glück immer noch. Aber dann muss die Leistung stimmen, dann will ich nicht mehrfach laufen müssen. Und wenn wir das schaffen, dann gibt es auch eine solide Hoffnung, dass der stationäre Handel überlebt.

Von der Gesprächsrunde in der Berliner Tucholsky-Buchhandlung, bei Sie am 3. Juni ebenfalls Gast sind, erhofft sich der Veranstalter Jörg Braunsdorf ein Signal in Richtung Politik und Börsenverein. Wo sehen Sie in diesem Kontext besonderen Nachholbedarf?

Ökonomie: Werbekostenzuschüsse gehören in den Gesamtrabatt eingerechnet. Der darf bei preisgebundenen Waren bei nicht mehr als 50% liegen. Andernfalls, so sagt das Kartellamt, ist der Endpreis offenbar überhöht angesetzt und muss reduziert werden. Dann würde die bisher übliche Auspressung der Verlage über die 50% hinaus durch eben solche Nebenabreden unmöglich gemacht. Das würde den Kleinen helfen, auskömmliche Konditionen zu bekommen. Schlussendlich werden die die mit „Werbekostenzuschüssen“ überhöhten Rabatte der Großen ja leider von den Kleinen mitfinanziert. Anders geht es für den Verlag nicht auf.

Kultur: Eine effiziente, intelligente und erfolgreiche Kulturförderung, wie sie zum Beispiel in Bayern im Zusammenspiel zwischen Landesverband und Politik betrieben wird, könnte Blaupause und Vorbild sein.

Und vom Börsenverein muss man sich wünschen, dass er – vor allem bei solchen Herkules-Aufgaben – Konkurrenten an einen Tisch bittet und gemeinsame Initiativen mit Macht fördert und unterstützt, und damit die Aufsplitterung auf viele zu kleine Projekte zu verhindern sucht. Gerade dafür könnte der Drei-Sparten-Verband die ideale Plattform bieten.

Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Lorenz Borsche. Ich meine, das sind eine Menge Denkanstöße im Vorfeld der Veranstaltung in der Tucholsky-Buchhandlung am 3. Juni.

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Am Donnerstag folgt an dieser Stelle ein Interview mit  Zoë Beck