„Insgesamt ist mir auch der Buchmarkt zu unübersichtlich geworden.“ – SteglitzMind stellt Matthias Mehner von der Buchhandlung “Buchfinger“ vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte beleuchtet seit Juli 2013 die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor”, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Heute lernen wir Matthias Mehner von der Berliner Buchhandlung „Buchfinger“ etwas näher kennen. – Wie es zur Gründung der Buchhandlung im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick kam, darüber hat der „Freitag“ im April 2004 berichtet.

Eine Skizze vom Laden …

Matthias Mehner © Mario Zschocke

Matthias Mehner © Mario Zschocke

Seit mehr als 50 Jahren befindet sich an der Plesser- /Ecke Kiefholzstraße ein Buchladen. Seine Eröffnung fiel zeitnah mit der renommierten Einrichtung auf der damaligen Stalinallee, nämlich der Karl-Marx-Buchhandlung, zusammen. Genau wie die Verkaufsräume im heutigen Berlin-Mitte wurde auch das Interieur in Treptow vom Ladenbau Zwickau gestaltet und behielt bis heute sein unverwechselbare Aussehen, das durch seine funktionale Raumgestaltung, Material und Farbe beeindruckt. Bis zum Mauerfall wurde der Laden vom Volksbuchhandel betrieben, danach – bis Ende der 1990er Jahre – trug die Buchhandlung den Namen des damaligen Inhabers Michael Herbst. Ab 2003 führt Matthias Mehner, ein ehemaliger Mitarbeiter der bereits erwähnten Karl-Marx-Buchhandlung, das Geschäft in alleiniger Regie mit dem extravaganten Beititel „Buchfinger“ weiter – eine Hommage an den bis zu seinem Tod im Kiez lebenden Grafiker und Cartoonisten Manfred Bofinger (1941 – 2006). Die seit zwei Jahren geplante Übergabe an einen neuen Betreiber scheiterte zuletzt, sodass dieser demnächst an einem anderen Ort im Alt-Treptower Kiez eine neue Buchhandlung eröffnen wird.

Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Nein, rückblickend betrachtet war es ein Fehler seinerzeit den Schritt vom Angestellten in die Selbständigkeit gemacht zu haben. Da habe ich mich eher von Kunden treiben lassen, die auf “ihre“ geliebte Buchhandlung nicht verzichten wollten, in eine Rolle begeben, die ich nie ausfüllen konnte. Seit mehr als zehn Jahren war kein Urlaub mehr drin. Ich stehe im Laden von Montag bis Samstag. Und stehe ich dann am Bankschalter und vor mir zahlt der vietnamesische Blumenhändler seine Einnahmen ein, dann frage ich mich, für was ich mir das eigentlich alles antue.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

Eigentlich nicht viel. Die meisten Kunden kommen seit jeher mit konkreten Bestellwünschen in den Laden, die ich zumeist bis zum nächsten Tag über den Schnelldienst erfüllen kann. Umsatzrückgänge oder -einbrüche konnte ich so nicht verzeichnen, aber auch keinen Zugewinn. In den letzten Jahren hat sich die Anwohnerstruktur verändert, das merkt man natürlich im Laden. Da sind viele junge Leute hierher gezogen, die eine ganz andere Erwartungshaltung haben, Autoren nachfragen, von denen ich noch nie gehört habe. Insgesamt ist mir auch der Buchmarkt zu unübersichtlich geworden.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Ich persönlich nichts. In der Vergangenheit gab es immer wieder Versuche von Kunden, eine Internetpräsenz aufzubauen aber das verlief sich dann stets, weil man die ja auch betreuen muss und dafür fehlt mir die Bereitschaft und das Verständnis. Aktuell gibt es eine Seite unter dem Namen “Buchhandlung Treptow“ die nicht identisch mit dem “Buchfinger“ ist, obwohl sie auf das Ladengeschäft in der Plesser Straße verweist. Alle dort vorgestellten Bücher können natürlich über den Schnelldienst, soweit vorrätig, geordert werden.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

Zuvorderst im Steigen der Ladenmiete, wenn das passiert, dann müsste ich sofort aufhören. Natürlich auch in der Konkurrenz von Online-Händlern aber auch durch andere Buchhandlungen. Viele von den neuen Anwohnern ziehen wohl “modernere“ Buchhandlungen in Kreuzberg und Neukölln der meinigen vor, oder sie lesen E-Books.

Wie halten Sie es mit dem E-Book?

Ich persönlich habe keins, ich bin kein Technikmensch. Vom Hörensagen bekomme ich aber schon mit, dass das wohl ein Thema ist. Mein Vertrieb KNV meint aber, dass sich die nächsten zwei Jahre der stationäre Buchhandel darüber keine Gedanken machen braucht. Und wer weiß, ob ich in zwei Jahren noch am “Buchfingern“ bin.

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Ja, aber ob das meine Kunden annehmen würden…?

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Mit Freundlichkeit. Ich habe das Glück, dass hier über Jahrzehnte ein fester, verschworener Kundenstamm gewachsen ist, der trotz aller Verlockungen dem Laden treu blieb. Für Besonderes ist hier kein Platz, ich sehe das Geschäft eher als Bestellportal für die Anwohner. Viele meiner festen Kunden, und auch das Gros von Gelegenheitskäufern, wissen ja sehr genau, was sie wollen. Darüber hinaus bediene ich mit dem KNV – Warenabo auch die Nachfrage nach aktuellen Verkaufsschlagern. Ein ständig durch Schenkungen von Kunden aufgefrischter antiquarischer Bereich bietet Lesbares für kleines Geld. Der “Buchfinger“ ist eine Kiezbuchhandlung und bietet nicht nur Bücherfreunden einen Platz, sondern auch Plaudertaschen zu einem kleinen Schwatz. Bedingt durch die Nähe zur Bekenntniskirche bietet der Verkaufsraum in den Wintermonaten auch sozial Schwachen und Ausgegrenzten einen Haltepunkt, um im Warmen zu verschnaufen.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

Weniger ist manchmal mehr. Eine strengere Qualitätskontrolle und an die Adresse der (West-)Verlage, die sich mit Veröffentlichung zum Thema tragen, die Bitte, sich weniger einseitig mit unserer DDR-Geschichte auseinanderzusetzen.

Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Mehr Öffentlichkeit erzeugen für die Situation der kleinen Buchhandlungen.

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Mit Szenen hatte ich nie etwas zu tun.

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Damit die Ladenkultur nicht ausstirbt.

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Da fällt mir leider keine ein, weil es mir aus zeitlichen Gründen unmöglich ist, Kollegen über die Schulter zu schauen.

Danke sehr. Wünschen wir uns, dass der „Buchfinger“ unter Ihrer Regie in der Plesser Straße 1 noch lange existiert.

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Eine Übersicht über die Empfehlungen, die im Rahmen der Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen seit Juli 2013 zusammengekommen sind, findet sich hier

Was sich die befragten Buchhändler/innen von Verlagen wünschen, das kann man hier nachlesen

Wie sie zum Börsenverein des deutschen Buchhandels stehen, darum geht es in diesem Summary zur Gesprächsreihe

Wer wissen will, wie sich Buchhändler/innen heute positionieren, wird hier fündig

Einige Antworten der intervieweten Buchhändler/innen auf die Frage, warum Kunden in Buchhandlungen gehen sollten, gibt es hier

Und dieses Summary zur Gesprächsreihe mit Sortimenter geht der Frage nach: Einmal Buchhändler. Immer Buchhändler?

Gut gemeint, reicht nicht. Was sich Buchhändler vom Börsenverein des deutschen Buchhandels wünschen

„Welchen Börsenverein braucht die Branche?“ – das wird die Zukunftskonferenz erörtern, die auf dem Frankfurter Mediacampus am 11. und 12. September stattfindet. Diese Themenstellung hatte ich auch schon im Rahmen meiner Gesprächsreihe mit Buchhändlern aufgegriffen. So liegt es nahe, die Aussagen im Vorfeld des Branchentreffens zusammenzufassen.

Auf meine Frage, was sich Sortimenter vom Börsenverein des deutschen Buchhandels wünschen, gaben 44 Befragte Auskunft. Generell keinen Änderungsbedarf erkennen nur zwei der Befragten. Wobei Susanne Martin (Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen) Versäumnisse in der Vergangenheit einräumt und Brigitte Gode (Gollenstein Buchhandlung in Blieskastel) offen darüber nachdenkt, ob sie aufgrund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Börsenverein womöglich voreingenommen ist.

Brigitte Gode  © privat

Brigitte Gode © privat

Im Gegensatz zu vielen finde ich, dass unser Verband keinen sooo schlechten Job macht angesichts der Herausforderungen, denen er sich stellen muss und der Bandbreite der Mitglieder, die er vertreten soll. Meine Kritikpunkte liegen eher in der Vergangenheit, in der wichtige Entwicklungen einfach verschlafen wurden, aber darüber jetzt noch Tränen zu vergießen, hilft niemandem. Ein Verband ist auch immer nur so gut wie seine Mitglieder.

Ich bin selbst seit vielen Jahren im Ehrenamt engagiert und deshalb sicherlich voreingenommen. Es wird ja immer wieder unter Kollegen diskutiert, ob man den Börsenverein wirklich braucht und ob man sich den Beitrag nicht sparen könnte. Ich halte ihn für enorm wichtig, weil wir eine sehr sensible Branche sind und daher eine starke Branchenvertretung brauchen. Das kann nur der Börsenverein leisten.

Abgesehen von den beiden Statements, die dem Dachverband der Buchbranche eine zufriedenstellende Arbeit bescheinigen, äußerten alle anderen Verbesserungswünsche; darunter auch jene Vier, die nicht Mitglied sind. Ganz oben rangiert der Wunsch, dass sich der Börsenverein mit aller Kraft für die Buchpreisbindung und den reduzierten Mehrwertsteuersatz einsetzen soll. Sorgen macht in diesem Zusammenhang das Freihandelsabkommen. Gemeinsam ist außerdem das Anliegen, dass die Öffentlichkeitsarbeit forciert werden sollte. Es hapert an Aufklärung. Beklagt wird, dass der Verband die besonderen Leistungen des Buchhandels nicht herausstellt. Stichworte sind: Buchpreisbindung, Lieferzeiten und Onlineshops. Insbesondere mit Blick auf das Schreckgespenst Amazon werden hier erhebliche Versäumnisse angekreidet.

Ingo Herrmann & Heike Röminger  © Ingo Herrmann

Ingo Herrmann & Heike Röminger © Ingo Herrmann

Ich wünsche mir weniger Event und mehr Information; mich erschreckt immer wieder, wie wenig Kunden z. B. um die gesetzliche Buchpreisbindung in Deutschland wissen und darum, dass die (auch kostenlose!) Lieferung auf den nächsten Tag zwar etwas Besonderes ist (im Vergleich zum europäischen Ausland), aber keine Erfindung der Eingeborenen von Amazonien. – Mit diesem Wissen relativiert sich der „Vorteil“ der Bestellung bei Amazon doch erheblich. So Ingo Herrmann und Heike Röminger von der Buchhandlung Moby Dick in Berlin

Innovative Werbekampagnen, zum Beispiel wie wahnsinnig schnell der Buchhandel liefert! Nach 30 Jahren immer noch fast ein Geheimnis, obwohl es eines der dicksten Pfunde der Branche ist. Nur Apotheken sind schneller! Meinen Jessica Ebert und Katja Weber von der Berliner Buchhandlung ebertundweber

Was ich mir wünsche? Eine Werbe-Kampagne, für die Online-Präsenz und die schnellen Lieferungen des allgemeinen Buchhandels und für die Preisbindung. Sagt John Cohen von der Hamburger Buchhandlung cohen + dobernigg

Neben besseren Kundeninformationen erwartet man sich verstärkte Anstrengungen in Sachen Marketing und Werbung für das Buch und das Lesen. Und das, obwohl der Börsenverein mit „Vorsicht Buch!“ eine solche Kampagne gestartet hat. Freilich kommt die Initiative nicht bei allen gut an.

Margarete Haimberger © Margarete Haimberger

Margarete Haimberger © Margarete Haimberger

Die Aktion „Vorsicht Buch“ ist für uns eine große Enttäuschung. Meine Kundschaft versteht nicht, warum sie Angst vor einem Buch haben sollte… Sagt Heike Wenige vom Taschenbuchladen im sächsischen Freiberg

Sollten sie nochmal Werbung für das Buch machen, sollten sie dies bitte auf dem Niveau von Quentin Blake oder Tomi Ungerer tun, mit menschlichem Strich statt mit Photoshop-Glätte, mit Humor statt Funnyfunny. Wünscht sich Margarete Haimberger von der Schröersche Buchhandlung in Berlin

Für besonders einfallsreich hält man die Werbemaßnahmen, die der Börsenverein für das Buch betreibt, jedenfalls nicht. Gewünscht werden mehr Kreativität und Originalität sowie eine stärkere Einbeziehung der Buchhandlungen. Schlussendlich treffen auch die horrenden Kosten, die „Vorsicht Buch!“ verschlingt, einen Nerv.

Holger Brandstädt © Roland Köhler

Holger Brandstädt © Roland Köhler

Ich wünsche mir, dass der Börsenverein in Zukunft gut gemeinte Werbeaktionen ein bisschen kostengünstiger und näher an der Realität in den Buchhandlungen konzipiert. So Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach

Macht noch viel mehr Werbung für das Buch & das Lesen – in allen Formen!!! Bespielt dabei verschiedene Kanäle! Bietet mehr lokale Aktionen an, die dann individuell von den Buchhandlungen genutzt und ergänzt werden können… Fordert Barbara Roth von der Offenburger Buchhandlung Roth

Aktionen wie „Vorsicht Buch“ und einiges, was da sonst gestalterisch aus Frankfurt auf die Branche losgelassen wurde (z.B. die Bücherstapelgutscheinhüllen), erschrecken mich ob ihrer Einfallslosigkeit. Auch Nachfragen heißt es dann immer reflexartig: ‚Ihren Kollegen gefällt es. ‘ Solche Aussagen bringen weder mich noch die Branche weiter. Meint Holger Brandstädt von der Friedrich-Wagner-Buchhandlung

Noch weiter gehen Sabine und Ute Gartmann, die in Osterholz-Scharmbek die schatulle betreiben. Sie fordern einen „Umbau der MVB“ (Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels). Und Clemens Bellut vom Heidelberger Buchladen artes liberales hält die Anstrengungen, die der Börsenverein in Sachen Werbung und Marketing unternimmt, sogar für gänzlich überflüssig:An mir könnte der Börsenverein schon eine Menge sparen, wenn er den unglaublichen Aufwand mit seinen Magazinen und Informationsblättern einschränken oder einstellen würde und auch den dazugehörigen ganzen Apparat der Werbewirtschaft, des Marketings, der Produktion und des Vertriebs dieser völlig überflüssigen Papiere…“

Ein anderes großes Thema, das die Befragten umtreibt, sind die Mitgliedsbeiträge, die für sozial unverträglich gehalten werden. Angemahnt wird mehr Beitragsgerechtigkeit.

Thomas Calliebe  ©  Thomas Calliebe

Thomas Calliebe © Thomas Calliebe

Es kann nicht angehen, dass die „Kleinen“ proportional viel mehr zahlen als die „Großen“. Sagt Gustav Förster von der Wein-Lese-Handlung Förster in Ganderkesee

Bei der Gestaltung des Mitgliedsbeitrages stehe ich auf dem Standpunkt, dass ein geringerer Umsatz bei den Sortimentern auch zu geringeren Mitgliedsbeiträgen führen muss. Da läuft im Verband derzeit eine Gegenbewegung, um das Gesamtbeitragsniveau nicht weiter absinken zu lassen. Erläutert Thomas Calliebe, Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau

Offenbar kommt den kleineren Buchhandlungen eine Mitgliedschaft generell zu teuer. Die Angebote, die der Verein offeriert, können sie sich selten leisten.

Kostengünstigere Seminare, denn der Kostendruck in einer Buchhandlung ist ohnehin schwierig, da wäre es wünschenswert, dass Seminare, die zweifelsohne wichtig sind, günstig (nicht kostenlos) angeboten würden. Meint Gaby Kellner von Barbaras Bücherstube in Moosburg

Schlussendlich stellt sich die Frage, ob der Verband genügend für seine Mitglieder tut. Hier ist Skepsis angebracht. Immerhin klagen die Umsatzschwächeren vielfach darüber, stiefmütterlich behandelt zu werden.

Nicole Jünger © privat

Nicole Jünger © privat

Das ist wie in der Politik: Je weiter man sich von der Basis entfernt, desto weniger bekommt man das „wahre Leben“ mit. Der Börsenverein sollte mehr auf die Probleme der kleinen Buchhandlungen bzw. Verlage eingehen. Sagt Sonja Lehmann vom Bücherwurm Borken im Nordhessischen

Die an sich guten Verbandsstrukturen werden von Interessengruppen aktiv gegen andere benutzt. Das stört mich sehr, und ich wünsche mir, dass die Verbandsangestellten sich von ihren (großen) Beitragszahlern weniger manipulieren lassen. So Martina Bergmann, Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen

Naturgemäß wünsche auch ich mir eine Stärkung der Interessen der kleineren Mitglieder – da wo uns das Geld, der Einfluss, die Reichweite fehlt. Meint Nicole Jünger vom Buchladen am Neuen Markt in Meckenheim

Wo man mit seinen Sorgen, Wünschen und Interessen nicht ernst genommen werden, dort fühlt man sich auch nicht wohl.

Die Heerscharen „grau gekleideter Herren“ in Leipzig stoßen mich regelmäßig ab. Da fühle ich mich als Sortimenter weder wohl noch wahrgenommen. Sagt Holger Brandstädt von der Friedrich-Wagner-Buchhandlung in Ueckermünde

Offenbar hat sich inzwischen sogar eine Kluft zwischen „Oben“ und „Unten“ entwickelt; zwischen einer abgehoben und elitär agierenden Verbandsspitze nebst dem zugehörigen Apparat festangestellter Mitarbeiter einerseits und den „kleineren“ Einzelbuchhändlern andererseits.

Maria Glusgold-Drews © privat

Maria Glusgold-Drews © privat

Mitgliedernähe fällt mir ein. Wenn ich den Stand des Börsenvereins auf den Buchmessen sehe, fühle ich mich als Einzelbuchhändler ausgeschlossen in der Masse der schwarzen Anzüge. Und mit Nähe meine ich in allen Dingen: Transparenz, weniger elitäres Getue, Einsatz für den Buchhändler und die Preisbindung, bezahlbare Seminare… So Heike Wenige vom Taschenbuchladen im sächsischen Freiberg

Ich würde mir wünschen, dass der Landesverband aktiver auf die Mitglieder zuginge mit Aktionen und Ideen, und nicht nur Newsletter verschickte, die so unpersönlich aufgemacht sind. Fordert Maria Glusgold-Drews vom Buchladen MaschaKascha – Schöne Bücher in Hannover

Ginge es nach den Wünschen der 44 Befragten, dann würde der Börsenverein die Beiträge überdenken und sich stärker um die Belange der Umsatzschwächeren kümmern. Täte er dieses, dann wären ihm womöglich sogar neue Mitglieder gewiss.

Ich bin ganz bewusst kein Mitglied im Börsenverein. An Umsätze angepasste Mitgliedsbeiträge war ein Entscheidungskriterium bei mir, aber auch der Eindruck der fehlenden Nähe zur Basis. Bisher habe ich diese Entscheidung nicht bereut. Bettina Haenitsch von der Buchhandlung der buchladen in Seligenstadt

Beate und Mischa Klemm © lesen und lesen lassen

Beate und Mischa Klemm © lesen und lesen lassen

Was dem Verein ganz offensichtlich fehlt, ist Nähe zur Basis. Diese Anforderung fasst das Statement von Beate und Mischa Klemm, Buchhandlung lesen und lesen lassen, prägnant zusammen. Auf die Frage, was sie sich vom Börsenverein wünschen, antworteten die beiden Berliner Buchhändler: „Die einfache Frage: „‚Was würden Sie sich vom Börsenverein wünschen?‘ wäre schon mal ein guter Anfang.“

Weitreichender sind die Wünsche von Clemens Bellut, Heidelberger Buchladen artes liberales. Er fordert den Verband auch auf, sein Selbstverständnis zu überdenken: „Für diese Wunschliste reicht das (virtuelle) Papier hier nicht: Vielleicht am kürzesten zu sagen, dass der Börsenverein wirklich eine Vereinigung des BUCH handels werden sollte und nicht ein Instrument von Großunternehmen, die wahlweise Bücher, Schlüsselanhänger, Teddybären, Tassen u.a. vertreiben. Oder umgekehrt gesagt: die klare Selbstzuordnung, ob der Börsenverein für den Handel arbeiten will, der zufällig auch die Ware ‘Buch’ vertreibt, oder für die Bücher, ihre Autoren, ihre Verleger, ihre Setzer und Drucker, ihre Buchläden und ihre Leser arbeiten will, die nebenbei auch über Handelsbeziehungen verbunden sind.“

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Was sich die befragten Buchhändler/innen von Verlagen wünschen, das kann man hier nachlesen

 

Vergesst die kleinen Buchhändler nicht. Wünsch dir was! (Teil II)

So einiges kam auf die Frage „Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… welche wären das?“ zusammen, die Buchhändler im Rahmen meiner Reihe SteglitzMind stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor beantwortet haben. Während sich die Gesprächspartner bei der Frage, was man sich vom Börsenverein des deutschen Buchhandels erhoffe, eher zurück hielten, gab sich hier keiner bedeckt. Mancher holte weit aus. Schnell wurde mir deutlich, dass das Verhältnis zwischen verbreitendem und herstellendem Buchhandel nicht gänzlich ungetrübt ist. Wissen Verlage etwa das nicht zu schätzen, was Buchhändler leisten?

Welche Schritte Verlage einzuleiten hätten, um das unabhängige Sortiment zufriedener zu stimmen, thematisieren zwei Blogposts. Im ersten Teil habe ich die Wünsche an Programm und Marketing zusammengefasst; heute geht es um den Vertrieb, die Wettbewerbsbedingungen und anderes, was Buchhändlern bei der Zusammenarbeit mit Verlagen aufstößt.

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Auf den Umstand, dass Filialisten und Großbuchhändler ihren Einkauf zentral tätigen, haben sich die Verlage in den vergangenen Jahren eingestellt, indem sie den Innendienst ausgebaut und den Außendienst verkleinert bzw. gänzlich abgeschafft haben. Seither ist des Öfteren zu hören, dass freie Handelsvertreter, die zwei- oder teilweise sogar dreimal jährlich Buchhandlungen besuchen, um Novitäten vorzustellen und Bestellungen aufzunehmen, ein Auslaufmodell sind. Dass Verlage gänzlich auf Vertreter verzichten können, diese Ansicht teilen die Interviewpartner allerdings nicht. Vielmehr schlagen sie eine Bresche für kompetente Verlagsvertreter, die individuell und unabhängig beraten. Sie sind ein wesentliches Bindeglied zwischen Buchhandel und Verlag; nicht zuletzt, weil sie wichtige Informationen zu Neuerscheinungen vermitteln, die Vorschauen nicht bieten. Der verlagseigene Innendienst, namentlich die telefonische Betreuung durch Key Account Berater, punktet bei den 44 Gesprächsteilnehmern dagegen nicht.

Sabine und Ute Gartmann  © Jürgen Heuser

Sabine und Ute Gartmann © Jürgen Heuser

Wir arbeiten gern mit fitten Vertretern, haben keine Lust auf „Telefonbetreuung“. Sagen Sabine und Ute Gartmann von der Buchhandlung die schatulle in Osterholz-Scharmbek

„Man erhalte uns unsere Verlagsvertreter, die abseits der plakativen und austauschbaren Kurzbeschreibungen der Neuerscheinungen in den Verlagsvorschauen, glaubwürdige und auf meine Buchhandlung zutreffende Einschätzungen abgeben können.“ Wünscht sich Bettina Haenitsch von der Buchhandlung der buchladen in Seligenstadt

„Vertreter sind uns wichtig. Als Bindeglied zwischen Verlag und Buchhändler leisten diese eine wichtige und unersetzliche Arbeit. Den Verlagsvorschauen mit den unklaren Titelankündigungen wie „Ein neuer Irving“ oder „Der neue Weltbestseller“ und kein anständiger Text dazu kann man selten trauen. Und zum Vertreter sollte man so ein Verhältnis haben, dass die Kommunikation stimmt, der Vertreter den Laden kennt und unabhängig und individuell trotz Umsatzvorgaben seitens des Verlages beraten kann. Das kann telefonische Betreuung nicht leisten.“ So Heike Wenige vom Taschenbuchladen in Freiberg

Gar auf wenig Verständnis stößt, warum Verlage ihre Geschäfte über andere Vertriebsschienen als den Buchhandel abwickeln. Moniert werden Aktivitäten auf Nebenmärkten wie Supermärkten, Blumenläden oder Apotheken. Ein Dorn im Auge der Befragten ist der Direktvertrieb an Endkunden.

Holger Brandstädt © Roland Köhler

Holger Brandstädt © Roland Köhler

Ich wünsche mir, dass Verlage weniger die Nebenmärkte fördern und stattdessen dem Buchhandel ähnlich attraktive Angebote machen.“ Fordert Holger Brandstädt von der Friedrich-Wagner-Buchhandlung in Ueckermünde

„Dass die Verlage zu uns Buchhandlungen als Partner 100% stehen und somit alle Geschäfte über den Buchhandel abgewickelt werden und nicht die arbeitsintensiven abgeben, die leicht zu handelnden und lukrativen jedoch direkt über Verlag-Kunde laufen…“ Das möchte Barbara Roth von der Offenburger Buchhandlung Roth

„Wenn, wie die Verlage gerne betonen, der Buchhandel als Vertriebsweg so wichtig ist: Wieso gibt es dann Bücher in Supermärkten und wieso verkaufen sie, die laut über nicht rentable Einzellieferungen an die Buchhändler wettern, ihre Bücher direkt an Endkunden?“ Fragen Ingo Herrmann und Heike Röminger von der Berliner Buchhandlung Moby Dick

In diesem Kontext ist es wenig verwunderlich, dass die verlagseigenen Webshop-Lösungen ebenfalls im Kreuzfeuer der Kritik stehen. Besser beraten wären Verlage, wenn sie auf das stationäre Sortiment verlinken würden.

Bettina Heanitsch © privat

Bettina Heanitsch © privat

Mich stören tatsächlich auch die eigenen Shops auf den Homepages der Verlage. Warum wird hier nicht an den örtlichen Buchhandel verwiesen? Über die Zahlen im Direktvertrieb wird gar nicht gesprochen. Kein Wunder, dass der einzelne Sortimentsbuchhändler immer weniger Unterstützung durch die Verlage erfährt, warum sollte der Verlag das auch tun, wenn er es selber verkaufen kann und mehr verdient. Da kann man sich das auch leisten, ein Taschenbuch für 9,90 Euro versandkostenfrei zu liefern.“ So Heike Wenige vom Taschenbuchladen im sächsischen Freiberg

„Ab und an habe ich den Eindruck, der Buchhändler steht bei Verlagen als letzter in der Reihe. Warum eigene Shops auf den Verlagshomepages? Die Buchhändler lesen und setzen sich aktiv für die Bücher der Verlage ein – das ist nicht sehr unterstützend.“ Meint Bettina Haenitsch von der buchladen in Seligenstadt

Gar nicht gut kommt an, dass Verlage auf ihrer Webpräsenz auf die Bezugsmöglichkeit via Amazon verweisen. Und so mancher fragt sich, warum sie überhaupt mit einem Onliner kooperieren, der den Buchmarkt gnadenlos kannibalisiert, statt ihm die Stirn zu bieten.

Barbara Roth  © Iris Roth

Barbara Roth © Iris Roth

Dass die Verlage uns auf Ihre Homepages verlinken und listen und nicht als erstes (und meist auch noch ausschließlich) Amazon als Bezugsquelle anführen.“ Ärgert Barbara Roth von der Offenburger Buchhandlung Roth

„Verkauft eure Bücher nicht an Amazon! Würden sich drei, vier große Publikumsverlage trauen, ihre Titel nicht mehr über Amazon zu verkaufen, wäre der Ruf von Amazon bezüglich der allumfassenden Lieferfähigkeit schnell hin und der Kunde würde auch wieder mal woanders hinschauen.“ Fordern Jessica Ebert und Katja Weber von der Berliner Buchhandlung ebertundweber

Auf allgemeines Unverständnis stößt, warum sich Verlage nicht an den Kosten für Lesungen und Veranstaltungen beteiligen. Dass Buchhandlungen, die sich solcherart mit viel Herzblut und Engagement für Bücher einsetzen, mit Flyern oder Partieexemplaren abgespeist werden, sorgt für Unmut. Manchen ärgert in diesem Zusammenhang auch, dass Autoren zunehmend über spezialisierte Agenturen und nicht mehr direkt über den Verlag für Lesungen in der Buchhandlung gebucht werden können.

Torsten Meinicke © Buchladen Osterstraße

Torsten Meinicke © Buchladen Osterstraße

Übernahme eines Teils der Kosten bei Lesungen, denn schließlich machen wir mit unseren Lesungen Werbung für das jeweilige Buch.“ Das wünscht Torsten Meinicke vom Hamburger Buchladen Osterstraße

„Schafft ein Budget für Veranstaltungen, aus dem ihr kleinere Buchhandlungen unterstützen könnt. Und zwar mit mehr als nur Plakaten oder Partieexemplaren!“ Fordert Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen

Obwohl der Sortimentsbuchhandel trotz aller Umwälzungen ein wichtiger Umschlagsplatz für Bücher ist, scheinen Verlage auf die Belange kleinerer und mittlerer Buchhandlungen wenig Rücksicht zu nehmen. Für ihr Engagement sehen sich die Befragten regelrecht abgestraft. Sie wünschen sich mehr Entgegenkommen und Solidarität. Darüber hinaus sind ihre Forderungen so vielfältig wie das stationäre Sortiment bunt ist.

Annaluise Erler © Julius Erler

Annaluise Erler © Julius Erler

Vernünftige Konditionen auch für Kleinbestellungen. Ich möchte für mein Engagement per VLB (und nicht nur per BS-Katalog zu bibliografieren) nicht mit Minderrabatten und Versandkosten statt Portokosten „bestraft“ werden. Nachlieferungen grundsätzlich portofrei (das ist in jeder anderen Branche selbstverständlich!)“ Sagt Gustav Förster von der Wein-Lese-Handlung Förster in Ganderkesee

„Wir Buchhändler sind das Schaufenster für die Verlage. Falls wir die Produkte dann trotz Bemühungen doch mal nicht verkaufen können, möchten wir nicht auch noch mit Remi-Kosten bestraft werden.“ So Annaluise Erler von der Buchhandlung Findus in Tharandt

Beate Laufer-Johannis  © privat

Beate Laufer-Johannis © privat

„Ein höherer Rabatt ohne Riesenabnahmemengen würde uns das Leben sehr erleichtern. Nehmt auch uns „kleine Buchhandlungen“ ernst und unterstützt uns bei Aktionen.“ Wünscht sich Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach bei Erlangen

„Schnürt Pakete, die zu unserer Größe passen. Stellt uns auch bei kleineren Bestellmengen Werbematerial und Leseexemplare zur Verfügung. Wir, die Indis, sind diejenigen, die sich auch für die Bücher einsetzen, die nicht auf den Bestsellerlisten landen.“ So Brigitte Gode von der Gollenstein Buchhandlung in Blieskastel

„Schön wäre es, auf Sonderauslieferungen zu verzichten, die uns unnötig die Kosten in die Höhe treiben.“ Meinen Beate und Mischa Klemm mit der Buchhandlung lesen und lesen lassen

Allgemein sorgen die Konditionen für Verdrießlichkeit. Dass Verlage vor Ketten, Filialisten und Großabnehmern wie Amazon regelrecht katzbuckeln und ihnen nennenswerte Wettbewerbsvorteile einräumen, gereicht den Kleineren, die sich stärker anstrengen müssen, zum großen Ärgernis. Unisono werden ungerechte Konditionen und unfairer Wettbewerb beklagt, der auf Kosten des unabhängigen Sortiments geht. Entsprechend wünschen sie sich bessere Konditionen, geringere Versand- und Remissionskosten und Rabatte, die nicht nur auf die Absatzzahlen, sondern auch auf die Ladengröße abgestimmt sind.

Edda Braun © privat

Edda Braun © privat

Ich erwarte, dass die Verlage Konditionenforderungen von Amazon und Konsorten, die keine Wettbewerbsgerechtigkeit mehr ermöglichen, an unsere Realitäten angleichen. Die Preisbindung würde es ermöglichen und mit welchem Recht fordert die Krake 20 – 25% mehr Rabatt zzgl. Distributionskosten? Schließlich wickelt der traditionelle Buchhandel erheblich mehr Buchumsatz ab als Amazon.“ So Jörg Braunsdorf von der Berliner Tucholsky-Buchhandlung

„Bei der Konditionengestaltung nicht nur die ‚Großen‘ zu hofieren, sondern an unseren gemeinsamen Auftrag denken, für die Verbreitung und den Erhalt der Buches als Kulturgut und Bildungsmittels ersten Ranges zu sorgen.“ Wünscht sich Edda Braun von der Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt

„Bessere Rabatte, die zugeschnitten sind nicht nur auf Absatzzahlen sondern auch auf die Ladengröße.“ Fordert Maria Glusgold-Drews vom Buchladen MaschaKascha – Schöne Bücher in Hannover

Hatte das Spartenpapier 1985 nicht festgeschrieben, das die drei Parteien des deutschen Buchhandels fair miteinander umgehen sollen? Und heißt es in der Orientierungshilfe des Börsenvereins für das Verhalten von Verlag, Sortiment und Zwischenbuchhandel nicht, dass Verlage bei ihrer Konditionengestaltung darauf Acht geben müssen, auch kleinere Sortimente wettbewerbsfähig zu halten? Ist der gemeinsame Konsens, der drei Sparten jahrzehntelang verband, inzwischen hinfällig geworden? Ja, beklagt Susanne Martin von der Stuttgarter Schiller Buchhandlung:

Susanne Martin © Silvie Brucklacher

Susanne Martin © Silvie Brucklacher

Ich bedauere sehr, dass der Branchenkonsens, Werte, die für alle Sparten über viele Jahrzehnte gegolten haben, in den letzten Jahren mehr oder weniger verloren gegangen ist. Ich bedauere das natürlich zum einen, weil der Sortimentsbuchhandel als schwächstes Glied das besonders zu spüren bekommt. Aber auch deshalb, weil ich glaube, dass das langfristig unserer Branche und ihrer Durchsetzungskraft (und damit letztlich dem Buch) sehr schaden wird und sie beliebig werden wird. Und das finde ich einfach schade.“

Bleibt an dieser Stelle ein Appell an die Adresse der Verlage: Zeigt euch solidarischer, nehmt Rücksicht auf die Belange der Kleineren und fokussiert nicht nur kurzsichtig jene, die eure Kasse klingeln lassen. Buchhändler wünschen sich eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Und nicht zuletzt: Sie vermissen Wertschätzung!

Simone Dalbert © privat

Simone Dalbert © privat

Es wäre schön, wenn man nicht als Bittsteller, sondern als Handelspartner mit gemeinsamem Interesse (Handel mit Kultur UND Ware, nämlich Buch) gesehen würde.“ Meint Ingo Herrmann und Heike Röminger von der Berliner Buchhandlung Moby Dick

„Nach der Buchmesse hat sich bei uns eine gewisse Frustration breit gemacht, was den Messebesuch betraf. Irgendwie hatten wir uns in den letzten Jahren an den Ständen der Verlage zunehmend als Störfaktor gefühlt, nicht als interessierten und möglicherweise sogar interessanten Partner der Verlage. Klar gilt das nicht für alle, wir hatten auch sehr nette Messegespräche, aber wenn mir gesagt wird, ich solle doch von zu Hause aus bestellen, man habe gerade keine Zeit zum Aufnehmen einer Bestellung, dann komme ich schon ins Grübeln…“ So Rosemarie Reif-Ruppert von der Gostenhofer Buchhandlung

„Vergesst die vielen kleinen Buchhändler nicht. Wir machen einzeln nicht den Umsatz einer großen Filialkette oder sogar eines Online-Riesen. Aber wollt ihr wirklich, dass die Kleinen mit der Nähe zum Kunden immer weniger werden?“ Fragt Simone Dalbert von der Würzburger Buchhandlung Schöningh

„Dass auch umgekehrt sie, wenn sie denn solcherart Bücher machen und herausbringen, in ein ähnlich ambitioniertes Verhältnis zu denjenigen Buchläden und Buchhändlern treten, wo sie ein solches Verhältnis zu ihren Büchern lebendig vorfinden können.“ Wünscht sich Clemens Bellut vom Heidelberger Buchladen artes liberales

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BTW: Die Fragestellungen der Gesprächsreihe will eine Veranstaltung erweitern und vertiefen, die in Berlin/Mitte am 3. Juni 2014 ab 19.00 Uhr in der Tucholsky-Buchhandlung stattfindet. Wir erwarten uns eine kontroverse Debatte, zu der Ihr herzlich eingeladen seid. Zur Diskussion beitragen werden u.a. Siegmund Ehrmann, MdB (Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien), Zoë Beck (Autorin und e-Book-Verlegerin CulturBooks), Lorenz Borsche (Vorstand der buchhändlerischen Genossenschaft eBuch), Boris Langendorf (freier Publizist), Daniel Leisegang (Autor von “Das Buch als Beute”) und Stefan Weidle (Verleger und Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung). – Der Eintritt ist frei.

Um Voranmeldung wird gebeten: kurt(klammeraffe)tucholsky(punkt)de

Wünsch dir was! Wie Verlage Buchhändler zufriedener stellen können (I)

Sollte sich der Osterhase befleißigen, all‘ jene Wünsche in einen Sack zu packen, die Buchhändler an Verlage richten, dann hätte er schwer zu schleppen. Ganz schön viel kam jedenfalls auf die Frage „Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… welche wären das?“ zusammen, die Buchhändler im Rahmen meiner Reihe SteglitzMind stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor beantwortet haben. Während sich die Gesprächspartner bei der Frage, was man sich vom Börsenverein des deutschen Buchhandels erhoffe, eher zurück hielten, gab sich hier keiner bedeckt. Mancher holte weit aus. Schnell wurde mir deutlich, dass das Verhältnis zwischen herstellendem und verbreitendem Buchhandel nicht gänzlich ungetrübt ist. Wissen Verlage etwa das nicht zu würdigen, was Buchhändler leisten?

Welche Schritte Verlage einzuleiten hätten, um Buchhändler zufriedener zu stimmen, darum geht es in den folgenden Blogposts. In diesem Teil fasse ich die Wünsche an Programm und Marketing zusammen; im zweiten Teil wird es vorrangig um Vertrieb und Wettbewerbsbedingungen gehen.

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Ganz oben auf der Liste steht ein Wunsch, der nicht nur aus dem Sortiment seit Jahren laut wird. Obwohl der Novitäten-Ausstoß in jüngerer Zeit etwas rückläufig ist, bleibt der Buchmarkt dennoch durch eine unverminderte Titelflut unüberschaubar. Das Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) listet nahezu 1,4 Millionen Titel und jährlich kommen Unmengen hinzu. So buhlten 2012 – laut „Buch und Buchhandel in Zahlen“ – 91.100 Neuerscheinungen um Buchhändler und Leser. Diesen Bücherberg kann selbstverständlich kein Mensch bewältigen; selbst ein potentieller Vielleser nicht, der es hypothetisch auf vier Bücher wöchentlich bringt. Auch dieser schafft jährlich kaum mehr als 200 Bücher. Kurzum: Es drängeln sich zu viele auf dem Markt, sagen die Buchhändler, und fordern entsprechend von den Verlagen eine Drosselung der Produktion.

lesende Buchhändlerin ©  Mila Becker

lesende Buchhändlerin © Mila Becker

Sucht sorgfältiger aus, strafft die Programme. Das gäbe dem Buch eine größere Wertigkeit. Nicht alles, was gedruckt werden kann, muss auch gedruckt werden“. Sagt Brigitte Gode von der Gollenstein Buchhandlung in Blieskastel

„Stoppt die irrsinnige Masse an Neuerscheinungen. Es gibt nicht weniger Leser, es gibt zu viele Bücher. Gegen diese unendliche Flut, die produziert wird, kann weder der gutwilligste Buchhändler, noch der ambitionierte Leser ankommen. Nicht Masse, sondern Klasse wäre mal wieder angesagt!“ Findet Mila Becker von Mila Becker Buch & Präsent in Voerde

„Ratlosigkeit im Neuerscheinungsdschungel treibt um… Es wird uns so schwer gemacht, gute Belletristik zu finden – aber wir finden sie!“ Meint Heike Wenige vom Taschenbuchladen im sächsischen Freiberg

Da sich die befragten Sortimenter in der Pflicht sehen, Perlen aus dem Büchermeer zu fischen, gereicht ihnen ein unüberschaubarer Markt, den niemand bewältigen kann, zum doppelten Ärgernis. Perlen lassen sich in trüben Gewässern nur schwerlich auffinden. Aber nicht allein die Überproduktion wird kritisiert, sondern auch das Tempo, das Verlage beim Verlegen vorlegen. Bücher werden zu schnell und zu eilfertig verramscht und damit der Chance enthoben, sich auf dem Markt durchzusetzen. Moniert wird in diesem Zusammenhang ebenfalls, dass Verlage ihre Backlist vernachlässigen und dass die Fristen zwischen Hardcover- und Taschenbuchausgaben zu kurz sind.

Lia Wolf  © Oskar Schmidt

Lia Wolf © Oskar Schmidt

1. weniger Publizieren in 2. niedrigeren Auflagen was zu 3. weniger Verramschen führt und somit der dritte Wunsch sich von selbst erfüllt und für den Wunsch nach Backlistpflege frei bleibt.“ Sagt Lia Wolf von der Wiener Buchhandlung Lia Wolf

„Verramscht eure Bücher nicht so schnell! Die Bücher werden sehr, sehr schnell – manchmal innerhalb eines halben Jahres an moderne Antiquariate billig verhökert, so dass zeitgleich bei uns die „normale“ Ausgabe gehandelt wird – das ist sehr unschön…“ Meinen Jessica Ebert und Katja Weber von der Berliner Buchhandlung ebertundweber

Ebenfalls ihr Fett weg bekommen die Verlagsprogramme höchst selbst. Anstoß nehmen die Befragten vorrangig an Qualität und Uniformität des Angebots.

Mich treibt um, das es immer schwerer wird, Titel mit Substanz zu finden, die zu verkaufen Freude macht. Die Unzahl austauschbarer Massenware auch aus Häusern mit großer literarischer Tradition wie z.B. Aufbau, Ullstein, List deprimiert. Fragen Sie doch mal Verlage, was im vorletzten Herbst der Spitzentitel war?! Auch wenn Osburg, Liebeskind u.a. immer noch für Lichtblicke sorgen, dünnt sich das Angebot trotz hoher Novitäten-Anzahl doch zusehends aus.“ So Holger Brandstädt von der Friedrich-Wagner-Buchhandlung in Ueckermünde

Moniert werden allerdings nicht nur flache Inhalte, auch die Gestaltung der Bücher lässt in den Augen der Buchhändler vielfach zu wünschen übrig. Verbesserungen fordern sie bei der Titel- und Covergestaltung. Lieblose, uninspirierte Klappentexte kommen ebenso wenig an wie austauschbare und uniforme Cover. Zudem scheinen Verlage das Preis-/Leistungsverhältnis aus dem Auge verloren zu haben. Für Unmut sorgt außerdem, wenn Titel künstlich aufgeblasen werden. Und bisweilen wäre weniger ganz einfach mehr.

Margarete Haimberger © Margarete Haimberger

Margarete Haimberger © Margarete Haimberger

Ich wäre schon zufrieden, wenn auf jedem Umschlag ein paar Angaben zum Inhalt stehen würden und keine geheimnisvollen Sätze aus dem Buch. Es mag originell sein, aber die Kunden legen so ein Buch meist zurück.“ Sagt Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental

„Reduziert die vielen austauschbaren Titel und blast Bücher nicht künstlich auf: in unsere Regale passt halt nur eine begrenzte Zahl von Titeln. Ein Buch mit den Ausmaßen eines Backsteins nimmt uns einfach zu viel Platz weg wenn man den Text auch – ohne Einbußen an guter Lesbarkeit – auf ein Drittel der Seiten unterbringen könnte. „Meint Rosemarie Reif-Ruppert von der Gostenhofer Buchhandlung in Nürnberg

„Übertreibt es nicht mit der Ausstattung, vertraut auf die Wirkung des Worts (und wenn es keine Wirkung hat, lasst es lieber ganz bleiben.“ Wünscht sich Margarete Haimberger mit ihrer Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg

Rosi Reif-Ruppert © Rainer Kradisch

Rosemarie Reif-Ruppert © Rainer Kradisch

Ach, bitte: druckt ansprechende Texte auf die Buchrückseite!“ Fordern Beate und Mischa Klemm von der Berliner Buchhandlung lesen und lesen lassen

„Liebe Verlage, bitte macht Bücher nicht so billig! Wenn die Qualität stimmt, darf ein Taschenbuch auch 14,99 kosten und nicht nur 8.99. Achtet doch bitte wieder mehr auf das Preis-Leistungsverhältnis: für 800 Seiten mit schmucken Cover sind 10 € zu wenig, für 80 Seiten, auf schlechtes Papier gedruckt, sind € 12,90 zu viel.“ So Rosemarie Reif-Ruppert von der Nürnberger Gostenhofer Buchhandlung

Absolut NO GO ist das „Trittbrettfahrer-Syndrom“, was meint, dass Verlage das abkupfern, was auf dem Markt gut geht. Mogelpackungen verschaukeln Leser, in der Folge büßen Verlage langfristig Glaubwürdigkeit und Renommee ein.

Stefanie Dietz © Anette Hempfling

Stefanie Dietz © Anette Hempfling

Die zunehmende Produktion austauschbarer Titel und die zunehmende Uniformität des Angebotes mit der Gefahr, dass die Qualität immer mehr in den Hintergrund tritt. Tödlich für den Buchhandel ist die Devise „Fliegen irren nicht…“, also legen wir noch eins auf den großen Haufen drauf. Das andauernde „Für die Leser von…„ signalisiert doch nur „Abklatsch Nr. X“. Sagt Gustav Förster von der Wein-Lese-Handlung Förster in Ganderkesee

„Was mir am Programm der großen Publikumsverlage am meisten auf den Geist geht, ist das “Trittbrettfahrersyndrom”. Erfolgreiche Titel werden von anderen Verlagen kopiert, (indem etwa Themen geklaut werden, Cover ähnlich gestaltet), um den naiven Leser dazu zu bringen, Bücher zu kaufen, die den eigentlichen Erfolgstitel nur wiederkäuen. Durch dieses reine Interesse am schnellen Umsatz verlieren Verlage an Glaubwürdigkeit.“ Meint Stefanie Diez von der Berliner Buchhandlung Die Insel

Bedauert wird vielfach, dass etablierte (Publikums-) Verlage den Mut zum besonderen, zum ambitionierten Buch verloren haben. In diesem Zusammenhang kommen in der Gesprächsreihe die sogenannten Independent Verlage gut weg, die abseits des Mainstreams trotz schlechter gestellter Vertriebsmöglichkeiten mit innovativen Programmen und ungewöhnlichen Büchern überzeugen, die ansprechend gestaltet sind. Sie werden von den befragten Buchhändlern vielfach lobend erwähnt.

Hannah Wiesehöfer und Nina Wehner © die Buchkönigin

Hannah Wiesehöfer und Nina Wehner © die Buchkönigin

Sehr viele kleinere bis kleine, unabhängige Häuser wie z.B. der Secession Verlag, Binooki oder Kunstmann leisten wunderbare Arbeit und sind mit großer Hingabe bei der Sache, da gibt es rein gar nichts dazu zu wünschen!!!“ So Stefanie Diez von der Berliner Buchhandlung Die Insel

„Schön ist, dass auch im Literaturbetrieb immer noch neue Konzepte erdacht werden und funktionieren. Zum Beispiel der neue Berliner Verlag Metrolit – ein Projekt verschiedener Akteure des Literatur- und Medienbetriebs (Aufbau, Walde + Graf, Flux Fm). Sie haben ein innovatives Programm aufgestellt, das sich sowohl am Zeitgeist orientiert als auch auf klassisch verlegerische Arbeit setzt. Weiterhin ist es erfreulich zu sehen, dass auch kleine ambitionierte Projekte wie zum Beispiel der Binooki Verlag oder Kookbooks eine Chance haben, sich zu etablieren. Auch Ungewöhnliches oder scheinbar Abseitiges muss nicht konträr zu wirtschaftlicher Machbarkeit stehen, und trägt zu einer lebendigen literarischen Szene abseits des Mainstreams bei.“ Meinen Hannah Wiesehöfer und Nina Wehner von der Berliner Buchhandlung Die Buchkönigin

Nicht gut weg kommt das Marketing, mit dem Verlage gedenken, Buchhändler für ihre (Spitzen-)Titel einzunehmen. Dass Mittelmäßiges mit Superlativen hochgejubelt wird, verärgert den Buchhandel. Mit künstlich aufgeblähten Kampagnen für einzelne Titel, die mit aller Macht auf Bestseller-Listen gehievt werden sollen, hat er ebenso wenig am Hut. Und für marktschreierische Vorschauen, die den Handelspartner für dumm verkaufen wollen, haben Buchhändler schon überhaupt kein Verständnis.

Heike Wenige  © privat

Heike Wenige © privat

Es bringt mir nichts, einen umworbenen Bestseller einmal von hinten, von vorne, auf einem Stapel, in einen kunstvollen Aufbau oder sonst wie auf jeweils einer ganzen Seite abgebildet bestaunen zu können. Dagegen hätte ich gerne Vorschauen oder Leseproben, die Informationen über Text und Autor bieten. Ja, auch wie die Geschichte ausgeht und wer der Täter ist, darf gerne verraten werden…“ So Rosemarie Reif-Ruppert von der Nürnberger Gostenhofer Buchhandlung

„Verlagsvorschauen sollten mehr Arbeitsmittel sein und den Buchhändler nicht mit den üblichen Superlativen und mehrseitigen Einzeltitelankündigungen quälen, man hat doch auf der ersten Seite schon begriffen, wie wichtig das Buch für den Verlag sein könnte.“ Findet Heike Wenige vom Taschenbuchladen in Freiberg

Statt viel Gedöns und leeren Versprechungen („wir werben in…“) wünschen sich Buchhändler sachliche Informationen und Leseproben. Auf wenig Verständnis stößt, dass Verlage inzwischen mit Leseexemplaren geizen. Mancher kann sich durchaus vorstellen, auf die gedruckte Vorschau zu verzichten. Andere wiederum sprechen sich dafür aus, dass die Gelder, die für aufwändig gestaltete Vorschauen und Kataloge ausgegeben werden, sinnvoller fließen sollten.

Clemens Bellut © Laurenz Micke

Clemens Bellut © Laurenz Micke

Vor allem: Seid großzügig mit Leseexemplaren, denn unsere Kunden fordern unsere persönlichen Buchempfehlungen ein und dafür müssen wir lesen, lesen, lesen.“ Sagt Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach

„Wieder mehr Leseexemplare im Hinblick auf den Einkauf und natürlich den Verkauf. Was ich gelesen habe, kann ich in der Regel auch verkaufen.“ Meint Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental

„Dass sie die Gelder, die in ihre oft unglaublich aufwendigen Kataloge und Präsentationen gehen, eher den Autoren, den Lektoren, den Setzern und den Buchhändlern zugute kommen lassen.“ Fordert Clemens Bellut vom Heidelberger Buchladen artes liberales

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BTW: Die Fragestellungen der Gesprächsreihe will eine Veranstaltung erweitern und vertiefen, die in Berlin/Mitte am 3. Juni 2014 ab 19.00 Uhr in der Tucholsky-Buchhandlung stattfindet. Wir erwarten uns eine kontroverse Debatte, zu der Ihr herzlich eingeladen seid. Zur Diskussion beitragen werden u.a. Siegmund Ehrmann, MdB (Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien), Zoë Beck (Autorin und e-Book-Verlegerin CulturBooks), Lorenz Borsche (Vorstand der buchhändlerischen Genossenschaft eBuch), Boris Langendorf (freier Publizist), Daniel Leisegang (Autor von „Das Buch als Beute“) und Stefan Weidle (Verleger und Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung). – Der Eintritt ist frei.

Um Voranmeldung wird gebeten: kurt(klammeraffe)tucholsky(punkt)de

 

„Wer will denn ernsthaft mit dem konkurrieren wollen, was die Internet-Handelsunternehmen da veranstalten?“ – SteglitzMind stellt Clemens Bellut von der Buchhandlung „artes liberales“ vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Heute lernen wir Clemens Bellut vom Heidelberger Buchladen artes liberales etwas näher kennen. Vorgeschlagen hatte das Giovanni Belmonte, der das Blog vnicornis pflegt.

Eine Skizze vom Laden…

Im Mai 2013 habe ich den Buchladen unter dem Namen artes liberales in der Heidelberger Altstadt, am Kornmarkt, in einem frisch restaurierten, 300 Jahre alten traumhaft schönen Haus eröffnet. Er ist in einem ausgesprochen ernst gemeinten Sinn als philosophischer Buchladen aufgebaut, versammelt auf sehr kleinem Platz einen entsprechend kleinen Bestand von ca. 1.200 Titeln, die vornehmlich aus meiner eigenen disziplinären Perspektive in einem gewissen Verhältnis zur Philosophie stehen: Dichtung, Literatur, Philologie, Kunstwissenschaft, Physik, Musikwissenschaft, Geschichte.

Clemens Bellut © L. Povilas Ludvikas

Clemens Bellut © L. Povilas Ludvikas

Warum sind Sie Buchhändler geworden?

Weil ich vor eineinhalb Jahren nach Heidelberg gezogen bin und in der Altstadt, neben all den zahlreichen Antiquariaten, leidvoll die Abwesenheit eines solchen Buchladens registrieren musste – eines Buchladens zum Lesen, zum Gespräch, zur Entdeckungsreise und zur veritablen Konkurrenz fürs Café oder für die Kneipe als Tagesraum.

Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Ja.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

Der Wechsel von den akademischen Tätigkeitsorten zu einem Buchladen. Dabei ist der Wechsel lange nicht so grundsätzlich wie es scheinen mag: Seit alters her trage ich mich mit der Idee, einmal eine kleine Akademie oder ein Kolleg oder Institut zu gründen, auch zur Wiederaufnahme der alten, herkömmlichen Impulse in der Gründungszeit der ersten europäischen Universitäten. Und auf die Idee mit dem Buchladen bin ich, über den genannten äußeren Anlass hinaus, nur darum gekommen, weil ich mir einen solchen Buchladen mit seiner Präsenz höchst sorgfältig ausgesuchter Titel und Bücher denken kann als die Keimzelle einer solchen „Akademie“.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Ich unternehme keine gesonderten Anstrengungen – aber ich nutze die digitalen Techniken überall, wo sie sich hilfreich machen können. So gibt es eine Facebook-Präsenz des Ladens, eine Internet-Seite, die auch zur Bestellung und zur Beauftragung taugt und man kann eben alle gedruckten, digitalen, audio-visuellen Werke – soweit sie mir erreichbar sind – bestellen und erhalten. Ich sehe nicht den geringsten Anlass, einerseits, mich deswegen von meinem ursprünglichen Impuls abbringen zu lassen – und der Impuls war eben nicht zuerst auf digitale Experimente ausgerichtet – oder, andererseits, mich ohne Not auf völlig gegenstandslose Abgrenzungskämpfe verpflichten zu lassen.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

Das Sterben ist vielleicht ein sehr populärer und doch ein wenig stichhaltiger Topos: Es verhält sich vermutlich so ähnlich wie mit den Schallplattenläden. Sie sind ja auch nicht gestorben – oder sie sind jedenfalls wiedergekommen. Und sie genießen vermutlich eine erheblich höhere Wertschätzung als zu Zeiten vor der Digitalisierung. Und so geht es auch mit den Buchläden. Freilich wenn man glaubt, der Digitalisierung und dem Internet-Handel hinterherlaufen zu müssen und davon ausgeht, dass es sich beim Buch um ein völlig austauschbares Handelsgut gegenüber anderen Waren handelt – dann hat man auch ökonomisch schon verloren, bevor man auch nur einmal in seine Buchhaltung geguckt hat … umso mehr in inhaltlicher Hinsicht. Wer will denn ernsthaft mit dem konkurrieren wollen, was die Internet-Handelsunternehmen da veranstalten? Das ist für sich womöglich mehr oder weniger legitim, aber ich will doch gar nicht neben Büchern oder austauschweise gegen sie irgendwelche anderen Waren vertreiben, nur um überhaupt Handel zu treiben oder nur um überhaupt Gewinn zu erzielen. Sondern ich habe eine Idee und einen Wunsch und ich sehe Menschen, die sich wie ich weit unterfordert fühlen von dieser selbstverständlich restlos anti-intellektuellen Industrie. Nicht zufällig geht das Sterben insbesondere bei denjenigen Läden und Ketten los, die ihrerseits einmal einst die kleinen kostbaren Läden zu Grabe gebracht haben und nun einem Trend hinterherlaufen, unter dem sie gar nicht anders als ersticken können.

Wie halten Sie es mit dem E-Book?

Ich schreibe niemandem vor, in welcher Gestalt er dasjenige, was mir lesenswert scheint, in die Hand nehmen will: In Schweinsleder gebunden, in Leinen gebunden, kartoniert, als Hörbuch, in irgendeiner digitalen Gestalt…

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Es gibt kein grundsätzliches Argument dagegen – und keines dafür. Die beiden entscheidenden Argumente sind ausschließlich: 1.  was damit publiziert wird und 2.  wie es gemacht ist.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

artes liberales © Clemens Bellut

artes liberales © Clemens Bellut

Indem man einen Buchladen wie ein Café und wie eine Kneipe auffasst: Wenn man versteht, dass es beim Buchverkauf wie bei einigen anderen bemerkenswert eigenartigen Gütern darauf ankommt, ihren ökonomische Ertrag als notwendigen Ermöglichungsgrund ansieht – aber nicht als das ausschlaggebende Anliegen. Ich brauche den Verkauf dafür, den Laden überhaupt betreiben zu können – aber ich mache ihn aus einem völlig anderen Grund. Da braucht es dann aber auch ein intimes Verhältnis sowohl zu den ausgestellten Büchern als auch zu den Menschen, die zu Besuch kommen. Und vielleicht fängt schon alles damit an, diese Menschen nicht als Kunden, sondern als Besucher anzusehen. Und bei den Büchern kommt es darauf an, den Schreck vor den Verlagspreisen zu verlieren und sich mit denjenigen schönen, gutgemachten und verdienstvollen Editionen, Titeln und Publikationen zu umgeben, für die es sich immer lohnen wird, Menschen damit in Berührung zu bringen, darauf aufmerksam zu machen und sie miteinander in Verbindung zu bringen. Das darf man ruhig in beiden Richtungen als ein erotisches Verhältnis ansehen.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

1. Dass auch umgekehrt sie, wenn sie denn solcherart Bücher machen und herausbringen, in ein ähnlich ambitioniertes Verhältnis zu denjenigen Buchläden und Buchhändlern treten, wo sie ein solches Verhältnis zu ihren Büchern lebendig vorfinden können.

2. Dass die Gelder, die in ihre oft unglaublich aufwendigen Kataloge und Präsentationen gehen, eher den Autoren, den Lektoren, den Setzern und den Buchhändlern zugute kommen lassen.

3. Dass sie meine Vorstellung einer erneuernden Art der Akademie, die aus dem Buchladen hervorgeht, fördern wollten.

Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Für diese Wunschliste reicht das (virtuelle) Papier hier nicht: Vielleicht am kürzesten zu sagen, dass der Börsenverein wirklich eine Vereinigung des BUCH handels werden sollte und nicht ein Instrument von Großunternehmen, die wahlweise Bücher, Schlüsselanhänger, Teddybären, Tassen u.a. vertreiben. Oder umgekehrt gesagt: die klare Selbstzuordnung, ob der Börsenverein für den Handel arbeiten will, der zufällig auch die Ware ‚Buch‘ vertreibt, oder für die Bücher, ihre Autoren, ihre Verleger, ihre Setzer und Drucker, ihre Buchläden und ihre Leser arbeiten will, die nebenbei auch über Handelsbeziehungen verbunden sind. – Und am banalsten zu sagen: an mir könnte der Börsenverein schon eine Menge sparen, wenn er den unglaublichen Aufwand mit seinen Magazinen und Informationsblättern einschränken oder einstellen würde und auch den dazugehörigen ganzen Apparat der Werbewirtschaft, des Marketings, der Produktion und des Vertriebs dieser völlig überflüssigen Papiere…

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Die engstirnige Beschränkung auf einen Talkshow- und Nachtisch-Literaturbegriff, der aus merkwürdigen Gründen die wissenschaftliche Literatur fast ausschließlich unter der Kategorie „Sachbuch“ oder „Populärwissenschaft“ oder „Wissenschaftsjournalismus“ kennt und weitergibt. Und die Beschränkung auf der anderen Seite, die aus der ängstlichen Scheu kommt, in Deutschland noch das Wort „Dichtung“ in den Mund zu nehmen.

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Es fängt damit an, dass überhaupt  niemand  in eine Buchhandlung gehen  sollte  – und es geht weiter mit dem Buchhändler und dem Verleger, die aufhören sollten, ihre Leser und Besucher so maßlos wie die Talkshows zu unterschätzen und die ihrerseits vielmehr diesen Lesern und Besuchern den  lohnenden  Weg in eine Buchhandlung überhaupt  möglich  zu machen.

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Den Reisebuchladen in Heidelberg, Buchhandlung & Antiquariat Schöbel, ebenfalls in Heidelberg ansässig, die literarische Buchhandlung Quichotte in Tübingen, ebenfalls in Tübingen die H.P. Willi Buchhandlung, Pro qm aus Berlin, die sich hier bereits vorgestellt haben, Calligramme in Zürich und die Buchhandlung Klio, auch in Zürich. – Für ein Gespräch schlage ich Wolfgang Zwierzynski von der Tübinger Quichotte Buchhandlung vor, weil sie meiner auch auf beste komplementäre Weise entspricht.

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Eine Übersicht über die Empfehlungen, die im Rahmen der Gesprächsreihe mit Buchhändler/ innen seit Juli 2013 zusammengekommen sind, findet sich hier

Außerdem gibt es inzwischen ein dreiteiliges Fazit zu den 44 Interviews:

1. Ob und wie sich die Befragten im Netz engagieren 2) inwieweit E-Bücher bereits Einzug in ihre Läden gehalten haben 3) wie sie es mit Publikationen von Self-Publishern halten. Zum “Best of: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen” geht es hier und falls sich jemand die Frage stellen sollte, einmal Buchhändler, immer Buchhändler?, der wird hier fündig

Avantgarde oder Traditionalisten? Wie sich Buchhändler heute positionieren (Teil 3)

Nach immerhin 44 Beiträgen, die seit September 2013 im Rahmen der Gesprächsreihe SteglitzMind stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor zusammengekommen, schien die Zeit reif, etwas näher darzulegen, wie sich die befragten Sortimenter im Zuge der Digitalisierung aufstellen. Bewahrheiten sich Vorurteile, die vielfach kolportiert werden: Hinken sie den Entwicklungen hinterher? Ist ihnen das Netz fremd und Online-Shopping ein rotes Tuch? Haben Sie mit E-Books und Publikationen von Self Publishern nichts am Hut?

Ob und wie sich die Befragten im Netz engagieren und inwieweit E-Bücher bereits Einzug in ihre Läden gehalten haben, habe ich bereits dargelegt. Somit geht es heute im dritten Teil meines Resümees um die Frage:

  • Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Verneint wird die Frage selten. Lediglich acht von 44 Gesprächsteilnehmern denken nicht daran, Titel von Self Publishern feil zu bieten. Ein Buchhändler führte an, den Markt nicht zu überschauen – Hand auf’s Herz: wer tut das schon? Andere begründeten ihre Abwehr damit, dass man der Bücherschwemme auf dem Markt sowieso nicht Herr werden könne und deshalb auf die Selektion durch Gatekeeper angewiesen sei, die sich bewährt habe.

Anna Jeller ©  Jacqueline Godany

Anna Jeller © Jacqueline Godany

Nein. Verlage leisten sehr viel, egal ob Groß, Mittel oder Klein. Diese Filterfunktion benötige ich in dem schieren Überangebot von Büchern. Verlagsprogramme schaffen Identität und stehen für Qualität, jeder Verlag hat seinen eigenen Ausdruck. Meint Klaus Kowalke von der Buchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz

Eher nicht. Die Produktionen der Verlage sind ohnehin unübersichtlich genug. Sagt Anna Jeller von der Wiener Buchhandlung Anna Jeller

Mir reichen schon die Bücher, die mir von den Verlagen angeboten werden. So Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm

Das Gros allerdings hat mit Self Publishern keine Berührungsängste. Wohl konnte ich mich bisweilen des Eindrucks nicht erwehren, dass man dabei vorrangig an Werke aus Independent Verlagen denkt, die im Buchmarkt ja durchaus ein gewisses Ansehen haben.

Das machen wir schon immer bei Pro qm. Im Eigenverlag herausgegebene Publikationen – aus dem In- und Ausland – in Form von Heften, Büchern, Zeitschriften, Platten, CDs und DVDs gehören bei uns zentral zum Sortiment, sofern sie sich thematisch mit unseren Fragestellungen überschneiden. Die Verwaltung ist  zugegebenermaßen etwas aufwändiger, aber manchmal kommen gerade die wertvollsten Kommentare zu einer Thematik aus den verwickeltsten Kanälen. Meint das Team von der Buchhandlung Pro qm in Berlin/Mitte

Maria Glusgold-Drews © privat

Maria Glusgold-Drews © privat

Ich biete sowieso schon Titel von Self Publishern an. Ich finde es enorm wichtig, eine Plattform zu haben, auf der man ausprobieren kann. Ich habe einige Titel am Lager, die in Kleinstauflagen produziert wurden und die durchaus auch verkauft werden. So Maria Glusgold-Drews vom Buchladen MaschaKascha – Schöne Bücher in Hannover

Ja – ich biete seit Beginn der Buchhandlung auch Publikationen von Self-Publishern an – diese können eine große Bereicherung sein, weil es viele besondere Publikationen gar nicht in einem Verlag gibt, sondern in sehr geringen Auflagen in Eigeninitiative erscheinen. Voraussetzung ist die qualitative Umsetzung des entsprechenden Themas. Sagt Lia Wolf von der Wiener Buchhandlung Lia Wolf

So Titel von Self Publishern ins Sortiment aufgenommen werden, dann im Kommissionsbezug. Chancen räumen die befragten Buchhändler am ehesten Titeln mit regionalen Bezügen und solchen Autoren ein, die im Umkreis der Buchhandlung leben und wirken. Ob die Bücher, die in Kommission genommen wurden, dann tatsächlich auch gekauft werden – das freilich steht auf einem anderen Blatt.

Beate Laufer-Johannis  © privat

Beate Laufer-Johannis © privat

Hm, ja, habe ich schon ab und zu gemacht. Es handelte sich dann um Autoren aus dem Ort. Da war es durchaus auch für andere interessant zu erfahren, was ihr Freund oder Nachbar zu sagen hatte. Auch wenn nicht immer die Qualität dem entsprach, was ich normalerweise empfehle. Es gibt aber immer wieder Überraschungen, eines dieser Bücher war sogar ein richtiger Renner. So Annaluise Erler von der Buchhandlung Findus im sächsischen Tharandt

Einige Titel haben wir im Laden, diese sind allerdings sorgfältig ausgesucht. Ich muss von dem Buch wirklich überzeugt sein und die Chemie zum Autor muss stimmen. Es ist sehr unterschiedlich, wie diese Titel ankommen. Bücher mit einem regionalen Bezug verkaufen sich da noch am besten. Sagt Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach

Christian Röhrl © privat

Christian Röhrl © privat

Ich verkaufe ja auch seit 25 Jahren Bücher von Eigenverlegern. Es sind vor allem regional gute Titel dabei. Generell denke ich aber, dass es Sinn macht, vor einer Veröffentlichung jemanden zu haben, der das Ganze lektoriert, korrigiert, bewirbt, veröffentlicht und einen wirtschaftlich sinnvollen (gebündelten) Vertrieb ermöglicht. – Kurz ich bevorzuge Verlage. Meint Christian Röhrl von der Buchhandlung Bücherwurm in Regensburg

Es kommt immer wieder vor, dass uns Eigenproduktionen angeboten werden, in der Regel von Menschen aus unserem näheren Buchhandlungsumfeld, sprich regionale Geschichten. Da bin ich immer offen und nehme sie in Kommission. Allerdings verkaufen sich solche Werke meist schlecht. Oft ist die sprachliche Qualität leider nicht besonders gut. Ein Lektorat/ Korrektorat ist sehr wichtig, das fehlt in der Regel. Sagt Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental

lesende Buchhändlerin ©  Mila Becker

lesende Buchhändlerin © Mila Becker

Ich biete sie an. Allerdings nur, wenn sie mich wirklich überzeugen. Der Haken bei diesen ist, und ich höre schon den Aufschrei, man sieht es ihnen leider zu 90% an. Das Auge isst ja bekanntlich auch mit, und die meisten sehen vollkommen unprofessionell aus. Wenn man da dann nicht 100% hinter steht, liegen diese, wie in Blei gegossen. Meint Mila Becker von Mila Becker Buch & Präsent in Voerde

Gefragt ist Qualität, und zwar sowohl in inhaltlicher als auch in gestalterischer Hinsicht.

Es gibt kein grundsätzliches Argument dagegen – und keines dafür. Die beiden entscheidenden Argumente sind ausschließlich: 1. was  damit publiziert wird und 2. wie  es gemacht ist. So Clemens Bellut vom Heidelberger Buchladen Artes Liberales (diesen Beitrag könnt Ihr hier ab 6. März in Gänze lesen)

Warum denn nicht? Schließlich entscheidet die Qualität, die Form, der Inhalt. Wenn das stimmt, sehr gern. Sagt Susanne Dagen vom Buchhaus Loschwitz in Dresden

Doch der Anforderungen an Form und Inhalt nicht genug. Qualität allein reicht nicht, um das Herz von Buchhändlern zu gewinnen! Self Publisher punkten bei ihnen vorrangig dann, wenn die Publikation gedruckt vorliegt und der Titel zum Sortiment der Buchhandlung passt. Wünschenswert ist außerdem, dass das Marketing stimmt. Da die Befragten unisono berichten, dass Titel von Self Publishern besonders beratungsintensiv sind, sollte man nicht mit (sachlichen!) Informationen geizen, die auf die Belange des Buchhandels zugeschnitten sind. Von Lobhudeleien und Marktschreierei sei dringend abgeraten. Gut beraten ist außerdem, wer sich gewisse Kenntnisse über die buchhändlerische Praxis aneignet. Und – last but not the least – potentielle Handelspartner lassen sich nur dann überzeugen, wenn die Rabatte stimmen. Und genau hier scheint noch manches im Argen zu liegen.

Frau Bergmann © Hedwig Bergmann

Martina Bergmann © Hedwig Bergmann

Ich verkaufe auch Bücher von Self Publishern – wenn sie mir gefallen und wenn die Einkaufsbedingungen marktfähig sind. Deshalb verkaufe ich meistens keine Bücher von Self Publishern. Meint Martina Bergmann von der Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen

Gedruckte Exemplare, wenn sie denn gut sind, auf jeden Fall. So Lutz Heimhalt von der gleichnamigen Buchhandlung in Hamburg

Barbara Roth  © Iris Roth

Barbara Roth © Iris Roth

Grundsätzlich kann ich mir diese Entwicklung gut vorstellen. Wichtig wäre dabei, dass wir uns über diese Titel auch vorab informieren und die Kunden dazu beraten könnten. Wünscht sich Barbara Roth von der Offenburger Buchhandlung Roth

Warum nicht, wenn die Qualität stimmt. Allerdings scheitert es oft an dieser Voraussetzung. Unser örtlicher Bestseller wurde von einer Marketingfrau zusammen mit einem alten Verlagsprofi gemacht, da stimmte alles. Auch die Kalkulation mit Buchhandelsrabatten. Oft hat man statt dessen aber den Eindruck, dass einige Produzenten glauben, Buchhändlers ausreichender Lohn sei die Ehre, ihre Produkte zu handeln. Wird von uns erwartet, Eitelkeiten zu finanzieren? Sagt Gustav Förster von der Wein-Lese-Handlung Förster in Ganderkesee

Thomas Calliebe  ©  Thomas Calliebe

Thomas Calliebe © Thomas Calliebe

Wir führen selbstverständlich Titel von Autoren aus unserer Region, auch Self Publisher – allerdings hat das nichts mit Umsatz oder gar Gewinn zu tun. Diese Titel sind mangels Marketing sehr beratungsintensiv und zudem nur mäßig rabattiert. Auf den gesamten Buchmarkt bezogen vertraue ich auf Bücher aus eingeführten Verlagen, weil ich mir hier in Bezug auf Inhalt, Form und Gestaltung sicher sein kann. So Thomas Calliebe von der Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau

Unbeliebtes Thema Self-Publisher. Grundsätzlich habe ich keine Einwände – vorausgesetzt die (Text-)Qualität stimmt. Ja, liebe Self-Publisher, auch Druck, Schriftbild, Papierqualität, Covergestaltung… beeinflussen die Kaufentscheidung! In der Praxis gibt’s jedoch jede Menge Ärger: fehlende Einträge im VLB und oft auch via Internet schlecht oder gar nicht zu bibliografieren. Fehlerhafte Rechnungsstellung, unorthodoxe Liefermethoden, fehlendes Wissen der Usancen im Buchhandel, nicht zu reden von Rechtschreibfehlern im oft genug miserablen Text. Und ja, es ist ja schön, wenn der Autor von seinem Werk begeistert ist, aber wir wollen auch unsere Kunden im Laden bedienen und nicht so gerne umständlichen Inhaltsangaben am Telefon lauschen. Meint Rosemarie Reif-Ruppert von der Gostenhofer Buchhandlung in Nürnberg

Beate und Mischa Klemm © lesen und lesen lassen

Beate und Mischa Klemm © lesen und lesen lassen

Also in unserem Laden gibt es genau ein Buch eines Self Publishers. Super Cover, super Titel, ansprechender Klappentext, günstiger Preis, bei unserem Großhändler einfach zu beziehen. Aber diese Dinge treffen leider nur ganz selten zusammen. Und dann ist es ja so, dass wir zweimal im Jahr etwa fünfzig Kilo Verlagsvorschauen durchsehen, Leseexemplare testen, mit Verlagsvertretern sprechen, auswählen, aussortieren … Wenn man das geschafft hat, klickt man einfach nicht mehr auf den Link zu einem „ganz tollen“ Buch. Sorry. Sagen Beate und Mischa Klemm von der Berliner Buchhandlung lesen und lesen lassen

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Zum “Best of: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen” gelangt Ihr hier. Und falls sich wer die Frage stellen sollte, einmal Buchhändler, immer Buchhändler?, der wird hier fündig

Zu guter Letzt: Die Aussagen von 44 Buchhändlerinnen und Buchhändlern sind ebensowenig repräsentativ wie das Resümee, das ich ziehe.

„Die Zeit des Einzelhandels ist vorbei.“ – SteglitzMind stellt Lutz Heimhalt von der Buchhandlung Lutz Heimhalt vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Heute lernen wir Lutz Heimhalt etwas näher kennen, dessen gleichnamige Buchhandlung in Hamburg zu finden ist. Herrn Heimhalt habe ich gebeten, hier mitzutun. Neben der Arbeit im Buchladen widmet er sich Vintage Postkarten, die restauriert und nachgedruckt werden. Die historischen Reprints, darunter auch einige rund um das Thema Bücher und Frauen, kann man in ausgewählten Buchhandlungen und Online erwerben.

Eine Skizze vom Laden…

Lutz Heimhalt mit Ehefrau Natalia Banakh © Lutz Heimhalt

Lutz Heimhalt mit Ehefrau Natalia Banakh © Lutz Heimhalt

Unsere Buchhandlung ist eine Stadtteilbuchhandlung in Hamburg Fuhlsbüttel. Die Buchhandlung habe ich 1975 noch während meiner Ausbildung mit 600.- DM Eigenkapital von meinem Ausbilder übernommen. Da war ich gerade 21 Jahre alt…

Wir und unsere Kunden empfinden unsere Buchhandlung als gemütlich, das liegt nicht nur an unserem offenen Kamin im Laden. – Schwerpunkt ? Unsere Kunden sollen zufrieden, mit einem guten Buch und einem Lächeln im Gesicht, den Laden wieder verlassen.

Warum sind Sie Buchhändler geworden?

Ganz einfach, weil wir Bücherwürmer sind !

Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Nein. Leider ist meiner Meinung nach die Zeit des Einzelhandels insgesamt vorbei. Das große Geschäft macht heute schon fast allein Amazon.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

(lacht) Viel, früher konnten wir mit unseren Kunden zahllose Zigaretten im Laden rauchen, ohne dass es jemanden gestört hätte. Das ist natürlich vorbei. Auch politische Diskussionen im Laden sind sehr viel weniger geworden. Und natürlich hat der Computer, dann das Internet unseren Betrieb auf den Kopf gestellt.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

der Buchladen © Lutz Heimhalt

der Buchladen © Lutz Heimhalt

Die Devise ‚Buchhandel go online‘ ist meiner Meinung nach eher eine Durchhalteparole. Gegen den großen Anbieter können wir online nicht konkurrieren. Nur offline ! Und darauf sollten wir uns alle besinnen!

Ok, eine selbstgestrickte Website haben wir, aber keinen Onlineshop für Bücher, und auch keine E-Books. „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, so habe ich das mal gelernt, und so halte ich es auch. Wir konkurrieren gegen den Onlinehandel mit uns selbst. Und das klappt bisher recht gut, obwohl natürlich die Umsätze der 80er Jahre bei uns nicht mehr erreicht werden. Das hat nicht nur bei uns natürlich leider Arbeitsplätze gekostet.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

Schlimm wäre es, wenn mehrere Geschäfte in der Straße schließen würden, weiterhin Parkplätze rückgebaut werden. Damit verliert dann der Kiez seine Attraktivität. Und dann natürlich die übermächtige Amazon-Krake.

Wie halten Sie es mit dem E-Book?

E-Book? Kaufen die Menschen im Netz, nicht im Buchhandel. Bei uns gibt es Bücher, die schön gestaltet sind, die riechen, die man anfassen und ansehen kann. Wenn sie dann doch nicht gefallen, kann man sie verkaufen, verschenken oder in den Kamin werfen. Versuchen Sie das mit einem E-Book!

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Gedruckte Exemplare, wenn sie denn gut sind, auf jeden Fall.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

deutlich zu lesen © Lutz Heimhalt

deutlich zu lesen © Lutz Heimhalt

Leidenschaft. Fachwissen, ein nettes Gespräch nebenbei. Wie ich oben schrieb: Der Kunde soll den Laden mit einem Lächeln verlassen.

Wir beschaffen auch vergriffene Bücher. Und, wie bei uns deutlich zu lesen ist: Was Amazon liefern kann, können auch wir liefern. Genau so schnell und zum gleichen Preis. Versprochen.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

Den gleichen Rabatt, den Amazon auch bekommt, nette Vertreterbesuche und ganz wichtig: sinnlich gestaltete schöne Bücher, die man einfach anfassen muss. Dann gibt es auch kein Problem mehr mit den E-Books.

Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Wir sind nicht Mitglied dieses Vereins. Aber ich würde mir z.B. wünschen, dass dieser Verein zukünftig eine glücklichere Hand bei der Auswahl seiner Werbeagenturen hat.

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Wir drehen hier bei uns gerade einen kleinen Film. Es ist schwieriger, als wir zunächst dachten, aber wir werden das schaffen. Mehr wollen wir noch nicht verraten.

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Weil es hier noch Menschen gibt, mit denen man nicht nur über Bücher reden kann, man immer wieder beim Stöbern hochinteressante Bücher findet, die man sonst nie entdeckt hätte.

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Einfach alle! Jede Buchhandlung hat ihr eigenes persönliches Flair und Gesicht.

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Eine Übersicht, wer bislang Rede und Antwort stand, findet sich hier und zu allen empfohlenen Buchhandlungen geht es hier.

Im Entstehen ist ein Resümee der Gesprächsreihe. Teil 1 “Avantgarde oder Traditionalisten. Wie sich Buchhändler aufstellen” kann man hier nachlesen und den zweiten Teil (Wie sie es mit dem E-Book halten) dort.

Zum “Best of: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen” gelangt man hier. Und falls sich wer die Frage stellen sollte, einmal Buchhändler, immer Buchhändler?, wird hier fündig

Avantgarde oder Traditionalisten? Wie sich Buchhändler heute positionieren (Teil 2)

Dass der stationäre Buchhandel den Entwicklungen infolge der Digitalisierung hinterherhinkt. Dass Buchhändler mit dem E-Book und Publikationen von Self Publishern nichts am Hut hätten. Dass ihnen das Netz fremd und Online-Shopping ein rotes Tuch ist. Alles Vorurteile?

Könnte man meinen, so man sich näher mit den 43 Beiträgen beschäftigt, die ab September 2013 im Rahmen der Gesprächsreihe“ SteglitzMind stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” zusammengekommen sind. In den kommenden Wochen werde ich hier zusammenfassen, wie sich die Gesprächspartner unter den heutigen Bedingungen positionieren. Nachdem der erste Teil meines Resümees darlegte, was sich im beruflichen Alltag verändert hat und wie sich die Befragten online aufstellen, geht es heute mit dieser Frage weiter:

  • Wie halten Sie es mit dem E-Book?

Zwar sind E-Books und E-Reader bei Sortimentern nicht sonderlich beliebt, ihren Einzug in die Buchhandlungen haben sie inzwischen dennoch gehalten.

Wir bieten E-Books über die Homepage und jetzt auch im Laden an, da gibt es keine Berührungsängste. Papier ist uns freilich weitaus lieber und welches digitale Buch kann in Sachen Attraktivität und Sinnlichkeit etwa mit einer leinengebundenen, fadengehefteten Dünndruckausgabe mithalten? Eben dies (und den daraus resultierenden höheren Preis) müssen wir allerdings vermitteln, ohne dabei das E-Book zu brandmarken. Argumentiert Thomas Bleitner von der Hamburger Buchhandlung Lüders

Obwohl die Liebe der befragten Buchhändler uneingeschränkt dem gedruckten Buch gehört, bieten 36 der 43 Gesprächsteilnehmer E-Books an. Und zwar nicht nur im jeweiligen Online-Shop. Einige präsentieren sie auch im Buchladen, bei anderen sind außerdem E-Book-Cards erhältlich.

Der harte Kopierschutz, Schwierigkeiten beim technischen Support oder mangelnde Nachfrage seitens der Kundschaft– das sind einige Argumente dafür, warum E-Books und Lesegeräten wenig Begeisterung entgegengebracht wird. Durchweg für Unmut sorgen allerdings die geringen Gewinnspannen bei den Readern und die schlechten Provisionen, die bei den Downloads von elektronischer Lektüre gewährt werden.

Brigitte Gode  © privat

Brigitte Gode © privat

Nun, ich betreibe eine Buchhandlung, kein Elektronik-Fachgeschäft. Ich bin nicht bereit, meine Energie in etwas zu investieren, von dem wir genau wissen, dass es uns nie ein wirtschaftliches Auskommen sichern wird. Was haben wir davon, wenn wir uns mühsam die technischen Kenntnisse unterschiedlicher Reader aneignen, um dann mit einer lächerlich geringen Gewinnspanne alle paar Monate einen Reader zu verkaufen? In der Liga derjenigen, die mit diesem Geschäft Gewinne machen, können wir Kleinen nicht mitspielen. Nachdem sich die Tolino Verhandlungen des Börsenvereins zerschlagen haben, sehe ich kaum noch Chancen in diesem Geschäft nennenswert mitzumischen. Ich sehe unsere Aufgabe darin, den elektronischen Content zur Verfügung zu stellen. Wir bieten in unserem Web-Shop die Möglichkeit E-Books herunterzuladen. Wir klären unsere Kunden auch darüber auf. Die Diskussionen um Amazon haben dazu geführt, dass verstärkt nach alternativen Download-Möglichkeiten gefragt wird. So Brigitte Gode von der Gollenstein Buchhandlung in Blieskastel

Susanne Martin © Silvie Brucklacher

Susanne Martin © Silvie Brucklacher

Wir haben von Anfang an E-Reader im Sortiment gehabt und offensiv verkauft. Das ist auch heute noch so. Allerdings merken wir, dass es für uns als stationäres Sortiment schwierig ist, ein adäquates Angebot zu machen: Der harte Kopierschutz, mit dem die meisten Bücher belegt sind, macht die Ladevorgänge kompliziert und viele KundInnen sind damit überfordert. Als kleine Buchhandlung ist es schwierig für uns, den technischen Support zu bieten, der notwendig wäre und den größere Buchhandlungen leisten können. Dazu kommen immer wieder neue Geräte in relativ kurzen Intervallen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Und diesem erheblichen zeitlichen und auch finanziellen Aufwand, den ich durchaus als notwendige Investition sehe, stehen miserable Provisionen aus den Downloads entgegen. Ich sehe die Zukunft in diesem Bereich für das kleine und mittlere Sortiment eher schwierig. Meint Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen

Die Hoffnung, sich vom Geschäft mit elektronischen Büchern à la longue eine Scheibe abschneiden zu können, teilen die Befragten jedenfalls nicht.

E-Books können bei uns bestellt werden, die Anzahl der Verkäufe ist jedoch absolut marginal. Und ich denke, das bleibt auch so, denn meiner Meinung nach werden E-Books und stationärer Buchhandel nie wirklich zusammen finden. So Torsten Meinicke vom Hamburger Buchladen Osterstraße

Hannah und Nina © die Buchkönigin

Hannah und Nina © die Buchkönigin

Auch das E-Book wird es dem klassischen Buchhandel in der Zukunft schwer machen. Es ist wahrscheinlich eine Illusion zu glauben, dass Buchhandlungen an diesem Geschäft partizipieren können. Die meisten Menschen werden sich ihre E-Books direkt aus dem Internet ziehen und nicht den Weg über eine Buchhandlung nehmen. Sagen Hannah Wiesehöfer und Nina Wehner von der Berliner Buchhandlung Die Buchkönigin

Bleibt zu fragen, warum sich Buchhändler das überhaupt antun, ein beratungsintensives Produkt zu verkaufen, das im Laden kaum nachgefragt wird und zudem wenig in die Kasse bringt? Weil sie den Servicegedanken hoch halten und zukunftsfähig bleiben wollen.

Simone Dalbert © privat

Simone Dalbert © privat

Wir verkaufen E-Books sowohl im Online-Shop als auch direkt im Laden, dort gibt es auch die E-Book Cards und natürlich E-Book Reader. Auch wenn wir damit weniger Rohertrag erwirtschaften, wegen der höheren Mehrwertsteuer von 19% und der geringeren Rabatte, ist es ein Service, den wir unseren Kunden anbieten möchten. Wer gerne E-Books lesen möchte, sollte die auch bei uns bekommen können, nicht nur bei Amazon. Denn wer dort seine E-Books kauft, kauft schnell auch die gedruckten Bücher dort und ist für uns ein verlorener Kunde. Meint Simone Dalbert von der Buchhandlung Schöningh in Würzburg

Ich habe welche da, ich berate auch intensiv, ich benutze seit Jahren eine Maschine. Was das Finanzielle angeht, halte ich das alles für mehr als fragwürdig. Für mich stellte sich nur die Alternative: Mitmachen und zeigen, dass wir das auch haben/können, oder gleich die Kunden weiterschicken. Allerdings werden die Downloadwege an uns und vielen anderen Buchhandlung vorbeiziehen, was ja schon der Fall ist. So Samy Wiltschek von der Ulmer Kulturbuchhandlung Jastram

Diejenigen, die ausschließlich auf das gedruckte Buch setzen, argumentieren vorrangig mit der besseren Handelsspanne. Andere wiederum können den Verkauf von E-Books schlechterdings nicht mit ihrem Selbstverständnis vereinbaren:

Ok, eine selbstgestrickte Website haben wir, aber keinen Onlineshop für Bücher, und auch keine E-Books. „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, so habe ich das mal gelernt, und so halte ich es auch. Argumentiert Lutz Heimhalt von der gleichnamigen Buchhandlung in Hamburg

Buchhandlung Lessing und Kompanie © Lessing und Kompanie

Buchhandlung Lessing und Kompanie © Lessing und Kompanie

Wir setzen auf „Buch pur“:  „Buch Pur“ meint: kein Webshop, kein E-Book-Verkauf (obwohl über die Barsortimente möglich), kein Non-Book-Firlefanz, kein Geschenkkram, lediglich Postkarten, DVDs und Hörbücher, ggfs. Spiele. Dafür Bücher, gute Bücher, Bücher die wertvoll sind, Bücher die gut aussehen, Bücher die wichtig sind, Bücher die lehrreich sind, Bücher die Spaß machen, Bücher, Bücher, Bücher aber kein vordergründiger Mainstream und Boulevard, nein, richtige Bücher. Was, das klingt „Ewig gestrig“? Nun, vielleicht ist es ja das Alleinstellungsmerkmal der Zukunft? Meint Klaus Kowalke von der Buchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz

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In der kommenden Woche geht es mit der Frage weiter, ob Titel von Self Publishern auch eine Option sind. Zum “Best of: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen” gelangt Ihr hier. Und falls sich wer die Frage stellen sollte, einmal Buchhändler, immer Buchhändler?, der wird hier fündig

Zu guter Letzt: Die Aussagen von 43 Buchhändlerinnen und Buchhändlern sind ebensowenig repräsentativ wie die Resümees, die ich daraus ziehe…

„Macht mehr Werbung für das Buch!“ – SteglitzMind stellt Barbara Roth von der „Buchhandlung Roth“ vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Heute erfahren wir etwas mehr über die Offenburger Buchhandlung Roth, die Barbara Roth in vierter Generation führt. Vorgeschlagen hatte das Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen. Ich freue mich sehr, dass Barbara Roth der Einladung gefolgt ist.

Eine Skizze vom Laden…

Unsere Buchhandlung ist fast 400 qm groß auf zwei Etagen und liegt mitten im Herzen von Offenburg, einer Stadt mit knapp 60.000 Einwohnern in der idyllischen Ortenau zwischen Freiburg und Karlsruhe gelegen. Das Rothe Team umfasst 23 Köpfe, betriebswirtschaftlich sind wir 12,5 Personen. – „Roth ist die Liebe zum Buch.“ – Die Liebe zum Buch wird bereits in der vierten Generation der Familie gelebt: 1897 gründete mein Urgroßvater Gustav Roth die damalige „Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung Gustav Roth“ in Offenburg. 1996 habe ich die Buchhandlung von meiner Mutter übernommen.

Barbara Roth  © Iris Roth

Barbara Roth © Iris Rothe

Als unabhängige Sortimentsbuchhandlung und als traditionelles mittelständisches Familienunternehmen ist das Ziel der Buchhandlung Roth: Wir begeistern die Menschen für das Buch und für das Lesen! Dies gelingt uns mit unserem Buch-Angebot, unserer „Buchhandlung zum Wohlfühlen“, fachkundiger Beratung und unseren Veranstaltungen. Hierbei gehen wir gerne auch ungewöhnliche und überraschende Wege (wie zum Beispiel mit unserer Jubiläums-Aktion 2008)! – Voraussetzung für unser Wirken ist dabei erfolgreiches und gewinnbringendes Wirtschaften.

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Warum sind Sie Buchhändlerin geworden?

Das ist ein wunderbarer Beruf für mich, der mir unglaublich großen Spaß macht! Ich habe mit Menschen zu tun, bin im kaufmännischen Bereich tätig und liebe Bücher – eine geniale Kombination, die mich bis heute absolut begeistert und glücklich macht. Mit den Inhalten der Bücher sind wir stets „am Puls der Zeit“ und so bleibt das Buchhandeln für mich unendlich abwechslungsreich und interessant.

Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Ja, das würde ich, denn ich liebe diesen Beruf nach wie vor.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

Die EDV-technische Seite hat sehr zugenommen: vieles habe ich nur noch als Datei, nicht mehr auf Papier (z.B. die elektronische Archivierung!); ebenso muss ich viel mehr technisches Wissen haben zu den elektronischen Geräten (Readern) und dem Umgang sowie dem Verkauf von E-Books.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Wir haben seit 13 Jahren eine eigene Homepage, die wir immer wieder aktiv bewerben und den Kunden vorstellen. Dazu gibt es etliche Werbe-Maßnahmen (Lesezeichen, Plakate, Service-Karten, Flyer, Schilder am Schaufenster, Banner, etc.), die auf unsere Homepage als auch auf den Verkauf und die Beratung von Readern und E-Books hinweisen. Mit Aktionstagen rund um das elektronische Lesen wollen wir die Kunden informieren, begeistern und natürlich darauf aufmerksam machen, dass wir ihr Partner für das Buch sind – egal ob auf Papier oder anderen Medien! Auf Facebook sind wir seit drei Jahren und bieten dort nette Unterhaltung. Unser Veranstaltungskalender gibt es selbstverständlich auch per Newsletter.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

Das veränderte Kaufverhalten der Kunden: Wie wird die Mehrzahl der Kunden zukünftig einkaufen? Nur noch elektronisch oder auch noch vor Ort? Das Bewusstsein der Kunden: Schaffen wir es, den regionalen Bezug zu erhalten, so dass der Kunde auf unserer Homepage einkaufen will? Oder glaubt der Kunde nur an Amazon? Aktuell für Offenburg ist Mitte Dezember die Entscheidung für ein innenstadtnahes Einkaufs-Center gefallen, welches in vier Jahren fertig gestellt werden soll. Wie wird sich dann unsere Innenstadt entwickeln? Was wird mit unserer Stadt passieren?

Wie halten Sie es mit dem E-Book?

Wir verkaufen E-Books sowohl über unsere Homepage als auch in der Buchhandlung. Im Geschäft bezahlt der Kunde bar und bekommt den Download-Link per email nach Hause geschickt. Eine sichere Sache!

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Grundsätzlich kann ich mir diese Entwicklung gut vorstellen. Wichtig wäre dabei, dass wir uns über diese Titel auch vorab informieren und die Kunden dazu beraten könnten.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Buchhandlung Roth  © Iris Roth

Buchhandlung Roth © Iris Rothe

Mit viel Begeisterung! Mit kompetenter Beratung und außergewöhnlichem Service. Mit einem durchgängigen, markanten (in unserem Falle ROTHEN) Marketing. Mit einer ausgezeichneten Vernetzung in der Stadt. Mit einem über viele Jahrzehnte gewachsenem Veranstaltungsprogramm, mit dem wir die Kunden immer wieder überraschen. Mit dem Halten und Steigern der eigenen Qualitätsmerkmale. Mit einem großartigem Team. Mit dem Leben der Firmenphilosophie. Mit Aufmerksamkeit für Veränderungen und Bedürfnissen. Mit schnellem Umsetzen von beobachteten Trends. Mit einer „Wohlfühlbuchhandlung“.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

  1. Dass die Verlage zu uns Buchhandlungen als Partner 100% stehen und somit alle Geschäfte über den Buchhandel abgewickelt werden (und nicht die arbeitsintensiven abgeben, die leicht zu händelnden und lukrativen jedoch direkt über Verlag-Kunde laufen…)
  2. Dass die Verlage uns auf Ihre Homepages verlinken und listen und nicht als erstes (und meist auch noch ausschließlich) Amazon als Bezugsquelle anführen.
  3. Dass die Verlage auf das Einschweißen der Bücher verzichten und bei besonderen Büchern, z.B. Bildbände, diese in ein durchscheinendes Schutzpapier geben.

Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Macht noch viel mehr Werbung für das Buch & das Lesen – in allen Formen!!! Bespielt dabei verschiedene Kanäle! Bietet mehr lokale Aktionen an, die dann individuell von den Buchhandlungen genutzt und ergänzt werden können…

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Durch die Veränderungen auch auf Seiten der Verlage wird es für unbekannte Autoren und kleinere Verlage sehr schwierig, bekannt und erfolgreich zu werden. Daher wünsche ich mir, dass die Literatur nicht untergeht und wir Buchhändler weiterhin den Lesern besondere Bücher anbieten und verkaufen können!

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Weil sie dort eine sehr gute Beratung (und Auswahlhilfen) sowie einen außergewöhnlichen Service erhalten. Um persönliche Kontakte zu haben, sich mit anderen zu treffen, ins Gespräch kommen. Um sich inspirieren zu lassen und Neues zu entdecken. Um Bücher anschauen und be-greifen zu können. Um Aktionen, Veranstaltungen, Autoren etc. zu erleben.

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächsreihe möglichst auch zu Wort kommen?

Irmgard Clausen, Buchhandlung Riemann in Coburg; Christoph Greuter, Buch Greuter in Singen; Peter Peterknecht, Buchhandlung Peterknecht in Erfurt.

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Eine Übersicht, wer bislang Rede und Antwort stand, findet sich hier und zu allen empfohlenen Buchhandlungen geht es hier.

Im Entstehen ist ein Resümee der Gesprächsreihe. Teil 1 „Avantgarde oder Traditionalisten. Wie sich Buchhändler aufstellen“ kann man hier nachlesen. Zum “Best of: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen” gelangt man hier. Und falls sich wer die Frage stellen sollte, einmal Buchhändler, immer Buchhändler?, wird hier fündig

Avantgarde oder Traditionalisten? Wie sich Buchhändler aufstellen (I)

Kolportiert wird so manches: Dass der stationäre Buchhandel den Entwicklungen infolge der Digitalisierung hinterherhinkt. Dass Buchhändler mit dem E-Book und Publikationen von Self Publishern nichts am Hut hätten. Dass ihnen das Netz fremd und Online-Shopping ein rotes Tuch ist. Vorurteile?

Haltlose Behauptungen! Das gilt jedenfalls für den Fall, wenn man sich mit den 43 Beiträgen näher beschäftigt, die ab September 2013 im Rahmen der Gesprächsreihe“ SteglitzMind stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” zusammengekommen sind. In den kommenden Wochen werde ich hier zusammenfassen, wie sich die Gesprächspartner unter den heutigen Bedingungen positionieren. Der erste Teil meines Resümees bezieht sich auf die beiden Fragen:

  • Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?
  • Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Unisono berichten die 43 Gesprächspartner, dass die Entwicklungen den Alltag in der Buchhandlung erheblich verändert haben. Verwaltungsaufwand und Arbeitstempo haben zugenommen; die Freizeit wurde beschnitten. Gefragt sind mehr Medienkompetenz und viel mehr technisches Know-how als in früheren Jahren. Mit dem Internet und vor allem dem Angebot, Einkäufe per Mausklick im Netz bequem zu erledigen, sind die Serviceansprüche an den Buchhandel gestiegen. Elektronisches Bibliographieren und Warenwirtschaftssysteme haben die Arbeit einerseits zwar erleichtert, andererseits stellen die Errungenschaften auch neue Anforderungen an die Händler. Dank Internet wissen die Kunden heute besser Bescheid, womit der Informationsvorsprung des Buchhändlers geschrumpft ist. Kurzum: Ein Buchhändler muss heute schneller reagieren, besser informiert, gut vernetzt und möglichst allseits präsent sein.

Thomas Bleitner © Buchhandlung Lüders

Thomas Bleitner © Buchhandlung Lüders

Natürlich ist die Welt digitaler geworden und sie wird’s weiter. Sich einerseits darauf einzustellen und mitzuziehen, andererseits aber eben den Gegenpol zu bilden, den man zu Recht von uns erwartet, das ist eine so spannende wie knifflige Herausforderung. Konkret und auf den beruflichen Alltag bezogen bedeutet dies, per Mail, Homepage, Newsletter, Internetverkaufsplattform und sozialen Netzwerken stets ebenso präsent zu sein, wie „vor Ort“ im Laden, leibhaftig, in Fleisch und Blut und Ruhe ausstrahlend. Da kommt es schon mal vor, dass man fünf Dinge gleichzeitig erledigen muss, das war vor ein paar Jahren noch nicht so extrem. So Thomas Bleitner von der Hamburger Buchhandlung Lüders

Der Informationsvorsprung des Buchhändlers – seine wichtige Währung – ist massiv geschrumpft. Kunden wissen über Dinge, die sie interessieren oft genauso gut, wenn nicht noch besser Bescheid, als das Fachpersonal. Allerdings hat sich unsere Arbeit gerade durch das Internet deutlich vereinfacht. Wenn die Angaben auch nur einigermaßen stimmen, finde ich durch Google jedes Buch, die Datenbanken sind komfortabel und wenn – wie grade erst passiert – die Telekom Schwierigkeiten macht, dann kann ich auch bequem von daheim aus recherchieren und meine Bestellungen aufgeben. Das sagt Nicole Jünger vom Buchladen am Neuen Markt in Meckenheim

Beate und Mischa Klemm © lesen und lesen lassen

Beate und Mischa Klemm © lesen und lesen lassen

Da ist zum einen der technische Hintergrund. Wir haben mit Buchlaufkarten und viel Bauchgefühl begonnen, arbeiten jedoch seit mittlerweile einigen Jahren mit Warenwirtschaftssystemen. Sie erleichtern die Arbeit wesentlich, stellen aber auch ihre ganz eigenen Anforderungen. Was sich auch verändert hat, ist der Grad an Aktualität, den ein Sortiment haben muss, denn parallel dazu sind die Kunden wesentlich informierter als früher. Meinen Beate und Mischa Klemm von der Berliner Buchhandlung lesen und lesen lassen

Allerdings sind es nicht allein die Folgen der Digitalisierung, mit denen Buchhändler heute klar kommen müssen. Auch die Veränderungen in der Branche und die Titelflut machen ihnen zu schaffen.

Die Branche hat sich verändert, in unserer Buchhandlung hat sich in den letzten fünf Jahren nicht allzu viel verändert. Wir arbeiten an unseren Qualitätsvorstellungen einer „perfekten“ Literaturhandlung…  So Klaus Kowalke von Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz

Gustav Förster © privat

Gustav Förster © privat

Gleichzeitig hat die Aufblähung des Angebots nicht unbedingt eine Qualitätssteigerung mit sich gebracht, sondern eher eine Vielfalt austauschbarer Produkte. In vielen Verlagen haben offensichtlich BWLer und Controller, die versuchen, die Welt per Excel zu gestalten, mehr zu sagen als Verleger und Lektoren. Allerdings ist die Wirklichkeit nicht Excel-kompatibel, sondern eher anarchistisch. Manchmal drängt sich der Eindruck auf, es gäbe irgendwo eine Instanz, die sagt „Ihr könnt verkaufen, soviel wie ihr wollt. Wir drucken mehr“. Oder bezogen auf Verlage „Ihr könnt drucken, soviel wie ihr wollt. Wir schreiben mehr“. Meint Gustav Förster von der Wein-Lese-Handlung Förster in Ganderkesee

Dass die Befragten allesamt im Netz zu finden sind, verwundert wenig, da ich ausdrücklich darum gebeten hatte, solche Buchhandlungen für ein Gespräch vorzuschlagen, die online präsent sind. Fast alle verfügen über einen Web-Auftritt, in die ein Shop eingebunden ist. Vielfach wird berichtet, dass der Online-Shop in jüngerer Zeit zunehmende Frequenz erfährt. Parallel dazu machen einige Gesprächspartner die Erfahrung, dass die Online-Bestellungen im Laden abgeholt werden. – Wenn sie versenden, dann versandkostenfrei. Geklagt wird bisweilen darüber, wie viel Mühe es macht, den Kunden die eigene Webpräsenz nebst Online-Shop schmackhaft zu machen. Hier nehmen einige den Börsenverein für den deutschen Buchhandel in die Pflicht, dessen Aufgabe es wäre, diesbezüglich Aufklärungsarbeit zu leisten.

Wir haben seit dem ersten Tag einen Online-Shop, wie bei den meisten Kollegen, es ist allerdings tastsächlich schwierig, diesen in die Köpfe der Kunden zu bekommen. Die Kollegen vom großen Fluss haben es da wirklich geschafft, allgegenwärtig zu sein. Sagt John Cohen von der Hamburger Buchhandlung cohen + dobernigg

Brigitte Gode  © privat

Brigitte Gode © privat

Wir betreiben einen Online-Shop über unser Barsortiment und bewerben diesen auch. Wir verzeichnen zunehmende Frequenz über diesen Bestellweg, sowohl von Stammkunden, die die Bequemlichkeit zu schätzen wissen, als auch von Neukunden, die wir dann sehen, wenn sie ihre Bücher abholen. Wir machen die Erfahrung, dass die Online-Kunden selten den Versandweg wählen, sondern ihre Bestellung in der Buchhandlung abholen. Ein Zeichen dafür, dass der persönliche Kontakt nach wie vor geschätzt wird. Wenn wir die Stimme gegen Amazon erheben, müssen wir etwas entgegensetzen. Deshalb sollte heute jeder Buchhändler diese Bestellmöglichkeit anbieten. Meint Brigitte Gode von der Gollenstein Buchhandlung in Blieskastel

Gegen die Möglichkeit, Bücher online zu verkaufen, spricht sich Lutz Heimhalt von der gleichnamigen Buchhandlung in Hamburg aus: „Die Devise ‚Buchhandel go online‘ ist meiner Meinung nach eher eine Durchhalteparole. Gegen den großen Anbieter können wir online nicht konkurrieren. Nur offline ! Und darauf sollten wir uns alle besinnen!“

Anna Jeller ©  Jacqueline Godany

Anna Jeller © Jacqueline Godany

Persönlich gestaltete Internetseiten mit eigenen Webshop-Lösungen sind bei den 43 Gesprächsteilnehmern eher die Ausnahme. Obwohl sie keine individuellen Profile abbilden und für meinen Geschmack auch wenig Lust auf’s Stöbern oder gar einen Besuch der betreffenden Buchhandlung machen, dominieren Fertigprodukte, die die Barsortimente mitsamt Warenkörben zur Verfügung stellen. Kritisch sieht das Anna Jeller von der Wiener Buchhandlung Anna Jeller: „Webshoplösungen kommen für uns nicht in Frage. Zu teuer, zu unschön, zu unpassend für unser Sortiment.

Annaluise Erler © Julius Erler

Annaluise Erler © Julius Erler

Hoch im Kurs steht bei den 43 Gesprächspartnern Facebook; immerhin 33 von ihnen sind dort präsent. Einige betreiben neben der Fanpage auch ein eigenes Profil. Freilich pflegen nicht alle ihre Accounts aktiv. Die Gefolgschaft ist beim Gros überschaubar. Geschätzt wird der schnelle und unkomplizierte Austausch, den das soziale Netzwerk ermöglicht. Gerne als Instrument genutzt wird die Plattform zudem, um Veranstaltungen anzukündigen. Diese Funktion erfüllen ebenfalls die Newsletter, die einige der Befragten regelmäßig an Kunden und Interessierte verschicken. – Dass sich über das soziale Netzwerk Bücher verkaufen ließen, mit diesem Glauben räumt Annaluise Erler von der Buchhandlung Findus in Tharandt allerdings auf: „Seit rund zwei Jahren habe ich auch noch einen Facebook-Account, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Zwar habe ich noch kein Buch über Facebook verkauft, wie auch? Aber hier bildet sich eine ganz andere, frische Kundschaft heraus. Für mich ist es immer wieder überraschend, wer da so ‚vorbeischaut‘ und Kommentare abgibt. Ich denke, diese Art der Kommunikation ist wichtig für uns Einzelhändler, aber wir müssen auch etwas bieten.“

lest Bücher nicht T-Shirts  © Samy Wiltschek

Samy Wiltschek © Samy Wiltschek

Twitter nutzen acht, Google+ und Pinterest spielen hingegen so gut wie keine Rolle. Vier Buchhändler, die SteglitzMind Rede und Antwort standen, bloggen. Einige spielen mit dem Gedanken, diese Präsentationsmöglichkeit für ihre Buchhandlung zu nutzen; wohl schreckt sie noch der Aufwand ab. Blogs zu verschiedenen Themenfeldern unterhalten Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram und Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung, die im Übrigen als einzige auch bei Google+ und Pinterest aktiv ist.

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Generell gilt: Trotz allem Engagement im Netz – das Gespräch mit den Kunden im Laden hat bei allen Befragten absolute Priorität.

Ich kümmere mich zu 5% um Online und zu 95% um meine Kunden im Laden. Die Kunden sollen im Laden erleben, dass das was anderes ist, als am PC zu hocken. Sagt Christian Röhrl von der Buchhandlung Bücherwurm in Regensburg

Lia Wolf  © Oskar Schmidt

Lia Wolf © Oskar Schmidt

Und so ist der Internetauftritt die Ergänzung zum Laden. Natürlich sehen wir unsere Kunden lieber im Laden, kommen mit ihnen ins Gespräch, beraten sie. Meint  Gaby Kellner von Barbaras Bücherstube in Moosburg

Wir haben seit Ende der 90er Jahre eine Website und bieten Bücher auch online an. Ebenso nützen wir Facebook als Plattform. Aber am spaßigsten bleibt es immer noch im vis à vis ein Buch zu verkaufen. So Lia Wolf von der Wiener Buchhandlung Lia Wolf

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In der kommenden Woche geht es mit der Frage weiter, welchen Stellenwert das E-Book bei den befragten Buchhändlern und Buchhändlerinnen hat. Zum “Best of: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen” gelangt Ihr hier. Und falls sich wer die Frage stellen sollte, einmal Buchhändler, immer Buchhändler?, der wird hier fündig

Zu guter Letzt: Die Aussagen von 43 Buchhändlerinnen und Buchhändlern sind ebensowenig repräsentativ wie die Resümees, die ich daraus ziehe…