„Ich habe keine Konkurrenz. Wenn ich einen Autor, der mir gefällt, nicht verlegen kann, frage ich einen anderen Verleger.“ – SteglitzMind stellt Andreas Heidtmann vom poetenladen Verlag vor

Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?

Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Ich freue mich sehr, dass Andreas Heidtmann vom poetenladen Verlag heute dabei ist. Vorgeschlagen hatte das Barbara Miklaw, die für den Mirabilis Verlag verantwortlich zeichnet.

Seit wann gibt es Ihren Verlag?

2005 ging der poetenladen als virtueller Raum für Dichtung ins Netz. Nachdem sich das Literaturportal innerhalb weniger Jahre zu einer der lebendigsten und bestbesuchten Websites für neue deutschsprachige Literatur entwickelt hatte, lag es nahe, ein Komplement zur Webpräsenz zu schaffen. So wurde 2008 der Verlag in Leipzig von mir ins Leben gerufen.

Die Programmschwerpunkte?

Zum Programmschwerpunkt gehört die junge Gegenwartsliteratur, angefangen von der Prosa (Erzählung, Roman, Kurzprosa) über Anthologien bis hin zur Lyrik. Der Verlag bezieht viel Inspiration und Engagement und auch konkrete Unterstützung aus der gewachsenen Netzgemeinde.

???????????????????????Zu den Prosatiteln 2014 zählt die Anthologie „Die Taubenjägerin„, die die besten Texte des MDR-Kurzgeschichtenwettbewerbs versammelt. Für die Kontinuität des Programms ist das halbjährliche Literaturmagazin „poet“ wichtig, soeben ist die 17. Ausgabe mit über 200 Seiten erschienen. Gesprächsthema im Herbst 2014: Literatur und Vergänglichkeit.

Zu den Lyriktiteln des Jahres gehören u.a. Andreas Altmanns Gedichtband (Die lichten Lieder …) sowie der Nachlassband des Chamissopreisträgers Jean Krier (Eingriff, sternklar) und der siebte Band unserer Reihe Neue Lyrik (Roland Erb: Trotz aller feindlichen Nachricht), die zusammen mit der Sächsischen Kulturstiftung herausgegeben wird.

Warum musste es in diesen Zeiten unbedingt ein Verlag sein?

Der poetenladen Verlag entstand Schritt für Schritt. Es war nicht so, dass ich von Anfang an einen Print-Verlag angestrebt hätte. Zunächst gab es ja nur das Internetportal „poetenladen„, das im Mai 2005 online ging. Hieraus erwuchs vor dem Hintergrund einer großen literarischen Community der Verlag.

Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?

Lust auf gute Literatur. Lust auf gute Autoren. Lust darauf, aus einem guten Text ein gutes Buch zu machen. Lust an der Subversion. Denn ein Independent-Verlag handelt meist entdeckerfreudig und passioniert, ohne sich durch ökonomische Vernunft maßregeln zu lassen.

Hätten Sie sich auch ohne die Innovationen infolge der Digitalisierung eine Verlagsgründung zugetraut?

Ich mag das Internet und die digitale Innovation, aber ich verstehe mich als Produzent von Büchern, die man anfassen kann. Es gibt einfache Dinge, die sind bereits optimal und kein evolutionär-wirtschaftliches Durchgangsstadium. Dazu gehört für mich das Buch. Wie der Stuhl. Das vielzitierte Rad. Ein digitales Buch ist für mich keine Weiterentwicklung des haptischen Buches, sondern prinzipiell etwas anderes. Das beinhaltet keine Wertung. Beide werden vermutlich nebeneinander existieren – wie Theater und Kino. Der E-Reader als solitäres Gerät ist allerdings sehr temporär, denn man kann und wird digitale Texte überall lesen.

Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?

Ich habe keine Konkurrenz. Wenn ich einen Autor, der mir gefällt, nicht verlegen kann, frage ich einen anderen Verleger. Umgekehrt habe ich im Verlag Autoren, die mir andere Verleger empfahlen Ähnliches gilt für die Kommunikation mit größeren Verlagen: Martin Hielscher, Jo Lendle, Thorsten Ahrend oder Michael Krüger sind großartige Verleger bzw. Lektoren. Ansonsten: Es wird gern als Besonderheit herausgestellt, dass der poetenladen erst eine Netzcommunity aufbaute und darauf den Verlag „aufsetzte“, so dass er in der Szene bereits vom ersten Buch an bekannt war.

So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?

Literaturmagazin "poet"

Literaturmagazin „poet“

Nichts.

Wie gewinnen Sie Autoren?

Man könnte eher fragen: Wie vertrösten Sie all die guten Autoren, die Sie nicht drucken. Der poetenladen erhält – Portal und Magazin eingeschossen – 5000 Zusendungen pro Jahr.

Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?

Überwiegend Grossisten und Barsortiment. Internethandel. Und einen Online-Shop, den wir selbst betreiben. Ausgewählte Buchhandlungen.

Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen?

Der Buchhandel ist im Allgemeinen auf Bestseller angewiesen. Man kann viel gegen Amazon sagen, aber vom Prinzip her steckt hinter dem Online-Handel auch ein positiver Verbreitungsaspekt: Man erhält eben hier mühelos auch Bücher kleiner Verlage, Lyrik, Raritäten, „Vergriffenes“. Das können sich Buchhandlungen in exponierten Innenstadtlagen kaum leisten.

Wie halten Sie es mit Amazon?

Natürlich kann niemand eine Monopolstellung befürworten. TUBUK, der Internethändler für Independents, hat ja leider aufgehört.

Was tun Sie für Ihr Marketing?

Alles Erdenkliche: Wir sind ja aus einem Web-Portal entstanden. Entsprechend ist unsere Präsenz im Netz groß. Ansonsten: Lesungen, Lesepartys, Literaturpreise (mit etwas Glück). Wichtig sind mir die „Independent-Messen“ wie die BuchLust in Hannover, der Independent-Bazar im Münchner Literaturhaus, das sommerliche Verlagstreffen im LCB und der Lyrikmarkt der Literaturwerkstatt und natürlich die Leipziger Buchmesse, wo wir bis zu 20 Veranstaltungen haben.

Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?

Wir sind Mitglied. Die Kurt-Wolff-Stiftung ist ein guter Gegenentwurf.

Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?

Für alle, die gern Gutes lesen. Wir kümmern uns neben der Prosa und der jungen Literatur auch um die Lyrik, weil es hierzulande viele talentierte Lyriker gibt.

Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?

Das zu machen, von dem wir glauben, dass es ein anspruchsvolles Angebot ist.

Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?

Signet Poetenladen

Signet Poetenladen

Es bedarf einer guten Kondition, um einen Independent Verlag zu führen. Wie lange hält man das durch, Wochenendarbeit und Messen eingeschlossen? 10 Jahre, 20 Jahre, 30 Jahre? Übernimmt jemand den Stab?

Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?

Die gute Literatur. Die meisten Independents machen Dinge, von denen sie überzeugt sind. Bei den Großen gibt am Ende oft der Geschäftsführer (und nicht der Lektor) die Richtung an.

Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?

Sich zu fragen, ob noch mehr gedruckt werden muss.

Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Viele. Da helfen der jährliche Katalog der Kurt-Wolff-Stiftung oder die oben genannten Independent-Messen wie die Buchlust in Hannover oder der Markt der unabhängigen Verlage, vom Münchner Literaturhaus organisiert.

Herzlichen Dank für diesen Einblick, Andreas Heidtmann.

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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier

Der poetenladen Verlag im Netz:

Web-Portal: http://www.poetenladen.de

POET-Magazin: http://www.poet-magazin.de

Verlag: http://www.poetenladen-der-verlag.de

3 Kommentare zu “„Ich habe keine Konkurrenz. Wenn ich einen Autor, der mir gefällt, nicht verlegen kann, frage ich einen anderen Verleger.“ – SteglitzMind stellt Andreas Heidtmann vom poetenladen Verlag vor

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