„Das Internet nimmt uns schon gehörig Umsatz weg.“ SteglitzMind stellt Rosemarie Reif-Ruppert von der Gostenhofer Buchhandlung vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Dass wir die Gostenhofer Buchhandlung, die in Nürnberg ansässig ist, kennenlernen sollten, das hatte sich MacG gewünscht.

Eine Skizze vom Laden…

Rosi Reif-Ruppert © Rainer Kradisch

Rosi Reif-Ruppert © Rainer Kradisch

Die Gostenhofer Buchhandlung gibt es seit 1985 in einem Nürnberger Stadtteil unweit des Altstadtrings. Als wir sie gründeten war der Stadtteil verrufen als ehemaliges „Glasscherben-Viertel“. Inzwischen hat sich viel geändert, aus dem Arbeiter und Handwerker-Viertel wurde ein Stadtteil, in dem viele Künstler ihre Ateliers haben – in den aufgelassenen Handwerks- und Industriebetrieben gibt es viel Raum für wenig Geld. Seit den ersten „Gastarbeitern“ in den 60iger Jahren leben hier auch viele Migranten, die den Stadtteil bunt und vielseitig machen, für die Buchhandlung allerdings nur bedingt Kunden bringen.

Auf ca. 60 qm bieten wir vor allem Belletristik (Krimis!) und Kinderbücher. Seit zwei Jahren sind wir auch Partnerbuchhandlung der Büchergilde Gutenberg. Wir legen großen Wert darauf, Bücher abseits des Mainstreams anzubieten.

Außer mir arbeiten noch eine Vollzeit-Buchhändlerin und drei Minijob-Buchhändlerinnen.

Warum sind Sie Buchhändlerin geworden?

Ich bin der typische Quereinsteiger: Nach zwei anderen Berufen habe ich meinen Traum verwirklichen können und – damals zusammen mit einem Freund – die Buchhandlung eröffnet, was angesichts unserer eher versteckten Lage und dem geringen finanziellen Spielraum ziemlich abenteuerlich war.

Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Ja, sofort und unbedingt würde ich wieder eine Buchhandlung aufmachen! Gibt es denn etwas Abwechslungsreicheres als Bücher? Als Buchhändlerin in einem abhängigen Arbeitsverhältnis würde ich wohl nicht so gerne arbeiten.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

Einiges: Es gibt immer mehr Verwaltungsarbeiten, Verordnungen und Gesetze, die zu beachten sind. Man denke nur an all die gesetzlichen Regelungen in Zusammenhang mit der Website. Dafür ist es viel einfacher geworden, Titel zu bibliografieren, selbst solche, die nicht im Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) und in Barsortimentskatalogen auftauchen.

Wir besorgen sehr viel mehr antiquarische Titel als früher, insgesamt bieten wir viel mehr Service, um die Kunden bei Laune zu halten (das geht so weit, dass wir für Stammkunden deren Lieblings-Karamellen bereithalten)

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Wir haben seit Jahren eine individuelle Website mit Buchtipps, Veranstaltungsinformationen u.a., in die wir den Shop von KNV eingebunden haben. Der wird vor allem von unseren Stammkunden benutzt, die abends noch schnell etwas bestellen wollen. – Facebook ist momentan kein Thema.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

hereinspaziert... © Rainer Kradisch

hereinspaziert… © Rainer Kradisch

Leider muss auch ich sagen, das Internet nimmt uns schon gehörig Umsatz weg. Wir steuern mit all unseren stationären Aktivitäten dagegen. Nischen zwischen Buchkaufhaus und Internetanbieter gibt es auch heute noch genug.

Wie halten Sie es mit dem E-Book?

Reader verkaufen wir nicht. Der E-Book-Verkauf im Laden ist im letzten Jahr ziemlich gewachsen, vor allem bei Viellesern, die gerne zusätzlich noch „richtige“ Bücher kaufen, aber z.B. für lange Zugreisen lieber das leichte Lesegerät mitnehmen.

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Unbeliebtes Thema Self-Publisher. Grundsätzlich habe ich keine Einwände – vorausgesetzt die (Text-)Qualität stimmt. Ja, liebe Self-Publisher, auch Druck, Schriftbild, Papierqualität, Covergestaltung… beeinflussen die Kaufentscheidung! In der Praxis gibt’s jedoch jede Menge Ärger: fehlende Einträge im VLB und oft auch via Internet schlecht oder gar nicht zu bibliografieren. Fehlerhafte Rechnungsstellung, unorthodoxe Liefermethoden, fehlendes Wissen der Usancen im Buchhandel, nicht zu reden von Rechtschreibfehlern im oft genug miserablen Text.

Und ja, es ist ja schön, wenn der Autor von seinem Werk begeistert ist, aber wir wollen auch unsere Kunden im Laden bedienen und nicht so gerne umständlichen Inhaltsangaben am Telefon lauschen.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Unserer eher ungünstigen Geschäftslage geschuldet, bieten wir unseren Kunden eine ganze Palette von Leistungen und Veranstaltungen an: In unserem Literarischen Wohnzimmer stellt eine Kollegin Bücher im Wohnzimmer einer Kundin vor, die dann bestellt werden können. Kunden können sich nach Geschäftsschluss bei uns einschließen lassen und ganz in Ruhe stöbern. In der „Perlen“-Reihe gibt es jeweils in Frühjahr und Herbst Buchvorstellungen für Kinderbücher bzw. Belletristik. Die Bücher-Lounge ist als Gesprächskreis mit Kunden gedacht. Bei einem Glas Wein dürfen auch unsere Kunden Bücher vorstellen und sich darüber austauschen. Unsere Themen-Abende bieten neben Lesungen ausgewählter Literatur passend dazu auch ein vier-gängiges Menue.

Unser Jugendclub für 8- bis 15-Jährige trifft sich einmal im Monat. Im Moment dümpelt er etwas vor sich hin – da brauchen wir eine neue Idee. Zum Welttag des Buches haben wir Schulklassen zu Gast, denen wir ein einstündiges Programm bieten. Kürzlich haben wir für den Stadtteil in Vernetzung mit Kindergärten und Horten eine ganze Woche mit Veranstaltungen rund ums Buch organisiert. Und Büchertische zu den unterschiedlichsten Veranstaltungen sind ja eh’ klar.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

Sind leider mehr als drei.

Na, denn los…

Türchen auf... © Rainer Kradisch

Türchen auf… © Rainer Kradisch

Liebe Verlage, bitte macht Bücher nicht so billig! Wenn die Qualität stimmt, darf ein Taschenbuch auch 14,99 kosten und nicht nur 8.99. Achtet doch bitte wieder mehr auf das Preis-Leistungsverhältnis: für 800 Seiten mit schmucken Cover sind 10 € zu wenig, für 80 Seiten, auf schlechtes Papier gedruckt, sind € 12,90 zu viel.

Übernehmt die Versandkosten, denn dann bekomme ich keine Rechnungen mehr, auf denen statt der billigeren Büchersendung exorbitante Versandkosten im zweistelligen Bereich ausgewiesen werden.

Reduziert die vielen austauschbaren Titel und blast Bücher nicht künstlich auf: in unsere Regale passt halt nur eine begrenzte Zahl von Titeln. Ein Buch mit den Ausmaßen eines Backsteins nimmt uns einfach zu viel Platz weg wenn man den Text auch – ohne Einbußen an guter Lesbarkeit – auf ein Drittel der Seiten unterbringen könnte.

Das gleiche gilt für die Vorschauen: Es bringt mir nichts, einen umworbenen Bestseller einmal von hinten, von vorne, auf einem Stapel, in einen kunstvollen Aufbau oder sonstwie auf jeweils einer ganzen Seite abgebildet bestaunen zu können. Dagegen hätte ich gerne Vorschauen oder Leseproben, die Informationen über Text und Autor bieten. Ja, auch wie die Geschichte ausgeht und wer der Täter ist, darf gerne verraten werden…

Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Weiterhin für den Erhalt des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes und natürlich die Preisbindung zu kämpfen (Gefahrenquelle Freihandelsabkommen mit den USA)

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Aktuell gerade nichts. Nach der Buchmesse hat sich bei uns hier eine gewisse Frustration breit gemacht, was den Messebesuch betraf. Irgendwie hatten wir uns in den letzten Jahren an den Ständen der Verlage zunehmend als Störfaktor gefühlt, nicht als interessierten und möglicherweise sogar interessanten Partner der Verlage. Klar gilt das nicht für alle, wir hatten auch sehr nette Messegespräche, aber wenn mir gesagt wird, ich solle doch von zu Hause aus bestellen, man habe gerade keine Zeit zum Aufnehmen einer Bestellung, dann komme ich schon ins Grübeln…

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Nun, den Kontakt zu richtigen Menschen, die zuhören und Empfehlungen punktgenau auf den Kunden abgestimmt geben können, kann keine noch so gute Maschine ersetzen. Eine Buchhandlung ist immer auch ein Treffpunkt, ein Ort, an dem ich (nicht nur literarische) Anregungen bekomme und der einfach alle Sinne anspricht.

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Doris Müller-Höreth von der Buchhandlung Pelzner in Nürnberg-Eibach ist eine enorm engagierte und ideenreiche Buchhändlerin. Und die sehr schöne Regensburger Buchhandlung Dombrowsky, die viele tolle Veranstaltungen organisiert.

Danke sehr, ich freue mich, dass Sie dabei sind.

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Eine Übersicht über die Empfehlungen, die im Rahmen der Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen seit Juli 2013 zusammengekommen sind, findet sich hier