„Viele wunderbare Bücher, die es auf einer anderen Seite der Welt gibt, erfahren erst durch Blogs und Foren Aufmerksamkeit.“ – SteglitzMind stellt Lia Wolf von der Buchhandlung „lia wolf“ vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Dass heute Lia Wolf von der gleichnamigen Wiener Buchhandlung Rede und Antwort steht, haben wir Gaby Kellner von Barbaras Bücherstube und Anna Jeller von der Wiener Buchhandlung Anna Jeller zu verdanken.

Eine Skizze vom Laden…

Ich bedanke mich für die Empfehlung für dieses Forum bei Anna Jeller, die ich bereits in den achtziger Jahren zu schätzen wusste und damals Gast einer wunderbaren Begegnung zwischen Buchliebhaber und Buchliebhaberin sprich Vertreter und Buchhändlerin sein konnte, und bei Gabriele Kellner von Barbaras Bücherstube in Moosburg, die eine treue und liebe Kundin und Freundin bei jedem ihrer Wien-Besuche ist.

Die Buchhandlung Lia Wolf befindet sich seit Februar 1996 in der Bäckerstrasse, 5 Minuten vom Stephansplatz. Im Jahre 1999, ebenfalls im Februar, sind wir in der gleichen Straße in den historischen Wiener Innenhof in der Bäckerstrasse 2 gezogen, der durch seine Pawlatschen und einen sogenannten Wohnturm architektonisch bedeutsam ist. Die Schwerpunktsetzung der Buchhandlung liegt auf Fotografie, Graphic-Design, Design, Mode, aber auch in erweitertem Sinne, das immer besondere Buch, das auch Kinderbuch, Kochbuch, Architekturbuch oder auch Literatur or something else bedeuten kann, wenn es einen Kontext für mich ergibt.

Warum sind Sie Buchhändler/in geworden?

Lia Wolf  © Oskar Schmidt

Lia Wolf © Oskar Schmidt

Durch Fügung und Lebensumstände – der Beruf ist mir eigentlich „zugefallen“ – ich habe ihn nicht angestrebt. Nach meinem Studium habe ich bei Judith Ortner,  d e r  Kunstbuchhändlerin Wiens in den 80er und 90er Jahren, in ihrer Filiale salopp ausgedrückt „gejobbt“ – so dachte ich anfangs.

Wenn aber Leidenschaft mitspielt, bleibt es nicht beim „jobben“ und durch learning by doing bin ich in diesen Beruf hineingewachsen und habe es lieben gelernt, Bücher in größerem Umfang kennenzulernen, auszusuchen und zu empfehlen. Die Liebe zum Buch und Buch und Mensch zusammenzubringen, war aber immer schon vorhanden. Nach einiger Zeit hat es sich ergeben, dass ich mich mit meinem damaligen Lebensmenschen mit der eigenen Buchhandlung selbständig gemacht habe, was nochmals eine neue Herausforderung war.

Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Das Drehbuch des Lebens schreibt sich in veränderten Situationen immer neu. Vermutlich nein – da er sich aus einer speziellen Lebenskonstellation und grandiosen, sehr speziellen Begegnungen entwickelt hat: but never say never again.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

Durch die neuen Medien ist vieles, was Recherche bedeutet, noch spezialisierter, vielschichtiger und umfangreicher geworden – sowohl in positiver als auch in negativer Richtung – man muss auf vielen Hochzeiten tanzen können, was zuweilen den Überblick zu bewahren schwieriger gestaltet. Die Kompetenz wird manchmal schwer durch die Pseudoallwissenheit und Pseudoverfügbarkeit im Netz auf manche Probe gestellt, die vieles unübersichtlicher, weil eindimensionaler über den Kamm schert.

so schaut's innen aus  © Michael Kollmann

so schaut’s Innen aus © Michael Kollmann

Konzentration ist noch zentraler geworden. Viele wunderbare Bücher, die es auf einer anderen Seite der Welt gibt, erfahren allerdings oft auch erst durch ihre Verbreitung auf Blogs und Foren Aufmerksamkeit, was gerade in meinen Spezialgebieten auch zu wunderbaren Entdeckungen führen kann und auch einen Dialog mit den Schöpfern vereinfacht und möglich macht. Auch die Kommunikation via E-mail mit Verlegern, Vertretern und Kunden ist eine sinnvolle Sache, was ja nicht heißt, dass es den persönlichen Kontakt ersetzt.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Wir haben seit Ende der 90er Jahre eine Website und bieten Bücher auch online an. Ebenso nützen wir Facebook als Plattform. Aber am spassigsten bleibt es immer noch im vis à vis ein Buch zu verkaufen.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

und so von Außen  © Michael Kollmann

und so von Außen © Michael Kollmann

Eine Gefahr wäre die Aufhebung der Buchpreisbindung. Eine andere ist die massive Verramschung von Büchern, sprich nach ein, zwei Jahren werden oft aufgrund zu hoher Auflagen in meinen Spezialgebieten die Ladenpreise aufgehoben und en gros ab verkauft – das irritiert. Der Preisdruck bei Büchern aus dem englischen und amerikanischen Raum im Onlinehandel ist ein großes Problem.

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Wie halten Sie es mit dem E-Book?

In der Buchhandlung führe ich keine E-Books. Ich selbst lese nach wie vor das Buch.

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Ja – ich biete seit Beginn der Buchhandlung auch Publikationen von Self-Publishern an – diese können eine große Bereicherung sein, weil es viele besondere Publikationen gar nicht in einem Verlag gibt, sondern in sehr geringen Auflagen in Eigeninitiative erscheinen. Voraussetzung ist die qualitative Umsetzung des entsprechenden Themas.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Mit Kompetenz, Spaß, Leidenschaft, Persönlichkeit und Unverwechselbarkeit. – Und dem Versuch, die eigene Neugier auf Bücher auf den Kunden zu übertragen. Als Buchhändlerin muss man auch etwas Trüffelschweiniges haben… schon weit vorher rausriechen, was den Appetit anregt. Positive und eine einem gewogene Mundpropaganda, ist trotz allem Vernetzsein (das ist mittlerweile schon Voraussetzung) ein wichtiges Element geblieben. Gewichtig ist sicher, wenn die Kundschaft, die beglückt durch das empfohlene oder auch selbst entdeckte „richtige“ Buch geht, wiederkommt und zu anderen sagt – „geh doch mal dorthin“ – weil hier wird  d a s  Buch für  d e n  Kunden gefunden und nicht anonym auf Bestsellerstapel einsortiert. Der Mensch ist ein Mischwesen aus dem Wunsch nach Einzigartigkeit und doch zugehörig sein Wollendem. So soll er sich im Gespräch bei seiner Buchhändlerin oder seinem Buchhändler doch auch als individuell wahrgenommen und beraten fühlen, was er andernorts vermissen könnte.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

1. weniger Publizieren in 2. niedrigeren Auflagen was zu 3. weniger Verramschen führt und somit der dritte Wunsch sich von selbst erfüllt und für den Wunsch nach Backlistpflege frei bleibt.

Und was würdest Sie sich vom Hauptverband des österreichischen Buchhandels wünschen?

Ich bin nicht Mitglied des Hauptverbandes.

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Einladung zum Stöbern © homolk

Einladung zum Stöbern © homolk

Das Wunder, wie viele interessante Bücher noch entdeckt werden können, die immer wieder das Feuer am Lodern halten… und immer noch der Effekt, den Karton zu öffnen, und sich wie eine Schneekönigin über ein wieder einmal noch nie gesehenes, besonderes Buch zu freuen, das man in Händen hält – das ist dann wie ein bisschen high sein. Und auch die Menschen, die für und um das Buch sich bewegen und Sorge tragen darum, es schreiben oder gestalten, fotografieren oder zeichnen und diejenigen, die kaufen – ein nicht geringer Teil der Menschen, mit denen ich Freundschaft pflege, sind Menschen, die in diesem Odeur der Buchwelt leben und arbeiten, die ich in und über meinen Beruf kennenlernen durfte und die wunderbare Gesprächspartner sind, weil es ja wenn‘s um Bücher geht auch immer um Leben geht. Das ist ein Biotop, das nicht im virtuellen Leben möglich ist. Dies ist ein guter Anschluss an Ihre vorvorletzte Frage…

Na, dann stelle ich die jetzt auch: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Beim Besuch einer guten Buchhandlung, wächst die Seele empor – um ein Voltaire-Zitat zu zitieren.

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Ich empfehle die Buchhandlung Anna Jeller, Buchhandlung a.punkt von Brigitte Salander, beide in Wien, und liber wiederin, Thomas Wiederin, in Innsbruck. Gespräche mit Brigitte Salander und Thomas Wiederin von liber wiederin, weil beide meines Wissens hier noch nicht vorgekommen sind.

Ich bedanke mich und freue mich sehr, dass Sie dabei sind.

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Eine Übersicht über die Empfehlungen, die im Rahmen der Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen seit Juli 2013 zusammengekommen sind, findet sich hier