Die Nationalbibliothek – eine (kulturpolitische) Bedürfnisanstalt? Ein Verleger erhebt Einspruch

„Das Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek – DNBG – vom 22. Juni 2006 bestimmt, dass alle Stellen und Personen in der Bundesrepublik Deutschland, die zur Verbreitung berechtigt sind, je zwei Ausfertigungen ihrer Neuerscheinungen und veränderten Neuauflagen in körperlicher Form innerhalb einer Woche unaufgefordert, kostenlos, porto- und zustellungsfrei an die Deutsche Nationalbibliothek abzuliefern haben. Gemäß § 16 DNBG sind die Medienwerke [gemeint sind auch: „Medienwerke in unkörperlicher Form“, GvP] vollständig, in einwandfreiem, nicht befristet nutzbarem Zustand und zur dauerhaften Archivierung durch die Bibliothek geeignet abzuliefern.“

Ein Verleger, der mir persönlich bekannt ist, kam der Pflichtabgabe deshalb nicht nach, weil das für 2012 vorgesehene Werk noch nicht erschienen ist. Vor einigen Tagen erhielt er deshalb eine Mahnung von der DNB, worin es unter anderem heißt: „Wir bitten Sie um die Ablieferung der fehlenden Medienwerke. Sollten Sie dieser Bitte nicht innerhalb von 3 Wochen nach Zugang dieses Schreibens nachgekommen sein, müssten wir Ihnen zu unserem Bedauern einen förmlichen Bescheid über die Ablieferung der entsprechenden Medienwerke erteilen. In diesem Bescheid würden wir Ihnen zugleich neben der Androhung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 – BGBI. I S. 17) Vollstreckungsmaßnahmen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz einleiten. Hiermit wird Ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 28 Absatz Verwaltungsverfahrensgesetz gegeben. Bitte teilen Sie uns ggf. bestehende Lieferungshindernisse mit.“

Gegen das Schreiben legte der Verleger gestern Abend Einspruch ein. Hier dessen (längst fällige) Replik über den Unsinn von Sprache im Wunderland der Dichter & Banker:

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Deutsche Nationalbibliothek / Frau xxxx / e-mail:   xxxxxxxx@dnb.de / erwerbmono@dnb.de

Betr.: F1.1 mvb . Ihr Schreiben vom 27.02.2013              Einspruch!

Sehr geehrte Frau xxxxx,

die veränderte Marktlage innerhalb der Buchbranche treibt uns um. Wir wissen nicht, wie die Frage im Urheberrecht gelöst wird. Wir versuchen uns neu aufzustellen. Ausgang ungewiss. Das hat aber auch zur Folge, dass gewisse Planungen im Verlagswesen – vor allem für Kleinverlage – nicht nach unseren Vorstellungen durchgeführt werden konnten. Ihre Mahnung kommt daher ziemlich weltfremd daher und – sehen Sie mir das bitte nach – ich verstehe überhaupt nicht diese Art Drohkulisse seitens der DNB – als würde ich Ihnen etwas schulden. Tue ich das?

Mit Verlaub: Die gesellschaftlichen Verwerfungen, denen wir uns verschuldetunverschuldet zu beugen haben, sind in ihrem Ausmaß maßlos und ebenso als ein feindseliger Akt zu begreifen. Was wir augenblicklich tun, jedenfalls die Kleinverlage: Wir kämpfen um die Existenz. Das klingt schon wie ein Delikt.

Die DNB schlägt inhaltlich und im Terminus Ihres (DNB) Schreibens einen Ton an – der sich hart an der Grenze eigentlicher Satire bewegt: demnach hat unsereiner ‚dafür zu sorgen‘, ‚abzuliefern‘, natürlich ‚unaufgefordert, kostenlos, porto- und zustellungsfrei‘, andernfalls, sie (DNB) ‚3 Wochen nach Zugang dieses Schreibens neben der ‚Anordnung sofortigen Vollziehung‘ … ‚Vollstreckungsmaßnahmen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz einleiten‘. Was für eine Wortwahl. Gewaltig. Danke.

Was, bitte sehr, soll vollstreckt werden? Was schwebt Ihnen (der DNB) vor? Ein Scheiterhaufen? Der Autoren Gehirne einen Kuckuck aufkleben? Weil bisher nicht geleistet werden konnte, was zur Erfüllung ehrgeiziger Ziele gehört? Zwangsrekrutierung zur Ableistung ’kulturpolitischer Bedürfnisse’? Verrat am Zeitgeist? Oder wollen Sie besser gegen die vorgehen, die das Lesen eingestellt haben? Angesichts der grassierenden Stehlerei & Internet-Hehlerei kommt mir das DNB-Schreiben etwas unheimlich vor.

Ihr (DNB) Schreiben enthält ja den gewichtigen Satz, ‚dass die gesetzlich vorgeschriebene Abgabe von Medienwerken einem anerkennenswerten kulturpolitischen Bedürfnis dient usw. Ist das so? Das hält man aber schwer aus. Es erschreckt mich, dass schon meine schiere Existenz ein Gesetzesverstoß darstellt; bei den Dämonen, die in den bisher veröffentlichten und noch nicht veröffentlichten Manuskripten nisten, ist der Ruf nach Ordnung und Hygiene unausweichlich.

„Hier muss mal wieder hart durchgegriffen werden.“

Was hat sich das Bundesverfassungsgericht bei seinem Beschluss vom 14. Juli 1981 nur gedacht? In der gepfefferten Sprache der Steuereintreiber wird ein Gesetz bemüht, als ginge es nicht um ein Kulturgut – auf das Sie sich ja berufen –, um Bücher für die Nationalbibliothek, sondern um die Rückzahlung eines überfälligen Bankkredits. Es konterkariert beispielhaft jedes Verstehen um eine an sich gute Sache, in deren Dienst die DNB vorgibt zu stehen.

Und so geht das tagaus tagein.

Machen sie weiter so, wird noch eine Geschichte daraus.

Immer in der HOFFNUNG, dass wir bis zum Ende dieses verflixten Jahres 13 noch bestehen – ist es selbstverständlich, so wir auch in der Lage sind, den Verhältnissen entgegen im PRINT ON DEMAND-Verfahren zwei bis drei Titel durchzusetzen – auch Ihnen (der DNB) die geforderten ’Ausfertigungen’ zu liefern.

Es würde uns zur Ehre gereichen in der Gedächtnishalle deutscher Literatur aufgebahrt zu werden, wenn schon alles aus dem kulturellen Bewusstsein zu entschwinden droht. Insofern ist die DNB gleich einer Nekropolis, die auch in ferner Zukunft davon Zeugnis ablegt, was das Buch einmal bedeutet hat und die Chancen, es zu erhalten, verspielt wurden. Die ’kulturpolitischen Bedürfnisse’ dagegen tendieren derzeit gegen Null.

Es merkt anscheinend niemand.

Mit freundlichem Gruß                        i.A. B. Claus DeFuyard

12 Kommentare zu “Die Nationalbibliothek – eine (kulturpolitische) Bedürfnisanstalt? Ein Verleger erhebt Einspruch

  1. So what?! Dann erkläre ich als Verleger halt, warum ich gerade nicht abliefern kann. Eben dies wird ja eingeräumt. Warum man aber deshalb die verbalradikalisische Kanone rausholt und auf den (gerechtfertigten) bürokratischen Spatzen schiesst, bleibt mir unverständlich.

    • @Jarg: Wenn der Text so unverständlich bleibt, dann sollten Sie ihn besser noch einmal lesen und statt kommentieren: reflektieren.

      • Hallo Robin,
        danke für den Hinweis: habe ich umgehend gemacht und innere Reflexion extern überprüfen lassen. Blebt leider unverständlich, tut mir leid.
        Herzlich grüsst
        Jarg

  2. Eine Postkarte „Folgt nach Erscheinen!“ hätte es wahrscheinlich auch getan. Wen spricht der Herr Verleger mit seiner Lamentation denn überhaupt an? Die arme Seele bei den DNB ganz sicherlich nicht. Die wird wohl nur – und völlig zu Recht – den Kopf schütteln über das stilistische Rumpelstilzchen.

  3. Hoffentlich hat der gute Mann seine Energie nicht verschleudert. Bürokratie lebt halt in einer anderen Welt, spricht eine andere Sprache. Ausschlaggebend ist der letzte Satz der Nationalbibliothek: „Bitte teilen Sie uns ggf. bestehende Lieferungshindernisse mit.“
    Mich würde die Antwort interessieren …

  4. Ein lächerlicher Text. Warum schreibt er nicht einfach den tatsächlichen Grund? Für den Gesetzestext, das Bundesverfassungsgericht und die Probleme um das Urheberrecht kann die DNB nichts.

    • Ist mir leider ähnlich vorgekommen. Da will einer alles loswerden, was verbittern mag – aber die Nationalbibliothek ist nicht unbedingt der richtige Adressat dafür.

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  6. ich freue mich.
    So vieles ausgesprochen, was in meinem Halse würgt … und gleichzeitig die Überlegung: Ob Deutsche Nationalbibliothek / Frau xxxx / e-mail: xxxxxxxx@dnb.de das wohl versteht?

    ich fürchte- nein-.

    Wir sollten es verbreiten!
    Die Medien machens möglich.

    ACR

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