Warum ich nicht mehr in Buchhandlungen gehe. – Ein Gast- beitrag von Norbert W. Schlinkert

Im Rahmen der losen Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” hatte ich vorgeschlagen, dass Ihr Gastbeiträge beisteuern könntet. Schilderungen aus dem Buchhändleralltag oder, was auch immer… Erfahrungsberichte zum Beispiel: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Nach der Polemik von Stefan Möller aka @Hedoniker Lieber stationärer Buchhandel, wir müssen reden!, die reichlich Wind machte, der Replik darauf von Lorenz Borsche, dem Brief des sterbenden Bildungsbürgers vom Krankenbett herab, dass kein Ausweg sei aus der Feder von Sandhofer, Gerrit van der Meers persönlichem Bericht Draußen vor der Tür. Als arbeitsloser Buchhändler nachts in einer fremden Stadt und Guido Rohms Abgesang Ein Ort für Elben steuert heute Norbert W. Schlinkert einen Beitrag bei.

Norbert, der auch als bildender Künstler unterwegs gewesen ist, veröffentlichte 2005 seine Studie „Wanderer in Absurdistan. Novalis, Nietzsche, Beckett, Bernhard und der ganze Rest“ (Königshausen & Neumann) und wurde 2009 mit seiner Studie „Das sich selbst erhellende Bewußtsein als poetisches Ich. Von Adam Bernd zu Karl Philipp Moritz, von Jean Paul zu Sören Kierkegaard“ promoviert; das Buch erschien Ende 2010 im Wehrhahn-Verlag. Für sein aktuelles, soeben beendetes Romanprojekt wurde ihm 2010 ein Aufenthaltsstipendium des Künstlerdorfes Schöppingen zugesprochen. – Kennengelernt haben wir uns, weil er sein literarisches Weblog Nachrichten aus den Prenzlauer Bergen im Rahmen der Steglitzer Blogger-Interviewreihe auf Empfehlung von Phyllies Kiehl aka Miss TT vorgestellt hat. – Ich sage Norbert für seinen Gastbeitrag danke.

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Vorsicht Buchhandel! Zu Risiken und Nebenwirkungen … Von Norbert W. Schlinkert

Mich sieht selten eine Buchhandlung in sich hineinspazieren. Dabei konnte ich mir bis Mitte der 1990er Jahre kaum Schöneres vorstellen (einiges natürlich schon), als in eine hineinzugehen und dort das Angebot auf mich wirken zu lassen. In meiner Jugend habe ich, in einer Kleinstadt im südöstlichen Ruhrgebiet mit kaum 50.000 Einwohnern, oft Stunden in der Buchhandlung verbracht und mich zum Beispiel entscheiden müssen und vor allen Dingen können, welche Dostojewski-Übersetzung von „Der Idiot“ ich kaufen soll – die Bücher standen im Regal. Mit ellenlangen Wunschlisten habe ich mit dem Rad Pilgerfahrten zu den Dortmunder Buchhandlungen unternommen und bin manchesmal nach Münster getrampt – alles der Bücher wegen, die ich in Augenschein nehmen, in die Hand nehmen wollte, die ich hineinlesend ergründen wollte. Zu Beginn meiner Zeit in Berlin fuhr ich noch von Prenzlauer Berg zu Kiepert am Ernst-Reuter-Platz, bis die sich entschlossen, alles bunt und lustig und kommunikativ zu machen, nur um pleite zu gehen. Alles vorbei!

"Bücher, die mit mir arbeiten" © Norbert W. Schlinkert

„Bücher, die mit mir arbeiten“ © Norbert W. Schlinkert

Nun, angesichts der Buchhändler:innen-Interviews auf SteglitzMind habe ich mich also gefragt, warum ich nicht mehr in Buchhandlungen gehe. Warum ich als Cineast kaum mehr ins Kino gehe, das weiß ich, aber warum nicht mehr zu den Büchern? Ganz einfach, sie sind nicht mehr dort, sie warten nicht mehr auf mich und die anderen Leser meines Schlages. Bin ich aus der Zeit gefallen? Liegt es an mir? Nicht etwa, dass es nicht vereinzelt gute Buchläden gäbe, aber da muss man schon Glück haben, dass sich einer in der Nähe befindet. Zugegeben, ich bin inzwischen eindeutig überqualifiziert und kann nicht erwarten, meine Interessen in einer jeden Buchhandlung berücksichtigt zu finden, es sei denn, es handele sich um eine sogenannte Universitätsbuchhandlung, aber auch da wäre ich inzwischen skeptisch angesichts der um sich gegriffenen Verschulungstendenzen an den Hochschulen, die mehr und mehr zu reinen Ausbildungsstätten für die Wirtschaft verrohen.

Komme ich denn nun nicht mehr an meine Bücher? Doch, natürlich, und zwar wie viele andere Leser auch – ich bestelle sie selbst, oft antiquarisch, und lasse sie mir zu „meiner“ Packstation schicken, wo ich sie auf dem Rückweg vom Einkauf abhole. Eine Buchhandlung würde bei diesem Prozess nur stören. Selbstverständlich, das wäre ein Einwand: Ich könnte das Buch, wenn es sich um ein Neubuch handelt, das der Zwischenhändler auf Lager hat, auch auf der Website einer kleinen Buchhandlung bestellen. Warum tue ich das nicht? Nun, abgesehen davon, dass viele Buchhandlungen inzwischen ästhetisch höchst fragwürdig kunterbunt aussehen wie Kindertagesstätten, und sich auch nicht selten so anhören, habe ich mir zwei, drei Mal diese Blicke der Buchhändlerinnen angetan, die unverhohlen die Nachricht aussendeten, dass sie mich für einen Spinner halten, einen Menschen, der „schwierige“ Literatur liest und gar noch philosophische Bücher. Da fühlte ich mich fehl am Platze, ausgegrenzt und vertrieben. Entschuldigen Sie bitte meine Empfindlichkeit!

Warum machen eigentlich die Buch-Zwischenhändler keine Buchläden auf? Aus dem gleichen Grund, warum die Anbieter von Haushaltsgegenständen und Goldschürfausrüstungen nicht auf Goldsuche gehen. Das Gold wird nämlich immer weniger, je mehr danach suchen. Klar ist das kein gutes Beispiel für den Buchhandel, alle Beispiele hinken, weswegen man am besten das Original betrachtet. Doch was ist das Original? Meiner Ansicht nach ist das Original die immer noch sehr bunte Verlagslandschaft in Deutschland, getragen vor allem von viel, sehr viel aufopferungsvoller Arbeit der Autoren und Verlage und Lektoren und Übersetzer und geschützt von der Buchpreisbindung – fiele diese, so setzten sich auf dem Markt schnell die durch, die mit einer Ware handeln, die nur zufällig Buch heißt und nicht Banane.

Ich kann mich wie die meisten Menschen sehr gut ohne Buchhändler über Bücher informieren, die noch nicht beworbene kommende Massenware mal ausgenommen – warum also, die Frage wird nicht weniger, eine Buchhandlung aufsuchen? Ab und zu gucke ich bei einem Discount-Buchhändler nach preisreduzierten DVDs, manche kaufen da regelmäßig ihre Schokolade. Es scheint allerdings, wie ich neulich mitbekam, eine Kampagne des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zu geben, die alle Menschen zum Buchhändler ihres Vertrauens und zum Buch selbst führen soll. Drei Millionen Euro hat sich der Börsenverein das angeblich kosten lassen, an Geld scheint es denen ja nicht zu mangeln, wenn ich auch ein wenig daran zweifle, ob der Name der Kampagne gut gewählt ist, nämlich „Vorsicht Buch!“ Abgesehen davon, dass die meisten Menschen davon sicher noch nichts gehört haben, sollte es, angesichts der Realität, wohl eher heißen „Vorsicht Buchhandel!“ – zu Risiken und Nebenwirkungen …

© Norbert W. Schlinkert 2013

16 Kommentare zu “Warum ich nicht mehr in Buchhandlungen gehe. – Ein Gast- beitrag von Norbert W. Schlinkert

  1. Ich bin ebenso Buchliebhaber und Cineast—und gehe heute nur selten in Buchläden, ins Kino so gut wie nie.

    Die Erklärungen sind bei mir schlüssig und einfach (mit Vorbehalt für die Vollständigkeit, da ich jetzt aus dem Stegreif schreibe):

    Kino: Billige DVDs mit O-Ton vs. teuere Kinokarten und unausweichbare Werbung bevor einem Werk der mit Falschübersetzungen und minderwärtigen Schauspieler zersynchronisiert ist. („minderwärtigen Schauspieler“: Im Vergleich zu dem Original—fast durchgehend. Mit absoluten Massen gemessen—erschreckend häufig. Und, nein, eine „coole“ Stimme zu haben, reicht nicht aus, um einen guten Schauspieler zu sein.)

    Bücher:

    o Nach Wikipedia, Blogs, und andere Onlinematerialen habe ich relativ wenig Zeit und Energie, um andere Dinger zu lesen.
    o Z.B. Projekt Gutenberg hat eine erheblich grössere Auswahl, insbesondere auf Englisch, ohne dass ich etwas bezahlen muss.
    o Physische Bücher nehmen zu viel Platz in der Wohnung und die eBooks der Buchhändler sind in der Regel mit kundenfeindlichen DRM-Mechanismen versehen (und sind eh nicht in dem physischen Laden zu finden).

    Unter dem Strich gehe ich eigentlich nur hin, wenn ich etwas konkretes suche, wo keine (legale) kostenlose Onlineversion vorhanden ist, etwa der letzte Terry Pratchett.

  2. Lieber Norbert W. Schlinkert

    Es gibt seit langem sein schönes altes Bilderbuch mit dem Titel: „Du hast angefangen! Nein, Du….“
    Was dieses Buch mit Ihrem Aufsatz zu tun hat? Nun, man kann daraus lernen, warum plötzlich in der Buchhandlung der Handke und der Wondratschek fehlen.
    Mitte der neunziger Jahre war die Buchhandelswelt noch in Ordnung. Der Buchhändler konnte es sich leisten, neben den Bestsellern und anderen kommerziell erfolgreichen Titeln, seine Marotten zu pflegen. In fast allen Buchhandlungen konnte man sie finden, die Dostojewskis, Bölls, Handkes und Wondratscheks usw. Daneben noch Lyrik und ausgefallene Bildbänder der Inneren Mongolei. Es war schön damals. Gelebt aber hat man als Buchhändler auch damals schon von der Masse. Die Wondratschekleser waren eine eher kleine Minderheit. Über die Umschlagsgeschwindigkeit japanischer Haikus brauchen wir erst gar nicht zu reden.
    Und plötzlich, erst schleichend, dann immer schneller verschwanden die Kunden in die schönen neuen Buchpaläste und ein bisserl später in den unendlichen Weiten die WWW. Es ist doch viel bequemer sich das ganze direkt auf die Couch liefern zu lassen.
    Natürlich ist der Kunde neugierig und die schöne neue Glitzerwelt war ja so viel „besser und schöner“. Also ging der Kunde. Aber wie es scheint, mit einem schlechten Gewissen. Denn plötzlich war die einstmals geliebte Buchhandlung nur noch ein aus der Zeit gefallener Ramschladen mit schlechter Auswahl und arrogantem unfähigem Personal. So konnte und kann man es zumindest in unzähligen Blogs nachlesen.
    Heute, zehn Jahre später findet man als Buchhändler immer mehr Blogbeiträge in denen unsere alten Kunden genau diesen verstaubten, aus der Zeit gefallenen Buchhandlungen nachtrauern.
    Norbert Schlinkert ist jedoch ein Sonderfall. Er weiß genau, warum er als Cineast nicht mehr ins Kino geht. Er fürchtet die Blicke des Buchhändlers. Er fürchtet sich davor als Leser ausgefallener Literatur diskriminiert zu werden.
    Ein Cineast, der sich Filme nur noch auf preisreduzierten DVDs aus der Discountbuchhandlung ansieht ? Sorry, aber als Cineast kann ich das nicht nachvollziehen. Cineasten haben meist noch nicht einmal einen Fernseher. Zumindest die, die ich so kenne. Und gerade in Berlin gibt es hervorragende Programmkinos, die fast jeden Geschmack bedienen.
    Angst vor den Blicken des Buchhändlers ? Jeder eingefleischte Buchhändler freut sich auf „schwierige Kunden“. Sie sind und waren das Salz in der Bestsellereinheitssuppe. Ich habe es als Buchhändler immer geliebt, wenn der Kunde mich fachlich herausgefordert hat. Damit kann ich als Buchhändler doch ziemlich einfach nachweisen, dass ein Algorithmus nicht in der Lage ist, den Kopf zu ersetzen.
    Und ja, auch viele Buchhandlungen sind, zwangsläufig marktgerecht „Bunt „ geworden. Wer 25% Umsatzes verliert, weil die Kunden den Algorithmus und Lieschen Müllers Kundenmeinung so toll finden, muss einfach mit dem Strom schwimmen. Ob er will oder nicht. Das Marottenregal haben der Betriebsberater und die Hausbank längst über den Jordan geschickt. Ob das immer die richtige Entscheidung war sei dahingestellt.
    Womit wir wieder bei unserem Bilderbuch wären. Wer hat eigentlich damit angefangen? Schwer zu sagen. Das Kunden etwas „Neues“ ausprobieren wollen ist verständlich. Das die Welt sich dreht, unvermeidlich. Und das der Buchhandel sich noch immer in einem Anpassungsprozess befindet ist eine Tatsache. Vieles wird probiert und manches funktioniert bereits. Anderes ist gescheitert. So scheinen Großbuchhandlungen mit hohem „Nonbookanteil“ und mangelhafter Beratung keine Zukunft zu haben. Ebenso wird vielen Kunden deutlich, dass der Algorithmus doch nicht die Ultima Ratio ist.
    Gegen die Angst vor fremden Blicken kann ich als Buchhändler Herrn Schlinkert allerdings nicht schützen. Dieses Problem muss er alleine lösen.

    • Bravo. Sehr richtig. Genau diese Worte sind mir beim Lesen von Herrn Schlinkert`s traurigem „Alltag“ auch in den Sinn gekommen.
      Ich kann da nur sagen: Wer will, findet Wege, wer nicht, Gründe. ( 😉 )
      Die Herausforderung für jeden kommunikativen, intelligenten Buchhändler:in, die es wirklich noch geben soll, sind solche Kunden, die nämlich Spaß und Freude bereiten, weil sie das Wissen und Können in der heutigen „Nimm-Mit-Gesellschaft“ aktivieren und das ist für MICH das Salz in der Suppe. Ich finde es traurig, dass Herr Schlinkert solche schlechten Erfahrungen machen „musste“, denn ebenso wie es gute und schlechte Lokale gibt, gibt es in jeder Branche gute und schlechte Geschäfte. Mit der Einführung des Euro begann gerade für kleine und mittlere inhabergeführte Buchhandlungen der Kampf mit den „Großen“ der Branche, in denen zum Teil Bäckereifachverkäuferinnen oder Grundschullehrerinnen arbeiten. Das die nicht das Wissen einer Buchhändlerin haben, die den Beruf mit Bedacht und LIEBE für sich gewählt hat, eine Ausbildung, wenn nicht gar ein Studium hat (!), scheint mir logisch.
      Wie schön kann es auch sein, wenn Kunden noch nicht mal ganz den Laden betreten haben, und schon von der Eingangstür rufen: “ Ich brauch` neuen Lesestoff“ ! *grins* SO geht Standortbuchhandel nämlich auch. Immer noch !
      Bücher werden nämlich nicht „verkauft“ oder „verhökert“, sondern in erster Linie empfohlen, besprochen, vorgestellt und angeboten. Abgesehen von dem zwischenmenschlichen Kontakt steht bei mir der Service und die Ansprache im Vordergrund. Geht nicht, gibt`s nicht ! 😉
      Wer „Angst“ vor den Blicken einer Buchhändlerin hat, hat auch ANGST vorm Leben, sollte sich eventuell in eine Therapie begeben, oder einfach anfangen sich über den Zustand unseres heutigen Lebens Gedanken zu machen. Ein Gespräch mit einer solchen Fachkraft, wie ich es beschrieben habe, wäre, mit ein wenig Toleranz, schon hilfreich, um sich die „Angst“ nehmen lassen zu können 😉 Aber dazu muss man in Kommunikation treten, was man beim Kauf Online oder in der Billig-Ramsch-Kiste nicht machen muss.
      So sucht sich eben jede/r das aus, was zu seinem Intellekt und Anspruch passt.

      Schade ist nur:
      Wenn immer mehr Menschen so denken, wie Herr Schlinkert, dann wird es in Zukunft nur noch schlecht ausgebildete, unmotivierte „Verkäufer:innen“ geben, die im Geschäft stehen, damit sie am Monatsende ein wenig Gehalt auf dem Konto haben und denen der/die Kunde:in völlig egal sind.
      Bei MIR ist das nicht der Fall.
      Ich mag Herausforderungen. Je intensiver, desto besser.
      Dann macht MIR nämlich meine Arbeit Spaß und motiviert mich, „dabei zu bleiben“.
      DAS wäre dann die andere Seite der Medaille !
      Wie gesagt:
      WER WILL, FINDET WEGE, WER NICHT, GRÜNDE.
      Alles Gute.

      • @Leserin

        Haben Sie den selben Beitrag gelesen wie ich? Von Ihrer Antwort her scheint dies nicht der Fall zu sein.

        Insbesondere, was sollen solche direkte Unverschämtheiten und gehaltlose Spekulationen wie „Wer “Angst” vor den Blicken einer Buchhändlerin hat, hat auch ANGST vorm Leben, sollte sich eventuell in eine Therapie begeben, oder einfach anfangen sich über den Zustand unseres heutigen Lebens Gedanken zu machen.“?

        (Wiewohl diese Behauptung Ihrerseits sehr wenig mit dem Thema zu tun hat, die folgende Nebenbemerkung: Ich selbst vermeide Verkäufer und angebliche Kundenberater nach Möglichkeit, da ich aus Erfahrung sagen kann, die überwiegende Mehrheit hat Interessen an die Interaktion, die in direktem Widerspruch zu den meinigen stehen. Zwar mag dies in z.B. Elektronikläden schlimmer sein, aber auch die Buchläden sind keineswegs unschuldig. Die Mayersche hat sogar gelegentlich reines Werbepersonal aufgestellt, das Kunden abfangen und zum Verkauf verleiten soll.)

      • Mir scheint, da habe ich die Lesefähigkeit und den Intellekt manchen Lesers und mancher Leserin sowie einiger Buchhändler:innen etwas überschätzt. Herr Eriksson fragt ganz zurecht, ob mein Beitrag überhaupt richtig gelesen wurde. Von manchen wohl offensichtlich nicht. (Auf die primitiven Beleidigungen seitens der Leserin gehe ich mal nicht ein, beati pauperes spiritu.)
        Vielleicht probiere ich es aber in der Sache, um die es eigentlich geht, mal so: Liebe Buchhändler:innen, ich sehe Euch als Kaufleute, die ein Produkt verkaufen an Menschen, die teilweise, mutmaßlich zu einem ziemlich kleinen Teil, beratungsbedürftig sind. Mein Wunsch an Euch: verkauft Euer Produkt auf seriöse Art und Weise, nehmt alle Leser ernst, von struntzdoof bis hyperintelligent. Wenn Ihr das nicht könnt oder wollt, den Büchern schadet das nicht!

  3. hübsch… 😉
    aber leider nicht verkehrt…. ich gehe zwar noch in „meine“ buchhandlung, kaufe dort auch die online bestellten Neubücher, aber anregungen und aufreger bietet die buchhandlung mir auch schon lange nicht mehr. Selten kommt die Inhaberin auf mich zu, sie habe etwas für mich.. aber, wie sagt sie, ich muss bücher verkaufen, und zwar soviel, daß ich und der laden davon leben können.
    man muss es wohl einfach akzeptieren, kleine buchhandlungen müssen sich auf ein massenkompables sortimenet beschränken, um den publikumsgeschmack zu treffen. es ist eine vllt wechselseitige beziehung: der leser bestimmt letztlich durch sein kaufverhalten, was die buchhandlung anbietet, die buchhandlung leider immer weniger, was der leser liest..

  4. Der heutige Gastbeitrag von Norbert W. Schlinkert „Vorsicht Buchhandel! Zu Risiken und Nebenwirkungen…“ polarisiert. Bei #SteglitzMind erntet Norbert dafür vielfach Beifall, bei Facebook hingegen vornehmlich Kopfschütteln. – Warum die Kritik nicht am Ort des Geschehens angebracht wird, mag ich mir damit erklären, dass die Hemmschwelle zu groß scheint
    Mehr als das treibt mich meine Vermutung um, dass die auffälligen Meinungsunterschiede ‚Demarkationslinien‘ vermuten lassen: Einerseits die Blogosphäre, namentlich die buch- und literaturaffinen Blogger, die solche Buchhandlungen satt haben, die „alles bunt und lustig und kommunikativ machen“. Und andererseits die Facebooker (nomen est omen), die sich gegen ein vermeinliches „Buchhandelsbashing“ zur Wehr setzen. – Wobei ich ja meine, dass die Gastbeiträge, die bislang bei #SteglitzMind erschienen sind, unisono eine Hommage an den unabhängigen Buchhandel sind, der nicht „alles bunt und lustig und kommunikativ“ machen will. Der anderes bieten will als Mainstream oder Massenware, weil er Bücher liebt und sich für ‚gute‘ Bücher einsetzt. Dem Inhalte mehr bedeuten als Marketinggedöns. – Und (by the way): Kritik wird doch nicht an jenen geübt, die sich in den vergangenen Jahren unabhängig gerierten. Sondern an anderen, denen man meinte, folgen zu müssen…
    Ich lese die Gastbeiträge bei #SteglitziMind jedenfalls nicht als „Bashing“ gegen den Buchhandel. Sondern als einen sentimentalen Abgesang, der in der Hoffnung verfasst wurde/und wird, dass eine Kehrtwende möglich ist. – Und – hier rekurriere ich auf eine Sentenz, die mir in der Gruppe „Buchhandelstreff“ ins Mark stieß: „Jeder Kunde ist ein verlorener Kunde. Sucht das Gespräch…“
    Nun denn…

  5. Ich bin auch über lange Jahre leidenschaftlicher Buchhandlungsstöberer gewesen, doch jetzt haben drei relativ einfache Gründe dazu geführt, dass ich nur noch in sehr wenigen Buchhandlungen fündig werde oder auch nur für mich spannende neue Dinge entdecke:

    1. Ich lesen Science-Fiction
    2. Ich lese primär im englischen Original, weil dieses Genre nur wenig übersetzt wird
    3. Ich lese digital

    Da schlägt eindeutig der „long tail“ zu und was kann mir die Buchhandlung um die Ecke da bieten?

  6. Womit wir wieder beim Thema „Mehrwert“ wären. Welchen Mehrwert bringt mir die Buchhandlung vor Ort? Weil die vor Ort Steuern zahlen? Das interessiert mich als Kunde – mit Verlaub – einen feuchten Kehricht. Die nette Dame an der Kasse? (Herren treffe ich kaum, warum auch immer.) Der zwischenmenschliche Kontakt ist für mich ein Pluspunkt, ja. Mittlerweile haben sich die Damen auch an meine Wünsche gewöhnt – die meisten wenigstens. Dass ich in Erscheinung begriffene Werkausgaben abonnieren kann und mich nicht mehr um die Erscheinungstermine von Folgebänden kümmern muss? Ein grosser Pluspunkt. (Die werden mir von meiner Buchhandlung sogar mit Rechnung nach Hause geschickt – auch der stationäre Buchhandel kann das. Wenn er will. Es hat zugegenermassen ein bisschen Überrredung gebraucht: „Eigentlich haben wir diesen Service eingestellt.“ – „Und uneigentlich?“)

    Aber sonst?

    Dass man Kritik eines (potentiellen) Kunden als „Nörgelei“ abtut, finde ich bedenklich. Auf diese Weise gewinnt man mich nicht als Kunden (zurück). Aber vermutlich sind solche Äusserungen auch nur die Schreie eines Sterbenden in seiner Agonie – ’scuse my French.

    PS. Ich arbeite selber im Kundendienst. (Ganz andere Branche.) Ich weiss, dass der Kunde lieber nörgelt als sich bedankt. Und dass er damit droht, zur Konkurrenz abzuwandern. Ja, dass er auch abwandert, wenn er sich vom Lieferanten nicht ernst genommen fühlt. Obwohl das in unserer Branche mit grösserem Aufwand für den Kunden verbunden ist. Es gibt nur eines: Sich den A… aufreissen, und dem Kunden mit Verständnis begegnen, selbst wenn wir seine Wünsche nicht oder nicht sofort oder nicht ganz auf die Art und Weise erfüllen können, wie er sich das vorstellt. Das ist nicht einfach, das weiss ich auch.

  7. Merkwürdig: Ich habe mich beim Lesen des Artikels mehrmals beim energischen Nicken ertappt, obwohl ich ein völlig anderes Buchkaufverhalten habe. Ich kaufe auch heute noch mit Begeisterung Bücher in Buchhandlungen – und das, obwohl ich als Verlagsmitarbeiter ja auch mit Kollegenrabatt direkt bei Verlagen bestellen könnte. Aber das ist eben einfach nicht das Gleiche: Der Zauber einer Buchhandlung ist für mich auch heute noch nicht tot. Vielleicht bin ich als Bewohner einer Großstadt mit gewissen Wahlmöglichkeiten im stationären Buchhandel allerdings auch privilegiert.

  8. Liebe Leute, ich kann’s nicht mehr hören. Jaja, früher war alles besser und es gab drei verschiedene Dostojewski-Übersetzungen im Regal einer jeden Buchhandlung. Kann es vielleicht sein, dass sich die Welt und wir uns mit einfach verändert hat ? Der Buchhändler macht’s doch immer falsch. Entweder ist er zu elitär oder zu provinziell, zu schlau oder zu dumm und die Buchhandlung ist entweder zu bunt oder zu grau. Ich sag‘ s mal deutlich: die Leute sind einfach übersatt und es fällt ihnen meist nicht mehr ein als zu nörgeln.

    • Wenn ich 3 Übersetzungen nebeneinander stehen hätte, dann würde ich mir erst einmal recht Amazon wünschen – oder soll man von den Einbänden ableiten, welche die beste Translation ist? Im Laden hätte ich gar keine gekauft.

      Übersättigt ist ein gutes Stichwort: Es hat doch jeder viel zu viel Zeug. Um alle meine Bücher / Spiele / DVDs konsumieren zu können, bräuchte ich wohl ein Drittel Leben mehr. Ich wäre froh, wenn ich eines Tages nach Hause käme und ein Dieb mir die Wohnung ausgeräumt hätte. Ich würde mich erleichtert fühlen, den Mist los zu sein. Und dementsprechend bin ich sehr kritisch mit dem, was ich konsumiere, weil es mir Zeit für anderes raubt.

  9. Ja, ich glaube, das ist tatsächlich ein Problem. Viele, auch ich, haben schon so viele schlechte Erfahrungen in Buchhandlungen gemacht, dass man es sich inzwischen zwei Mal überlegt, ob man hineingeht oder nicht. Schade finde ich das allerdings natürlich für die Buchhändler, die ihren Job richtig gut machen. Und von denen gibt es schon noch einige.

  10. Geradezu unheimlich, wie paßgenau der Artikel meine Erfahrungen und Vorgehensweisen abdeckt bzw. wiedergibt! Als Jugendlicher in der DDR war ich mehrmals wöchentlich auf Perlensuche in den Buchhandlungen und freute mich, wenn zwischen den Myriaden an omnipresenter sowjetischer Literatur auch einmal etwas anderes gab. Und das kam durchaus vor. Gerade die Taschenbuchreihen „Taschenbuch der Weltliteratur“, „spektrum“ (Volk & Welt), „bb“ (Aufbau) und vor allem die Reclam-Leipzig-Taschenbücher förderten Neues zutage, von dem mir nicht selten erst heute klar wird, was damals schon zu haben war.
    Gleich nach der Wende verpulverte ich zweimal meine 100.- DM Begrüßungengeld in dem umwerfenden Buchladen von Kiepert am Berliner Ernst-Reuter-Platz.
    Dann kam ich nach Leipzig zurück und stieß nie auf eine so erhebende Präsenz von (Taschen)Büchern, wobei anfangs noch einige durchaus lobenswerte Buchhandlungen existierten. Spätestens als eine 200 Jahre alte Buchhandlungen der Mädlerpassage schließen mußte (Hinrichs?), ging die Ladenkultur den Bach herunter.
    Ich wandte mich den Antiquariaten zu und lebte damit einige gute Jahre.
    Als langjähriger Leser (kürzlich bezeichnete mich jemand als Lesemaschine) stößt man irgendwann an Grenzen, wenn es nämlich gilt, der Titel seiner Autoren habhaft zu werden, die nicht als die übglichen Verdächtigen gelten, die also schwerer zu bekommen sind und beim örtlichen Antiquar oft in vielen Jahren nicht. Das Internet zeigte dann, was es kann. Und somit bin ich seit 15 Jahren für den örtlichen Handel mit Büchern einfach verloren.

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